Christian Hardinghaus: Die verdammte Generation

Eine Rezension von Olaf Haselhorst

Chris­ti­an Har­ding­haus: Die ver­damm­te Gene­ra­ti­on. Gesprä­che mit den letz­ten Sol­da­ten des Zwei­ten Welt­krie­ges, Ber­lin: Euro­pa­ver­lag 2020. 328 S., 20 € 

Heu­te wird alles, was nicht den mora­lisch- und poli­tisch-kor­rek­ten Vor­stel­lun­gen der Zeit­ge­nos­sen ent­spricht, schnell mit dem stig­ma­ti­sie­ren­den Attri­but »Nazi« ver­se­hen. Dies gilt erst recht für deut­sche Sol­da­ten des Zwei­ten Welt­krie­ges. Da wird die Feld­blu­se eines Gefrei­ten zur »Nazi-Uni­form«, das Eiser­ne Kreuz zwei­ter Klas­se zum »Nazi-Orden« und der Sol­dat selbst wird zum »Nazi«, obwohl er nie Mit­glied der NSDAP gewe­sen ist. So sor­gen Nai­vi­tät und Über­heb­lich­keit dafür, daß Goeb­bels’ Pro­pa­gan­da­phra­se von der »Volks­ge­mein­schaft« zumin­dest in der bun­des­deut­schen Erin­ne­rungs­kul­tur wahr wird. Chris­ti­an Har­ding­haus, His­to­ri­ker und Leh­rer, führt in sei­nem Vor­wort die Atti­tü­de der mora­li­schen Über­le­gen­heit der Nach­ge­bo­re­nen auf zwei Ursa­chen zurück: mas­si­ve Iden­ti­täts­pro­ble­me und weit ver­brei­te­te Unwis­sen­heit. Schon die Wehr­machts­aus­stel­lung, die er als wis­sen­schaft­li­chen Super-GAU cha­rak­te­ri­siert, hat deut­lich wer­den las­sen, daß der All­tag deut­scher Sol­da­ten offen­bar Aus­stel­lungs­ma­chern und vie­len ‑besu­chern völ­lig unbe­kannt war. Han­nes Heer dekre­tier­te: deut­sche Sol­da­ten waren in ihrer Gesamt­heit Täter, sogar die Wider­ständ­ler des 20. Juli 1944 fie­len unter die­ses Ver­dikt – und die Mehr­heit glaubt die­se The­se. Lei­der greift Har­ding­haus selbst auf eini­ge Pauschal­anklagen zurück, etwa die Mär vom weit­ver­brei­te­ten Dro­gen­miß­brauch in der Wehr­macht oder die Negie­rung des Befehlsnotstandes.
Die meis­ten vom Autor Befrag­ten ­schil­dern die zuneh­men­de Abstump­fung und Ver­ro­hung der Men­schen durch die Kriegs­ge­met­zel. Zeit­zeu­ge Otto hat die Greu­el des »Brom­ber­ger Blut­sonn­tags« 1939 am eige­nen Leib erlit­ten. Rund 5500 Volks­deut­sche wur­den damals von Polen ermor­det. Er berich­tet, wie er nur knapp dem Tod ent­ron­nen ist. Der Artil­le­rie­of­fi­zier Wie­gand erzählt von durch Rot­ar­mis­ten mas­sa­krier­ten deut­schen Sol­da­ten. Er kämpft 1942 / 43 im ein­ge­kes­sel­ten Sta­lin­grad bis zum apo­ka­lyp­ti­schen Ende, schil­dert die Todes­mär­sche in die Sowjet-Lager, Hun­ger und Krank­hei­ten. Wer­ner erlebt 1941 beim Ein­marsch ins Bal­ti­kum, wie die Bevöl­ke­rung die Sol­da­ten als Befrei­er begrüßt. Vor Ora­ni­en­baum weh­ren sich die Deut­schen im blu­ti­gen Nah­kampf gegen rus­si­sche Angrif­fe. Er sieht, wie zwei marsch­unfähige rus­si­sche Kriegs­ge­fan­ge­ne zum Erschie­ßen weg­ge­führt wer­den und wird spä­ter selbst zur Exe­ku­ti­on eines Deser­teurs abge­ord­net. Anfangs noch von den Gewalt­ta­ten ent­setzt, wird er mit der Zeit immer gleich­gül­ti­ger – für ihn die ein­zi­ge Mög­lich­keit, ange­sichts der stän­di­gen Extrem­si­tua­tio­nen nicht den Ver­stand zu ver­lie­ren. Johan­nes singt ein Lob­lied auf das zuver­läs­si­ge Sani­täts­we­sen der Wehr­macht, dem er sein Leben ver­dankt. Die »schlimms­te Bar­ba­rei« des Krie­ges waren für Rolf die drei Mona­te Hun­ger und Will­kür in den Rhein­wie­sen­la­gern, die er nur durch Glück über­lebt. Alle Sol­da­ten haben den Krieg nicht gewollt, woll­ten nur über­le­ben und den­ken immer an die Kame­ra­den, die es nicht geschafft haben. Jakob sagt: »Wir muß­ten kämp­fen und haben uns gewehrt, damit wir selbst nicht drauf­ge­hen. Wir woll­ten als Söh­ne und Väter über­le­ben. Ist das nicht zu ver­ste­hen?« Vom Holo­caust haben alle Befrag­ten erst nach Kriegs­en­de gehört. Ent­stan­den ist ein authen­ti­sches Pan­ora­ma von den Schre­cken des Krie­ges, wobei die alten Sol­da­ten mit viel Sym­pa­thie und ohne Bes­ser­wis­se­rei der Nach­ge­bo­re­nen gezeigt werden.

Die ver­damm­te Gene­ra­ti­on von Chris­ti­an Har­ding­haus kann man hier bestel­len.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)