Gutes – Hilaire Belloc: Der Weg nach Rom. Eine Pilgerreise durch Europa, Bad Schmiedeberg: Renovamen Verlag 2021. 320 S., broschiert, 16 €
Hilaire Belloc ist der Paradeautor des ambitionierten Renovamen Verlags aus der Dübener Heide. Daß seine Titel, vorher jahrzehntelang vergessen, neuerdings stark nachgefragt werden, spricht für das Wachstum eines bestimmten katholischen Milieus um den Verlag herum. Während nun der Sklavenstaat christliches gesellschaftliches und »sozioökonomisches« Gelände jenseits von Kapitalismus und Kommunismus vermißt, Die großen Häresien bedrohliche Angriffe auf den christlichen Glauben skizziert und Gegen Mächte und Gewalten die alten und neuen Feinde der katholischen Kirche entlarven möchte, ist Der Weg nach Rom etwas ganz anderes:
Der französisch-britische Schriftsteller (1870–1953) nimmt seinen Leser mit auf seinem langen Fußweg in die Ewige Stadt. Die 1902 erstmals im englischen Original publizierte Reise – eine deutsche Fassung erschien bei Herder 1964 – führt ihn von Toul durch das Tal der Mosel, über Epinal, Beifort, die Schweiz, über die Alpen und durch Oberitalien, über Pfade und Wege, die mit Hauptverkehrsadern selten etwas gemein haben. Nichts gemein hat zudem der traditionalistische Autor in diesem sonderbaren, mit Zeichnungen Bellocs angereichertem Buch mit traditionellen Arten des Schreibens. Er baut – katholisch-dadaistisch? – unpassende Zwischenrufe eines fiktiven Lesers ein, die der umfassend gebildete und selbstironische Belloc mal salopp, mal gütig, mal schroff beantwortet. Nach wenigen Seiten ist man »eingestimmt« auf diese Reise, die vor fast 120 Jahren unternommen wurde.
»Vergiß den Tumult«, schreibt Belloc, und hat damit Recht. Tumult kann man vergessen. Statt dessen abzutauchen in eine längst vergangene Zeit zwischen Rotwein, Palaver und Gottvertrauen verschafft unerwartete Momente der Lesefreude – und ist beileibe nicht nur etwas für hartgesottene Katholiken.
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Schönes – Volker Braun: Handstreiche, Berlin: Suhrkamp 2019. 91 S., gebunden, 18 €
Die meisten begnadeten Aphoristiker, die man heute liest, sind längst tot. Volker Braun zeigt sich hingegen quicklebendig. Der Dresdner Schriftsteller (Jg. 1939) hat über viele Jahrzehnte hinweg ein umfassendes Werk geschaffen, das neben Theaterstücken, Gedichten, Hörspielen, Erzählungen und seinen »Arbeitsbüchern« (Werktage) auch präzise formulierte Einsichten und weise Bonmots umfaßt. Eine Auswahl letzterer erschien vor einem Jahr als Handstreiche.
Brauns Notate kommen, je nach Thema und Anlaß, polemisch, sarkastisch, zugespitzt daher, in jedem Falle aber sind sie gelehrt, ohne belehrend zu sein, und geistreich, ohne altklug zu erscheinen. »Man muß nicht alle Symptome aus den Verhältnissen kratzen, aber der Riß soll sichtbar werden«, klingt dabei nach Schnellroda, »Das Aufbegehren ist die freie Wahl« ist Schnellroda: »Ausschreitungen auf dem Papier«.
Bei anderen Sentenzen klingt hingegen die Verarbeitung des Untergangs des zweiten deutschen Teilstaates neben der BRD einher: »Das Volk gab sein Eigentum ab und ließ sich die Freiheit aushändigen.« 30 Jahre nach dem Beitritt der »neuen Bundesländer« – der alten Heimat Brauns – zum Geltungsbereich des Grundgesetzes scheint diese ironische Volte verblüffend aktuell.
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Wahres –Branko Milanović: Kapitalismus global. Über die Zukunft des Systems, das die Welt beherrscht, Berlin: Suhrkamp 2020. 404 S., 26 €
Ein Buch, das Ende 2019 in der Redaktion der Sezession begeistert aufgenommen und diskutiert wurde, war Das Licht, das erlosch (Berlin 2019). Verfaßt haben es der Bulgare Ivan Krastev und der US-Amerikaner Stephen Holmes. Während beide den Fokus auf liberale vs. illiberale Demokratie legten, das heißt die politische Ebene priorisierten, konzentriert sich Branko Milanović in seinem Meilenstein auf die ökonomische Ebene. Auch der serbisch-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler (Jg. 1953) ist keiner von »uns«; wie seine Kollegen Krastev und Holmes ist er Anhänger eines liberaldemokratisch-egalitären Weges. Aber auch Milanović will zuallererst verstehen und darstellen, und seine quellensatten Thesen über das alternativlose Weltmodell »Kapitalismus« lassen dem Leser Spielraum zum eigenständigen Weiterdenken.
Milanovićs Analysen und Zahlen rechtfertigen dabei nichts anderes als relative ethnokulturelle Homogenität und relative soziale Homogenität als doppelte Basis eines auch im 21. Jahrhundert noch denkbaren und durchsetzungsfähigen Sozialstaates. Seine Analysen können daher der weiteren inhaltlichen Fundierung des Solidarischen Patriotismus dienen.
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Volksdeutscher
Charles Baudelaire - "Selbst wenn es keinen Gott gäbe, wäre die Religion göttlich!"
Ich bin kein guter Christ, auch kein guter Katholik, dazu bin ich auch noch aus politischen Gründen aus der Kirche ausgetreten, bleibe trotz dessen dem Geiste des Katholizismus verpflichtet. Bellocs Name war mir bis dato unbekannt, habe prompt alle oben vorgestellenten Bücher von ihm auf meine Bücherliste gesetzt.