Sie ist einzige Opposition und gewann in dem Maße an exponiert objektiver Bedeutung, in dem alle anderen Parteien enger zu einem politischen Verbund gemeinsamer „Grundvereinbarungen“ zusammentraten, der die Unterscheidung zwischen ihnen immer schwieriger erscheinen läßt.
Unterscheidungen sind im politischen Diskurs bzw. Kampf aber das Wesentlichste. Die Rechte, ob nun in Gestalt der AfD oder als um einschlägige Zeitungen und Zeitschriften sowie besondere Orte wie das IfS versammelte Gruppen, ist die einzige Kraft, die gegenüber allen anderen klare Unterscheidungsmerkmale aufweist. Ohne sie gäbe es einen substantiellen politischen Diskurs überhaupt nicht.
Schon aus diesen Gründen – klare Unterscheidung sowie Abgrenzung von der Einheitsfront der vermeintlich „Anständigen“ und einzige oppositionelle Beitragsleistung von Gewicht – wird sie über kurz oder lang erfolgreich sein. Andererseits wird sie sich perspektivisch sogar der Gefahr ausgesetzt sehen, wenigstens an ihren Rändern integriert und damit einnivelliert zu werden, spätestens wenn sie – wiederum zuerst in der Gestalt der sehr heterogenen AfD – in pragmatisch orientierte Verbindungen oder gar Koalitionen eintreten sollte.
Bislang bestimmt sich die Rechte in ihrer internen Vielfalt nicht nur selbst, sondern wird vielmehr quasi passiv gerade durch alle anderen Kräfte konstituiert, eben kraft der ihr entgegenschlagenden hysterischen Zurückweisung, die als kollektivneurotischer Akt gelten kann.
Der Paria, das Schmuddelkind, der Outlaw haben es zugleich schwer und leicht: Sie sollen einerseits ausgeschlossen werden, aber andererseits kennt sie jeder. Sie sind unverwechselbar. Was nach offizieller Maßgabe und geradezu von Staats wegen als unangenehm, ja als unannehmbar bis abscheulich zu gelten hat, die verbotene Frucht also, erscheint nicht nur als markant, sondern wirkt – ambivalent – anziehend bis erotisch.
Dazu nur als überzeichnete Illustration im Phänomen, nicht etwa in der Konstruktion eines sachlichen Bezuges:
Das frühe Christentum kann als ein Beispiel dafür gelten, inwiefern gesamtgesellschaftliche Ressentiments eine neu, zunächst bekämpfte Bewegung nolens volens eher befördern als eindämmen.
Auf die als Affront intendierte Frage „Sind Sie denn etwa rechts, Herr B.?“ werden vom Fragenden sogleich die heftigsten Verneinungen und Verrenkungen seitens des Befragten erwartet – im Sinne von: „Nein, natürlich nicht! Keinesfalls! Ich bin doch kein Faschist.“ Strafft man aber die Haltung im Sinne eines „Ja, selbstverständlich.“ gewinnt man die notwendige Kontur und kann auf Augenhöhe weitersprechen, falls der Gesprächspartner dann noch weitersprechen möchte. Verweigert er sich, ist auch dies beredter Ausdruck im Sinne klarer Kommunikation.
Das Bedürfnis der politischen Protagonisten, die Rechte zu stigmatisieren, sie zu diskreditieren und zu denunzieren, macht diese – im Gegensatz zur intendierten Absicht – eher apart. Abgesehen davon, daß sie Identifikationsmöglichkeiten bietet, die keine andere politische Richtung bereithält und die vorm Hintergrund des gravierenden politischen, kulturellen und letztlich technologieverursachten Wandels vielen Nachdenkern als interessant erscheinen.
Der Vorwurf an die „Populisten“, sie würden auf komplexe Fragen allzu einfache Antworten geben, verfängt nicht, da gerade einfache Antworten im Sinne einer Problemreduzierung durchaus erfordert sind. Es bedarf eben nicht der Ventilation verschlissener Lösungsansätze, sondern des beherzten Handelns und des Mutes, neue Wege zu gehen.
Im Gegensatz zum Aufschwung der Neuen Rechten wirkt etwa die Linke in ihrem hergebrachten Selbstverständnis immer perplexer und fremdelt mit ihrem historischen Gründungsimpuls, weil sie sich vom System, dem sie, wenn schon nicht mehr revolutionär, wenigstens noch abständig-kritisch gegenüberstehen wollte, mittlerweile völlig verdaut und verstoffwechselt fühlt, gänzlich eingewachsen in eine neubürgerliche Einheitsfront, die von der schwindsüchtigen SPD bis zur noch feisten CSU reicht, Fleisch von Fleische saturierter Bürger, ihrem früheren Feindbild.
Während die Linke weitgehend korrumpiert und altersmüde die Generallinie des Blocks also mitgeht, kann die ihr angeschlossene Antifa allenfalls als unangenehm kriminelle Posse gelten. Keine Spur mehr von marxistischer Theorie oder überhaupt politisch-philosophischem linken Erbe, sondern nurmehr heruntergekommene Folklore. Dem angeblichen Antifaschismus fehlen nun mal realexistierende Faschisten.
Weil es – glücklicherweise – keinen physischen Kampf gibt, werden von den Einheitsfrontlern Straßen und Mohren-Apotheken umbenannt, Bücher “antirassistisch” nachgebessert und vermeintliche militaristische und kolonialistische Denkmäler, Symbole und Artefakte angegriffen. In Ermangelung echter Gegner stürzt man sich ikonoklastisch auf Objekte und schreibt ihnen so erst den Rang von Fetischen zu. Politische Voodoo-Rituale. Ihre wenigen Attribute vermeintlicher Unterscheidung ruft die Linke nach wie vor so theatralisch auf, weil die – als einst farbiges Alleinstellungsmerkmal – längst verblaßten oder weil zu viele andere sich linke Positionen zu eigen machten. Selbst die Bundekanzlerin steht nach früheren Maßstäben „links“.
Daß hingegen die Grünen es bislang verstanden, starke Merkmale an Eigenständigkeit – nicht nur solche des Lifestyles, der hippen Attitüde und der „alternativen“ Alltagskultur – zu bewahren und kulturell sogar auszubauen, ja daß sie sogar wirkungsvoll technische Innovationen und neue Produktivkräfte zu inspirieren scheinen, erklärt deren aktuellen Erfolg, der zudem stark von der dystopischen Greta-Weltendestimmung in furchtsamer Erwartung einer Öko-Katastrophe getragen wird.
„Öko“, „Bio“ und “fair” waren nun mal zuerst und originär die Grünen; alle anderen Systemparteien ahmten dies entweder aus schlechtem Gewissen oder aus Konjunkturgründen lediglich nach. Von besonderem Gewicht jedoch ist der aufdringliche grüne Moralismus. Er sorgt für das Selbstverständnis, endlich beim ganz neuen Menschen angekommen zu sein. Dem wollen die Bündnispartner nicht nachstehen und befleißigen sich selbst der so lauten wie wohlfeilen Kampfethik.
Von allen Parteien werden die Grünen als die moderne und junge Kraft empfunden. Ihr extrem positives Menschenbild steht der von Skepsis bestimmten Anthropologie der Rechten als diametral entgegengesetzt gegenüber. Viel schärfer als die antiquiert-nostalgisch wirkende Linke sind die Grünen die Gegner der Rechten.
Vom nichtgrünen Spektrum dürften eher früher als später rechte Positionen teilweise übernommen werden, wenn das politischen Erfolg verheißt. Im politischen Kuriosum der sogenannten „Werte-Union“ ist es bereits geschehen. Und selbst von der Linken erfolgte eine deutliche Wählerwanderung zur AfD.
Zu Verzagtheit besteht also kein Anlaß. Das angestammte Terrain der Rechten im politischen Spektrum war lange, sehr lange unbesetzt geblieben und mit der Linkswendung der CDU/CSU zeitweise verödet. Mittlerweile sind dort nicht nur Zelte aufgeschlagen und Lagerfeuer entzündet, sondern tragfähige Institutionen geschaffen worden – Medien mit einer immens wachsenden Zahl an Rezipienten, außerdem verschiedene Verbände, Vereine und Verlage, die bislang ihren Bestand sichern konnten. Ein interessantes, wieder lebendiges Gebiet, geradezu ein artenreicher Biotop von bunter Diversität.
So viel Spektrum weist – in sich – kein anderer politischer Bereich auf. Dort, nur dort herrscht freie Rede ohne Denkverbote. Und mit nächster Vermessenheit möchte man in Abwandlung des auf den einstigen dritten Stand gemünzte Wort des Abbé Sieyès sagen: „Was ist die Rechte bisher in der politischen Ordnung gewesen? – Nichts. – Was fordert sie? – Etwas zu sein.“
quarz
"Das frühe Christentum kann als ein Beispiel dafür gelten, inwiefern gesamtgesellschaftliche Ressentiments eine neu, zunächst bekämpfte Bewegung nolens volens eher befördern als eindämmen."
Soviel ich weiß, ist diese Beförderung unter anderem dem Umstand zu verdanken, dass sich vor allem Frauen in großer Zahl zur christliche Bewegung hingezogen fühlten und Anhänger in ihrem familiären Umfeld anwarben. - Eine Situation, die sich hinsichtlich des Wachstums rechter Politmacht in Deutschland völlig anders darstellt.