Wiederbelastung

"Sehnt ihr euch nicht manchmal auch nach wilderem Denken?

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Nach Ideen ohne fes­te Ord­nung, Uto­pien ohne bere­chen­ba­ren Sinn, nach Ecken und Kan­ten, an denen ihr euch sto­ßen könnt? Schämt ihr euch nicht, kei­ne Ant­wort zu haben auf die Fra­ge ›Was für eine Mei­nung ver­trittst du, die nicht auch die Mehr­heit teilt?‹ … Ich will Mut zum Zusam­men­hang, zur gan­zen Erzäh­lung. Die Spreng­köp­fe der Dekon­struk­ti­on haben wir lan­ge genug bewun­dert, jetzt ist wie­der Zeit für ein paar gro­ße Architekten.”

Die­se Sät­ze stam­men aus dem viel­dis­ku­tier­ten Buch Sie­ben Näch­te, das der damals neun­und­zwan­zig­jäh­ri­ge Publi­zist Simon Strauß im Som­mer 2017 vor­leg­te. Strauß (sein Vater ist der Schrift­stel­ler Botho Strauß) schil­dert auf knap­pen hun­dert­vier­zig Sei­ten den Ver­such, dem sein Leben prä­gen­den Unernst durch Selbst­aus­set­zung ein Ende zu berei­ten, die post­mo­der­ne Belie­big­keit zu unter­lau­fen und dem Ein­mün­den in ein vor­her­seh­ba­res Leben, in ein von Ord­nung gepräg­tes, ein­ge­ord­ne­tes Leben in einem geord­ne­ten Staat doch noch so etwas wie Bedeut­sam­keit und Über­ra­schung entgegenzustellen.

Selbst­aus­set­zung (die­ses Wort kommt bei Strauß nicht vor) meint: Weil es in mei­nem Leben bis­her kei­ne von außen zuset­zen­de, gefähr­den­de, har­te Her­aus­for­de­rung gab, muß ich sie selbst insze­nie­ren, sie vor mich hin­stel­len, auf sie auf­lau­fen, auf­pral­len – und an die­ser Nicht-Not­wen­dig­keit zu rei­fen ver­su­chen, indem ich sie für die Dau­er die­ses Zustands zur Not­wen­dig­keit erklä­re und mich in eine Stim­mung der Bewäh­rung und der Bedeu­tung hineinsteigere.

Strauß beschreibt sich im Vor­spann als ehr­gei­zi­gen, von Hau­se aus mit Vor­schuß­lor­beer und dem nöti­gen Klein­geld aus­ge­stat­te­ten jun­gen Mann, als Begab­ten, der schon immer zu Krei­sen gehört und Krei­se mit­ge­stal­tet hat, aus denen her­aus sich die Ver­la­ge und Redak­tio­nen, die Kul­tur­sze­ne und das Feuil­le­ton der Groß­stadt ihren Nach­wuchs angeln. Vor­ge­bahn­te Wege, auf­ge­spann­te Rah­men, hin­ge­stell­te Lei­tern – sicht­bar seit Jah­ren, man ging trotz aller grö­ße­ren, wil­de­ren Plä­ne stracks dar­auf zu, und nun, viel­leicht nach einem letz­ten Abschluß, kurz vor einem ers­ten gro­ßen Ange­bot, einer ins Berufs­le­ben ein­mün­den­den Ent­schei­dung soll noch ein­mal »etwas gewagt werden«.

Wir erfah­ren, daß ein älte­rer Bekann­ter die Strauß­sche Sehn­sucht nach Bewe­gung, inne­rem Auf­stand, nach Expe­ri­ment erkannt und ihm vor­ge­schla­gen habe, in sie­ben Näch­ten die sie­ben Tod­sün­den zu durch­le­ben und noch vor dem Mor­gen­grau­en jeweils sie­ben Sei­ten über das Erleb­te zu schrei­ben: über Hoch­mut und Völ­le­rei, Faul­heit und Hab­gier, über Neid, Wol­lust und Zorn. Jedoch: Die ver­meint­lich gro­ßen Bil­der sind schlech­te Kopien, Strauß weiß das. Die Ver­suchs­an­ord­nun­gen, in die er sich ver­setzt sieht, sind zahn­los und zahm – zag­haf­te Schritt­chen ins Gewag­te, Ver­ruch­te, Aus­ge­las­se­ne, in die Her­aus­for­de­rung, die Gefühls­auf­wal­lung, ins Selbst­herr­li­che, Selbst­er­mäch­ti­gen­de oder wenigs­tens zutiefst Lebendige.

Nichts an und in die­sen sie­ben Näch­ten ist so gewagt oder ver­we­gen, so gefähr­lich oder jen­seits der Gren­ze, daß es auch nur einen Ansatz von lebens­ver­än­dern­der Wucht zulie­ße. Strauß spürt den Man­gel an Bewäh­rung, aber er hilft ihm nicht ab. Er hält das, was her­ein­bre­chen könn­te, auf Distanz, indem er es beschreibt, und wäh­rend er schreibt, sucht er nach dem Gefühl und dem Erle­ben, des­sen Aus­brei­tung und Macht­er­grei­fung er in den Stun­den zuvor ver­hin­der­te. Das alles ist ja zeit­lich begrenzt, ist gehegt, labor­haft, wie eine Art Sport arrangiert.

Und weil Sie­ben Näch­te ein ehr­li­ches Buch ist, zer­platzt in der letz­ten Nacht, der Nacht des Zorns, des Jäh­zorns, alle Illu­si­on: Der Ich-Erzäh­ler fährt mit einem sei­ner engen Freun­de, dem engs­ten Freund wohl, durch die Stadt – der Freund steu­ert, läs­sig, abge­klärt, ins Busi­ness ein­stei­gend, die lan­gen Jah­re des gemein­sa­men Aus­pro­bie­rens und Mehr-Wol­lens iro­nisch und ein letz­tes Mal kom­men­tie­rend. Die Lebens­pha­se, die Jah­re der gro­ßen Ent­wür­fe und der Träu­me vom beson­de­ren Leben: Das alles wird als »Pha­se« abge­streift. Im Ich-Erzäh­ler wallt es – vor Zorn und Scham:

Und irgend­wann kom­men wir auf das Gan­ze zu spre­chen. Und er macht plötz­lich eine abfäl­li­ge Bemer­kung über mei­ne Ver­su­che, das Unge­nü­gen in Wor­te zu fas­sen, sagt in etwa: ›Immer nur Revo­lu­ti­on – du wie­der­holst dich, und es hat kei­ne Fol­gen, du mußt dich mehr rein­knien, sonst wird nichts dar­aus.‹ Er sagt das mit einer sol­chen Abge­klärt­heit, mit so viel Gift, dass ich am liebs­ten den Schei­ben­wi­scher von der Wind­schutz­schei­be rei­ßen und ihm in den Hals ste­cken würde.

Woher rührt die Verletzung?

Das Wich­tigs­te war ja stets gewe­sen, daß wir uns schüt­zend vor das Pathos des ande­ren stellten.

Das heißt nichts ande­res als: Wer als ers­ter begreift, daß die Pose, vom Vor­ge­bahn­ten abzu­bie­gen, irgend­wann albern wür­de, ver­letzt den­je­ni­gen tief, der die Illu­si­on noch auf­recht­hält. Denn:

Viel­leicht hat er ja doch recht. Viel­leicht ist Träu­men irgend­wann nicht mehr genug.

Ja, ganz sicher ist das irgend­wann nicht mehr genug. Aber wer dann der ers­te ist, der die­sen roman­tischs­ten aller Zustän­de albern nennt, führt den Dolch.

Selbst­aus­set­zung und Selbst­er­re­gung, Kreis­bil­dung und Lock­ruf: Die­ses Kon­zept ist alt und erprobt und stand auf­grund sei­ner Unbe­re­chen­bar­keit schon immer unter dem Ver­dacht der Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit. Die Roman­tik hat es unter dem Begriff der Poe­ti­sie­rung, der Wie­der­ver­zau­be­rung der Welt gegen­auf­klä­re­risch ent­wi­ckelt. Sie umman­tel­te sozu­sa­gen die nack­te Ver­nunft, deren Wir­kung sie mit Dis­zi­plin, Aus­rech­nung und Lan­ge­wei­le beschrieb und zurückwies.

Die Roman­ti­ker brach­ten Schat­ten und Dun­kel, Geheim­nis und Risi­ko, Traum und Sehn­sucht, Uto­pie und Ver­schwen­dung in die aus­ge­leuch­te­ten und auf­ge­räum­ten Zim­mer. Sie spra­chen vom Ich und sei­ner Befä­hi­gung, ja sei­ner Pflicht zur Selbst­aus­set­zung, Selbst­er­re­gung, Selbst­ver­su­chung. Neben die Ver­nunft, den logos, auf den sie natür­lich nicht ver­zich­ten woll­ten, den sie also nicht ver­war­fen, aber in sei­ner Über­trie­ben­heit und Aus­schließ­lich­keit ablehn­ten, stell­ten sie eros und thy­mos, Lie­be und Kraft, Lei­den­schaft und Zorn.

Von der Roman­tik schlän­gelt sich eine Tra­di­ti­ons­li­nie auf die Jugend­be­we­gung zu. Grün­dung und Auf­stieg des Wan­der­vo­gels lie­gen in der Hoch- und Blü­te­zeit des Zwei­ten deut­schen Rei­ches, die­sem durch­or­ga­ni­sier­ten, durch­ge­plan­ten, moder­nen und über die Maßen effek­ti­ven Staats­ge­bil­de, in dem leben und arbei­ten zu dür­fen tat­säch­lich bedeu­te­te, daß es sich Jahr für Jahr kom­for­ta­bler anließ – wenn man sich nur an- und einpaß­te und die Staats­ord­nung als die gedeih­li­che begriff.

Das Vor­ge­bahn­te, das Erprob­te, das Bewähr­te; das Abge­fe­der­te, Siche­re, Bür­ger­li­che – das Spieß­bür­ger­li­che: Der Wan­der­vo­gel, 1896 gegrün­det und am Vor­abend des Ers­ten Welt­kriegs längst zu einer weit aus­grei­fen­den Bewe­gung gewor­den, rekru­tier­te sei­ne Anhän­ger und Aus­ge­stal­ter aus jenen Schich­ten und Milieus, denen anzu­ge­hö­ren bedeu­te­te, daß es all­zu­viel Risi­ko nicht mehr gäbe, wenn man sich an die Dienst­plä­ne von Mili­tär, Ver­ein, Vater, Gott und Kai­ser hielt.

Man kann den Vor­kriegs­wan­der­vo­gel als Auf­stand gegen die Lan­ge­wei­le beschrei­ben. Die Selbst­aus­set­zung wur­de wört­lich genom­men und umge­setzt: Sich auf das Not­wen­digs­te zu beschrän­ken, auf »Fahrt« zu gehen und den Kom­fort als unna­tür­lich und das Wah­re ver­de­ckend zurück­zu­wei­sen – das war das Pro­gramm aller Grup­pen, aller Ab- und Auf­spal­tun­gen die­ses schil­lern­den Gebil­des. Aber auch hier: eine Lebensphase.

Von vorn­her­ein und unge­schrie­ben galt, daß man kei­ne von Erwach­se­nen orga­ni­sier­te Jugend­pfle­ge wün­sche, son­dern selbst­er­rin­gen­de, selbst­be­stimm­te Jah­re oder bes­ser: Wochen und Wochen­en­den inner­halb die­ser Jah­re, die ja doch meis­ten­teils aus Schul­pflicht und außer­schu­li­schem Bil­dungs­pro­gramm bestan­den. Dane­ben aber, in den frei­en Tagen und den Feri­en, wur­de ein Jugend­reich auf­ge­spannt, in dem man erleb­te und selbst­ge­wählt erlitt, was die Stun­den­plä­ne nicht vorsahen.

Nach dem Ers­ten Welt­krieg wur­de dar­aus ein Pro­gramm, eine gegen die alte Ord­nung gerich­te­te, in Auf­ru­fen und Grund­satz­schrif­ten for­mu­lier­te Abwen­dung. Die nun straf­fer orga­ni­sier­ten Bün­di­schen sahen sich im Recht, weil es dem bür­ger­li­chen und (aus der Sicht eines Wan­der­vo­gels) deka­den­ten Staat nicht gelun­gen war, das Gemet­zel des Maschi­nen­kriegs ent­we­der zu ver­mei­den oder aus ihm eine heroi­sche, nicht in den Bür­ger­staat zurück­sin­ken­de Kon­se­quenz zu zie­hen. Es gab also kei­nen Grund, die »alte Ord­nung« wei­ter­ma­chen zu las­sen, als sei nichts geschehen.

Und mehr: Wache Köp­fe ahn­ten längst, wohin Maschi­ne, Fort­schritt, Kom­fort, Ver­nut­zung, Opti­mie­rung und Mas­sen­for­mie­rung füh­ren wür­den. Ihnen grau­te vor der tech­ni­schen und his­to­ri­schen Über­ra­schungs­lo­sig­keit, und die­ses Grau­en weck­te einen star­ken Impuls gegen ein Dasein als Räd­chen im Getrie­be und gegen ein Schick­sal als das vom Einen unter vie­len, dem auf die­se Wei­se sei­ne Beson­der­heit und sei­ne Bedeu­tung geraubt wür­den. Wenn näm­lich die­se Bedeu­tung inner­welt­lich gestif­tet wer­den soll­te, dann war nichts die­sem Vor­ha­ben abträg­li­cher als die Ein­eb­nung aller Wucht und Probe.

Die Grund­strö­mung der inner­welt­li­chen Bedeu­tungs­fin­dung, mit der wir es seit der Auf­klä­rung zu tun haben, bezeich­net der Kul­tur­phi­lo­soph Peter Slo­ter­di­jk als »Apo­ka­lyp­se des Rea­len«. Mit der Infra­ge­stel­lung Got­tes, mit der ratio­na­len Ungläu­big­keit begann die Suche nach einer Real­tran­szen­denz, also nach einer Erlö­sungs­er­zäh­lung, die nicht mehr von oben gestif­tet, son­dern aus den Wir­kungs­kräf­ten der Geschich­te oder der mensch­li­chen Natur abge­lei­tet wer­den muß­te. Wo es kei­ne gött­li­che Wahr­heit mehr gibt, wird die Wirk­lich­keit zum Trä­ger und »Ver­wirk­li­cher« der Wahrheit.

Das bedeu­tet für die Lebens­dy­na­mik: Die Sicher­heit und Schick­sals­er­ge­ben­heit, die der in das Wel­ten­rad oder den Heils­plan Ein­ge­bet­te­te hat, die­se unent­rinn­bar gro­ße Erzäh­lung, wird abge­löst von einer Sinn-Unsi­cher­heit. Wo wäre Halt, da sich Got­tes Hand ent­zog? Aus die­ser Unru­he läßt sich ein neu­er Lebens­zu­griff ablei­ten: Wir sind nicht mehr auf­ge­ho­ben, wir ruhen nicht mehr in einer gro­ßen Ord­nung, wir müs­sen viel­mehr etwas tun, und zwar sofort, müs­sen auf die Suche und ans Werk gehen und wol­len, was uns am Ende zu sagen erlau­ben wird: Wir waren dabei, als eine gro­ße, wie­der­um schick­sal­haf­te Ord­nung errich­tet wur­de. Wir haben gro­ße Poli­tik gemacht und ohne zu zögern unse­re Exis­tenz dar­an geknüpft.

Slo­ter­di­jk faß­te die­se Aus­gangs­si­tua­ti­on in einem Text über »Heid­eg­gers Poli­tik« mit den Voka­beln »Rat­lo­sig­keit und Rast­lo­sig­keit« zusam­men. Er begrün­det dar­in Heid­eg­gers kurz­zei­ti­ge Betei­li­gung am natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Auf­marsch mit einer Art ich­be­zo­ge­ner Auf­wal­lung: Wir hät­ten es im Grun­de nur mit einem Flucht­ver­such aus einer unspek­ta­ku­lä­ren, lebens­lan­gen und lebens­lang­wei­li­gen Ein­ord­nung zu tun. Dies nun wäre, blie­be es beim Ich, kein beson­ders bemer­kens­wer­ter Vor­gang: Jeder Künst­ler, jeder, der sich beru­fen dazu sieht, aber auch jeder Wich­tig­tu­er ver­sucht ja, aus sich selbst den beson­de­ren Typ zu machen, also die Span­ne bis zum Tod best­mög­lich auf tie­fes Pflü­gen und unver­kenn­ba­re Spur hin zu nutzen.

Bloß: Heid­eg­ger ging, sich als sinn­stif­ten­der Phi­lo­soph begrei­fend, über das Ich hin­aus zum Wir. Sei­ne maß­geb­li­che Arbeit in den zwan­zi­ger und frü­hen drei­ßi­ger Jah­ren des 20. Jahr­hun­derts habe, so Slo­ter­di­jk, dar­in bestan­den, die »exis­ten­ti­el­le Tem­po­ra­li­tät des Ichs« (also sei­nen Auf­trag bis zum Tod) mit der »seins­mä­ßi­gen Tem­po­ra­li­tät des Kol­lek­tivs« (also sein welt­for­men­des Werk) in eine not­wen­di­ge, mobi­li­sie­ren­de Bezie­hung zu set­zen. Slo­ter­di­jk sieht in die­ser Ver­knüp­fungs­leis­tung die eigent­li­che »Poli­tik« Heid­eg­gers. Auf­la­dungs­den­ken also, oder, mit dem Unter­ti­tel des Slo­ter­di­jk-Tex­tes gesagt: »das Ende der Geschich­te vertagen«.

Bedeu­tungs­auf­la­dung durch Brü­cken­schlag vom Ich zum Wir: Man wird sich, auf die­se Wei­se beauf­tragt, nicht mit einem Abar­bei­ten abge­ben, nicht mit einer Ein­ord­nung der Lebens­leis­tung in einen Staat. Man wird viel­mehr in der Über­zeu­gung leben und ans Werk gehen, daß es einen an der Zeit, an den Umstän­den ables­ba­ren Auf­trag gebe, den zu begrei­fen und zu schul­tern die epo­cha­le Auf­ga­be der jewei­li­gen Gene­ra­ti­on sei und den an sich selbst exem­pla­risch zu erpro­ben und als Auf­trag zu for­mu­lie­ren die wesent­li­che Auf­ga­be der wachs­ten (und damit wich­tigs­ten) Köp­fe der Zeit sein müs­se – zu denen man zwei­fel­los gehöre.

Nun muß­te man nicht Heid­eg­ger sein und über die Seins­ge­schich­te nach­den­ken, um im Jah­re 1925 oder 1930 am eige­nen Leib zu spü­ren und mit einem Blick zu erfas­sen, daß sich das Kol­lek­tiv, also das deut­sche Volk, drin­gend wür­de mobil machen müs­sen: nach außen gegen das Ver­sailler Dik­tat, für die Revan­che und gegen die bol­sche­wis­ti­sche Gefahr; nach innen gegen die Ver­elen­dung, für sta­bi­le Ver­hält­nis­se und gegen die dem Ernst der Lage nicht ange­mes­se­ne demo­kra­ti­sche Hilflosigkeit.

Das bedeu­tet: Natür­lich waren auch ohne Heid­eg­gers Nach­den­ken längst poli­ti­sche Bewe­gun­gen dabei, ihre je eige­ne, mobi­li­sie­ren­de Lage­auf­fas­sung und Stim­mung als die ange­mes­se­ne und ret­ten­de her­aus­zu­stel­len, nach­zu­schär­fen und durch­zu­set­zen. Im libe­ra­len Ansatz sahen die­se Bewe­gun­gen kei­ne Lösung, eher mehr Ver­wir­rung, jeden­falls nichts Sinn­stif­ten­des und vor allem nichts Mobi­li­sie­ren­des, kei­ne gro­ße, form­ge­ben­de Idee.

Das Frap­pie­ren­de ist nun, daß Heid­eg­ger erst sehr spät begriff, wie wenig die Ziel­rich­tung der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Mobil­ma­chung mit dem zu tun hat­te, was ihm vor­schweb­te. Ernst Jün­ger etwa, der viel stär­ker lage­be­zo­gen den neu­en Typ der Welter­mäch­ti­gung beschrieb, sah auf real­po­li­ti­scher Ebe­ne frü­her und kla­rer, wohin unter Hit­ler die Fahrt gehen wür­de. Heid­eg­ger hin­ge­gen hat­te den Dreck nicht ken­nen­ge­lernt und schweb­te. Aber auch er setz­te dann, und zwar bereits 1935, hart auf dem Boden auf und sah, daß sei­ne seins­ge­schicht­lich auf­ge­la­de­ne Erwar­tung an den neu­en Staat trog. Aber zunächst war er dabei.

Slo­ter­di­jks The­se lau­tet, daß Heid­eg­ger dar­um bemüht war, den Fol­gen sei­ner Ent­de­ckung vom »Ende der Geschich­te« aus­zu­wei­chen, also: der Bedeu­tungs­lo­sig­keit, der Span­nungs­lo­sig­keit und damit der Lan­ge­wei­le zu ent­kom­men. Die Grund­fra­ge dahin­ter: War es das? Wer­den wir nun alle unter­wor­fen, und zwar nicht von Rei­ter­hee­ren aus dem Osten, son­dern von einem Viel­zu­viel auf drei Ebe­nen: Mas­se Mensch, ent­fes­sel­te Ener­gie, über­ra­schungs­lo­se Büro­kra­tie? Kommt da noch etwas, das jen­seits von Pro­duk­ti­on und Kon­sum, Orga­ni­sa­ti­on und Ver­bes­se­rung, Fort­schritt und Ent­las­tung sinn­stif­tend wäre?

Was Heid­eg­ger nur ahnen konn­te, weiß Slo­ter­di­jk: In den letz­ten sie­ben, acht Jahr­zehn­ten ist es der Mas­se unse­rer Hemi­sphä­re ermög­licht wor­den, eine Anspruchs­hal­tung ein­zu­neh­men, die kei­nen Auf­schub mehr hin­zu­neh­men bereit ist, auf nichts mehr war­ten will und das drin­gen­de Bedürf­nis hat, nie­man­dem mehr zu Dank ver­pflich­tet zu sein:

Zu rea­len und prag­ma­tisch Letz­ten wer­den Indi­vi­du­en in der Kon­sum- und Erwerbs­ge­sell­schaft von dem Augen­blick an, in wel­chem sie in die Daseins­wei­se von her­kunfts­schwa­chen und nach­kom­mens­lo­sen Selbst­ver­zeh­rern einwilligen.

Heid­eg­ger (und mit ihm etli­che ande­re Den­ker, Intel­lek­tu­el­le, Künst­ler) woll­te nicht in die Daseins­wei­se her­kunfts­schwa­cher und auf­trags­lo­ser Selbst­ver­zeh­rer ein­wil­li­gen. Gegen die Ent­las­tung des Ein­zel­nen durch Infra­ge­stel­lung des his­to­ri­schen Gewichts und der Erlaub­nis, zum Haus­schwein zu wer­den, stell­te er die For­de­rung nach Wie­der­be­las­tung. Was nun geschah, kann im Nach­gang nur als Miß­ver­ständ­nis oder Ver­zweif­lungs­akt beschrie­ben wer­den – oder als Rausch.

Heid­eg­ger ver­mu­te­te im Natio­nal­so­zia­lis­mus jenes authen­ti­sche Kol­lek­tiv, das dem Ende der Geschich­te, dem Bedeu­tungs­ver­lust des Ein­zel­nen, der impo­ten­ten Exis­tenz der Kon­su­men­ten ein Ende zu berei­ten in der Lage sei. Natio­nal­so­zia­lis­mus, Faschis­mus als seins­ge­schicht­li­cher Aus­druck, als neue Bewußt­seins­stu­fe, als neue, sogar heroi­sche Ver­bind­lich­keit, Wie­der­be­las­tung, Auf­la­dung – und er selbst einer der Deu­ter, einer der­je­ni­gen, die als Thy­mos­trai­ner am Ufer des rei­ßen­den Flus­ses ste­hend das Volk bei sei­nen Schwimm­übun­gen anlei­ten würden.

An Heid­eg­ger kön­nen wir den Ver­such stu­die­ren, dem Bedeu­tungs­ver­lust durch Wie­der­be­las­tung und geschicht­li­che Auf­la­dung zu ent­kom­men. Der Antrieb ist ein nicht ent­wirr­ba­res Geflecht aus Ver­ant­wor­tungs­be­wußt­sein für die Lands­leu­te und der gro­ßen Angst vor der eige­nen Bedeu­tungs­lo­sig­keit, vor der Ver­sump­fung an sich und eine Art Selbst­ekel, auch zu den Lang­wei­lern zu gehö­ren. Dies nun ver­kop­pelt mit der Vor­stel­lung, wenigs­tens aus einem Volk, dem deut­schen Volk, eines for­men zu hel­fen, das nicht ver­sump­fen wür­de — was für ein Irrtum!

Was näm­lich in der Vor­stel­lung Heid­eg­gers ein his­to­risch hoch­ge­stimm­ter Aus­bruch aus dem beque­men Leben sein soll­te, war letzt­lich die Außen­si­che­rung der Welt­ver­nut­zung durch ein beson­ders begab­tes Volk mit den bru­tals­ten Mit­teln. Die Ent­täu­schung und Ernüch­te­rung, spä­ter: das Ent­set­zen dar­über, daß hier nicht der neue geschicht­li­che Typ vor­ge­schickt wor­den war, son­dern bloß der Bewoh­ner des am bes­ten orga­ni­sier­ten und aggres­siv abge­si­cher­ten Welt­ver­nut­zungs­ab­schnitts, setz­te bei Heid­eg­ger 1935 ein. Den wei­te­ren Ver­lauf ken­nen wir, und wir haben uns dabei das Rück­grat gebrochen.

Schla­gen wir den Bogen zurück zu Simon Strauß und sei­nem Sie­ben Näch­te: Er ist vor dem Hin­ter­grund der Wucht, mit der Heid­eg­ger und ande­re sei­nes Kali­bers Stim­mungs­auf­la­dung betrie­ben und Hoff­nun­gen auf Wie­der­be­las­tun­gen setz­ten, tat­säch­lich jemand, der »aus der Geschich­te gelernt hat«. Er stellt ja sein Ein­mün­den­müs­sen in eine BRD-Kar­rie­re über­haupt nicht in Fra­ge – bloß hin­aus­zö­gern will er es noch ein wenig. Das ist die Bot­schaft, und der Ziel­punkt ist post­he­roi­sche Beru­hi­gung oder »Kris­tal­li­sa­ti­on«, wie Geh­len es aus­drück­te, jeden­falls: Zufriedenheit.

Ein biß­chen Kon­sens­stö­rung, ein biß­chen inne­rer Auf­stand, ein biß­chen Pro­vo­ka­ti­ons­pro­fil – mehr soll und darf nicht mehr gewollt wer­den, denn alles, was dar­über hin­aus reicht und zu Kol­lek­tiv­auf­la­dun­gen führt, die das Ende der Geschich­te ver­ta­gen wol­len, wäre ver­ant­wor­tungs­los. – Die Fra­ge, die sich dar­aus ergibt, ist wie ein schril­ler Ton.

– – –

Götz Kubit­schek hat sei­nen Arti­kel – wie zuletzt auch seine Ein­füh­rung ins IfS-Lage­den­ken – ein­ge­spro­chen. Das Video ist im »kanal schnell­ro­da« abruf­bar:

Götz Kubitschek

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Kommentare (16)

Maiordomus

5. Januar 2021 13:08

Die Frage am Eingang, von Botho Strauss, ist endlich mal ein Satz, den jeder versteht, sofern er oder sie überhaupt noch in der Lage ist, "Mehrheitsmeinungen" von "Minderheitsmeinungen" zu unterscheiden. Es gibt ja nicht nur in Deutschland viele, die wenn sie "Widerstand" sagen, tun, als ob H. noch an der Macht wäre, ausser dass sie wissen, dass "Widerstand" natürlich nur dann ohne erhebliches Risiko zu bekennen ist, wenn man sich mit der Phrase "Wir sind mehr" schmücken kann; das war eigentlich etwa in den Dreissigerjahren ganz "nazi"-mässig auch so, ferner bei Maos Kulturrevolution. Sonst aber bleibt Botho S. ein Autor für eine Leserschaft am Rande, mit objektiv eher geringer Bedeutung für das Geistesleben. Jünger war zu seiner Zeit um Welten gewichtiger, wiewohl nie, ausser gegen Ende der Zwanzigerjahre, wirklich Mainstream. 

Ordo

5. Januar 2021 15:15

Die Deutschen würden nur zu gern mit der Geschichte abschließen und sich dauerhaft im Weltstaat einrichten. Aber ob der kommt und wenn, in welcher Form, liegt eh nicht mehr in ihrer Hand. Die Frage der Zukunft ist, ob es die schlaffen weißen Völker schaffen, das zu uns strömende Konfliktpotenzial aus Asien, Afrika und dem nahen Osten mithilfe von Konsumbeteiligung, staatlicher Erziehung und Individualismus so weit zu absorbieren und zu domestizieren, dass ihr Abtreten aus der Geschichte zumindest nicht allzu blutig verläuft. Ich bin vorsichtig pessimistisch. 

Gotlandfahrer

5. Januar 2021 17:42

(1) von (2)

Danke für die geistvolle Sprintführung durch den historischen Teilparcours deutschen Aufklärungsleidens. Vielleicht sehe ich es zu simpel, wenn ich behaupte, dass dieses Leiden immerzu da ist, auch ohne Aufklärung und Komfort, weil es mindestens den meisten Männern stets notwendig ist, „sich beweisen zu wollen“.  Da wird es Heidegger nicht anders ergangen sein als heute Herrn Schwab oder Murat aus der Sonnenallee.  Weshalb nicht obwohl, sondern gerade dann, wenn andere zuvor das Fließen von Milch und Honig bereits eingerichtet haben, auf eine Tonne gestiegen und zur Aufladung der Stimmung auf die Brust geschlagen wird.  Die Begebenheiten in jeder Zeit und für jeden sind dabei andere.  Und damit die Tonnen, auf die man steigen kann.  Oder muss.

Wenn man es „muss“, stellt sich der Zielkonflikt mit dem Einmündenmüssen nicht, womöglich kann aus dieser Sicht der Zwang sogar als der glücklichere Umstand gelten.

Gotlandfahrer

5. Januar 2021 17:45

(2) von (2)

In keinem Falle glaube ich, dass „man“ aus der „Geschichte gelernt“ haben kann.  Es gibt aufgrund der Geschichte nur eben andere Tonnen und Zustände, unter denen man sich für die Art seines „sich Beweisens“, also seiner Wiederbelastung, entscheiden muss. U.a. technische und demographische.

Sofern ich mit der Wahrnehmung eines frustrierten Sounds im Beitrages richtigliege, möchte ich versuchen Zuversicht zu spenden:  Die ganz großen Brustschläger sind gerade dabei, allen, also sowohl denen, die sich Wiederbelastung wünschen, als auch gerade denen mit BRD-Karriere, reichlich Tonnen frei Haus vor die Tür zu liefern. Auf eine wird man steigen müssen, um nochmal raus zu kommen.

 

PS:

„Was nämlich in der Vorstellung Heideggers ein historisch hochgestimmter Ausbruch aus dem bequemen Leben sein sollte, war letztlich die Außensicherung der Weltvernutzung durch ein besonders begabtes Volk mit den brutalsten Mitteln.“ Der Satz irritiert mich, so stimme ich dem nicht zu. Muss ja auch nicht.

Marc_Aurel

5. Januar 2021 18:05

Die Angst vor der kollektiven Aufladung und deren Konsequenzen, wird vom Schattenmacher in seinem Video über Shakespeares Coriolanus sehr anschaulich behandelt und ist im Nachkriegsdeutschland in gewisser Weise auch verständlich. Denn: „der Geist in dem man auszog“ erschöpft sich schnell, sobald es erst einmal ernst wird und so macher ist schon nach der ersten Schlacht bedient, aber die Maschine hält nicht an, bis das Werk vollendet ist. Monat für Monat, Jahr für Jahr, längst jenseits aller Belastunsgrenzen, hoffnungslos, zerschossen, frierend und hungernd wird man immer aufs neue durch den Mechanismus gedreht, bis man nur noch dankbar ist, dem Ganzen mit dem nackten Leben entkommen zu sein. Nur die wenigsten sind einer solchen Probe gewachsen und das ist ganz sicher nicht das was der Romancier ursprünglich suchte, um mit der Selbstaussetzung seine Sinne zu reizen. Die Konsequenzen im großen Rahmen für die Nachfolgenden sind fatal und langfristig und wären es heute mehr denn je. Die willige Unterordnung der Transatlantikversteher (nach 2 großen Fehlversuchen) unter jemanden der es vermutlich besser kann und der im Fall des Scheiterns die Verantwortung und die Schuld trägt, erscheint in diesem Licht einigermaßen nachvollziehbar, unabhängig von der Frage in welchem Grade freiwillig sie überhaupt erfolgt. Allerdings: man kann auch in seiner Nische erbärmlich zu Grunde gehen und es gibt sicher besseres, als ein Leben auf allen Vieren als Flagellant.

Maiordomus

5. Januar 2021 19:42

@Ordo. Vielleicht eher "im Weltstaat einnisten". Aber der Weltstaat ist es, der sich einnistet. Das von @Gotlandfahrer als irritierend empfundene Zitat hat in der Tat diese Eigenschaft. 

RMH

5. Januar 2021 22:44

Anknüpfend an den letzten Artikel von Bosselmann ist man geneigt, zu den Sorgen eines Strauß Junior zu sagen, den Luxus dafür muss man auch erst einmal haben ...

Laurenz

6. Januar 2021 08:17

Also ich GK zuhörte, erinnerte mich das Vorgetragene an diesen Relotius-Artikel

https://www.spiegel.de/geschichte/aussteiger-august-engelhardt-der-herr-der-kokosnuesse-a-1195030.html

Maiordomus

6. Januar 2021 08:23

PS. Halte die Liste der sog. Vordenker im neuen Antaios-Kalender für nicht gerade gut genug, es wäre schon schön, wenn man die genannten immerhin als "Denker" würdigen könnte. Würde genügen. Man müsste den Horizont schon sehr breiter und weiter ansetzen. Schon auch bei Botho S., einem bemerkenswerten Schriftsteller, ist mir als Leser von Kepler, der zwar als politischer Berater von Wallenstein leider keinen wirklichen Einfluss erlangte, als Primärmerkmal nicht gerade die Intelligenz und das klare Denken aufgefallen. 

Franz Bettinger

6. Januar 2021 09:27

Götz Kubitschek schreibt: "Wer als erster begreift, dass die Pose, vom Vorgebahnten abzubiegen, irgendwann nur noch albern wirkt, verletzt denjenigen, der diese Illusion aufrecht erhält.“

@Lotta, rhetorisch gefragt: trifft Götz Kubitschecks Aussage nicht auch auf dich und mich zu? Wenn ja, was wäre daraus abzuleiten? Dass wir damit aufhören sollten, den anderen nach eigener Vorstellung zurechtbiegen zu wollen, denke ich. Je früher im Leben einer dies begreift, desto besser für ihn und seine Freunde. 

Franz Bettinger

6. Januar 2021 11:26

Wenn uns der Mund gestopft ist und wir von tödlichen Tabu-Zäunen umgeben nur noch dahin vegetieren, bleibt einem immerhin noch das Erinnern, das Denken und Träumen. Immerhin das. Romantiker? Klar, was sonst?! 

Franz Bettinger

6. Januar 2021 12:20

Ob’s passt? Wahrscheinlich nicht: Begegnung mit Rockern    

Er betrachtete gleichgültig, ja verächtlich den Grand Place. Brüssel war eine schöne Stadt. Er hatte kein Organ dafür. Er war nicht als Tourist hier, sondern um weiterzukommen, zu studieren, zu arbeiten, zu überleben. Da waren das Atomium, Manneken Piss und der ganze Plunder nur im Weg. Es war Ablenkung, das andere Leben. Nicht seins.

Auf der nächtlichen Rückfahrt zur Uni sah er im Rückspiegel fünf blitzende Fackeln. Robert saß nebenan im Wagen, müde von zu viel Spaghetti, Rotwein und Palaver. Es war sehr spät und kaum noch Verkehr auf der Rue de la Loi. 

Die fünf Motorräder röhrten höllisch, als sie aufholten. Sie waren noch ein- oder zweihundert Meter entfernt, als Franz das Bremspedal leicht antippte, um gegen die Scheinwerfer zu protestieren. Die Rocker waren in wenigen Sekunden da; sie fuhren dicht auf, ließen sich wieder zurückfallen, pressten von Neuem mit ihren weißen Fackeln gegen die Stoßstange. Die Motoren kreischten. Robert war plötzlich hellwach. Die Burschen auf den Bikes hätten nun leicht auf der vierspurigen überholen können. Sie tate
Unwillkürlich war der Volvo schneller geworden. Als hätte die alte Kiste eine Chance gehabt, zu entkommen. Einer der Leder-Gestalten tauchte neben dem Wagenfenster auf und stieß seine Hand in einer obszönen Geste nach oben. Franz trat aufs Gaspedal, das treue Stück hatte tatsächlich Reserven. Nochmal tippte er verärgert die Bremslichter an, ohne an Geschwindigkeit zu verlieren; ein Symbol nur, mehr nicht. Robert war entsetzt. „Wenn der Teufel grinst, heißt's zurück grinsen,“ sagte Franz. Die Motorradfahrer waren wütend. Sie fuhren in Schlangenlinien, schalteten ihre Scheinwerfer ein und aus, sirenten und heulten.

Robert wurde blass. Er besaß so ganz und gar keine Drachenflieger-Mentalität. Etwas traf den Kofferraum. Im Spiegel sah Franz einen der Helmträger eine Kette durch die Luft schwingen. Franz zog den Volvo zur Seite und drängte den Chaoten ab. Nicht für lang. In einem Abstand zog der Typ an ihm vorbei, während die restlichen 4 von hinten dem Wagen auf die Pelle rückten. Mal rechts, mal links donnerte irgendwas Schweres gegen die Karosse. Die Meute raste nun mit über 100 kmh dicht gepackt über die leere Ausfallstraße dem Stadtaußenbezirk entgegen.n es nicht, sie wollten Spaß haben.

Robert knirschte: „Scheiße! Nirgends Polizei, wenn man sie mal braucht.“ Er war aschfahl: „Pass auf, der Kerl bremst dich aus!“ Der Schwarz-Behelmte hatte sich vor den Volvo gesetzt. Er hob die Faust, dann fackelten seine Bremslichter auf. Er verlangsamte das Tempo. Nicht so Franz. Er trat auf's Gas.

„Bist du wahnsinnig? Du kannst ihn doch nicht umbringen!“ „Doch, ich bring ihn um!“ Das hatte Franz tatsächlich gesagt und Gas gegeben. „Bevor er uns umbringt! Was meinst du, was die mit uns anstellen, wenn wir anhalten?“ Er trat noch mehr aufs Gas. Der Schwarze schoss davon. Eine 2. Gestalt schob sich neben den Volvo. Er starrte ins Wageninnere. Er suchte nach einer Erklärung.

Eine Erklärung für den Mordversuch. Robert war vom Sitz gerutscht. Er machte sich so unsichtbar wie möglich. Mit weit über 100 kmh schossen die 5 Motorräder und der Volvo dahin. Bei der Geschwindigkeit konnte keiner eine Kette schwingen. Wieder bremste der Schwarze vor dem Volvo seine Maschine ab. Er blieb konzentriert auf sein riskantes Manöver. Franz war nicht einzuschüchtern.

„Der oder ich!“ Das war ihm so klar wie nie. Er drehte auf, hätte den Ledernacken glatt überfahren, gnadenlos überrollt, nie und nimmer angehalten, unter keinen Umständen. Das muss der Rockerbande in dem Moment klar geworden sein. Der Kerl zog seine Maschine hoch, scherte aus, fiel ab und blieb zurück. Er hielt neben seinen Kameraden am Straßen-rand der Autobahn an. Franz brauste davon. Die Rocker hatten verloren.

Franz Bettinger

6. Januar 2021 12:53

K+K wählten nicht (wie ich) das Eine oder das Andere. Sie entschieden sich für beides, das Abenteuer UND die Familie. Ich wusste als 20-25 Jähriger nicht, dass das geht, obwohl ich dann später doch 2-mal im Leben, nur 2-mal, auf Familien traf, denen dieses Kunststück gelungen ist. All das entnehme ich der Seite 284 von Das Buch im Haus Nebenan. Ehrliche, mitreißende Texte. Chapeau! 

Volksdeutscher

7. Januar 2021 15:00

Natürlich "sehnt" man sich nach wilderem Denken. Aber wie soll das möglich sein, wenn und solange Kommentare zensiert werden (müssen), um keine Probleme mit dem "Verfassungsschutz" zu bekommen?

Volksdeutscher

7. Januar 2021 16:38

Die Frage "Sehnt ihr euch nicht nach wilderem Denken" zu stellen ist ungefähr so, wie einem Gefangenen danach zu fragen, ob er nicht lieber frei sein möchte. Also versuche ich meine Erwiderung an Ordo neu zu formilieren, in der Hoffnung, daß sie diesmal durchgeht.

@Ordo - "Die Frage der Zukunft ist, ob es die schlaffen weißen Völker schaffen, das zu uns strömende Konfliktpotenzial aus Asien, Afrika und dem nahen Osten mithilfe von Konsumbeteiligung, staatlicher Erziehung und Individualismus so weit zu absorbieren..."

Typischer Gedankengang eines Liberalen.... Dies wäre aber der Weg der endgültigen kulturellen und physischen Vernichtung des deutschen Volkes. Was man nicht bestellt hat, muß man dorthin zurücksenden, wo es hergekommen ist. Wir haben nichts zu integrieren. Wer die Verletzung nationaler und internationaler Gesetze durch die Regierung Merkel beklagt, darf sich nicht zum Mittäter machen, indem er die Gesetzesbrüche durch Duldung und Akzeptanz der Invasoren legitimiert. Oder hatte man sich nur deshalb eschoffiert und nach dem Munde des Volkes geredet, um zu gutbezahlten Posten zu kommen? Werden etwa die Gegener der Gesetzesverletzungen am Ende diejenigen sein, die sich darüber eschoffiert haben?

Götz Kubitschek

7. Januar 2021 16:40

Vielleicht ist dem ein oder anderen bereits aufgefallen, daß die Kommentare derer, die mit Klarname auftreten, eigentlich nie "zensiert" werden. Und: Badeschluß!

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