Daniel Zipfel: Die Wahrheit der anderen

Daniel Zipfel: Die Wahrheit der anderen. Roman, Wien: Kremayr & Scheriau 2020. 223 S., 19.90 €

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Im spä­ten Win­ter 2013 besetz­ten »Geflüch­te­te« die Votiv­kir­che in Wien. Her­nach setz­te die soge­nann­te Iden­ti­tä­re Bewe­gung einen drauf, indem sie die besetz­te Kir­che ihrer­seits besetz­te. In die­sem (gleich­wohl erstaun­li­chen) Roman, der die­se Sze­ne in einer »Mino­ri­ten­kir­che« nach­emp­fin­det, spielt die­se Geburts­stun­de der »IB« lei­der kei­ne Rolle.

Den­noch ist das ein kras­ses Stück: Es geht um Uwe Tin­ner­manns, um sei­nen preis­ge­krön­ten Chef Kon­rad Brandt, um Vee­na Shahi­da, um Flücht­lings­füh­rer Ramis und um die tod­kran­ke Anwäl­tin Frau Toth. Tin­ner­manns ist ein auf­stre­ben­der Jour­na­list, der aus den paki­sta­ni­schen Flücht­lings­pro­tes­ten in Wien Nek­tar sau­gen will.
Er hat ein bedeut­sa­mes Pho­to geschos­sen: Ein Poli­zist thront schein­bar arro­gant über einer Flücht­lings­frau, die blu­tet. Die­se Frau – Shahi­da – hat in Wahr­heit gera­de sei­ne Hil­fe abge­lehnt. In »den Medi­en« kommt das so nicht an. Es scheint, als wür­de die Frau von »den Bul­len« mal­trä­tiert. Das Pho­to wird zur Iko­ne. Autor Zip­fel (*1983, deut­scher Wahl­wie­ner, selbst »Jurist in der Asyl­rechts­be­ra­tung«) spießt aller­lei auf, was im Rah­men der »Geflüchteten«-Debatte stets unterging.
Das ist teil­wei­se kraß poli­tisch unkor­rekt. Allein die­se Orgi­en, die die Paki­sta­nis und ihre Unterstützer*ìnnen im sakra­len Raum fei­ern! Müll und Sper­ma, das ist gewagt! Und wie es ist, sol­che Geflüch­te­ten­ge­schich­ten als Anwalt zu beglei­ten: »Die gro­ßen Augen am Anfang, der Frust am Ende. Der blin­de Glau­be dar­an, die Tra­gö­die des eige­nen Schick­sals müs­se nur erkannt wer­den, die nai­ve Über­schät­zung des emo­tio­na­len Faktors.« 

Lite­ra­risch kommt lei­der allen­falls eine Drei plus her­aus. Der Autor ver­hed­dert sich in sei­nen unter­schied­li­chen Dra­men, sein Per­so­nal und des­sen Beweg­grün­de blei­ben sämt­lich unscharf. Zuviel wird behaup­tet, anstatt es sze­nisch zu ver­deut­li­chen. Dabei gibt es her­vor­ra­gen­de Sze­nen und Dia­lo­ge! Zip­fel ent­larvt die Flücht­lings­in­dus­trie, ihre Kom­mu­ni­ka­ti­ons­re­geln und ihren gesam­ten Ges­tus. Dies alles zusam­men­ge­nom­men ist selt­sam für einen Autor, der schon zahl­rei­che (Mainstream-)Preise gewon­nen hat. Inso­fern: beachtenswert.

Die Wahr­heit der ande­ren von Dani­el Zip­fel kann man hier bestellen.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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