Im späten Winter 2013 besetzten »Geflüchtete« die Votivkirche in Wien. Hernach setzte die sogenannte Identitäre Bewegung einen drauf, indem sie die besetzte Kirche ihrerseits besetzte. In diesem (gleichwohl erstaunlichen) Roman, der diese Szene in einer »Minoritenkirche« nachempfindet, spielt diese Geburtsstunde der »IB« leider keine Rolle.
Dennoch ist das ein krasses Stück: Es geht um Uwe Tinnermanns, um seinen preisgekrönten Chef Konrad Brandt, um Veena Shahida, um Flüchtlingsführer Ramis und um die todkranke Anwältin Frau Toth. Tinnermanns ist ein aufstrebender Journalist, der aus den pakistanischen Flüchtlingsprotesten in Wien Nektar saugen will.
Er hat ein bedeutsames Photo geschossen: Ein Polizist thront scheinbar arrogant über einer Flüchtlingsfrau, die blutet. Diese Frau – Shahida – hat in Wahrheit gerade seine Hilfe abgelehnt. In »den Medien« kommt das so nicht an. Es scheint, als würde die Frau von »den Bullen« malträtiert. Das Photo wird zur Ikone. Autor Zipfel (*1983, deutscher Wahlwiener, selbst »Jurist in der Asylrechtsberatung«) spießt allerlei auf, was im Rahmen der »Geflüchteten«-Debatte stets unterging.
Das ist teilweise kraß politisch unkorrekt. Allein diese Orgien, die die Pakistanis und ihre Unterstützer*ìnnen im sakralen Raum feiern! Müll und Sperma, das ist gewagt! Und wie es ist, solche Geflüchtetengeschichten als Anwalt zu begleiten: »Die großen Augen am Anfang, der Frust am Ende. Der blinde Glaube daran, die Tragödie des eigenen Schicksals müsse nur erkannt werden, die naive Überschätzung des emotionalen Faktors.«
Literarisch kommt leider allenfalls eine Drei plus heraus. Der Autor verheddert sich in seinen unterschiedlichen Dramen, sein Personal und dessen Beweggründe bleiben sämtlich unscharf. Zuviel wird behauptet, anstatt es szenisch zu verdeutlichen. Dabei gibt es hervorragende Szenen und Dialoge! Zipfel entlarvt die Flüchtlingsindustrie, ihre Kommunikationsregeln und ihren gesamten Gestus. Dies alles zusammengenommen ist seltsam für einen Autor, der schon zahlreiche (Mainstream-)Preise gewonnen hat. Insofern: beachtenswert.
Die Wahrheit der anderen von Daniel Zipfel kann man hier bestellen.