Namhafte anglo-amerikanische Liberale wie Francis Fukuyama, Margaret Atwood und Gloria Steinem beklagen in einem offenen Brief die Einschränkung des freien Austauschs von Information und Ideen. Die von Ihnen so wertgeschätzte »Toleranz« und die Ambivalenz des Denkens verliere zusehends an Boden. Dabei möchte man jedoch jeden Verdacht, zur »falschen« Seite zu gehören, sogleich zerstreuen: Rassismus, Geschlechtergerechtigkeit, Kolonialismus und LGBTQ-Themen seien wichtige Diskussionen, denen sich die westlichen Gesellschaften zu stellen hätten. Nur das »Wie« behagt den Damen und Herren nicht ganz.
Derweil es den Liberalen in ihrem eigenen Stübchen zunehmend ungemütlich wird, öffnet sich der Meinungskorridor, je mehr man zum »Rande der Gesellschaft« vorstößt. Dort entlarvt in der fünften Gesprächsrunde vor Mikrofon am Tisch auf dem Rittergut Schnellroda IfS-Leiter Dr. Erik Lehnert das Klagen der Unterzeichner sogleich als die verlogene Heuchelei, die es ist.
Denn was man moniert ist nicht die Verbannung der Stimmen, die ein grundsätzliches Problem mit dem liberalen Rahmen an sich haben und denen seit jeher kein Platz im öffentlichen Diskurs zusteht, sondern, daß man nun selbst vor die Tür des eigenen Hauses gesetzt wird. Mit anderen Worten: sie bekommen jetzt ihre eigene Medizin zu schmecken und es behagt ihnen überhaupt nicht.
Neben liberalen Selbstzerfleischungen sind im aktuellen Podcast auf dem kanal schnellroda außerdem ein »kontroverses« Interview des Historikers Wolfgang Reinhard in der FAZ, das im Nichts verhallt und keine Wirkung zeitigen möchte, sowie die eigene Aktivität als Virusschleudern subversiven Gedankenguts Thema.
Unbedingt hier reinhören:
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Beim Ausmisten alter Lesezeichen in meinem Browser stolperte ich über einen Text des Althistorikers Alexander Demandt aus dem Jahr 2016, der, nachdem ihn die Zeitschrift Die politische Meinung abgelehnt hatte, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht worden war. Auf der Höhe der Migrationskrise schrieb er über „Das Ende der alten Ordnung – Untergang des Römischen Reichs“.
Für Demandt steht ein zentraler Faktor des Untergangs des Römischen Reichs fest: die massenhafte Einwanderung germanischer Stämme ab dem Jahr 376 n. Chr. Rom war nicht dazu in der Lage gewesen, die in das Reich einströmenden Massen in die römische Gesellschaft zu integrieren, wie dies noch über die vorigen Jahrhunderte mit kleineren Mengen an Fremden bewältigt werden konnte.
Es liegt auf der Hand, warum Die politische Meinung diesen von ihnen zuerst noch ausdrücklich bestellten Text nicht abdrucken wollte. Die Analogiebildung zu unserer heutigen Zeit drängt sich auf, aber wer will schon aus der Geschichte lernen:
Man sollte nun annehmen, dass die Einbürgerung der Fremden zu einer Integration führen müsste, wie es dreihundert Jahre lang der Fall war. Aber je mehr Germanen kamen und je höhere Posten sie errangen, desto schwieriger wurde das. (…) Es ist eine alte Frage, weshalb die reiche, hochentwickelte römische Zivilisation dem Druck armer, barbarischer Nachbarn nicht standgehalten hat. Man liest von Dekadenz, von einer im Wohlstand bequem gewordenen Gesellschaft, die das süße Leben des Einzelnen erstrebte, aber den vitalen und aktiven Germanenhorden nichts entgegenzusetzen hatte, als diese, von der Not getrieben, über die Grenze strömten. Überschaubare Zahlen von Zuwanderern ließen sich integrieren. Sobald diese eine kritische Menge überschritten und als eigenständige handlungsfähige Gruppen organisiert waren, verschob sich das Machtgefüge, die alte Ordnung löste sich auf.
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Jemand, der vor der Bildung historischer Analogien nicht zurückschreckt, ist der belgische Althistoriker Prof. Dr. David Engels. Sein Buch Auf dem Weg ins Imperium (hier bestellbar) zieht ganz in der Tradition Oswald Spenglers Parallelen zwischen der Krise der Römischen Republik, die schlußendlich in der Transformation zum augusteischem Prinzipat endete, und einer taumelnden Europäischen Union: Immigrationsproblematik, Materialismus, Werteverlust und Politikverdrossenheit sind nur ein Ausschnitt von Phänomenen, die beide Systeme miteinander teilen.
Seine aktuellste Buchpublikation Was tun? ist im katholischen Renovamen-Verlag erschienen und versucht eine Antwort darauf zu geben, wie man mit dem Niedergang Europas; mit der Gewißheit, daß morgen schlimmer sein wird als heute; mit dem Wissen, daß die Tage der abendländischen Zivilisation, so wie wir sie heute kennen, lebt. Was tun? kann hier, bei Antaios, dem größten konservativen Versandbuchhandel bestellt werden.
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Da unser Milieu viel und tief liest, geht es direkt weiter mit gedruckten Buchstaben auf Papier. Das Buch im Haus nebenan (hier bestellbar) hat bei vielen Lesern erhebliches Interesse an den im Sammelband vorgestellten Schlüsselwerken der einzelnen Autoren geweckt und die Nachfrage nach den Titeln ist hoch.
Wir haben daher extra für Sie einen Bücherschrank zusammengestellt, der alle erwähnten Werke enthält und Ihnen die Suche erspart. Hier geht es zum virtuellen Regal. Besonders Ernst von Salomons Der Fragebogen (hier bestellbar), Hans Falladas Wolf unter Wölfen (hier bestellbar), Gustave le Bons Psychologie der Massen (hier bestellbar) und Uwe Krügers Meinungsmacht (hier bestellbar) werden nachgefragt.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein lektürereiches Wochenende.
Der_Juergen
Ein guter Artikel zum Wochenabschluss.
"Das Buch im Haus nebenan" habe ich mit grossem Gewinn gelesen; neben sehr vielen mir bekannten Werken wie "Der Fragebogen", "Wolf unter Wölfen", "Die Psychologie der Massen" oder "Die letzte Welt" stiess ich bei der Lektüre auch auf eine Reihe mit nicht oder nur dem Titel nach bekannten Büchern, von denen ich etliche in naher Zukunft lesen möchte. Am stärksten beeindruckt hat mich übrigens Bosselmanns Besprechung des "Zauberbergs", da ich darin viele für mich neue Facetten in einem an sich altbekannten Meisterwerk entdeckte.