Er wollte es zur Profilierung seiner Herrschaft allerdings allein bespielen und reagiert nun konsterniert, weil Gegner seiner immer dreisteren Sonderverordnungen auflaufen. Es ging nie allein um Gesundheit, sondern zunächst um Angst, dann aber – wie immer – um Macht.
Die Berliner Ereignisse vom Sonnabend zeigen endlich eindrucksvoll, daß es im Lande Herrscher und Beherrschte gibt. Zwischen ihnen werden die Fronten in dem Maße deutlicher, in dem den Machtlosen die Artikulation ihrer Bedenken verweigert wird. Daß es zwischen Regierenden und Regierten aus Ursachen tiefer und jahrzehntelang verursachter Veränderungen enorme Widersprüche gibt, sollte innerhalb der letzten Jahre mit simpel-dreister Propaganda überzeichnet werden, so als wäre die Demokratie in Gestalt der Berliner Republik eine Harmonie aller Kräfte, die man so und genau so wollen und unterstützen muß.
Stellten sich dieser Zwangsvereinnahmung kritische Wahrnehmungen und Artikulationen entgegen, begann der Staat mit Institutionen und beigeschalteten Medien immer eindringlicher zu moralisieren. Haltungen, die der vermeintlich legitimierten Herrschaft nicht paßten, wurden als ethisch verwerflich verunglimpft, Andersdenkende als amoralisch, als Rassisten, als dumme Reaktionäre und als Nazis abqualifiziert.
Aber überhaupt stand, wer prinzipielle Kritik äußerte, einfach als schlechterer Mensch da, womit man den Beweis zu erbringen meinte, daß es in der Exekutive der vereinigten Parteien eben nur durchweg “die Guten” gäbe, die damit befaßt wären, der Menschheit endlich, endlich alles Schlechte auszutreiben.
Wer dies nicht zu bestätigen bereit war, der sollte politisch umerzogen werden. Der Bildersturm auf Straßennamen, das plumpe Verbot bestimmter Worte und Begriffe, der Umbenennungswahn gegenüber historisch entstandenen Bezeichnungen, das vermeintlich politisch korrekte Redigieren von Literatur, überhaupt die obligatorischen Festlegungen auf neue Sprachregeln dienen in inquisitorischer Manier diesem didaktischen Ansinnen. Genau solches Vorgehen ist aber nicht nur im Stil und Anspruch apodiktisch, sondern in der Sache vormundschaftlich: Es soll gefälligst nur eine Auffassung geben, die unabdingbar als richtig zu gelten hat, weil kraft ihrer Befolgung ja der Mensch ein besserer werde. Wer denn könnte gegen die Verbesserung des Menschen sein, gegen Rassismus, Nationalismus, Faschismus und all das Böse überhaupt?
Die dümmlich-utopistische Anthropologie des nur guten Menschen bringt aber jeden Nachdenker zum inneren Kopfschütteln, der sich und seine Nächsten täglich anders erlebt und den Menschen eben kritisch in dessen Schuld und Defekten sieht, um in Kenntnis dessen gefährlichen Entgrenzungen vorzubeugen. Die Schulen etwa veranstalten folgsam Kampagnen für “Demokratie und Courage”, vermögen es aber immer weniger, ihre Schüler zum Respekt untereinander sowie gegenüber den Lehrkräften zu erziehen.
Aber klar, die Einheitsfrontler wissen es selbst besser; sie sind nicht durchweg naiv, vielmehr wollen sie sich mit ihren Selbstbekundungen als moralisch unangreifbar gerieren. So ähnlich wie die Partei, die ja immer Recht hatte, weil sie angeblich für das Recht aller kämpfte. Wer ihrer führenden Rolle nicht vorbehaltlos zustimmte, war der Feind.
Die Einheitsparteien verlangen: Ihr habt es gefälligst genau wie wir zu sehen. Und nicht anders! Andernfalls verlaßt ihr die von uns festgelegte Sicherheitszone, weil ihr euch in eurer Renitenz mindestens als unvernünftig und damit als unverantwortlich erweist. Das erfordert zu unserem Bedauern Zwangsmaßnahmen von der politischen Umerziehung und Therapie bis zur Bestrafung.
Die allüberall beschworene Toleranz in Diversität muß man als ein Synonym für Gleichschaltung auffassen. Sie toleriert eben nicht den Andersdenkenden, um den kritisch-vernünftigen Diskurs zu ermöglichen; sie verlangt ganz im Gegenteil übereinstimmende „Grundüberzeugungen“, die nicht in Frage gestellt werden dürfen, und schließt intolerant gerade jene Opponenten aus, die sich dem verlangten Bekenntnis zu „Eine Welt!“, „Vielfalt!“, Buntheit!“ schon deswegen verweigern, weil damit entgegen aller Regenbogen-Romantik eine Uniformität erzeugt wird, die der Standardisierung der Waren in der globalisierten Wirtschaft entspricht.
Das vereinigte antinationale Bündnis, von der intellektuell auf marxistische Schwundstufen degenerierten Antifa bis zu den staatsfinanzierten Parlamentsparteien, mit Ausnahme des Parias AfD, veranstalten mit öffentlichen Geldern und mittels nachgeordneter Vereine aufwendige Kampagnen „für Toleranz und Pluralismus“ und „für Demokratie und Courage“, meinen damit aber nur sich selbst, erklären sich dreist zu den einzig „Anständigen“, zunehmend irritiert davon, daß sich der ihrem Konsensbefehl folgende Haufen lichtet, obwohl dessen Folgsamkeit gegenwärtig sogar mit Corona-Milliarden belohnt wird.
Die AfD indessen ist zwar ein in sich disparater Verein; sie bleibt für die Machtverwalter aber gefährlich, weil seit ihrer Existenz nicht nur irgendwie kontrastschwach zwischen weitgehend gleichen Positionen gewählt, sondern endlich etwas abgewählt werden kann. Das allein erklärt den sie treffenden Haß der Einheitsfrontler.
Die staatseigene Agitation und die ihr zustimmenden Medien sowie der gesamte Staatsbürgerkundeunterricht etikettieren Konsensverweigerer als Verschwörungstheoretiker und zunehmend gar als Irre, als pathologische Fälle, die, wenn sie den verordneten Deutungen nicht willfährig folgten, unweigerlich zu Nazis mutieren würden. Zum „bunten Spektrum“ gehörten nur jene, die von der Schule bis in die Politik artig vorgegebene Bekenntnisse aufsagen. – Bunt ist jetzt eher die Gegenwehr.
Zuweilen dürfte es die Mächtigen selbst irritieren, wenn sie mit ihrem Anspruch totaler Rechthaberei im Duktus stalinistischer Politbüros auftreten. Man meint sogar physiognomisch wieder den Typus des Funktionärs und des Parteiarbeiters auszumachen. Daß die Linke, hervorgegangen aus der Staatspartei SED, mittlerweile längst von allen anderen „Demokraten“ akzeptiert und als Partner geschätzt und umworben wird, ist in der Logik der Staatsparteien neueren Typs nur folgerichtig.
Seit aber mit dem „neuartigen Corona-Virus“ über politisches Neusprech und „Grundvereinbarungen“ hinaus eine dreiste Verordnungspolitik begann, die mit der gesundheitlichen gleich noch die politische Hygiene rigoros durchbefehlen und flächendeckend administrieren wollte, wurde endlich jene Polarisierung spürbar, aus deren Differenz nun die knisternde Spannungsquelle entsteht, die den Strom für notwendigen Wandel hergibt.
Gegen die fettgesessene Behäbigkeit des selbstgerechten und selbstermächtigten Einheitsparlamentarismus erheben sich da und dort erfrischende Wirbel. Gefährlich, klar, aber notwendig, um die faulen Kompromisse und Lebenslügen eines von den Beherrschten finanzierten Ancien Regime des 21. Jahrhunderts offensiv in Frage zu stellen. Was sklerotisch schien, wird gerade zum Tanzen gebracht. Mancher Entscheidungsträger, der nie Leistungsträger war, dürfte überrascht sein, mit welcher Vehemenz die Straße Revision fordert.
Zugegeben, es laufen bizarre Figuren dabei mit. Die aber drängen mit Wendeereignissen immer auf die Straße. So wie man als Teilnehmer der neuen und nun wirklich bunten Demonstrationen eben nicht unbedingt Politikwissenschaft studiert haben muß, sondern zuweilen einer noch unklaren Intuition folgt, die eine Unterströmung in Richtung Veränderung erspürt.
Womit die Party endet, ist noch nicht klar. Sie befreit die Bewegten zunächst von der Angst, von der Grande Peur, was den Leuten guttut, ihr Selbstbewußtsein stärkt und sie revitalisiert; dann aber stellt die Straße die Macht infrage. Die Party nimmt einen riskanten Verlauf und mischt die sedierte Bräsigkeit in Berlin gehörig auf.
Bisher erließen die Exekutive und die von ihr bestimmten Parlamente vor dem Corona-Hintergrund einfach neue Dekrete. Die arrogante Zurückgelehntheit, mit der das geschah, reicht jedoch nicht mehr aus, wenn die alternativen Enthusiasten diese Drucksachen ignorieren oder gar zerfetzen. Jetzt ist sie da, die gescheute Auseinandersetzung, und es werden gegenüberliegende Stellungen bezogen.
Demokratie ist eben nicht Konsens! Aber selbst der Streit, dessen sie bedarf, muß nun erst wieder erstritten werden, denn was sich in Berlin und in den Länder-Satrapien so demokratisch gibt, das war schlicht pragmatische Herrschaft einer Mehrheit über eine mit den letzten Wochen kraft Corona-Streit gewachsenen Minderheit, die sich endlich selbstbewußter zeigt.
Das Virus entzündete viel mehr als ein paar Krankheitsherde, es steckte die Politik der globalistischen Gleichmacherei von unten auf an. Wir hoffen nicht nur auf Genesung, sondern auf Wandel, Eigenständigkeit und neue Kraft.
Schopenhauer
Welcher Staat?