Gutes – Volker Zierke: Enklave, Dresden: Jungeuropa 2020, 130 S., brosch., 15 €
Der junge Autor Volker Zierke gab mir seinen Erstling, als wir im September unsere coronabedingt abgespeckte Sommerakademie durchführten und er wie immer half. Ich begann noch in der Nacht zu lesen – an Akademiewochenenden ist immer viel Unruhe im Haus, weil die Nachtwachen aufziehen und die Studenten bis in die Puppen diskutieren. Ich schloß die Lektüre in der zweiten Nacht ab.
Zierke sind drei Dinge gelungen: Er hat zum einen sofort einen eigenen Stil gefunden, eine andeutungsreich verschachteltes Geflecht aus Rückblenden, Wahrnehmungsebenen und einer Handlung, die sich nach und nach enträtselt. Das ist das zweite: Zierkes Text wirkt, als hätte man aus einem Fließgewässer ein paar Eimer abgeschöpft und könnte darin aufs Ganze schließen. Das heißt: Es müßte eigentlich einen ganzen Roman hinter diesem ersten Ausschnitt geben, es sollte ihn geben, man wünscht sich, daß es ihn gebe.
Drittens: Zierke spielt mit literarischen Puzzleteilen. Er greift Stränge aus Joseph Conrads Herz der Finsternis auf und deutet die Lektüre von Christian Krachts Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten an. Das ist für seine eigene Erzählung wichtig: Inwiefern sind wir Teil eines Spiels, einer künstlichen “Wiederbelastung”, eines epigonalen Programms?
Und mit diesen Fragen komme ich endlich kurz zur Handlung, damit Sie wissen, was Sie über die stillen Tage lesen werden: Im Mittelpunkt steht ein junger Offizier der Marineinfanterie, der an Bord eines Schlachtschiffs an der Jagd auf einen versteckten Feind beteiligt ist. Gefechte, Ausbildung, Auftrag, Koordinaten – wer ist, wo ist der Feind? Für wen kämpft man, was hat der Feind getan? Hat er überhaupt etwas getan?
Lesen Sie Enklave, wir können sofort liefern. Hier bestellen.
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Wahres – Zeitschrift Die Kehre, Heft 3: Energie. 61 Seiten, 7 €
Unser Kolumnist Jonas Schick gibt seit Anfang des Jahres Die Kehre heraus – eine Zeitschrift für Naturschutz. Er hat mit ihr einen jener Stränge in die Hand genommen, die ursächlich und vor allem ursprünglich konservativ sind, aber neben den anderen Kennstücken unserer Richtung arg ins Hintertreffen gerieten.
Mittlerweile ist aus dem Naturschutz der Klimaschutz geworden, das Konkrete ist ins Allgemeine verflattert, das total tolle Gefühl hat die Selbstbescheidung abgelöst. Öko ist links ist grenzenlos ist Eine Welt.
Dagegen setzt Schick sein Projekt, und gut ist, daß aus dem Impuls des Dagegen ein Dafür geworden ist: Wie sieht das aus, wenn wir tatsächlich über den Schutz, den umsetzbaren Schutz des Eigenen, des Naheliegenden nachdenken? Wieviel Ökogelaber muß abgedreht werden, damit die feineren Töne einer “Kehre” (Heidegger!) hörbar werden?
Heft 3 hat die Frage nach der Energie zum Thema. Wir haben alle drei bisher erschienenen Hefte dieser wichtigen, neuen Zeitschrift vorrätig. Lesen Sie hier und bestellen Sie gleich.
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Volker Mohr: Die Staubdämonen, 125 Seiten, 19.50 € und Das Riesenrad, 120 Seiten, 19.50 €, beide Schaffhausen: Loco-Verlag 2020
Volker Mohr ist unseren Lesern bekannt als Verfasser des kaplakens Der Verlust des Ortes, der in diesem Jahr seine 4. Auflage erlebte. Mohr, der stark von Heidegger, Friedrich Georg Jünger und anderen (ich verwende dieses unglücklich abgegriffene Wort ungern!) achtsamen Autoren inspiriert ist, beschreibt darin die verheerenden Folgen von Ortlosigkeit, modernem Nomadentum und ständiger Überformung des Gewohnten (in welchem Wort ja “wohnen” steckt).
Mohr ist vor allem Erzähler, und von seinen Novellen und Erzählungen geht auf bestimmte Leser ein Sog aus. Ich gehöre dazu. Ich weiß, daß mich, wenn ich zu Mohr greife, nichts Spektakuläres erwartet, kein verrückter Plot, keine irre Geschichte, sondern meist eine Konstellation, in die man hineingerät, hineinrutscht, und die als Parabel auf unsere Zeit zu wirken beginnt.
Im Riesenrad ist das eine Fahrt, die nicht mehr enden will, aus der es keinen Ausstieg gibt, und das schlagende daran ist, daß dies überhaupt nicht jeder, den es von unten nach oben und wieder zurück dreht, als Problem, als Unzumutbarkeit wahrnimmt. Es läuft eben ab, buchstäblich. Kennt jeder von uns, nicht?
Die Staubdämonen sind dabei vor dem Hintergrund der Corona-Krise und dem zweiten, nun sehr harten Lockdown sozusagen ein offenes Buch. Ein Ehepaar bleibt mit seinem Wagen liegen und kommt in einer Pension unter, um die herum alte Bausubstanz eine heimelige Atmosphäre bildet. Aber dieses Heim wird unheimlich, nicht nur das Weltbild, sondern die Gemäuer bekommen Risse – der Verlust des Ortes setzt ein.
Ich empfehle Mohr zur Entdeckung. Ich las alles aus seiner Feder, gehöre sicherlich zu denen, dessen Saiten er anzuschlagen weiß. Und ich kann mir vorstellen, daß sich unter unseren Lesern etliche ähnliche Gemüter finden werden.
Das Riesenrad hier bestellen, Die Staubdämonen hier.
Maiordomus
Sehe in Volker Mohr einen der absolut bemerkenswertesten Schreibenden von heute, der aber nach wie vor ein Gehemtip geblieben ist. Verpasse keinen Titel von ihm. Als sein bisheriges Meisterwerk schätze ich "Das Riesenrad" ein. Dort, wo er lebt, hat er vielfach die Nachfolge des vielfach preisgekrönten, wenngleich "berufskranken" bedeutenden Autors Markus Werner, auch Bodenseeliterturpreisträger, übernommen. Von Hätscheleinheiten seitens des Feuilletons kann man aber bei diesem Autor nicht sprechen. Wiewohl ein Schreiber einer ganz anderen Art als ich es schaffen konnte, empfehle ich die obige Empfehlung von GK mit ganz besonderem Nachdruck auch für jene, die meine zugegebenermassen oft etwas akademischen Forum-Beiträge und Einwürfe hier schätzen oder wenigstens ertragen. Falls ich noch selber einen Tipp geben darf: "Abendspaziergang mit Kater" von Th. Hürlimann, wird am Montag 70; von Matussek in der Weltwoche noch nicht angemessen gewürdigt, zu sehr einfach als politisch "Gleichgesinnter" porträtiert. Auf schweizerische Art garantiert frei von Linksdrall, aber vor allem; ein Meister!