Zu Gast im Speer-Hort des Eber-Questers
Am gestrigen Samstag fand in Hohenweiden bei Halle eine durchaus beachtenswerte Veranstaltung statt, von der ich an dieser Stelle kurz berichten möchte:
Dr. Hansjoachim Maaz, akribischer Erforscher der deutschen Nachkriegs- und besonders Nachwende-Psyche, stellte sein neues Buch “Das gespaltene Land” vor. Sekundiert wurde er dabei vom Politikwissenschaftler Werner Patzelt, für den die Rolle des “Sidekicks” vermutlich etwas ungewohnt war.
Daß diese zwei doch recht unterschiedlichen Typen überhaupt zusammenkamen, ist der Kreativität des Veranstalters zu verdanken: Im Rahmen einer selbsterklärten “Bildungsoffensive” veranstaltet der Umzugsspediteur, Auktionator, Kreispolitiker und Punker Sven Ebert in unregelmäßigen Abständen Vorträge und Diskussionsabende.
Ebert ist eine Naturgewalt, die man erlebt haben muß; der eine oder andere SiN-Kollege (Chefetage inklusive!) weiß, wovon ich spreche. Es gehört beispielsweise bei der “Bildungsoffensive” zur guten Tradition, daß Referent und Publikum zu Beginn der Veranstaltung gleichermaßen vom im Schottenornat erschienen Ebert mit den Wohlklänger einer keltischen Carnyx malträtiert werden – ein Ritual, welches sowohl Patzelt als auch Maaz tapfer über sich ergehen ließen.
Die Veranstaltung war im Rahmen des momentan Möglichen ausgebucht. Maaz ist in Halle kein Unbekannter, seit Jahrzehnten lebt und wirkt er in der Saalestadt, sprach auch schon auf Kundgebungen gegen die Corona-Maßnahmen. Wie der punktgenaue Schlag eines Glockenturmes fiel der Veröffentlichungstermin seines Buches “Das gespaltene Land” genau in die ersten Tage des Shutdowns im März. So war die Veranstaltung in Hohenweiden mehr oder weniger der erste Lesungstermin, an welchem Maazens Buch – abseits von der durchaus angemessenen Aufmerksamkeit, die es bereits in Funk und Fernsehen erhielt – einer breiteren Öffentlichkeit von Zuhörern vorgestellt wurde.
Das “Psychogramm”, welches Maaz von der deutschen Gesellschaft zeichnet, ist geprägt von unterschiedlichen Pathologien – Maaz spricht gar von einer “kollektiven Psychose”. Das Gefühl, daß um sie herum alle verrückt geworden zu sein scheinen, ist sicherlich eines, das den meisten Rechten nicht wirklich fremd ist. Es hat aber doch eine andere Qualität, sich einer tatsächlichen und fachlich fundierten Psychopathologie der Nachwendegesellschaft gegenüber zu sehen. Maazens Analysen haben jedenfalls den Anspruch, auf den Grund der gesellschaftlichen Disparitäten vorzustoßen- Ein Prozess, von dem er, wie das von einem guten Psychoanalytiker zu erwarten ist, weder sich selbst, noch sein Publikum ausschließt.
Auf Maazens Vortrag folgte Patzelt, der sich schon seit Jahren in der Rolle des Hermes gefällt, der sich von der Hades-Tristesse der verknöcherten Altkonservativen bis hin zum himmelblauen Olymp der jungen Wilden bei der DB oder der AfD zu Hause fühlt. In professioneller Dozentenmanier hüpfte sein Redebeitrag dementsprechend leichtfüßig vom atomaren Urschleim über das Kleinhirn bis zur FDGO und wieder zurück. Die Formulierungen waren dabei gestochen scharf; selten habe ich konservativen Allgemeinplätze, wie etwa dieTatsache, daß die Deutschen ein gestörtes Verhältnis zu ihrer eigenen Identität haben, so fein ziseliert ausklamüsert bekommen. Wenn Patzelt spricht, das muß ich neidlos anerkennen, kann man sogar die Semikolons hören.
Nur ein einziges Mal wurde der emeritierte Professor aus Dresden laut: Im Redebeitrag eines Zuhörers, der seiner Resignation ob der herrschenden Verhältnissen im Rahmen einer Frage Ausdruck verlieh, witterte Patzelt (übrigens zu Unrecht) den düsteren Dämon der “Systemfrage”. Schon bei den vorherigen Wortmeldungen hatte Patzelt immer wieder mal lauernd in die Runde geblickt und auf seinen Zentristenmoment gewartet – das “einmal sprach ich unter Rechten” muß bezahlt werden. Nun also holte der Emeritus tief Luft und pustete mit einem engagierten, ja inbrünstigen Bekenntnis die Handvoll verfassungsfeindlicher Nebelkerzen aus, die er sich vorher sorgsam bereitgelegt hatte. Es ging dann wieder um die FDGO, oder die freiheitliche Gesellschaft, oder die pluralistische Debatte – ich habe es ehrlich gesagt vergessen. Nichtsdestotrotz natürlich fulminant vorgetragen, dieses gänzlich blutleere Begriffsbrät, das sich am Ende des Tages noch in jeden Schweinsdarm drücken läßt, sei er nun grün, rot, schwarz, oder gelb. Denjenigen, die von Berufs wegen lauschten wird es gefallen haben, für das anwesende Publikum war die kurze Eruption eher irritierend.
Sie ahnen es: Normalerweise hätte Herr Maaz heute den Sonntagshelden-Titel abgeräumt. Der Psychoanalytiker, der bedacht, aber sicher sprach, stellte an diesem Abend die Frage danach, wie wir in den nächsten Jahren in diesem Land miteinander leben wollen, jedenfalls wesentlich tiefer und – wie ich finde – auch ehrlicher als Patzelt. In der anschließenden Diskussion meldete er sich vor allem da zu Wort, wo er zwischen der durchaus unversöhnlichen Paarung Patzelt – Schnellroda vermitteln wollte. Kein ganz leichtes Unterfangen, das erwartungsgemäß auch nicht wirklich von Erfolg gekrönt war. Wie gesagt: Im Kopf hatte ich den Lorbeerkranz schon sorgfältig auf Maazens schlohweißem Wollschopf drapiert, aber dann kam wieder dieser verrückte Ebert und brachte alles durcheinander.
Zum Ende seiner Abschlußrede – übrigens frei vorgetragen nicht nur ohne hörbare Semikolons, sondern auf die allerliebenswürdigste Art und Weise auch ohne Punkt und Komma – kulminierte die in der kamingewärmten Luft des Rittersaales ausharrende Spannung in einem quasi kathartischen Gelächter – als nämlich der Gastgeber die Präsentkörbe für die zwei Referenten hervorholte: Ich bin mir sicher, daß sich Herr Maaz nicht halb so sehr über seine Ausgabe von Jack Donovans “Der Weg der Männer” gefreut hat, wie Herr Patzelt über sein Geschenk: “Nur Barbaren können sich verteidigen”, erschienen – natürlich – bei antaios.
Das dieswöchige Hoch also auf den Hallenser Sven Ebert! Möge ihm der Schalk noch auf ewig im Nacken sitzen!
Solution
Patzelt ist ein typischer Cuckservativer. Seine Zeit ist genauso abgelaufen, wie die eines Asozialen, der heute noch mit einem Lonsdale-T-Shirt rumläuft, weil er glaubt, das würde ihn gefährlich erscheinen lassen.