Zugegeben: Der Titel klingt nicht so, als müßte man das Werk dringend lesen. Er paßt zudem perfekt zu der Art, wie wir durch das Geflecht all dieser Zahlen, Erhebungen, Statistiken und Korrelationen geleitet werden. Der junge Soziologieprofessor Martin Schröder (*1981) erklärt uns betont locker seinen »Job«: mit ihm durchs Datendickicht! Aber, ey, »viele die mich kennen, würden sagen: Es ist das Einzige, was ich wirklich kann. Ich stehe oft verwirrt im Keller, weil ich vergessen habe, was ich dort holen wollte. Alle paar Wochen vergesse ich meinen Koffer im Zug, weil ich über Statistiken nachgedacht habe.« Solch kumpeliges Anbiederungsverhalten geht weit über den typisch angelsächsischen Schreibstil hinaus.
Aber wir müssen durch! Denn die Zahlen, die hier präsentiert werden, haben es in sich. Es sind die Daten des Sozioökonomischen Panels, (SOEP) das – finanziert durch den Bund und Berlin – vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung erstellt wird. Seit 1984 wurden in diesem Rahmen rund 85 000 Menschen insgesamt 640 000 mal befragt, wie »zufrieden« sie mit ihrem je derzeitigen Leben seien. »Zufriedenheit« ist eng mit »Glück« korreliert. Die Gründe, dennoch ersteres zu messen, werden hier nachvollziehbar dargestellt. Der entscheidende wie einschneidende Satz lautet: »Indem wir berechnen, wann Menschen zufrieden sind, können wir also berechnen, welche Lebensbedingungen sie benötigen.
Statt endlos zu philosophieren, was das richtige Leben ist, kann man es erstmals mit Daten berechnen.«
Das ist freilich eine endlos kühne Aussage (hier wird also die Befindlichkeit der deutschen Durchschnittsseele kalkuliert), aber es ist tatsächlich hochinteressant. Hier geht es nicht um Meinungsumfragen oder einen jahrelangen »Psychotest«. Hier werden mittels massiver Datenlage feinste Korrelationen ausgearbeitet. Was kommt dabei heraus? Schröder: »Es ist nicht das, was die meisten hören wollen, und widerspricht sogar dem, was wir für moralisch richtig halten.« Nämlich? Gemäß der befragten Lebenszufriedenheit sind jene Väter am zufriedensten, die die meisten Stunden »auf Arbeit« verbringen. Nun wollen Mütter bekanntermaßen, daß sich Väter ihren Kindern widmen.
Jedenfalls liest und hört man das allenthalben. Das SOEP hat nun in seiner Langzeitstudie herausgefunden, daß Mütter tatsächlich um so zufriedener sind, je länger die Väter außer Haus sind. Und: Bei Männern steigt die Unzufriedenheit signifikant, wenn die Frau auch nur geringfügig mehr verdient.
Sind das nicht exakt die Rollenmuster, die »wir« der »Gesellschaft« seit Jahrzehnten propagandistisch austreiben wollen? Was ist da los? Etwa eine Kluft zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung? Dies ist nicht das Thema unseres Autors. Der fabuliert nur hin und wieder: Eigentlich seien ja »diese Daten eine Katastrophe« oder: »Es wird noch merkwürdiger …« Nämlich: Die Daten zeigen weiterhin klar, daß Väter wie Mütter dann am zufriedensten sind, wenn er ca. 80 und sie 20 Prozent der Erwerbsarbeit übernimmt.
Vieles ist wirklich hochinteressant. Nach dem Tod eines Kindes sinkt die Lebenszufriedenheit des Vaters für drei Jahre deutlich, danach ist sie statistisch auf dem vorigen Stand. Bei Müttern sinkt sie ins Bodenlose und erholt sich im Bemessungszeitraum nie wieder. Gute Schulnoten sorgen sogar dann für höhere Zufriedenheit, wenn sie später nicht mit einem höheren Einkommen korrelieren. Es scheint besser, elternlos aufgewachsen zu sein als mit Eltern, mit denen man häufig stritt.
Insgesamt erreicht mehr als die Hälfte der befragten Deutschen einen Zufriedenheitsindex von 80 (von 100) oder darüber. In Ländern wie Simbabwe beträgt der Mittelwert nur 40, bei den heiteren Südamerikanern aus Guatemala und Kolumbien deutlich über 80. Wir sprechen also stets über relative Zufriedenheit. Dieses Buch ist direkt anti-philosophisch. Aber es lehrt uns unglaublich viel über den bundesdeutschen Menschen.
Wann sind wir wirklich zufrieden? von Martin Schröder kann man hier bestellen.