Die Sommerakademie des Instituts für Staatspolitik (IfS) fand bereits am vergangenen Wochenende statt. Sie verlief so ruhig und routiniert in Organisation und Zusammenspiel der Kräfte wie kaum eine zuvor, sie war inhaltlich stark und konzentriert, umkreiste in acht Vorträgen und drei Arbeitsgruppen das Thema “Staat und Ordnung” und versammelte das äußerste dessen, was die Hygienevorschriften zuließen: 100 Leute.
Die Vorträge von Lehnert, Kaiser, mir und fünf externen Referenten wird man in der 98. Sezession nachlesen können, in gekürzter Form natürlich, und ankündigen kann ich außerdem ungekürzte Mitschnitte von mindestens vier der acht Beiträge. Wir werden sie auf dem “kanal schnellroda” veröffentlichen, auf dem übrigens jüngst Folge 6 unseres Podcasts “Am Rande der Gesellschaft” erschienen ist (hier entlang!).
Ein paar Gedanken noch zu drei Aspekten rund um die Akademie:
1. Als Lehnert und ich am Freitag mit einem Gläschen in der Hand am Rande der Abendgesellschaft standen, blickten wir auf eine im Vergleich zu vor fünf oder drei Jahren deutlich andere Teilnehmerschaft. Die Leute sind sehr jung, sind ganz und gar im Digitalen Zeitalter aufgewachsen, bewegen sich mit einer ungeheuren Selbstsicherheit, Selbstironie und Flexibilität im Netz und haben tatsächlich virtuelle Existenzen, aus denen sie einen nicht geringen Teil ihrer Bedeutung und ihres Selbstwerts ableiten. Dem kann zumindest ich nur zusehen, ohne daß ich noch Zugang fände.
2. Jahrelang haben wir transparent gearbeitet, haben das getan, was man “Gesicht zeigen” nennt – eine komplett ausgelutschte Sache. Diese Transparenz, die jedermann (auch Haldenwang) zeigte, daß mit uns auf eine anständige Weise zu rechnen sei, hat unsere behördliche Kriminalisierung nicht verhindert. Das einzige, was dadurch (erneut) bewiesen wurde, ist, daß der Verfassungsschutz keiner ist, sondern daß er von den Altparteien für die Konkurrentenabwehr mißbraucht wird. Daher ist nun Schluß mit der Transparenz. Sollen die sich halt Mühe geben.
3. Ein kleines bißchen Antifa war auch im Ort, während wir tagten. Unsere Akademie, die jahrelang ohne jede polizeiliche Absicherung tagen konnte, wurde von mindestens vierzig Ordnungshütern gegen höchstens zwanzig Gegendemonstranten abgeschirmt. Das hatte folgende Gründe: Das als linksextremistisch eingestufte “Kollektiv IfS-dichtmachen” spielt derzeit unter dem Motto “Zuerst der Leuchtturm, dann das Rittergut” auf das Hausprojekt in Halle/Saale an, in dem wir den Betrieb einstellen nach über vierzig zum Teil schwer gewalttätigen Angriffen von links einstellen mußten.
Das bedeutet: “IfS-dichtmachen” weiß genau, daß auch in Halle ein “breites Bündnis” hätte Tag für Tag herumstehen können – es hätte uns an unseren Veranstaltungen im Haus am Campus nicht gehindert. Was nicht mehr tragbar war: Pflastersteine gegen und in die Scheiben, Vandalismus, durchbohrte Türen, Angriffe auf die Bewohner und Mitarbeiter und zuletzt an einem einzigen Tag drei demolierte und abgefackelte Autos und zwei Einbrüche in die Privatwohnungen von Aktivisten samt vollständiger Zerstörung von Mobiliar und Infrastruktur.
Nun hatte es anderthalb Wochen vor der Akademie erstmals auch unseren VW-Bus erwischt, den guten alten T4-Traktor, mit dem wir alles in der Gegend herumfahren. Alle vier Reifen, die Frontscheibe, die Beifahrerscheibe: nur Blech und Glas, natürlich, zum Glück. Man nimmt so etwas hin wie einen blauen Fleck, und das ist schon sehr merkwürdig, bei Lichte betrachtet. In Kombination mit der gewaltaffinen Ankündigung des extremistischen Grüppchens aus Halle wirkte das jedenfalls wie eine Ankündigung, und deswegen war am Akademiewochenende ein bißchen mehr Sicherheitsarbeit angesagt.
Das Gesocks lungerte dann an zwei Tagen mit bemühten zwei Dutzend Leuten für jeweils ein paar Stunden im Rinnstein und feierte jede, wirklich jede unserer von der Polizei umgelotsten Bewegungen wie einen grandiosen Sieg. Es gibt eben Leute, denen ist nichts peinlich. Von ihrer eigenen Lückenansammlung veröffentlichten sie diesmal kein einziges Bild – es wäre dann doch zu peinlich gewesen.
+++
Aber nun noch zu zwei ganz eigenen Beifängen aus der Akademie: Ich konnte zum einen zusammen mit Jonas Schick eine der Arbeitsgruppen am Samstagabend leiten, unsere trug den Titel “Ökologie und Neue Rechte”. Wir versammelten ein Dutzend Leute in unserer Bibliothek und sprachen unter anderem über die von Schick verantwortete Zeitschrift “Die Kehre”, deren zweite Ausgabe vor einigen Wochen erschienen ist und deren Ton und Stoßrichtung man nun ablesen kann.
Schick gehört zu den wenigen jüngeren Autoren, deren Engagement sich nicht auf ein paar Gehversuche und Einreichungen beschränkt, bevor sie irgendwo gutdotiert und anstrengungslos unterkriechen. Er hat ein abgeschlossenes Studium, ist ein echter Leser, hat sein Thema gefunden und nimmt Anmerkungen und Hinweise aus dem Lektorat und aus unserer nun zwanzigjährigen Verlegererfahrung an, ohne etwas nachzuahmen.
Das anderthalbstündige Gespräch über Natur, Kulturlandschaft, Endlichkeit, ökologische Tugend, pseudoökologischen Konsum, linke Entgrenzung und konservative Borniertheit war gut und klug, und ich will jedem Leser hier, dem die Natur und der achtsame Mensch am Herzen liegen, die Kehre unbedingt ans Herz legen: Einzelhefte kann man hier erwerben, ein Abonnement hier zeichnen.
Zweitens: Volker Zierke, der mit Philip Stein von EinProzent zusammenarbeitet, überraschte mich mit seinem literarischen Erstling. Enklave heißt seine Novelle, ich las die ersten fünfzig Seiten am Sonntag (nachdem endlich Ruhe eingekehrt war), den zweiten Teil dann gestern am späten Abend. (Ich stellte dabei wieder einmal fest, daß mich Literatur stärker interessiert als Theorie.)
Ich bin beeindruckt: Endlich wieder mal einer, der schreiben kann und der darüber hinaus eine luzide Idee für eine Verknüpfung von Spielidee und Science-Fiction hatte. Im Mittelpunkt ein junger Offizier der Marineinfanterie, der an Bord eines Schlachtschiffs an der Jagd auf einen versteckten Feind beteiligt ist. Gefechte, Ausbildung, Auftrag, Koordinaten – vielleicht sind Battleship-Spiele so aufgebaut, vielleicht bewegt man sich da so durch die Spielsituation, ich weiß es aufgrund von Altersunkenntnis nicht.
Jedenfalls: Würde ich in die Verlegenheit kommen, einen Auftrag zu simulieren, käme ich recht bald auf die Suche nach Oberst Kurtz, die von Joseph Conrad im Herz der Finsternis beschrieben und von Francis Copolla in Apocalypse Now kongenial vom Kongo nach Vietnam, aus der Elfenbeinjägerei in den Krieg verlegt worden ist. Ich habe mit Zierke noch nicht sprechen können, aber der Khyber seiner Novelle ist zweifelsohne Kurtz, Leonardy ist der verrückte Fotograph und die Agoge das große Spiel…
Liebe Leser (eher: liebe Männer): Lesen Sie Enklave (hier bestellen).
+++
Nun aber: Wer einen der 100 Stühle zu je 50 € im Nachhinein in unseren Vortragssaal stellen will, kann das über die Bankverbindung “Institut für Staatspolitik, IBAN: DE86 5185 0079 0027 1669 62” und mit dem Betreff “100 Stühle” tun (hier noch der link zur Fördererseite).
Herzlichen Dank dafür im voraus! Und: Wie immer werden wir oben einen Zähler aktuell halten!
Nemo Obligatur
Spende ist raus. Soviel Mut muss sein, dass man eine Sache unterstützt, der man vielleicht nicht in allen Dingen zustimmt, aber die man doch insgesamt für richtig hält. Auch wenn hier der VS und alle Antifas den ganzen Tag mitlesen, in der Hoffnung, die Sezessionisten in die Pfanne hauen zu können. Die Vorträge schaue ich mir dann gerne auf YT an.