Die (wie immer definierte) Rechte steht momentan in verschärftem Trommelfeuer. Für PEGIDA, die IB, das IfS, alternative Verlage und Blogs, die JA, die AfD und ihren Flügel hat man das Overton-Fenster fast ganz geschlossen. Die Schamlosigkeit dieser von täglicher Medienhetze begleiteten postdemokratischen Strategie wird nur noch übertroffen durch ihre groteske öffentliche Inszenierung.
Man denke an den tölpelhaften Versuch der sächsischen Wahlleitung, Volkes Stimme zu dämpfen, an juristische Verfolgung von »Falschmeinenden« oder den Zwang zu maoistischer Selbstkritik, der längst die Unterhaltungs- oder Sportbranche erfaßt hat und »Unkorrekte« wie Patrick Owomoyela (imitierte als FußballKommentator einen Halbsatz lang Hitler) oder Clemens Tönnies (äußerte sich klischeehaft über »die Afrikaner«) an tugendterroristische Marterpfähle bindet.
Der bösartige Zug unserer Denunzianten-Republik, in der IM Victoria (Anetta Kahane) ihre Schnüffeltalente erneut beweisen darf, harmoniert dabei bestens mit ihrem infantilen, wonach höchste Staatsvertreter, frei von der Furcht vor Lächerlichkeit, im Beratungsbann der sechzehnjährigen Autistin Greta Thunberg stehen.
Schamlos entlarvend sind neben der willkürlichen Verweigerung von Parlamentsämtern für die einzige nennenswerte Opposition, die MaaßenAffäre oder Reaktionen auf den Mord an Lübcke, wo Peter Tauber und andere sich nicht entblödeten, die AfD verleumderisch mit dem Terrorismus zu identifizieren. Als Gipfelpunkt seiner als »Haßrede pur« zu klassifizierenden Ausführung drohte er dieser Partei mit dem Entzug der Grundrechte. Skrupellosigkeit zeigt der vermehrte Einsatz geheimdienstartiger Horchattacken gegen »böse« Populisten.
Desgleichen Thomas Haldenwangs Stigmatisierung der Identitären zu »Extremisten« bei geduldetem gutmenschlichen Aufmarsch gegen ihr Sommerfest in Halle, wo die von den Behörden tolerierte Antifa-Gewalt unser Grundgesetz zum Wunschkatalog degradierte. Unnötig zu betonen, daß sich die hiesige »Qualitätspresse« für solche Rechtsbrüche nicht interessiert.
Und so zeigte sich einmal mehr die aktuelle Demokratie mit heruntergelassener Hose. Dafür plant man gerade einen (bislang auf 150 Millionen veranschlagten) Burggraben um den Reichstag, der ein wenig vom Seelenzustand unserer Repräsentanten verrät, die sich ihres illoyalen Verhaltens wegen offenbar bedroht wähnen. Was jahrzehntelang als überflüssig galt, in Berlin wird’s Ereignis als mentale Bankrotterklärung.
»Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt«, spottete Brecht nach dem 17. Juni 1953. Ob es da nicht einfacher wäre, »die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?« Auch das ist dem gegenwärtigen Führungskartell längst eingefallen, täglich praktiziert durch Bevölkerungsaustausch. So prekäre Voraussetzungen stellen die Frage nach dem unbedingt zu verteidigenden politischen Minimum.
Es bestimmt sich (jenseits von expliziten Programmpunkten in Sachen Eurokratie, Immigration, Gender-Hokuspokus oder Klima-»Rettung«) als Gebot der Stunde – unverzichtbar für Alternative jedweder individueller oder organisatorischer Ausrichtung. Dieses Minimum heißt Meinungsäußerungsfreiheit als spürbarste Konkretisierung des Freiheitsverlangens generell. Und wer es nicht als zentrales Anliegen begreift, hat den Kampf gegen das Establishment von Anfang an verloren.
In Gesellschaften, die im doppelten Wortsinn noch zu retten sind, müßte es sogar weit über (partei-) politische Gegensätze hinaus bündnisfähig sein. Traut sich doch einer jüngsten Umfrage zufolge eine überwältigende Mehrheit der Deutschen, heikle Politthemen nur mehr im engsten Kreis anzusprechen.
Oder denken wir an wirkliche Liberale, die sich ausgerechnet vom Kern ihrer Weltanschauung »emanzipiert« haben. Denn was gegenwärtig für alle auf dem Spiel steht, ist nichts weniger als Demokratie und Rechtsstaat. Und vielleicht vergrößert der Schock über eine zunehmend weniger verdrängbare Realität auch einmal die derzeit winzige Minderheit unangepaßter Künstler und Intellektueller, deren Berufsethos sich nicht im Kommerz erschöpft und die sich bewußt sind, daß die stets beanspruchte Tradition kritischer Außenseiter ihnen selbst Verpflichtungen auferlegt.
Um einer größeren Allianz willen sollte klar sein, daß die Freiheitsforderung auch dann ihren Sinn behielte, wenn alles falsch wäre, was das Gros im alternativen Lager vertritt. Denn der Grundsatz, jedes Problem unterschiedlich beurteilen zu dürfen und auch eigene Positionen für verhandelbar zu halten, bedeutet nicht bloß marklose Beliebigkeit und inhaltslose Bescheidenheit. Vielmehr garantiert er, daß eine Gesellschaft Lösungen überhaupt noch im ideellen Wettbewerb sucht.
Um die von der Alternative gewünschte Wende braucht einem ohnehin nicht bange zu sein. Denn wo dieses Prinzip (wieder) Geltung erlangt, entfaltet es umgehend seine Dynamik und bewirkt sogar ein Maximum an Neugestaltung. Schon einmal in jüngerer Zeit, in der DDR, gingen Deutsche mit der Freiheitsforderung auf die Straße und haben die Welt bewegt – ein Grund mehr fürs Establishment, dieses Minimum bereits vom Ansatz her rigoros zu bekämpfen.
Meinungsfreiheit ist somit für politische Veränderungen die wichtigste Voraussetzung. Denn wo (wieder) ungehindert gesprochen werden kann, wirkt dies wie in Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Sobald der psychosoziale Druck entfällt, kehrt der gesunde Menschverstand zurück, stürzt ein gigantisches (Lügen-) Gebäude kostspieliger wie gefährlicher Illusionen in sich zusammen.
Wie reagiert die AfD auf die herrschende Illiberalität? Anfangs gehörte der Kampf gegen den Maulkorb zu ihren Hauptzielen. In den Politischen Leitlinien von 2014 hieß es: »Wir wenden uns mit Nachdruck gegen zunehmend verbreitete Tendenzen selbsternannter Gesinnungswächter, Andersdenkende einzuschüchtern oder gesellschaftlich auszugrenzen.«
Inzwischen sank der Stellenwert dieser Forderung, teils aus Mangel an strategischer Einsicht, teils unter verschärftem Druck. Doch schon aus der Anfangsphase der Partei erinnere ich mich an Gespräche mit einigen Funktionären, denen das Thema gegenüber handfesten Wahlkampfzielen wie Euro und Rente zu abstrakt erschien.
Ich wandte damals ein, die Partei könne aus Gründen momentaner öffentlicher Darstellbarkeit zwar kurzfristig auf diesen oder jenen Programmpunkt verzichten, aber nie auf diese Kernforderung. Denn mangelnde Meinungsfreiheit begrenzt die Entfaltung der AfD elementar.
Und positiv gesagt, besitzt die Partei damit ein Alleinstellungsmerkmal, das sie ideell fundiert und emotional stärker bindet als jedes aktuelle Thema. Schließlich gehört, über Tages- oder Parteipolitik hinaus, die Sehnsucht nach dem offenen Wort zu den zeitübergreifenden Wertideen. Wer sie verteidigt oder sogar zurückerobert, erfüllt eine gesellschaftliche Hauptmission.
Wer sie jedoch bekämpft, verordnet seinem Land die erstickende Atmosphäre feiger Anpassung an ein von Lüge bestimmtes Ideal der Alternativlosigkeit. Daraus folgt fast zwangsläufig der Schritt in die tugendterroristische Denunzianten-Republik. Und den geht kein Volk, ohne Schaden an seiner Seele zu nehmen.
Denn Feige sind weder individuell noch kollektiv wirklich glücklich. Und um Selbstvorwürfen zu entgehen, verstricken sie sich in Kompensationen oder Übersprungshandlungen, wie sich am bundesrepublikanischen Beispiel, Kompendien füllend, erläutern ließe, etwa durch aggressive Frontstellung gegenüber allen, die man hierzulande gefahrlos jagen darf.
»Schweinsein gegen rechts zum Billigtarif« ist nun mal die von Regierungsseite geförderte, geläufigste Art psychischer Entlastung. So toben sich Rowdys, justiziell kaum behindert, einschlägig aus, und Maulsadisten träumen davon, etwa Schnellroda durchsuchen zu lassen. Andere wie Martin Sellner mußten dergleichen schon realiter erdulden oder wurden Opfer zeitgemäßer Stasi-Neigungen wie die jenes perversen »Zentrums für politische Schönheit«.
Gleichwohl scheint es für AfD-Vertreter momentan nicht opportun, unbeschränkte Meinungsfreiheit nachdrücklich einzuklagen. Im Vordergrund steht eher die Sorge, ob man damit überall stimmenmäßig punkten oder wie man administrativ-juristischen Nachstellungen entgehen kann. Man ermahnt Mitglieder, sich verbal zurückzuhalten und die Wut darüber zu zügeln, daß ihre Zukunft verspielt wird.
Der Bundesvorstand erarbeitete Handlungsempfehlungen oder Sprachregelungen und bestätigte Abgrenzungsbeschlüsse. Schlimmer noch: Man zerfetzt sich zuweilen öffentlich über die gebotene Nähe oder Ferne zu dem, was als Position der Mitte oder vermeintlicher Radikalität zu gelten hat. Darüber zu spotten ist unangebracht.
Denn natürlich öffnete sich eine fatale Zwickmühle, seit das Establishment den Verfassungsschutz immer dreister als parteiisches Kampforgan nutzt. Zwangsläufig verschärfte sich das Entscheidungsdilemma, wie man mit manchen Mitgliedern und Aussagen umgehen soll: darunter auch mal taktlosen, von der Parteimehrheit nicht gedeckten Äußerungen, die sich schädlich für Außenwirkung und Rechtsstatus der Partei erweisen. Ganz zu schweigen von etlichen agents provocateur, die sich in der AfD tummeln.
Insofern besteht ein berechtigtes Parteiinteresse, nicht ständig auf schwer zu verteidigenden Nebenkriegsschauplätzen gebunden zu werden. Wer politisch wirken will, kann um eines überzeugenden Profils willen nicht jede Abstrusität akzeptieren. Konkrete Politik bedarf auch mal pragmatischer Zurückhaltung, und eine Partei dieser Bedeutung ähnelt keinem Torpedo boot, sondern einem Flugzeugträger, der nicht jedes Scharmützel mitmachen soll.
Allerdings kann man auf dem schmalen Grat ständiger Rücksicht ebenso abstürzen oder sich durch Berührungsangst selbst kastrieren. Wer Klartext und Mut zu Deutschland verspricht, wird den Mainstream immer provozieren. Wer jedoch in dessen Sinn »anständig« wird, verspielt die Hoffnung von Millionen.
Auch vergißt, wer jeden Kontakt mit potentiell Anrüchigem scheut, daß er nach Establishment-Urteilen ebenfalls zu den Politparias gehört und daß das gegnerische Erfolgsrezept vornehmlich auf die Spaltung des alternativen Lagers zielt: in angeblich Radikale und Liberale, Wessis und Ossis. So wäre es ein verhängnisvolles Signal nach außen, entstünde der Eindruck, der Gegner brauche lediglich durch gesteigerten Druck den innerparteilichen Konflikt zu forcieren.
Dann würden die jeweiligen Ränder in immer kürzeren Abständen abgestoßen, und am Ende verbliebe nur mehr eine quantitativ oder programmatisch ausgesogene AfD, mit der man leichtes Spiel hätte. Besser orientiert man sich ohne Fremdbestimmung an eigenen Zielen und definiert im breiter gefächerten alternativen Lager unaufgeregt Gemeinsamkeiten und Differenzen.
Gefragt ist Stehvermögen ebenso wie taktische Vernunft, verbunden mit der Einsicht, daß die törichten oder peinlichen Äußerungen in aller Regel nicht Ursache der Empörung sind. Die AfD könnte sich bis zur Selbsthäutung »reinigen«, es nützte ihr wenig Sie wird vom Establishment solange nicht politisch amnestiert, wie Denunziation mehr politische Rendite einbringt als Argumentation. Ausrichtung an der Mainstream-Schelte macht die AfD-Führung zur Getriebenen derjenigen Kräfte, die sie ablösen will.
Denn rote Linien ziehen stets andere, die einer wirklichen Erneuerung unseres Landes spinnefeind sind. Die herrschende Klasse setzt dabei ein Machtmittel ein, dessen perfide Wirksamkeit zu erfassen zu den Essentials politischer Handlungslehre gehört: Sie schafft sich, staatlich gestützt, einen ständig vergrößerten tabuisierten ideologischen Freiraum. Da er politisch nicht mehr hinterfragt werden soll, wird Kritik daran zumindest moralisch kriminalisiert.
Zivilgesellschaftliche Hilfstruppen und (angeblich Diskriminierung abbauende) Sprachvorschriften sichern ihn ab (exemplarisch das vielfach absurde Gender-Neusprech). Dem folgt die juristische und verfassungsmäßige Einhegung des besetzten Meinungsterrains, was der Opposition endgültig den Schwarzen Peter zuspielt.
Diese juristische Kontaminierung des Vorfelds politischer Entscheidungen zählt zu den schärfsten postdemokratischen Waffen – eine Auswucherung von Gesinnungstatbeständen, die fraglos den Geist unseres Grundgesetzes verletzt, selbst wenn Josef Schüßlburner (siehe Literaturangabe!) klarsichtig eine dubiose Besonderheit deutschen Verfassungsrechts ausmachte.
Zusätzlich stellt ein maßlos erweiterter § 130 StGB selbst Relativierung historischer Urteile unter Strafe, was eigentlich das tägliche Brot jedes seriösen Historikers vergiftet. Rechtsstaatliche Mißgeburten wie Maas’ Netzwerkdurchsetzungsgesetz verstärken die (halb-)staatliche Einflußnahme. Aufgabe demokratischer Justiz ist jedoch nicht, regierungsunfreundliche Emotionen, Geschmacksniveaus, Welt- oder Geschichtsbilder zu verhindern, sondern die Einhaltung von Grundregeln zu garantieren, nach denen man soziale Konflikte austrägt.
Auch sollte es wirkliche Demokraten schaudern vor der uferlosen Ausdehnung von Gesinnungstatbeständen: vom ehemals selbstverständlichen ethnischen Volksbegriff über »gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit« bis zu »Haß« und »Hetze«, deren gummihafte definitorische Unschärfe der Machtwillkür Tor und Tür öffnet. Die dahinterstehende Rechtsphilosophie nannte mein akademischer Lehrer in den 1970ern verhängnisvoll und anmaßend.
Selbst in einer Zeit, als der (linke) Terrorismus seine mörderische Dimension entfaltete, widersprach er dem Kurzschluß, aus Fundamentalkritik an Staat und Gesellschaft straf- oder verfassungsrechtliche Verantwortlichkeit abzuleiten. Wenn somit eine dezidiert gewaltfreie Bewegung wie die Identitären durch einen liebedienerischen Verfassungsschutzpräsidenten als »extremistisch« eingestuft wird, während militante Linksrowdys sich sogar ministerieller Persilscheine erfreuen, sollten alle demokratischen Alarmsirenen schrillen.
Solche Obrigkeitssicht wittert ja schon unzulässige »Feindbilder«, wo gegen den UN-Migrationspakt protestiert wurde, den die Regierung, nur durch die AfD gehindert, ursprünglich am Volk vorbeiratifizieren wollte. Durch diese Gesinnungsherrschaft wird nennenswerte Kritik am aktuellen Politkurs praktisch illegalisiert. Und wir unterliegen der Paradoxie, daß sich die vielbeschworene Volksherrschaft durch strangulierende Redevoraussetzungen selbst außer Kraft setzt und die momentan größte Rechtsstaatsgefährdung von sog. Verfassungsschützern ausgeht.
Man muß sich der mangelnden Legitimität dieses postdemokratischen Schutzraums stets bewußt sein und seinen Wählern vermitteln, daß es bei solchen (ausschließlich auf Meinungen basierenden) staatlichen Zugriffen weder um Moral noch Recht, sondern um pure Macht geht. Die AfD und Umfeld-Initiativen sollen nämlich nicht deshalb observiert werden, weil sie ein nicht zu duldendes Maß an Extremismus vertreten.
Diese Mär können unsere Schlapphüte bzw. Strippenzieher(innen) nur deshalb verbreiteten, weil der Tabu-Raum ständig in Richtung Mitte verschoben wurde. So wird heute bereits skandalisiert, was weder Adenauer, Strauß, Schumacher oder noch Brandt erregt hätte. Denn eine gigantische Begriffsfälscherwerkstatt arbeitet rund um die Uhr, um durch ständig verschärfte Definitionen für Hetze, Rassismus, Sexismus oder zahlreiche Antis neue Waffen im politischen Kampf zu schmieden.
Man begründet nicht, sondern gliedert immer mehr Themen, Worte, Werte oder Kriterien quasi aus dem legitimen Meinungskorridor aus. Wo die Justiz mitspielt, heißt dies: Regieren leicht gemacht. Folgt die AfD solchen Vorgaben, wird sie am Nasenring durch die politische Arena gezogen, wobei mittlerweile ja schon nichtlinke Faschingsscherze Staatsanwälte mobilisieren.
Deshalb stelle man klar: Ob aktuell verpönte Thesen zu den Weltkriegen, zum Kolonialismus oder Multikulti-Ansprüchen vertreten oder die erste Strophe des Deutschlandlieds gesungen wird, ob man Gaulands »Fliegenschiß«-Metapher als unglücklich empfindet oder sich geschichtspolitische 180-Grad-Wenden wünscht, ist für die Partei eine Frage der Profilierung, des Geschmacks wie der Taktik.
Aber es darf nie eine der Legalität sein, für die sich staatliche Behörden zuständig wähnen. Wer dies nicht auseinanderhält, leistet der Totalisierung des Diskurses in einer Denunziationsgesellschaft Vorschub. Pragmatische alternative Politik gleicht somit einer Gratwanderung mit der Gefahr, zum Ritt auf der Rasierklinge zu entarten.
Sie mag sich kurzfristig Pressionen fügen oder durch Trennlinien ihr Profil schärfen. Aber sie muß im Auge behalten, daß das meiste von dem, was auch darüber hinaus politkriminalisiert wird, in einem intakten Rechtsstaat sagbar ist oder sein sollte, sogar ohne schlechtes Gewissen. Wer also, der Not gehorchend, nur zurückweicht, und nicht auch für andere plädiert, die gerade zu Unrecht am Pranger stehen, oder gar durch die Art seiner Abgrenzung zur Diskreditierung der Gejagten beiträgt, fungiert letztlich als Erfüllungsgehilfe der Macht.
Wer ungestörte Entfaltung für sich selbst will, muß auch für die anderer eintreten. Denn fast jede Regierungsmaßnahme gegen Einzelne und Organisationen, die nicht gegen klassische Rechtsnormen verstoßen, zielt zugleich auf die AfD. Wer etwa kommentarlos zusieht, wie gerade ein Wellenbrecher wie die Identitären demontiert wird, unterläßt Prävention gegen künftige totalitäre Sturmfluten und wird irgendwann selbst verschlungen.
Das zu bewahrende Minimum fordert ein (verfassungsmäßiges) Maximum. Wer Grundsätzliches nicht verteidigt, wird bei der offensiven Ideologie Merkelaniens auf einen immer kleineren ideellen Brückenkopf zusammengedrängt. Und jenseits aller Parteistrategie gibt es natürlich noch den elementaren Anspruch, daß Freiheit ähnlich wie Schwangerschaft zu bewerten sei, im Sinne von Ja oder Nein.
Solche Neigung spürt man im Sehnsuchtslied von Gitte Hænning aus den 1980ern. »Jetzt bin ich frei und will alles«, sang sie: »Nie mehr bescheiden und stumm / Nie mehr betrogen und dumm / Nein! Ich will alles / Ich will alles / Und zwar sofort.«