Live am Mittwoch: Jochen Klepper

Götz Kubitschek und Erik Lehnert sprachen gestern in der ersten Direktübertragung im Jahr 2021 zu Jochen Klepper. Das Video ist in voller Länge online:

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios


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Hin­weis­text vom 1. Febru­ar 2021:

Erik Leh­nert und ich set­zen unse­re Abend­ge­sprä­che über Autoren fort: Wir begin­nen am Mitt­woch­abend, 3. Febru­ar, um 19 Uhr mit Jochen Klepper.

Klep­per ist mit Sicher­heit der bis­her am wenigs­ten bekann­te Schrift­stel­ler, über den wir spre­chen wer­den. Jeder unse­rer Zuhö­rer kann­te Ernst Jün­ger und Armin Moh­ler, fast jeder hat bereits Bücher aus der Feder Ernst v. Salo­mons und Joa­chim Fern­aus in der Hand gehabt.

Mit Klep­per sieht es anders aus. Die­je­ni­gen unter unse­ren Lesern, die Das Buch im Haus neben­an (her­aus­ge­ge­ben von Ellen Kositza und mir, hier lie­fer­bar) gele­sen haben, wis­sen, daß Klep­pers Roman Der Vater eines der von mir vor­ge­stell­ten fünf Bücher ist. Ich beschrei­be den Vater (er ist als eines von zwei Klep­per-Büchern noch lie­fer­bar, und zwar hier) als gro­ße preu­ßi­sche Sym­pho­nie und been­de­te mei­nen Text mit fol­gen­der Bemerkung:

Man kann, wenn man zu die­nen wünscht, solch ein Buch nicht ohne gro­ße Trau­rig­keit lesen. Wir alle sind ja aus der Armee, also aus dem Staats­dienst getrie­ben wor­den. Man hat uns um etwas gebracht. Das steht zwi­schen den Zeilen.

Es wird im Gespräch am kom­men­den Mitt­woch­abend nicht nur, aber doch aus­führ­lich genau dar­um gehen: Wor­um wird der­je­ni­ge Teil unse­rer Leu­te gebracht, der weiß, was Staats­idee, Dienst­be­reit­schaft, Ord­nung, Selbst­be­wußt­sein, inne­re Frei­heit, guter Befehl und ech­ter Gehor­sam sind?

Und: Wor­um wur­de Klep­per gebracht? Er ist ja nicht alt gewor­den, war mit einer deut­lich älte­ren Jüdin, Han­ni, ver­hei­ra­tet, hat­te zwei Stief­töch­ter, von denen die eine nach Eng­land aus­wan­dern konn­te, wäh­rend die Aus­rei­se der jün­ge­ren, Rena­te, nach Schwe­den im letz­ten Moment schei­ter­te: Noch in der­sel­ben Nacht, im Dezem­ber 1942, brach­ten sich Klep­per, sei­ne Frau und sei­ne Stief­toch­ter um, weil die Depor­ta­ti­on Rena­tes nicht mehr zu ver­hin­dern war.

Dar­über wird eben­so zu spre­chen sein wie über den tie­fen Glau­ben Klep­pers, der nach Paul Ger­hard und Mar­tin Luther mit den meis­ten Kirch­lie­dern im evan­ge­li­schen Gesang­buch ver­tre­ten war (Kyrie heißt sei­ne Zusam­men­stel­lung, sie ist das zwei­te noch lie­fer­ba­re Buch Klep­pers – hier ein­se­hen).

Klep­per, der Gehemm­te; Klep­per, der Ord­nungs­fa­na­ti­ker; Klep­per, der Tage­buch­schrei­ber; Klep­per, der Sol­dat, der den Bal­kan­feld­zug von Nor­den her nach Bul­ga­ri­en hin­ein mit­mach­te und dann den Vor­stoß nach Bes­sa­ra­bi­en hin­ein über “die Strö­me”: Pruth, Dnjes­tr, Bug, Dnjepr.

Ellen Kositza hat jüngst ein Buch vor­ge­stellt mit dem Titel Jeder schreibt für sich allein. Auf kaum jeman­den trifft die­se an Fal­la­da Wen­dung bes­ser zu als auf Klep­per. Um ihn geht es in einem eige­nen Kapitel.

Also: Mitt­woch, 3. Febru­ar, 19 Uhr – eine gute Stun­de live über Klep­per. Den Link zur Sen­dung ver­öf­fent­li­chen wir fünf Minu­ten vor Beginn an die­ser Stelle.

Und nun im Vor­pro­gramm: Kositza über Jeder schreibt für sich allein.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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Kommentare (50)

Solution

1. Februar 2021 13:15

Gibt es bereits einen "Schnellrodaer Antifaschismus" oder täusche ich mich, wenn ich diese Tendenz in der letzten Zeit hier verstärkt empfinde?

antwort kubitschek:
Wir hatten eine Wette laufen, welcher Stammkommentator sich despektierlich äußern würde. Ich habe verloren, hatte aber kurz daran dachte, auf Sie zu setzen. Trotzdem danke für Ihr Hygienebedürfnis.

RMH

1. Februar 2021 13:57

Ich freue mich darauf, danke!

Laurenz

1. Februar 2021 14:13

@Solution

Verstehe gar nicht, was Sie meinen? Halten wir nicht auf uns Stücke, daß "wir", im Gegensatz zu unseren linken Hanswursten, mit jedem Thema soweit möglich, so sachlich, wie es geht, umgehen?

Rede- und Denkverbote, Framing, politische Verfolgung betreibt die Nationale Einheitsfront 2.0 doch bereits genug. Warum sollten wir uns dem anschließen?

Ralph

1. Februar 2021 15:15

Berechtigte Frage, @ Solution.

Nicht ohne Grund wird Klepper als Schriftsteller christlichen Glaubens im antifaschistischen Widerstand geführt (siehe u.a. die Schriftenreihe der Christlichen Demokratischen Union Deutschlands, 1974). Wir dürfen daher sehr gespannt sein, wann uns beim abendlichen Gespräch zwischen Kubitschek und Lehnert der Theologe Dietrich Bonhoeffer präsentiert werden wird.

Caroline Sommerfeld

1. Februar 2021 15:22

@Ralph. Was haben Sie gegen Bonhoeffer einzuwenden, das Sie zu Hohn und Spott veranlaßt? Ich las kürzlich seine Gefängnistagebücher "Ergebung und Widerstand" - darin fand sich so mancher heute bedenkenswerte Gedanke.

Mboko Lumumbe

1. Februar 2021 15:33

@ Laurenz 14:13

Nicht als Widerspruch, sondern als Ergänzung zu Ihrem Beitrag möchte ich anmerken, dass das von Ihnen Beschriebene mMn ein ganz wesentlicher Faktor dafür ist, warum Konservative und Rechte politisch ständig "verlieren" und auch fast nur "verlieren" können.

Die Mechanismen politischer Machtgewinnung mögen von K/R vielleicht erkannt und verstanden sein, doch sie werden nicht wirklich und konsequent angewandt => "verlieren"

Es findet seit Jahrzehnten nicht nur ein linksgrüner Marsch durch Institutionen statt, sondern damit verbunden hinterhältige psychologische Kriegsführung par excellence, insbesondere medial unterstützt.

Gleichzeitig wirft die Einheitspartei dies Andersdenkenden als "Populismus" vor, auch das gehört zu deren niederträchtiger psycho-Kriegsführung.

Nicht dass das neu wäre...

Literatur dazu, in dieser Reihenfolge:
1. Gustave Le Bon, Psychologie der Massen
2. Marie-France Hirigoyen, Die Masken der Niedertracht

LinksGrüne Lebensfibeln

Nemo Obligatur

1. Februar 2021 16:31

Habe mir vor einiger Zeit den Roman "Der Vater" zum zweiten Mal vorgenommen. Beim ersten Mal bin ich, nein: nicht gescheitert, es gab anderes zu lesen. Jetzt, im zweiten Anlauf, muss ich sagen, ein lesenswertes Buch. Obwohl oder weil der Soldatenkönig darin so gut wegkommt. In allen anderen Quellen wird er als Mischung aus Nervensäge und Tyrann geschildert. Freue mich auf das angekündigte Abendgespräch.

Laurenz

1. Februar 2021 17:02

@Mboko Lumumbe

Das, was Sie beschreiben, ist die politische Aktion. Da stimme ich mit Ihnen überein. Wie Propaganda funktioniert, hatte irgendwann einmal jeder zur Hochzeit geschenkt bekommen.

Aber was Sie gerade initiieren, ist, daß wir uns hier, wie die Linke auf ihren Blog-Aborten, jegliche Debatte sparen können. Haben Sie den letzten BK-Artikel nicht gelesen?

https://sezession.de/63921/sammelstelle-in-der-sturzflut-des-gedruckten-4

heinrichbrueck

1. Februar 2021 17:56

Die NWO führte mit drei Bewerbern ein Vorstellungsgespräch. Sie stellt ihnen die Frage: „Was ist 2 plus 2?“ Die ersten beiden Bewerber antworten 4 und 22. Sie werden hinausgeworfen. Der Dritte antwortet: „Es ist das, was auch immer Sie wollen.“

Die NWO ist gesetzt. 

Wer gewinnt? 

RMH

1. Februar 2021 19:17

Evtl. sollte manch einer dann am Mittwoch einfach mal zuhören.

Das en passent versucht wird, jetzt den alten Bonhoeffer Streit wieder zu lancieren, ist das Allerletzte.

Gracchus

2. Februar 2021 00:31

Diese Invektiven gegen Klepper und Bonhoeffer sind mir unverständlich. Von Kubitscheks Lektüreschilderungen im Haus nebenan hat mich am meisten diejenige zu Ransmayrs "Letzte Welt" beeindruckt - und auch verblüfft, weil sie eine geistige Facette Ks zum Vorschein gebracht hat, die ich, wie man heute sagt, nicht auf dem Schirm hatte; Ransmayrs "Letzte Welt" ist auch das einzige Buch, das ich gelesen habe. Am meisten zum Lesen angestachelt hat mich das Kapitel über Klepper. Es teilte sich eine relativ konkrete Vorstellung dessen mit, was Kubitschek als Staatsidee bezeichnet, die zu ihrer Verwirklichung auf eine bestimmte, vernünftige, intelligente Form des Dienens angewiesen ist. Wenn der Roman nur nicht so dick wäre!

Ist er nicht verfilmt worden? Keine ernst gemeinte Frage, sondern die Überleitung zu Off Topic I und II, falls gestattet. 

Gracchus

2. Februar 2021 00:53

Off Topic I

@Maiordomus: Sie haben meiner These - entweder taugt der Film was oder das Buch - nicht widersprochen, sondern sie vielmehr bestätigt. Meine These habe ich im Übrigen selber noch nicht ausgiebig überprüft. "Die Verachtung" von Godard fand ich stark, die Vorlage von Moravia musste ich nach zwei Seiten weglegen. Die Kubrick-Filme haben bei kein Interesse an der literarischen Vorlage geweckt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Barry Lyndon ästhetisch viel mit Thakerays Roman zu tun hat. "Lolita" habe ich nicht gesehen, es würde mich jetzt interessieren, weil ich Nabokovs Roman, wenngleich etwas überschätzt, nicht für Kitsch halte. "Eyes Wide Shut" halte ich für unterschätzt, er gehört zu meinen Lieblingsfilmen von Kubrick; Schnitzlers Traumnovelle habe ich nicht gelesen. 

Gracchus

2. Februar 2021 01:10

Off Topic II

@Monika: Lesen Sie doch noch die Rezension von Kämmerlings auf Welt-Online zu "Krass": eine implizite Antwort auf den m. E. völlig daneben liegenden Rüthers - und dann greifen Sie zum Buch. Es lohnt sich. Was in wenigen Rezensionen angeklungen ist: Mosebachs Humor, die ungeheure Komik. Ich habe gerade den Ausflug Jüngels mit dem Schuster gelesen - das ist wirklich meisterhaft geschildert (von wegen "pompös"). Nur wer's selber liest, wird's nachvollziehen können.  

Gerald

2. Februar 2021 01:10

Letztes Jahr durfte ich anlässlich eines auswärtigen Treffens bei einer Gastfamilie übernachten. Aus Tradition durchstöberte ich im Schlafgemach das evtl vorhandene Bücherregal und dort fiel mir „Kyrie“ von J.Klepper in die Hände. Sein Wer warst du, Herr, vor dieser Nacht haute mich schier um ob seines Gottes- bzw. Menschenbildes. Wie Gott sich uns nähert im Immanuel (Gott mit uns) Ich schrieb die Verse ab und trug sie letztes Weihnachten der Familie bei besinnlicher Stunde vor. Es war bewegend, wie ich so meinem Vater zu verstehen geben durfte, wie sein Vermächtnis an uns Kinder „Christus in allem den Vorrang“ (Kolosser 1) bei mir hoffentlich fruchtete.

 

In diesem Sinn freue ich mich mit meiner Frau auf einen Abend, wo Herr Kubitschek und Herr Lehnert uns Jochen Klepper vorstellen werden. Der tragische Freitod der Familie scheint eine Randnotiz inmitten der Katastrophe zu sein, beleuchtet trotzdem schlaglichtartig wie der Mensch ohne Gott Probleme (hier die Judenfrage) lösen möchte und stets im Unrecht endet. Tief im Innern bin ich überzeugt, dass Gott Jochen Kleppers Seele gnädig war.

Ralph

2. Februar 2021 08:16

C. Sommerfeld

„Hohn und Spott“ kann ich in meinem Beitrag nicht wirklich erkennen. Vielmehr habe ich Klepper in eine Reihe mit christlichen Antifaschisten wie Bonhoeffer, Haushofer etc. gestellt. Dort gehört er nämlich auch hin. Und das meine ich völlig wertfrei, wenngleich sich meine Sympathien in Grenzen halten. Das sich Antaios nun gerade diesem Erbe verschrieben hat, finde ich etwas merkwürdig. Aber sei‘s drum.

Maiordomus

2. Februar 2021 10:06

@Kubtischek;Sommerfeld; Gracchus. Bonhoeffer wäre bei analogen Aktivitäten für den "Feind" auch in der Schweiz z.B. 1943 hingerichtet worden; ändert nichts an seinem theologischen Format; möchte noch auf Klaus Bonhoeffer aufmerksam machen, der wie Klepper bei K.L. Guttenbergs "Weissen Blättern" publizierte (1943 unterdrückt). Las Kleppers "Der Vater" vor 49 Jahren; erst vorige Nacht aber die "Oderlieder" von Hans Niekrawietz, die 1949 schon 15000mal verkauft waren: hochimpressive Flusspoesie um verlorene Heimat, mit Relevanz zur damaligen Gegenwart, wie sie heute bei uns kein Lyriker erreicht. Man sollte Celan (gelegentlicher Plagiator) und Niekrawietz (im Lesebuch unterdrückt) nicht gegeneinander ausspielen. Eindrücklich der schlesische Volkskundler W.E. Peuckert, dessen "Volkskunde des Proletariats" ein Standardwerk darstellt. Dass er das Proletariat, u.a. auch dessen Glauben, wie Baader, um Welten präziser kennt als Marx/Engels, sei hier den Schwärmern "Marx von rechts" angedeutet, auch wenn ich gemäss Mitforistin als Eidgenosse hinter den Bergen lebe. Empfehle noch statt Tagesschau für Hintergründe Geschichten aus Weissrussland v. W. Bergengruen. 

Maiordomus

2. Februar 2021 11:19

PS. Der bei Antaios bestellte "Mosebach" ist via Post erstaunlich schnell eingetroffen. Diese Forum-Seite wenn möglich nicht so schnell schliessen; wenigstens für den Fall, dass ich den Roman noch dieser Tage zu Ende gelesen hätte. Natürlich ist nur ein Echo aus täglichem Lesen seit 1955, keine Rezension von Format, zu erwarten. Bin in besagtem Jahr bei sehr langem, mehrmonatigen Spitalaufenthalt zum Leser geworden, nachdem ich mich noch an Weihnachten 1954 wegen mühsamen bis verständnislosem erzwungenem Vorlesen von Grimms Märchen, in der Schweiz aus Protest gegen die nationalsozialistische Kulturrevolution von ca. 1943 noch in alter Frakturschrift gedruckt, vor meiner Patin blamiert hatte. 

Laurenz

2. Februar 2021 14:25

@Maiordomus

Da haben Sie absolut Recht! 

Vielleicht weiß ja jemand, wo es 1942/43 keine Todesstrafe gab.

Maiordomus

2. Februar 2021 15:08

@Laurenz. Für Ketzerei gab es im Kirchenstaat 1602 (Giordano Bruno) im Gegensatz etwa zu homosexuellen Vergehen noch Todesstrafe, jedoch selten verhängt; im 18. und 19. Jahrhundert meines Wissens nicht mehr.

1929 bei Lateranverträgen Mussolini/Papst Pius XI. reduzierte sich die Todesstrafe auf  ein Vergehen: Ermordung des Papstes innerhalb des Vatikans. Abgeschafft 1969 von Paul VI.  Sodass Papstattentäter Ali Akga, dessen Mordversuch knapp missglückte, 1981 nicht mehr damit rechnen musste. Wenn schon, hätte Johannes Paul II. ihn spektakulär begnadigt. Für Agentenverdacht hätte indes Bonhoeffer z.B. als Beamter des Vatikan zur Zeit des 2. Weltkrieges nicht mit Todesstrafe rechnen müssen. In der Schweiz genügte jedoch 1943 das Delikt der Übergabe eines Handgranatenmodells und dergl. an einen deutschen Spion für Hinrichtung in einem Wald bei Luzern; Informationen, auf die Deutschland in keiner Weise angewiesen war und die ev. schon ein Militärattaché sich hätte beschaffen können. Noch spannend beschreibt Kurt Marti in seinen Memoiren einen deutschen Touristen, den er und seine Kameraden  1941 im Militärdienst Raum Jungfrau sahen. "Psssst", bitte leise sprechen! war die grosse Losung. Aus heutiger Sicht Realsatire.  

Ralph

2. Februar 2021 15:10

Laurenz

In der Toskana, diese wurde dort bereits 1786 abgeschafft. 

Heinrich der Seefahrer

2. Februar 2021 16:54

Als er diese Ankündigung von Götz K. liest, bricht Herr Bedford-Strohm seine Segeltörn im Mittelmeer sofort ab und sagt weinerlich zu den Seinen: " Jetzt nehmen die neuen Rechten sogar noch unseren Jochen Klepper weg, wir müssen unbedingt die Gesangbücher nach den Liedern von Jochen Klepper überprüfen, das kann nicht sein, rechts und Christ? Da sprech ich doch ein kräftiges Götz (von Berlichingen). " Warten wir also auf den Mittwochabend!

HerrLandei

2. Februar 2021 18:01

@Ralph (2. Februar 2021 08:16)

Ob Klepper, Bonhoeffer und Haushofer "Antifaschisten" im heute inflationär gebrauchten Wortsinn waren, wage ich zu bezweifeln. Daß sie sich im Laufe zu Antinationalsozialisten entwickelt haben ist hingegen sicher.

In diesem Sinne gedenke ich hiermit der im damaligen GdS entstandenen (Kleinst)Splittergruppe "Faschisten gegen Nazis" (FageNaz): eia eia alala!

Dietrichs Bern

2. Februar 2021 18:23

Ich bin ja hier ziemlich unbedarft, aber nach dem Studium von Mohlers "Der Faschistische Stil" und jetzt Kleppers "Der Vater" hätte ich geglaubt zu verstehen, dass das Urteil, antifaschistischer Schriftsteller Unsinn ist und das Klepper mit seinem Verständnis von Dienst und Aufopferung zutiefst rechte Werte verkörpert. 

Was gibt es denn an diesem Manne, der der Deportation und Ermordung von Frau und Stieftochter durch die Nationalsozialisten nicht tatenlos zusehen wollte auszusetzen?

Maiordomus

2. Februar 2021 20:09

@Klepper war das Gegenteil eines Antifaschisten im heutigen Sinn, wäre mindestens so sehr "Beobachtungsfall" wie die Stauffenberg; seine über Jahre gehegten Hoffnungen auf das System und die Mitarbeit beim Rundfunk schlossen dieses aus; und im Gegensatz zu Reinhold Schneider "Nun baut der Wahn die tönernen Paläste" (zu Olympia 1936) dichtete Klepper Olympische Sonette. Über den konservativen Widerstand ärgerte er sich lange, realisierte aber 1938 bei der Lektüre von "Las Casas vor Karl V." die andere Seite der sog. Rassenfrage. Seine Familienverhältnisse brachten ihn in arge Bedrängnis; und letztlich gehörte er über die Mitarbeit bei Karl Ludwig von Guttenberg (dank Grossgrundbesitz reich genug, um seine Zeitschrift selber zu finanzieren, die aber dann kein Papier mehr erhielt) zum christlich-konservativ monarchischen Widerstand. "Antifaschismus" passt für ihn als Begriff etwa so gut wie zu Otto von Habsburg oder Kuehnelt-Leddihn, wiewohl er sich als Protestant und Preussenfreund auch von dieser Richtung absetzte. Er stand klar rechts von Nationalsozialismus. und Faschismus. Das könnte morgen Mittwoch thematisiert werden.

Laurenz

3. Februar 2021 01:12

@Ralph @L.

Marschierte kurz danach nicht Bonaparte ein? Also nur ein kurzes Glück der Menschlichkeit.

RMH

3. Februar 2021 10:37

Die Frage, ob damals die Todesstrafe auf der Welt noch allgemein üblich war oder nicht, ist doch eine reine Ablenkung davon, dass die Hinrichtung der Widerständler im KL Flossenbürg kurz vor dem Ende des Regimes selbst den damals noch vorhandenen rechtlichen Reststandards nicht genügte und unter dem Strich als schlichtes, "wir überleben nicht, also ihr auch nicht" Rachevorgehen einzuordnen ist. Die Art der Durchführung der Exekution wurde auch in besonders grausamer Form gewählt und kann nicht mit einer standrechtlichen Erschießung oder einem Tod am Fallgalgen verglichen werden.

Es ist schäbig, Leuten, die damals ihr Leben riskiert und hingegeben haben, jetzt mit irgendwelchen pseudojuristischen Vergleichen zukommen. Der damalige Autor und Veranlasser der B. Diskussion hat völlig zu Recht eine Geldstrafe kassiert. Auf dessen Niveau zu gehen zwingt uns niemand, außer evtl. vorhandene eigene Charakterdefizite.

Maiordomus

3. Februar 2021 13:05

@RMH. Geldstrafen für Meinungen verändern nichts und niemanden, auch wenn manche Äusserung abscheulich anmutet, verstärkt eher den Starrsinn. Dass natürlich Roland Freisler, abgesehen von den Geständnis-Weltrekorden bei den stalinistischen Schauprozessen, in der Geschichte der Justiz einen selbst durch Hexen- und Ketzerprozesse nicht überbotenen Tiefpunkt der Geschichte der Justiz darstellt, eine unvergleichliche Schande und leider nach Dürrenmatt ein Hinweis auf den potentiellen und aktuellen Racheaspekt der Justiz, zeigt das Dokumentierte überdeutlich. Kritik an den Stauffenberg ist wie übrigens alle Kritik auch an den "Guten" des 2. Weltkriegs mit eine Voraussetzung zur Herstellung eines wissenschaftlichen statt zivilreligiösen Niveaus. 

Maiordomus

3. Februar 2021 14:47

@ Literatur à la Klepper halte ich für deutsches Geistesleben existentiell, auch beim Eindruck, man halte einen "verlorenen Posten" (Jünger). Der an den damaligen Verderbern Deutschlands zugrunde gegangene Patriot und Christ Klepper hätte sich für die für den Verlag nicht repräsentative neuliche Verteidigung einer für die deutsche Geistes- und Literaturgeschichte fürwahr nichtswürdigen Massenorganisation bedankt. Deren einzig erinnerliche Kulturleistung war das Horst-Wessel-Lied. Doch wurde gemäss Klepper ein "bürgerlich-snobistischer nationalistischer Literaturbetrieb" im 3. Reich trotz allem aufrechterhalten; dank Konkordat auch für bedeutende katholische Schriftsteller, gegenüber deren Repräsentanten Mosebach heute wenig zu bieten hat. Keinem damals wäre es eingefallen, sich mit Zauberberg-Verschnitt und z.B. banalster Erotik-Kolportage so krass zu blamieren wie der trotz humanistischer Bildung und Sprachbegabung für die Romanform nicht als einer der besseren katholischen Schriftsteller Deutschlands durchgehende Mosebach. Lieber erinnere ich an den Schlesier Hans Niekrawietz, "Oderlieder", welche entgegen dem Professorenromankolporteur Mosebach bleibende Bedeutung für die deutsche Literatur behalten werden. Wenigstens solange es noch ein schlesisches Heimatgefühl gibt. 

Maiordomus

3. Februar 2021 15:30

@Freisler hat Hexen- u. Ketzerprozesse, analog zu den schändlichen Geständnisweltrekorden bei den Stalinschen Schauprozessen von 1938,  mit seiner zwar nur verbal präsentierten Methode von Vernichtung im Gerichtssaal, um es korrekt zu formulieren,  u n t e r b o t e n hat, nicht überboten.

Zu Mosebachs dreiteiligem Romans "Krass". Schon nach dem ersten von drei Teilen  liegt der Autor mit dem pseudoprofessionell konstruierten Zauberbergverschnitt (der Geschichte des Global Players "Krass") - bei einer nachweisbar zu deutlich Zauberberg-affinen Hotelgeschichte - mit  fast allen einschlägigen Requisiten - bei meinem Direkt-Check zum Original schon ca. 0:7 krass im Rückstand. Weiterlesen! Es gibt im 2. und 3. Teil dank manchmal aphoristischer Sprachkraft starke, zitierbare Talentproben. Der 3. Teil, als "Tod in Ägypten" noch reizvoll, erinnert statt an Thomas Manns "Tod in Venedig" achtbar an Karl May mit dem Verhältnis des Westlers Kara Ben Nemsi zu seinem Diener Halef, bei Mosebach "Mohammed". Wundern muss man sich über den Oberkitsch der "Erotik"-Sprache des Autors. Das Lektorat hat sich mitblamiert. Das Potential Mosebachs reicht vielleicht für 15%  der gegen Schluss noch eindrucksvollen Geschichte. Kleist hätte es auf drei bis fünf Seiten hingekriegt. Verfasste nicht zu veröffentlichende Detailanalyse. 

 

Laurenz

3. Februar 2021 16:27

@RMH

1. Wieso interpretieren Sie andere oder mich, ohne etwas über die Beweggründe zu wissen?

2. Was hätten Sie als Machtinhaber 1933, 1939 oder 1945 getan, wenn Sie gewußt hätten, daß Sie keines natürlichen Todes sterben werden?

3. Hatten Mussolini und seine Geliebte diesen Tod, den sie erlitten, verdient? Diese Frage können Sie auch immer weiter stellen und bei Gadaffi brauchen Sie ganz sicher auch noch nicht aufhören.

Laurenz

3. Februar 2021 18:12

@Maiordomus

Zu Ihrem letzten Beitrag stimme ich Ihnen zu. Allerdings, so möchte ich bemerken, sind unsere aktuellen Schauprozesse, angepaßt an den Zeitgeist, wie gegen die sogenannte NSU auch nicht besser. Das Urteil gegen Frau Zschäpe war ein politisches Urteil und hat mit einem Rechtsstaat so viel zu tun, wie Sie mit dem Kaiser von China.

RMH

3. Februar 2021 18:13

@Laurenz,

bitte meinen Beitrag nicht direkt persönlich nehmen.

Aber eines fällt - nicht bei Ihnen, aber generell - in Diskussionen über solche Themen auf:

Unter dem Tugendterror des Schuldkultes meint offenbar manch Einer, dem Schuldkult mit einer ins andere Extrem fallenden, fast schon generellen Apologie der damaligen Zustände begegnen zu müssen, statt differenzierend zu bleiben. Damit vergeht man sich seinerseits am Ideal (wird, wie jedes Ideal, nie 100% verwirklichbar sein), Historie den Historikern zu überlassen.

zu Ihrem Punkt 2: Ich wäre von meiner ganzen Persönlichkeit nie Machthaber geworden oder alternativ: Das erste Opfer meines eigenen Systems - wer heute kein Mitläufer ist, wäre es damals nicht gewesen und anders herum. Unterschied: Heute kann ich mit Nachteilen (noch!) leben, damals hätte es mindestens mal einen kleinen KL-Aufenthalt gegeben. Aber bleiben wir beim Gedankenspiel: Ich hätte mir deutlich eher die Kugel in den Kopf gegeben, als erst 45 und dabei auf irgendwelche Faxen und Racheakte als Form des erweiterten Suizides verzichtet. Und Mussolini oder Gaddafi haben ihren Tod nicht verdient, er lag aber jeweils aufgrund ihres vorherigen Verhaltens im erwartbaren Wahrscheinlichkeitsbereich bzw. gehört so etwas zum normalen Lebensrisiko von Potentaten.

RMH

3. Februar 2021 18:13

Fortsetzung @ Laurenz:

Punkt 3 ist unzulässiges Gegenrechnen und Aufrechnen von Schuld und in etwa das, was der Schuldkult in anderer Weise macht. Dresden kann nicht mit den Verbrechen des NS- Regimes gerechtfertigt werden, genau so wenig, wie man die Verbrechen des NS Regimes irgendwie rechtfertigen kann - man kann auch kein "Verständnis", als kleine Schwester der Rechtfertigung, dafür fordern. Man kann so manches nachvollziehen, aber eben nicht rechtfertigen, wenn keine echten, validen Rechtfertigungsgründe da sind.

Und jetzt hoffe, ich dass bald 19.00 Uhr ist, und ich zum Kanal Schnellroda wechseln kann.

Maiordomus

3. Februar 2021 18:28

@Laurenz. Über Mussolinis und Claretta Petacchis Tod publizierte ich vor 37 Jahren ein Gedicht, dem man mangelnde Genugtuung über jenes Ereignis vorwarf. Schrieb dazu aber einen Artikel, den niemand mit einer Rehabilitierung des Diktators verwechselte. Die wohl meistgeschaute youtube-Hinrichtung der Diktaturgeschichte ist jene des Ehepaars Ceausescu von Weihnachten 1989; die Behauptung, es hätte damals Rechtsstaat stattgefunden, wäre gewagt. Zu den gemeinsten Anklagepunkten gegen Königin Marie Antoinette von Frankreich 1793 gehörte die von einem schlicht mörderischen Gericht mit früher Roland-K-Mentalität getätigte Unterstellung, sie hätte ihre eigenen Kinder sexuell missbraucht: Ein Anklagepunkt, zu dem sie als einzigem nicht schwieg. Betr. Mussolini und Ceausescu muss der Historiker sagen, dass eine akut anarchische revolutionäre Situation vorlag. Bei der gemäss Marx/Engels Theorie als legitimer Massenterror interpretierten Massenhinrichtung der russischen Zarenfamilie liegt, wohl ähnlich wie bei Marie Antoinette, ein eigentlicher Justizmord vor. Der berüchtigte Spruch von Kuchen statt Brot, eine Anekdote aus einem Rousseau-Roman von 1757, als Marie Antoinette 2 Jahre alt war, musste damals zur Diskreditierung der Autrichienne (Tochter von Maria Theresia) hinhalten.

Gracchus

3. Februar 2021 19:18

@Maiordomus

Den Mosebach haben Sie anscheinend zu schnell gelesen. Zauberbergverschnitt? Teil I spielt im herbstlichen Neapel bei Badetemperaturen, nicht im Schnee.  Auf Ihre Detailanalyse wäre ich gespannt. Ich schlage vor, SiN veröffentlicht Ihre Detailanalyse, und ich erwidere darauf. 

Teil 3 habe ich noch nicht gelesen, aber "Tod in Venedig" damit irgendwie in Verbindung zu bringen, ist von vorneherein abwegig. 

Kolportageelemente findet man fast in allen großen Romanen. 

Mosebach versteht sich nicht als katholischer Autor (noch weniger als der Katholik Julien Green). Abgesehen davon: Welchen dezidiert katholischen Autoren kann er denn das Wasser nicht reichen?

Wer hat sich nun blamiert?

P. S .: Ihrem Hinweis auf Prischwin folgend bin ich bei dem Verlag Guggolz gelandet. Sehr interessantes Programm! 

RMH

3. Februar 2021 21:27

Vielen Dank!

War sehr informativ und auch bewegend. Hat mir den Autor näher gebracht und "Der Vater" wird auf die Lektüreliste gesetzt.

Bücher über die "alten Preußen" als Vorbilder waren damals ja durchaus populär, siehe auch Hans Heycks "Friedrich Wilhelm I. Amtmann und Diener Gottes auf Erden", von 1935, welches damals auch ordentliche Auflagen erzielte. Vermutlich nicht vergleichbar mit dem Werk Kleppers.

Heinrich Loewe

3. Februar 2021 22:02

Danke, hat Freude gemacht! Das Schloß in KW ist ein MUSS. Die Bilder sind in ihrer Eigenart wirklich beeindruckend. Ich glaube, auch der berühmte Tisch vom Tabakskollegium steht noch dort. Den Ausflug könnte man wohl auch mit Kossenblatt verbinden, aber dies ist eine Insel, die man aufgrund Privatbesitz evtl. nicht betreten kann.

Nath

4. Februar 2021 00:39

Zu Kubitscheks und Lehnerts Video

Wenn es stimmt, wie in dem Video behauptet wird, dass Klepper sich von der "Bekennenden Kirche" (also den nicht-biologistischen Gläubigen) distanziert hat, lässt dies nur den Schluss zu, dass er entweder ein Heuchler oder schizophren war. Er ist aber auch zu feige, den sogenannten "Deutschen Christen", welche die NS-Rassenlehre mit derm Christentum verknüpften, entgegenzutreten. Es erscheint unwahrscheinlich, dass er so dumm war, den b i o l o g i s c h  fundierten Antisemitismus mit dem Anti-Judaismus der Kirchen für kompatibel zu halten. Wenn er als Christ an den entscheidenden Vorrang der unsterblichen Seele gegenüber ihrer rassemäßig verfassten Leiblichkeit glaubt, m u s s  er den Nationalsozialismus ablehnen und für seine Frau und deren Kinder das Schlimmste befürchten. Der verantwortungsvolle Schritt wäre es daher gewesen, sich mit seiner Familie so schnell wie möglich ins Ausland abzusetzen. Stattdessen - und darin bekundet sich mehr als bloßer Opportunismus - hegt er trotz allem eine zwar eingeschränkte, aber gleichwohl offenkundige Sympathie für diejenigen, denen seine ehemäßig beglaubtigte "Rassenschande" ein Dorn im Auge sein musste und auf deren stillschweigende Duldung er allenfalls hoffen durfte.

 

Laurenz

4. Februar 2021 06:43

@RMH @Laurenz

Sie dürfen ruhig persönlich werden, solange Sie begründen. Nur der persönlich Angriff ohne Inhalte ist sinnentleert.

Sie weichen mir aus. Ich habe Sie nicht danach gefragt, ob Sie Sich charakterlich als adäquat für einen Potentaten halten oder nicht, sondern danach, was Sie getan an Stelle derer getan hätten? 

Als ob man als Schauspieler in Hollywood gewußt hätte, daß man irgendwann Präsident der USA wird oder als Physikerin Staatsratsvorsitzende oder als Aquarell-Maler & Soldat Führer.

Insofern war Ihre arbeitsreiche Antwort, für die ich danke, daneben. Sie müßten Sich schon die Mühe machen, Ihr Bewußtsein an den Platz zu schieben, wo sich die damaligen Protagonisten aufhielten. Ohne das, verblaßt Ihre Regime-Kritik. Das einzige, was Sie wirklich, konkret anboten, war der Freitod, wie ihn Hitler wählte. Ich bedaure Ihr Zaudern, sich zu offenbaren.

Laurenz

4. Februar 2021 06:53

@Maiordomus @Laurenz 

"Über Mussolinis und Claretta Petacchis Tod publizierte ich vor 37 Jahren ein Gedicht, dem man mangelnde Genugtuung über jenes Ereignis vorwarf."

Ohne es gelesen zu haben, gehe ich davon aus, daß Sie es "richtig" gemacht haben.

Das Tier in uns verführt zu Rachegelüsten. Aber es macht einen mit den einstigen Tätern gemein, ja gleich geradezu.

In Rumänien hatte man wohl Angst vor einer Wiederkehr der Ceausescus. Und wir wissen auch nichts über das Lebensschicksal des kommandierenden Offiziers des Standgerichts.

"Betr. Mussolini und Ceausescu muss der Historiker sagen, dass eine akut anarchische revolutionäre Situation vorlag."

Für die meisten Mörder liegt wohl zum Tatzeitpunkt eine akut anarchische revolutionäre Situation vor. Nur ob jedesmal die Historiker, Maiordomus oder RMH zustimmen, bleibt eben fraglich.

Maiordomus

4. Februar 2021 07:43

Habe das sehr genau gelesen, vom Rauchen über die Zelebration des Hotelaufenthaltes bis zum Todesmotiv gehört es dazu, auch Weltbildaspekte, und nach Kairo wurde nun halt sterben gegangen; es ist lächerlich, dass Sie mit "Schnee" kommen. Dass die meisten Romane Schrott, kommt dazu, darum zählen die  nicht. Offenbar haben Sie "Die toten Seelen", "Die Brüder Karamosov", "Der Mantel" oder "Irrungen, Wirrungen" oder den "Stechlin" nicht gelesen, zu schweigen von Tolstoi oder Flaubert oder meinetwegen Garcia Marquez. Las unterdessen die "Schreibtischerinnerungen" von Bergengruen, die Rekonstruktion der Entstehung seines für heute wichtigsten Romans "Im Himmel wie auf Erden", siehe heute Coronapanik. Hätte M. empfohlen, aus  Text eine Novelle von bis zu 100 Seiten zu machen; für die Gattung Roman fehlen ihm Genialität, Meisterschaft, Gnade.. Schon allein was ich oben zitiert habe, ist ein Hinweis, dass das Manuskript in den Papierkorb gehört hätte. Lesen Sie doch "Mein Stifter" von Arnold Stadler, wenn Sie wissen wollen, was Ansprüche an einen Roman sind bei der Kürze unseres Lebens, obwohl "Der Nachsommer" viel Geduld braucht. 

links ist wo der daumen rechts ist

4. Februar 2021 08:12

@ RHM

Zitat:
Unter dem Tugendterror des Schuldkultes meint offenbar manch Einer, dem Schuldkult mit einer ins andere Extrem fallenden, fast schon generellen Apologie der damaligen Zustände begegnen zu müssen, statt differenzierend zu bleiben. Damit vergeht man sich seinerseits am Ideal (wird, wie jedes Ideal, nie 100% verwirklichbar sein), Historie den Historikern zu überlassen.
100% Zustimmung.
Wie Sie gegen den Rübe-ab-Patriotismus anschreiben, so habe ich vor kurzem gegen den Durchhalte-Patriotismus angeschrieben.
Spätestens seit Casablanca 1943 war klar, wohin die Reise geht.
Während sich in Teheran 1943 die westlichen Alliierten noch für den Verbleib wesentlicher Teile des deutschen Ostens bei Deutschland einsetzten, war mit Jalta und Potsdam alles verspielt.
Aber: Durchhalten bis zur letzten Patrone, "weil sonst wären die Russen bis zum Atlantik marschiert".
Abgesehen davon hat damals jeder einzelne Widerständler erstens sehr wohl zwischen Hoch- und Landesverrat zu unterscheiden gewußt und zweitens war jedem klar, daß es um seinen Kopf geht. Nur stimmt halt der Umkehrschluß unserer Schreibtischtäter post festum nicht.
Oder hätte man z.B. einen brillanten Kopf wie Werner Krauss auch noch "wegräumen" sollen?
Enzensberger hat in seinem Buch über Hammerstein das Richtung links so formuliert: Klar waren die Widerständler keine Musterdemokraten, aber sie standen mit ihrem Leben für ihre Überzeugungen ein.

Maiordomus

4. Februar 2021 08:25

@Laurenz. Es bleibt dabei, dass der politische Mord, ob gerechtfertigt oder nicht (für Reinhold Schneider als Kritiker Stauffenbergs war er es nicht), nicht zu vergleichen ist mit dem Mord, um an ein Erbe ranzukommen oder auch nur aus Eifersucht oder wie nicht selten gar aus Neid oder auch nur der gewöhnliche Raubmord oder Privatrache. Der politische Mord, incl. Selbstmord, bleibt nun mal eine extreme Form der Politik, das hat schon Will Erich Peuckert in seiner Biographie von Sebastian Franck dargetan, eine in Deutschland 1943 gedruckte hochkluge Abhandlung über den Tyrannenmord, man konnte unter Hitler alles schreiben, wenn es richtig getarnt war, siehe Jünger, auch Bergengruen macht darauf aufmerksam. (Und in der Sowjetunion gab es den besten religiösen Film des 20. Jahrhunderts, die Bedingungen stimmten nun mal.). Wundere mich, dass Trump (noch) nicht umgebracht wurde; und auch den Mord an Kennedy oder Caesar können Sie mit normalen Morden schlechthin nicht vergleichen. Übrigens allein jedes Buch von Peuckert ist besser geschrieben und bringt für das Verständnis Deutschlands und Europas mehr als der von mir kritisierte Mosebach. 

RMH

4. Februar 2021 08:50

@Laurenz,

Habe doch deutlich genug geschrieben, dass ich mir an Stelle eines solchen Potentaten deutlich früher eine Kugel in den Kopf gegeben hätte.

@Nath,

Wenn ich den gestrigen Vortrag richtig verstanden habe, wurde Klepper auch deshalb ausgewählt, da es um die Vermittlung der Begriffe Dienen und Pflicht ging. Bei einem tieferen Verständnis dieser Tugenden, erklärt sich das scheinbarer Widersprüchliche bei Klepper von selbst. Die Aufspaltung in Lager bei einer Kirche kann man nur mit Distanz begegnen und nicht mit dem Eintritt in eines der Lager. Als Patriot dient man in einem Krieg seines Landes, auch wenn es massiv gegen eigene Interessen geht und man setzt sich nicht ab, sondern bleibt. Das man sich damit in eine ausweglose Situation bringen kann, die zum gemeinsamen Familienselbstmord führt, weiß man am Beginn so eines Weges nie. Und damit kommt der Begriff der Tragik ins Spiel.

Nemo Obligatur

4. Februar 2021 09:07

Das war ein langer Abend. Aber Respekt für die beiden Herren! An Dr. Lehnert scheint ein richtiger Lehrer verloren gegangen zu sein. Aus seinen Sätzen sprach immer tiefe Kenntnis und oft eine ansteckende Begeisterung.

Über Klepper habe ich einiges gelernt. Auch er einer der Vielen, die sich im tödlichen Labyrinth jener Zeit verirrt und nicht mehr herausgefunden haben. Wo könnte Deutschland heute stehen, hätte die beiden Kriege und Diktaturen nicht gegeben! Wie viele Leben vernichtet, wie viele Herzen gebrochen, wie viel Talent vergeudet! Was wir heute besehen, sind ja nur noch die traurigen Reste.

Maiordomus

4. Februar 2021 09:15

@Lehnert. Ihre historisch-literarisch-zeitgeschichtliche Analyse eines heute kaum mehr bekannten Textes wie der von Klepper über den Soldatenkönig war von einer Klasse, wie man dies in den Kulturgefässen der Öffentlichrechtlichen vermisst. Sie veranlassten mich, vorige Nacht Bergengruens "Romantheorie" aus "Schreibtischerinnerungen" zu lesen . Es ist (Auseinandersetzung damit seit 1971) die exakteste Theorie des historischen Romans mit Gattungsproblemen, der komplexen Anachronismusfrage, den Gefahren, an denen die meisten Autoren scheitern; sodann das Wichtigste: Jeder historische Roman spricht in die Zeit hinein, da er erscheint, auch als Botschaft für die Nachgeborenen. Ich ergänze: Nach Nietzsche ist von den Errungenschaften der antiquarischen und monumentalischen Historie zur kritischen Historie überzugehen.

Maiordomus

4. Februar 2021 09:47

@RMH. Mit Ihren Ausführungen über das Ethos Kleppers bestätigen Sie leider dessen damalige wie heute leider überdurchschnittliche "Unzeitgemässheit". Gerade darum aber musste er jenes Buch schreiben; hatte z.Bunbedingt was zu sagen; es war auch noch ein heute weggestorbenes Publikum vorhanden, 

Maiordomus

4. Februar 2021 10:03

RMH. Falls erstes Echo auf Sie nicht durchgekommen: Sie bestätigen mit dem Hinweis auf Dienen und Pflicht, was als Kantsches Ethos keineswegs mit Kadavergehorsam zu verwechseln ist: die "Unzeitgemässheit" von Kleppers Roman, der deswegen erst recht geschrieben werden musste. Heute ist Klepper wohl noch unzeitgemässer, ist doch ein für jene Texte dankbares Publikum, so die Leserschaft von Guttenbergs "Weissen Blättern", längst weggestorben. Auf diesen Personenkreis, vgl. das Vermächtnis von Ida Friederike Görres, dessen Mentalität zwar weder ich teile noch die Leserschaft hier, mache ich, wegen der Haltung der Zeit gegenüber, der gewissenhaften Unzeitgemässheit, gerne aufmerksam. Dabei ist längst nicht mehr alles von damals  für uns noch lesbar; insofern verstehe ich Mosebach, dass er "heutig-konservativ" zu schreiben probiert; aber es gibt noch immer unerhörte lesbare Texte, etwa "Der Traum des Heiligen" über Thomas Morus, Reinhold Schneiders für alle Zeiten gültige massstäbliche Novelle über einen Oppositionellen als Nichtmitmacher und Schweiger, der zwar kurzfristig nichts veränderte. Zum Nachdenken wäre aber ein solcher Text selbst für einen geistig noch interessierten Aktivisten wie Sellner eine nicht unnütze Anregung. 

Maiordomus

4. Februar 2021 10:27

Ein für das Verständnis des Romans "Der Vater" von Jochen Klepper bedeutsamer Satz stammt aus Kleppers Brief an Reinhold Schneider zum Erscheinen von dessen epochaler Erzählung "Las Casas vor Karl V. - Szenen aus der Konquistadorenzeit", veröffentlicht mit mehreren Auflagen 1938; mit dialektischer Debatte über überlegene und unterlegene Völker, Kulturen und Rassen. Hierzu Klepper privat gleich bei Erscheinen: "Wie hat unsere Zeit mit ihren Rassendramen und Rassentragödien uns gelehrt, Quellen zu lesen!" Quellen lesen, um über die Gegenwart besser kritisch nachdenken zu können; genau dies ist es, was man im Sinne von "Der Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben"  bei Nietzsche sinnvoll zu lernen hat. Ohne Klepper, der auch seine Schwächen mit viel Zeitnähe und Zeitgeistigem hatte, religiös durchaus ein Suchender war, zwischen Anpassung und Distanz schwankend, aber letztlich den Tod nicht fürchtend, sich der Tragik einer historischen Situation stellend jenseits von Todessucht: ohne diesen exemplarischen Autor glaube ich, bei Streben und Irren, meine eigene Orientierung und meine Hochachtung vor den Besten unter den deutschen Konservativen nicht gefunden zu haben.

AlexSedlmayr

4. Februar 2021 10:48

" Gibt es bereits einen "Schnellrodaer Antifaschismus" oder täusche ich mich, wenn ich diese Tendenz in der letzten Zeit hier verstärkt empfinde?"

Wenn der Faschismus als eine abgeräumte und auch volksschädliche Ideologie identifiziert ist, warum nicht ein wenig Anti dagegen sein auch von (neu)rechts. Und welche geistigen Zugewinne sind noch möglich, wenn man auf einen furchtbaren Autoren verzichtet, nur weil ihn sich linke Hohepriester zu einer Ikone ihres Holocaust-Kultes erhoben haben?

Man muss nicht gleich aufhören Gehwege zu benutzen und anfangen im Schlamm zu waten nur weil der Arbeiter, der die Platten legte, abends das kommunistische Manifest las.

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