Die Frage, wer eigentlich als »Deutsche / r« gelten dürfe, steht uns längst bis hier. Wir haben sie ungezählte Male durchdekliniert. Düzen Tekkal macht sich nun für »eine neue Art Verfassungspatriotismus« stark. Der Verlag nennt es einen »engagierten Aufruf«. Das ist stark untertrieben. Frau Tekkal (*1978) brennt. Sie, die Kriegsreporterin (sie war mittendrin, als der IS im Nord¬irak Attacke blies) und ehemalige RTL-Journalistin ist kurdische Jesidin. Wer sie je für ihre Leute dort reden hörte, ahnt, daß es für diese Frau – geboren als eines von elf Kindern einer Analphabetin – keine halben Sachen geben dürfte.
Und doch: So sehr sie für die Sache der Jesiden kämpft, so sehr beansprucht sie auch, als Deutsche die Botschaft von einem »German Dream« weitertragen zu dürfen. Tekkal hält es für ein unermeßliches Privileg, in Deutschland leben zu dürfen. Sie, die anno 1989 anläßlich des Mauerfalls Tränen der Freude mitgeweint hatte, missioniert mit dieser Einstellung und mithilfe ihrer teils prominenten, teils durchschnittsbürgerlichen »Wertebotschaftern« deutsche Schulen. »Ich fühle mich für Deutschlands Geschichte mitverantwortlich, wie es im Übrigen alle tun sollten, die in diesem Land leben.« Die lebhafte Autorin ist »genervt davon, wie sich manche Migranten kollektiv die Opferrolle zuschreiben« und wie, namentlich, Leute wie Hengameh Yagoobiferah »Abgrenzung perpetuieren«: Mit einem »Mantra wie ›Kein Mensch ist illegal‹ mag man vielleicht das eigene schlechte Gewissen beruhigen und sich selbst als perfekter Gesinnungsethiker inszenieren können.«
Tekkal wurde und wird dafür kritisiert, sich wie eine »Identitäre«[!] zu gerieren; ihr »#GermanDream« sei ein elender »Dankbarkeitshashtag«. Sie selbst wehrt sich furios. Im Zweifel würde sie sich immer für Deutschland entscheiden, sagt sie. »Ich kenne Leute, die sagen: ›Ich schulde diesem Land gar nichts!‹ Einige von ihnen wären vielleicht gar nicht mehr am Leben, hätten sie die Flucht nach Deutschland nicht gewagt und hier Aufnahme und Solidarität gefunden. Dankbarkeit kann man nicht verordnen, Liebe erst recht nicht. Man muss es schon fühlen.« Als Studentin hatte Frau Tekkal sich noch für die Jusos engagiert, aber dann »ganz bewußt mit dem linksliberalen Spektrum gebrochen.« Sowohl »Mulitkulti-Kuschelkurs« als auch die verlogene »Toleranz« gingen ihr gegen den Strich. Wiederholt beklagt sie die »kognitive Dissonanz« des linken Spektrums.
Wie sehr Tekkal in der Mitte der sogenannten Gesellschaft angekommen ist, zeigt sich auch dadurch, daß in diesem Buch unter anderen Cem Özdemir und Wolfgang Schäuble affirmativ interviewt werden – sogar dies sind übrigens recht interessante Beiträge. Im Ganzen haben wir hier ein Sammelsurium an (zurecht) stolzer Selbstdarstellung (sympathisch: Tekkal bringt noch heute zu »offiziellen« Terminen ihre Sippschaft mit), vehementer Deutschlandliebe und tiefer jesidischer Solidarität. Ich selbst als Rezensentin bin übrigens nicht über das #GermanDream-Projekt auf Düzen Tekkal aufmerksam geworden, sondern durch ihr leidenschaftlich vorgetragenes Engagement für die gequälten Jesidinnen. Sie legt überzeugend dar, warum uns gerade das Schicksal der vom radikalen Islam gequälten Frauen interessieren sollte. Natürlich gehört Menschen wie Tekkal unser Herz. So, und nur so, könnte eine »Bekenntnisnation« funktionieren.
# GermanDream. Wie wir ein besseres Deutschland schaffen von Düzen Tekkal kann man hier bestellen.