»Meine Frage ist: Was können wir tun gegen den Aufstieg des Rechtspopulismus, und wie können wir die rechtsextremen Narrative dekonstruieren?«
Wen die vermutlich amerikanische Studentin mit »wir« meint, ist nicht ganz ersichtlich. Allerdings scheint sie es für selbstverständlich zu halten, daß das zuvor Gehörte verdient, umgehend widerlegt und bekämpft zu werden. Geradezu physische Pein erleidet Astrid Hauge Rambøl von der Universität Oslo.
Die Doktorandin, die sich der Erforschung von Extremismus, Populismus und »anti-islamischem Aktivismus« widmet, sieht sich bemüßigt, sich klar zu positionieren:
Ich finde es irritierend, was für ein Narrativ hier gerade verbreitet wird. Migration ist eine Massentragödie für die Migranten, und nicht für Europa.
Sofort kommt Widerspruch aus dem Publikum.
Würden Sie denn sagen, daß das, was die Kinder von Rotherham erlebt haben, keine Tragödie ist?
Der Fragesteller ist ebenfalls Skandinavier und trägt einen Thorshammer um den Hals. Später wird er sich als politischer Aktivist zu erkennen geben. Eine portugiesische Studentin wendet sich an José Pedro Zúquete, den Initiator der Konferenz »From America to Europe: Identity, Mass Migration and White Backlash«, die am 5. und 6. November 2019 in englischer Sprache an der Universität Lissabon abgehalten wird: Migration sei doch vor allem Folge von Kolonialismus und Ausbeutung, die »wir« verschuldet haben.
Das große und eigentliche Problem sei der Rassismus der Europäer, und auch Portugal müsse sich der Einwanderung öffnen und mehr Flüchtlinge aufnehmen. Ihr wird von einem österreichischen Besucher widersprochen: Er fände es als Ausländer erschreckend, daß es auch hier Menschen gebe, die sich freiwillig die gleichen Probleme wie Frankreich, Deutschland oder Schweden aufhalsen wollen, und er hoffe, daß Portugal Portugal bleibe.
Daraufhin verließen nicht weniger als sechs Leute empört den Saal …
Mir, dem österreichischen Besucher, war rasch aufgefallen, daß in Lissabon so gut wie keine Muslime zu sehen waren, was vielleicht auch ein Grund ist, warum »Rechtspopulismus« in Portugal – im Gegensatz zum Nachbarland Spanien – kein großes Thema ist.
Auch die Antifa-Aktivität ist in Portugal sehr gering, und so durfte ich eine Konferenz erleben, die in Deutschland, wo selbst ein Bernd Lucke ins Visier der Linksextremisten gerät, wohl schon im Vorfeld abgeblockt worden wäre.
Rambøl, die einen Stoffbeutel mit dem Aufdruck »Klassekampen« mit sich trug (nach einem kommunistischen Magazin, für das sie tätig ist), referierte am folgenden Tag über »The far-right in Scandinavia«, ein Begriff, der sowohl gewaltbereite Gruppen als auch »Rechtspopulisten« wie die »Schwedendemokraten« umfaßt.
Ihr Vortrag war deutlich wertender und parteiischer als die anderen Beiträge; so empfand sie es als »schockierend«, daß in Dänemark sogar die Sozialdemokraten eine restriktive Einwanderungspolitik verfolgen. Als sie zur Frage nach den Gründen des wachsenden Zulaufs zu den Rechtspopulisten kam, vermutete sie psychologische Dispositionen und sprach über globale wirtschaftliche Dynamiken, die eher Flucht- und Migrationsursachen betreffen.
Der »Gorilla auf der Hollywoodschaukel« (Michael Klonovsky) blieb während ihres gesamten Vortrags hartnäckig unerwähnt, und in der anschließenden Diskussionsrunde fragte ein Zuhörer listig:
Gibt es in Skandinavien eigentlich so etwas wie Ausländerkriminalität und islamischen Extremismus und Terrorismus, und wie könnte dies zu der Entwicklung beigetragen haben, die Sie eben geschildert haben?
Rambøl war durch diese Frage, die in ihrer akademischen Blase offenbar nicht einmal gestellt wird, sichtlich aus der Bahn geworfen. Ja, es gäbe islamischen Terrorismus, gestand sie schließlich ein, aber er sei »nicht signifikant« und Breivik habe doch im Alleingang viel mehr Menschen umgebracht.
Nach ihr war der österreichische Historiker Lothar Höbelt an der Reihe, der als FPÖ- und AfD-nahestehend gilt. Auch sein Vortrag bereitete Rambøl sichtlich Unbehagen, wobei Höbelt, als Historiker ein Mann des Konkreten, nichts anderes tat, als ein detailliertes und sachliches Bild des Aufstiegs der FPÖ unter Haider zu zeichnen.
Dabei betonte er mehrfach, daß das Migrationsthema besonders in der Arbeiterklasse auf erhebliche Resonanz gestoßen sei, was der Sozialdemokratie nachhaltig geschadet habe.
Linke und rechte Referenten auf einem gemeinsamen Podium, linke und rechte Fragesteller im Publikum, offene Debatte, keine Randale durch Antifaschisten – dies war für einen Besucher aus einem deutschsprachigen Land ebenso verblüffend wie stimulierend.
Dabei ging es dem an der Universität Lissabon tätigen Sozialwissenschaftler Zúquete vor allem um ein klares Verständnis seines Themas »Identität, Masseneinwanderung und weiße Gegenreaktion« jenseits von Ideologieproduktion und politisch einseitigem »Framing«.
Die Konferenz begann mit einem Vortrag, der die Diskussionsgrundlage für alle weiteren Beiträge absteckte. Der 1970 geborene und an der Universität London tätige Kanadier Eric Kaufmann ist der Autor eines sehr nüchternen, sehr dicken, sehr hilfreichen und faktengesättigten Buches, das man mit Fug und Recht als Meilenstein betrachten kann: Whiteshift. Populism, Immigration and the Future of White Majorities (London, 2018) ist vergleichbaren Versuchen, die »populistische« Welle zu erklären (wie Identität von Francis Fukuyama oder Der Zerfall der Demokratie von Yascha Mounk) schon allein durch die Tatsache weit überlegen, daß Kaufmann den größten Elefanten im Raum frontal ins Visier nimmt und in den Mittelpunkt seiner Analyse stellt.
Was Kaufmann »Whiteshift« nennt, ist nichts anderes als »der große Austausch«, nämlich der epochale demographische Wandel der westlichen, »weißen« Nationen durch Einwanderung und Rassenvermischung. Ohne einen »Rassenrealismus« à la Jared Taylor oder Charles Murray zu bemühen, erkennt Kaufmann an, daß auch »rassische« Identität ein wirkungsmächtiger gesellschaftlicher Faktor ist, mit dem man rechnen muß.
Er bestätigt nicht nur, daß dieser fortschreitende, »beispiellose« Prozeß des Bevölkerungsaustausches eine unleugbare Realität ist, er sieht in ihm auch den entscheidenden Motor für die Hinwendung großer Bevölkerungsgruppen zum »Populismus«: »It’s NOT the economy, stupid!«, betonte er mehrfach.
Zentral sind also nicht wirtschaftliche Gründe, sondern in der Tat die Frage nach dem Erhalt und Schutz der eigenen, auch ethnisch und »rassisch« konnotierten Identität, ein Eigeninteresse, das Kaufmann für nachvollziehbar und legitim erklärt. Demographische Verschiebungen bedeuten Macht‑, Identitäts‑, und Traditionsverlust, und das Gefühl der Bedrängnis innerhalb der schrumpfenden Noch-Mehrheit wird verschärft durch die aggressive, oft unverhohlen anti-weiße Multikulturalisierungspolitik der Linken, die die Identitäten der Einwanderer und Nicht-Weißen gegen die weißen Autochthonen aufmunitionieren.
Dabei sind es oft kleine Details, die mit Identität, kultureller Tradition und »persönlichen Werten« zu tun haben, die sich summieren und auf das große Ganze auswirken: Wer etwa für die Beibehaltung der traditionellen Kleiderordnung bei den Tennisturnieren von Wimbledon ist, neigt eher dazu, für den Brexit zu stimmen als dagegen.
Dasselbe gilt für Menschen, die Ordnung am Schreibtisch und das Landleben schätzen oder Familienwerte hochhalten. Kaufmann bestätigt, daß die »progressive Linke« an dieser Stelle tatsächlich an einem unhaltbaren Doppelstandard festhält, der unweigerlich zu Gegenreaktionen führen wird.
»Konservative Weiße« haben heute nur die Wahl zu »kämpfen« – indem sie sich etwa rechten Bewegungen und Parteien anschließen – oder zu »fliehen«, mithin sich auf die »white flight« in lokale und soziale Rückzugsgebiete zu begeben, eine Praxis, die auch unter weißen Linken und Liberalen nicht selten ist.
Kaufmann nun hält den Widerstand gegen den demographisch-ethnischen Wandel (also den »großen Austausch«) für ebenso aussichtslos, wie den Versuch, den rechtspopulistischen Widerstand durch »antirassistische« Repression zu brechen. Stattdessen betont er, daß man den »weißen Mehrheiten« in den westlichen Ländern eine positive Identität und eine Zukunft als Gruppe in Aussicht stellen müsse.
Allein das unterscheidet sich wohltuend vom Hohn linker Akademiker und Meinungsmacher besonders im anglophonen Raum über die »Auslöschungsängste« und den »Rassismus« der »abgehängten« Weißen. Dabei plädiert Kaufmann für eine »offene Form der weißen Identität«, die Rassenmischungen bis zu einem gewissen Grad zuläßt und als unvermeidlich akzeptiert.
Das »Weißsein« wird nicht verschwinden, aber womöglich in eine phänotypisch und kulturell neue Form umgegossen werden. Mit diesem und anderen Kompromissen hofft Kaufmann, dem Populismus seinen Stachel zu ziehen und die wachsenden ethnischen Spannungen, die Folge der Ersetzungsmigration sind, zu entkräften – diese »Verwerfungen« also, wie der Politikwissenschaftler Yascha Mounk die Folgen des »historisch einzigartigen Experiments« unserer Zeit nennt.
Dies mag ein zwiespältiges und unbefriedigendes Angebot sein, es bricht allerdings mit dem Ächtungstabu, mit dem heute jede Form von pro-weißer Identitätspolitik behaftet ist. Kaufmann selbst erscheint als eine Art Eliten-Prototyp dieses »neuen« weißen Mannes der Zukunft: Geboren in Hongkong mit Wohnsitz Wimbledon, hat er chinesische, jüdische, lateinamerikanische und tschechische Vorfahren.
Stärker noch als Fukuyama betont er, daß ethnische, abstammungsbedingte Gruppenidentität nicht aus der Welt zu schaffen sei. Darum kann ein bloßer »civic nationalism«, ein »staatsbürgerlicher Nationalismus« auf der dünnen Basis von »universellen Werten« allein nicht genügen, um die westliche Welt vor dem Absturz in einen »endlosen Kulturkampf« zu bewahren.
Kaufmanns Modell der »Vielstimmigkeit« (»Multivocalism«) will die »nationale Identität von Populisten und Progressiven, Mehrheiten und Minderheiten« unter einem pluralistischnationalen Dach versammeln – man stelle sich etwa ein Deutschland vor, in dem das Deutschsein von Ferda Ataman als ebenso legitim angesehen wird wie das Deutschsein von Björn Höcke (ich kann es nicht).
Ein dezidierter Kritiker des Konzepts der »Staatsbürgernation«, mit praktisch denselben Argumenten wie Kaufmann, ist auch der 1959 geborene israelische Militärhistoriker Azar Gat von der Universität Tel Aviv, Autor des Buches Nations: The Long History and Deep Roots of Political Ethnicity and Nationalism (Cambridge 2013) und ein weiterer hochkarätiger Gast der Konferenz.
Für Gat ist eine Nation wie alle sozialen Phänome beides: einerseits ein bewußtes kulturelles »Konstrukt«, andererseits tief in der menschlichen Natur verwurzelt. Das eine schließe das andere keineswegs aus, das eine baue vielmehr auf dem Material des anderen auf.
Sein Buch kritisiert die »modernistische« Vorstellung, Nationen seien historisch neuartige, oberflächliche und artifizielle Phänomene ohne Verwurzelung in der menschlichen Psyche. Demgegenüber hält er fest, daß ethnische und nationale Sentiments eine evolutionäre Basis haben und die Grundlage für Solidarität und Kooperation jenseits der unmittelbaren Familienbande bilden.
So lehnt er es auch ab, den »staatsbürgerlichen Nationalismus« (»civic nationalism«) gegen den »ethnischen Nationalismus« (»ethnic nationalism«) auszuspielen, denn jeder Nationalstaat trage beide Komponenten in sich.
Die Vorstellung, eine Nation könne ihren Zusammenhalt allein durch rechtsstaatliche Institutionen und geteilte Staatsbürgerschaft ungeachtet des ethnisch-kulturellen Hintergrunds der Bürger gewährleisten, nennt Gat »bestenfalls ein ideologisches Streben nach Toleranz, schlimmstenfalls einen gravierenden Fall von ›falschem Bewußtsein‹«.
In der Tat gebe es nur sehr wenige Nationen, die nicht auf einer Art von fragloser und selbstverständlicher »Verwandtschaftskultur« basierten. Dies gelte nicht minder für den komplizierten Fall des »Schmelztiegels« USA, der immer wieder als Beispiel par excellence für eine reine »Staatsbürgernation« herhalten muß: Auch »Amerikanersein« sei nicht in erster Linie eine Frage von bloßer Staatsbürgerschaft, sondern werde durch die Assimilation an fundamentalere Realitäten vollzogen.
Dazu gehören Dinge wie die gemeinsame Sprache, Sitten, Symbole, soziale Praktiken und Rituale, populäre Geschmäcker, Bilder und Nationalhelden, Musik, Sport, Essen und Feiertage.
Aus den USA kam der junge Politikwissenschaftler George Hawley von der Universität Alabama, Autor des bislang wohl besten akademischen Buches über die nordamerikanische »alternative Rechte«: Making Sense of the Alt-Right (New York, 2017).
Penibel recherchiert, in einem trocken-distanzierten Tonfall gehalten, ohne faktische Fehler und inhaltliche Verzerrungen, bemüht sich Hawley als eine Art Anti-Volker-Weiß um eine sachliche Darstellung der politischen Ideen der »weißen Nationalisten« und ihre Entwicklung seit der Gründung der (inzwischen eingestellten) Netzseite Alternative Right im Jahr 2010 durch Richard Spencer.
Als entscheidenden Impetus nennt auch er den Kampf gegen den demographischen Niedergang der weißen Bevölkerung in den USA, wobei die AltRight über diesen Punkt und das anti-globalistische, anti-interventionistische »America First« weit hinausgeht, indem sie die Utopie eines homogenen Ethno-Staates verfolgt, der auf amerikanischem Boden wohl kaum zu verwirklichen ist.
Absagen mußte die angekündigte linke Autorin Angela Nagle, die sich in dem Buch Kill All Normies (Zero Books, 2017) ebenfalls mit der Alt-Right im Spiegel der Internetsubkulturen auseinandergesetzt hat, nicht ohne die Rolle der Linken an der politischen Polarisierung und Eskalation außer acht zu lassen.
Vorbildliche Recherche bietet auch das 500 Seiten starke Buch von José Pedro Zúquete The Identitarians. The Movement against Globalism and Islam in Europe, (Notre-Dame, Indiana 2018), das auf seinem Titelbild eine Demonstration der österreichischen Identitären zeigt.
Wie Hawley hat auch Zúquete mit seinen Forschungsobjekten lange Interviews geführt, unter anderem mit mir. Die Darstellung der europäischen »Identitären« (mit Seitenblick auf die USA) beschränkt sich hier nicht auf die »offizielle«, ursprünglich aus Frankreich stammende Bewegung, sondern umfaßt ein breites Spektrum rechter Köpfe, Organisationen, Zeitschriften und Strömungen.
Es gäbe viele Arten, ein Identitärer zu sein:
Man kann ein zurückgezogener Intellektueller sein oder ein Agitator von Ideen, ein Kulturkämpfer oder ein Netzwerker, ein Influencer in den sozialen Medien, ein Aktivist auf der Straße und im Internet oder sogar aktives Mitglied einer politischen Partei.
Als primäre Säule des »Identitarismus« nannte Zúquete den »Anti-Globalismus«. Zu diesem Thema hat er bereits 2010 ein lesenswertes Buch veröffentlicht: The Struggle for the World (Stanford, Kalifornien) untersucht die »anti-globalistischen« Strategien von so unterschiedlichen Phänomenen wie lateinamerikanischen Unabhängigkeitsbewegungen, Attac und dem Weltsozialforum, der europäischen Neuen Rechten und dem islamischen Dschihad gegen die westlich-amerikanische Welt.
Zuqúetes Vortrag kam erfrischenderweise ohne die üblichen Begriffsschubladen aus. Die allen identitären Strömungen gemeinsame Frage sei:
Was bedeutet es, ein Europäer zu sein? Kann jedermann, der von überall her, aus Asien, Afrika, Lateinamerika nach Europa kommt, von sich behaupten, er wäre Europäer? Oder Europäer werden? Die einfache Antwort ist: Nein. Nicht jeder kann Europäer sein.
Wesentlich sei, daß es hier nicht bloß um nationale Identitäten als Deutsche, Italiener, Ungarn oder Schweden gehe, sondern daß aus identitärer Sicht das Schicksal der gesamten europäischen Zivilisation auf dem Spiel steht.
Der Identitäre betrachtet die Europäer als die Indigenen Europas, womit eine »ganze Vielfalt an Ethnien gemeint ist – basierend auf geographischer Herkunft, Geschichte, Sitten, Traditionen, kollektiver Erinnerung, Genealogie, genetischer Vererbung. Europäer sind keine körperlosen Wesen, sondern Abkömmlinge und zugleich Verkörperungen einer Identität, die biologisch wie kulturell ist. Für Identitäre fällt die Kultur nicht vom Himmel. Sie ist ein Produkt unverwechselbarer Völker, mit ihren eigenen spezifischen Merkmalen.«
Sich zu dieser Identität als Europäer zu bekennen, gleiche heute einem Akt der Rebellion. Zúquete zitierte David Engels:
Europäisch zu bleiben ist zu einem Akt des Widerstands geworden.
Dieser Satz summiere trefflich die identitäre Psychologie und Moral. Der Gegenspieler »Globalismus« wird als »expansive Macht« gesehen, die Völker und Kulturen in die Uniformität zwingt und sie damit zerstört.
Darum findet sich im identitären Denken auch eine grundlegende Kritik der Moderne, insbesondere des Liberalismus, der »das Individuum« aus seiner gewachsenen, überlieferten, sozialen Einbettung abstrahiert und damit den Weg für eine Welt der »Post-Identität« bereitet hat, die keine Achtung vor Grenzen und Beschränkungen mehr hat.
Die Masseneinwanderung nach Europa wird als eine Form der Kolonisation aufgefaßt. Im identitären Narrativ ist Europa vom Geist der Abdankung und Kapitulation befallen, hat anscheinend seinen Lebenswillen verloren. Das »perfekte Symbol dieses Übels ist der demographische Kollaps«, wodurch die Situation entsteht, daß eine alternde europäische Zivilisation auf der nördlichen Hemisphäre jungen, expandierenden Gesellschaften im Süden gegenübersteht, die Richtung Norden strömen.
Als Zúquete auf Renaud Camus, dessen Konterfei groß an die Wand projiziert wurde, und den Begriff des »großen Austauschs« zu sprechen kam, zückte er ein Messer, um Camus’ von Lichtenberg angeregte Metapher des »Austauschs« zu veranschaulichen: Ist ein Messer, dessen Klinge und dessen Stiel man auswechselt, immer noch dasselbe Messer?
Camus’ Antwort ist bekanntlich »Nein«, und hier sei die große Lüge zu suchen, die von den herrschenden Eliten und den Medien verbreitet wird: Die Lüge, man könne ein Volk gegen ein anderes austauschen, und immer noch dieselbe Geschichte, Kultur, Zivilisation und Identität, also dasselbe Europa haben.
In Wahrheit fände hier ein beispielloser Kultur- und Zivilisationbruch statt. Eine multikulturelle Gesellschaft werde aus identitärer Sicht unweigerlich zu einer multi-konfliktträchtigen Gesellschaft, und eine multirassische Gesellschaft zu einer multirassistischen.
Die künftigen Kriege und blutigen Auseinandersetzungen zeichnen sich bereits jetzt ab: In der Bildung von No-Go-Zonen, religiös-ethnischen Ghettos und ethnisch konnotierten Gangs, im Anstieg der Ausländer- und Einwandererkriminalität, in immer wieder ausbrechenden Rassenunruhen und in der wachsenden Zahl sexueller Übergriffe auf europäische Frauen.
All dies seien bereits Manifestationen einer Form des ethnischen Krieges, der sich verschlimmern wird, wenn der »große Austausch« voranschreitet. Zúquete gab diese Grundzüge der identitären Weltanschauung präzise, ohne Verzerrung und ohne wertenden Kommentar wieder.
Im Anschluß an Eric Kaufmanns Vortrag entfalteten sie eine Plausibilität, die wie eingangs geschildert, unter einigen Anwesenden zu erheblichen Irritationen führte. Kaufmann selbst zeigte sich im Nachhinein aufgrund der »Bandbreite an Meinungen« und dem »hohen Niveau der Auseinandersetzung« begeistert von der »einzigartigen« Konferenz.
Einige linke Studenten waren nicht dieser Ansicht und schrieben einen offenen Brief, in dem beteuert wurde, daß man zwar für Meinungsfreiheit sei, diese aber für Leute wie Kaufmann und Höbelt eingeschränkt werden müsse, »die dafür bekannt sind, weißen Suprematismus zu fördern«.
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