Peter Schneider: Denken mit dem eigenen Kopf

Eine Rezension von Wiggo Mann

Peter Schnei­der: Den­ken mit dem eige­nen Kopf, Essay, Köln: Ver­lag Kie­pen­heu­er & Witsch 2020. 358 S., 22 €

Haha, könn­te einer spitz­fin­dig äußern: Wie denn sonst den­ken, wenn nicht mit dem »eige­nen Kopf«? Peter Schnei­der hebt sich die Poin­te bis zum Schluß­wort auf. Der Titel, der die­sen gesam­mel­ten Auf­sät­zen vor­an­steht, ist näm­lich kein Flüch­tig­keits­feh­ler, der leicht als Blöd­sinn zu ent­lar­ven wäre. Doch gemach. Schnei­der hat vor kur­zem sei­nen 80. Geburts­tag gefei­ert. Wer die die­sem Band bei­gefüg­te Dop­pel­sei­te mit Pho­to­gra­phien anschaut, die ihn, den Schrift­stel­ler und Intel­lek­tu­el­len wäh­rend der Jah­re 1945 bis 2015 zeigt, könn­te stau­nen. Das Pho­to von 1945 ist ein Kin­der­bild – aber zwi­schen 1964 und 2015 zeigt sich uns ein nahe­zu unver­än­der­tes Gesicht. Daß Schnei­der sich »gut gehal­ten« habe, wäre das eine. Bedeut­sam ist, daß er wäh­rend die­ser Jahr­zehn­te, äußer­lich »unsicht­bar« man­che Kehrt­wen­dung voll­zo­gen hat. Die­se Essay-Samm­lung ist emi­nent lesens­wert. Das resul­tiert auch dar­aus, daß Schnei­der sei­nen an ver­schie­de­nen, meist pro­mi­nen­ten Orten publi­zier­ten Tex­ten häu­fig eine »Notiz von heu­te« bei­fügt. Das viel­be­müh­te Bon­mot der Künst­lers Fran­cis Pica­bia: »Unser Kopf ist rund, damit das Den­ken die Rich­tung wech­seln kann« – hier trifft es zu. Daß Schnei­der als 68er-Rene­gat kei­nen klamm­heim­li­chen Schluß­strich unter sei­ne Ver­gan­gen­heit zog (das taten näm­lich vie­le), son­dern bei­zei­ten offen abrech­ne­te mit all den lin­ken Irr­tü­mern und kom­mu­nis­ti­schen Schand­ta­ten, hat ihm vie­le Fein­de ein­ge­bracht, die ihm noch bis heu­te im bun­des­deut­schen Feuil­le­ton grol­len. Das ist mit all den Namen, die fal­len, höchst inter­es­sant zu lesen! Schnei­der, gebür­ti­ger Lübe­cker hat also »wider­sagt«, bei­spiels­wei­se sei­ner eige­nen Mao-Lieb­ha­be­rei noch anno 1969. Sei­ne Irr­tü­mer seit 1989 gesteht Schnei­der eben­falls offen ein. Im Juni 1989 schrieb er bei­spiels­wei­se für die New York Times: »Auch in Zukunft« wer­de es »zwei deut­sche Staa­ten geben«; eine Wie­der­ver­ei­ni­gung nann­te er damals »uto­pisch«. Heu­te gesteht Schnei­der ein, einer Ideo­lo­gie auf­ge­ses­sen zu sein. Nur weni­ge Intel­lek­tu­el­le wie Gün­ter Kun­ert, Hans-Jür­gen Syber­berg und ­Mar­tin Wal­ser hät­ten damals auf die Ein­heit gesetzt, die »über­gro­ße Mehr­heit der lin­ken Intel­lek­tu­el­len« stand » genau wie ich« dage­gen. War­um eigent­lich? Schnei­der unkt zurecht, wes­halb sich wohl kaum einer der dama­li­gen Ver­ei­ni­gungs­geg­ner je die­ser Fra­ge gestellt habe. Er selbst, Peter Schnei­der hat sich stets aus­ge­setzt, nicht nur jour­na­lis­tisch, wodurch er sich etli­che Fein­de (wie Wiglaf Dros­te und Wil­ly Wink­ler) mach­te. Er, bei­zei­ten als »Bel­li­zist« geschmäht, war auch an der (jour­na­lis­ti­schen) Front im Jugo­sla­wi­en­krieg. Gele­gent­lich wur­de er gefragt, ob er das »wirk­lich nötig« habe, sich 1994 nach Sara­je­wo zu bege­ben – genau wie er heu­te mit glei­cher Fra­ge­stel­lung für sei­ne mut­maß­li­che Wen­dung nach rechts kri­ti­siert wird. Gemein­sam mit sei­ner Freun­din Moni­ka Maron hat­te sich Schnei­der näm­lich sehr dif­fe­ren­ziert mit der »Pegida«-Bewegung und dem zuge­hö­ri­gen Milieu aus­ein­an­der­ge­setzt. Daß er nun im Buch inso­fern zurück­ru­dert, indem er völ­lig unnö­tig plum­pe »Anti-Höcke«-Kommentare ein­flicht – das nun soll­te er wirk­lich nicht nötig haben.

Den­ken mit dem eige­nen Kopf von Peter Schnei­der kann man hier bestel­len.

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