In den Planungsgesprächen zu diesem Themenheft ging es in der Redaktion auch darum, ob es einen rechten Lesekanon gebe und, wenn ja, wie dieser sich zusammensetze. Hinter solchen Fragen steckt die Überzeugung von der formenden Kraft einer bestimmten, bewährten Lektüre:
Man lernt von rechts her wahrzunehmen und aus rechter Sicht zu urteilen, indem man die Grundlagen dieser Denkrichtung studiert. Deshalb hat das Institut für Staatspolitik mit dem zweiten Band des Staatspolitischen Handbuchs, den Schlüsselwerken, einen solchen Kanon vorgelegt, vor genau zehn Jahren. Ein paar Titel würden wir mittlerweile streichen, ein
paar neue Bücher aufnehmen, aber insgesamt dürfen wir sagen: Das liegt vor, das ist eine Handreichung.
In diesem Buch finden sich die »Hausheiligen«, also Arnold Gehlen, Martin Heidegger, Ernst und Friedrich Georg Jünger, Konrad Lorenz, Armin Mohler, Friedrich Nietzsche, Carl Schmitt, Oswald Spengler und Max Weber. Aus den Reihen der Konservativen Revolutionäre zusätzlich: Hans Freyer, Edgar Julius Jung und Arthur Moeller van den Bruck.
Dann die Riege, die wir Siebzigerjahrgänge noch kennenlernen konnten: Hans-Joachim Arndt, Hellmut Diwald, Robert Hepp, Gerd-Klaus Kaltenbrunner, Ernst Nolte, Caspar von SchrenckNotzing und Bernard Willms. Von den Renegaten: Hans-Dietrich Sander, Rolf Peter Sieferle und Günter Maschke, und von denen, die noch rege publizieren: Alain de Benoist, Peter Sloterdijk, Jörg Friedrich, Thilo Sarrazin, Stefan Scheil und Karlheinz Weißmann (und zu dieser Gruppe gehören mittlerweile auch einige jüngere Sezession-Autoren.) Was ist mit den Einzelgängern? Gottfried Benn, Emil Cioran, Julius Evola, Jean Raspail und Ernst von Salomon.
Und dann kommen die weniger präsenten: Elisabeth Noelle-Neumann, Panajotis Kondylis, Odo Marquard, undsoweiter, nochmals fünfzig Namen und Werke.
Die Chance, von einem dieser Bücher gepackt und nach rechts gedreht zu werden, ist gut. Man sollte sich das als Entgiftungsvorgang vorstellen, als Aufräumarbeit, als geistigen Umzug, durch den man den Konformismus und das Gefasel unserer Zeit hinter sich läßt. Gut ist, wenn einem dabei Hinweise von erfahrenen Lesern halbe Regalmeter und ganze Autoren ersparen und das Ausgesiebte, das Bewährte nahelegen.
Jedoch: Als wir im Rahmen der Winterakademie unseres Instituts zum Thema »Lektüren« in einer der abendlichen Arbeitsgruppen
die Teilnehmer nach den entscheidenden Lektüren fragten, kam eine Liste zusammen, in dersich kaum ein Werk der oben genannten Autoren fand. Das ist nicht schwer zu erklären: Man nimmt sich ja erst dann den rechten Kanon vor, wenn man zu uns gefunden hat. Aber wie dieser erste Zugang zustandekommt?
Ein großes Geheimnis! Jedenfalls gibt es Lektüren, die wie Türen herüberführen, und sie sind aufgestellt wie die Zugänge in den Chroniken von Narnia: ein Wandschrank kann eine Eingangstür sein, eine Gartenpforte auch, aber beide sind für den
nächsten, der sie öffnet, schon wieder bloß das, was sie eben vor allem sind – Wandschrank und Gartenpforte.
Wir raten also unbedingt zur wilden Lektüre, zum Stöbern, Anlesen, zum Abgelegenen, zur eigenen Ordnung. In den Bibliotheken von Lehnert, Kaiser, v. Waldstein, Tillschneider, in denen von Hinz, Weißmann, Lichtmesz, Höcke, Kalbitz findet sich derselbe Kernbestand an Autoren und Werken wie in der von Kositza und Kubitschek. Aber dann fächert sich das in einer Weise auf, die nur noch aus der inneren Ordnung und Leidenschaft des jeweiligen Lesers und Besitzers erklärbar ist. Man steht vor Rätseln und ahnt die Persönlichkeit.
Der Schriftsteller Jorge Luis Borges erwähnte in einem seiner Werke »eine gewisse chinesische Enzyklopädie«, in der auch das
Tierreich vorgestellt worden sei. Unter den Kategorien, die Borges nennt, finden sich unter anderem »a) Tiere, die dem Kaiser gehören«, »b) einbalsamierte Tiere«, »g) herrenlose Hunde« oder m) auch solche »die den Wasserkrug zerbrochen
haben«. So kommen wir weiter! In Kositzas und meiner Bibliothek finden sich a) alle Schlüsselwerke, b) Bücher, die mir Kositza im Auto vorgelesen hat, c) gelbe Bücher, d) auf Buchmessen Gestohlenes, e) Bücher, die Armin Mohler erwähnt hat, f) Kositzas Bücher, g) Bücher, die Impfungen gleichen, h) alles von Ransmayr, i) und von Hamsun, j) Zeugs, k) …