In Österreich regt sich was
Ausgerechnet die eher demonstrationsfaule Alpenrepublik erlebt dieser Tage die größten dissidenten Proteste der vergangenen Jahre: Zwischen 10.000 und 20.000 Demonstranten versammelten sich am vergangenen Samstag, um gegen die Regierung Kurz und die von ihr beschlossenen Corona-Maßnahmen auf die Straße zu gehen.
Besonders optisch unterschied sich der Demonstrationszug dabei von den bundesdeutschen Kundgebungen und Protestzügen im vergangenen Sommer: Wenig Regenbogenfahnen, viel Nationalflaggen, wenig Freaks, viel augenscheinlicher Mittelstand – nicht soviel Happening, mehr tiefsitzende Unzufriedenheit.
Das mag eine österreichische Eigenheit sein, aber die Situation ist jetzt im Winter nach dem Ausfall der versöhnenden Dezembersaturnalien auch eine andere. Ein klammes Weihnachtsfest und ein abgeschnürter Jahreswechsel haben Spuren hinterlassen. Bereits seit mehreren Wochen finden in unregelmäßigen Abständen Kundgebungen und Demos in unterschiedlichen Städten, darunter Graz und Linz, statt.
Wie sich diese Dynamik entwickeln und was sie austragen wird, ist noch nicht abzusehen. Die reine Präsenz der Menschen auf der Straße wird einstweilen sicher keine maßgebliche politische Veränderung austragen. Aber das muss sie auch nicht.
Sie kann und muss indes ein Ausgangspunkt dafür sein, dass immer mehr Menschen dem gekaperten Staat auf eine Art und Weise verlorengehen, die nicht rückgängig zu machen ist. Ein Schritt, der sie in Bereiche führt, die den Hygienewächtern nicht ohne weiteres zugänglich sind.
Wo die großen Technikunternehmen sich im Verbund mit Regierungen, Medien und Wirtschaft befleißigen, alles Zwischenmenschliche in die auf Knopfdruck regulierbare Virtualität zu zwingen, erhält das vertrauliche Gespräch im Wald, der schwarzgezahlte Haarschnitt im geschlossenen Friseursalon, die widerständige Konspiration im verboten großen Freundeskreis eine neue Qualität.
Die 10.000 Österreicher die in Wien auf die Straße gegangen sind, treten nun in diese Räume ein. Sie mögen dabei unterschiedlichste Gründe dafür haben, ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen.
Den einen treibt die finanzielle Not und der drohende wirtschaftliche Kollaps des eigenen Haushaltes. Andere überblicken das Panorama und nehmen schmerzhaft wahr, mit welcher hollywoodesquen Geschwindigkeit die depressiven Dystopien aus Literatur und Film Einzug in den gelebten Alltag der Menschen halten. Und sicher, es mag auch hier diejenigen geben, die man eh überall sieht, wo was los ist; die eben zu einer Demonstration gehen wie man zu einem Fußballspiel geht.
Aber wo das Lachen gegen die Maske steht, der Handschlag gegen die Ellenbogen-Gesellschaft und die herzliche Umarmung gegen die staatlich verordnete Isolation, da merkt jeder Menschen, von dem noch etwas zu halten ist, dass hier etwas Gutes wächst.
Laurenz
Die mutierten Süd-Preußen, Hoch soll'n Sie Leben.