Gisela Horst: Panajotis Kondylis. Leben und Werk – eine Übersicht

Gisela Horst: Panajotis Kondylis. Leben und Werk – eine Übersicht. (= Epistemata 605), Würzburg: Königshausen & Neumann 2019. 560 S., 58 €

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

»Kon­dy­lis ist lei­der noch immer ein ›Geheim­tip‹.« Mit die­sen Wor­ten schließt Gise­la Horst die 488 Sei­ten des Haupt­tex­tes ihrer gro­ßen Werk­schau Pana­jo­tis Kon­dy­lis’ (1943 – 1998). Dabei ist der grie­chi­sche Phi­lo­soph, der sein Haupt­werk auf Deutsch ver­faß­te, dem Namen nach kein Unbe­kann­ter – und auch kein Ver­ges­se­ner der Geis­tes­ge­schich­te. Den­noch ist die Rezep­ti­on sei­nes Wer­kes weit­ge­hend auf Krei­se beschränkt, die sich sei­nem Werk auf­grund per­sön­li­cher Begeg­nung ver­pflich­tet füh­len, oder die nach Rüst­zeug für den Kul­tur­kampf der Gegen­wart suchen. 

Letz­te­res ist bei den­je­ni­gen der Fall, die man im wei­tes­ten Sin­ne als Rechts­in­tel­lek­tu­el­le bezeich­nen könn­te (auch wenn sie ihr Weg, wie der von Kon­dy­lis selbst, nicht sel­ten von ganz links außen zur rech­ten Ein­sicht führ­te). Die per­sön­li­che Begeg­nung bil­det hin­ge­gen bei Gise­la und ihrem Mann Horst Falk den Aus­gangs­punkt der Beschäf­ti­gung. Horst Falk hat sich in vie­ler­lei Hin­sicht um das Werk von Kon­dy­lis ver­dient gemacht, hat ihn schon zu Leb­zei­ten bera­tend unter­stützt, sein unvoll­ende­tes Nach­laß­werk Sozi­al­on­to­lo­gie her­aus­ge­ge­ben, in regel­mä­ßi­gen Abstän­den mit Sam­mel­bän­den auf das Werk von Kon­dy­lis auf­merk­sam gemacht und schließ­lich als Vor­sit­zen­der des Freun­des­krei­ses Pana­jo­tis Kon­dy­lis e.V. die Bemü­hun­gen um das Erbe des Den­kers koordiniert. 

Der vor­lie­gen­de Band ist die Dis­ser­ta­ti­ons­schrift, mit der Gise­la Horst, von Hau­se aus Natur­wis­sen­schaft­le­rin, 2018 an der Fern­uni­ver­si­tät Hagen bei Prof. Dr. Peter Brandt pro­mo­viert wur­de. Brandt gehört als Grün­dungs­mit­glied des Kon­dy­lis-Insti­tuts für Kul­tur­ana­ly­se und Altera­ti­ons­for­schung eben­falls zu den beken­nen­den Kon­dy­lis-Freun­den. Die Arbeit ver­sucht nichts weni­ger, als eine Gesamt­schau von Leben und Werk Kon­dy­lis zu bie­ten, dabei alle greif­ba­ren Quel­len zu nut­zen und die erreich­ba­ren Zeit­zeu­gen zu befragen.
Da über Kon­dy­lis’ Bio­gra­phie offen­sicht­lich vie­le Mythen im Umlauf sind, ist das ers­te Kapi­tel »Bio­gra­phi­sches« für den Kon­dy­lis-Leser ver­mut­lich das inter­es­san­tes­te, weil es erst­mals gesi­cher­te Infor­ma­tio­nen zum Leben bie­tet, wenn­gleich auch hier Lük­ken Anlaß zu Spe­ku­la­tio­nen geben. Belegt wer­den die lin­ken Anfän­ge von Kon­dy­lis, die Arbeit und Aus­ein­an­der­set­zun­gen um sei­ne gro­ßen Bücher wer­den geschil­dert, und schließ­lich wird er in Bezie­hung zu für ihn wich­ti­ge Autoren gesetzt.
Etwas merk­wür­dig ist der dabei zuta­ge tre­ten­de Eifer, mit der die Autorin den Nach­weis zu brin­gen ver­sucht, daß Kon­dy­lis in keins­ter Wei­se von Carl Schmitt beein­flußt gewe­sen sei. Die Argu­men­te und auch die Selbst­aus­sa­gen von Kon­dy­lis sind nicht beson­ders über­zeu­gend. Das zwei­te Kapi­tel ist den »Begrif­fen und The­men« gewid­met, die im Werk von Kon­dy­lis eine beson­de­re Rol­le spie­len. Die Zusam­men­fas­sun­gen sind erhel­lend, wenn­gleich sie nur sehr zurück­hal­tend kon­tex­tua­li­siert wer­den, was es der Autorin erleich­tert, Kon­dy­lis als eine Mona­de im Wis­sen­schafts­be­trieb des 20. Jahr­hun­derts her­aus­zu­stel­len. Da Kon­dy­lis ein flei­ßi­ger Leser war, ist die­se Her­an­ge­hens­wei­se etwas pro­ble­ma­tisch, wenn­gleich im Rah­men eines Buches mehr kaum zu leis­ten sein dürfte. 

Das drit­te Kapi­tel wen­det sich dann chro­no­lo­gisch den Tex­ten von Kon­dy­lis zu, sowohl den Büchern, als auch den Tex­ten, die in Zei­tun­gen und Zeit­schrif­ten erschie­nen, indem eine kur­ze Zusam­men­fas­sung des Inhalts gebo­ten wird. Abge­run­det wird das durch den Anhang, in dem eine Biblio­gra­phie (die sich auch sei­ner Über­set­zer­tä­tig­keit wid­met), eine Zeit­ta­fel und Aus­zü­ge aus Rezen­sio­nen zu fin­den sind.

Ins­ge­samt han­delt es sich um ein über­aus nütz­li­ches Buch, das hof­fent­lich dabei hilft, Miß­ver­ständ­nis­se von Kon­dy­lis’ Werk, die oft­mals eher bewuß­te Fehl­in­ter­pre­ta­tio­nen sind, auf­zu­klä­ren. Wün­schens­wert wäre, um Kon­dy­lis vom Geheim­tipp zur Bezugs­grö­ße zu erhe­ben, daß die Autorin ihr Wis­sen zu einer kur­zen Ein­füh­rung in Leben und Werk Kon­dy­lis ver­knappt, die dann auch den­je­ni­gen, denen Kon­dy­lis bis­lang nichts sagt, als Ein­stieg die­nen könnte.

Pana­jo­tis Kon­dy­lis. Leben und Werk – eine Über­sicht
von Gise­la Horst kann man hier bestel­len.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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