Manchmal reicht aber auch eine Gefälligkeitsrezension. Letzteres ist bei Ulrich Vosgerau der Fall (hier zum Vosgerau-Beitrag), der in der Jungen Freiheit meine Broschüre Scheitert die AfD? besprochen hat.
Wer den Kurs des Herausgebers der Zeitung, Dieter Stein, bezüglich der AfD kennt, wird das Ergebnis leicht erahnen. Stein, der in seiner Kolumne regelmäßig die Rückkehr der AfD auf den Pfad Bernd Luckes anmahnt, meint aus der Broschüre herauslesen zu können, der Autor würde der vom „Verfassungsschutz“ drangsalierten Oppositionspartei empfehlen, von der Beschreitung des Rechtswegs abzusehen.
Herr Vosgerau hat dies auftragsgemäß zur Prämisse und Ausgangspunkt seiner Kritik gemacht, obwohl sich eine derartige Aussage in der Broschüre nicht findet. Als vermeintlichen Beleg führt Vosgerau folgenden Satz aus meiner Broschüre an:
Die Demokratie ist gegen den sogenannten Verfassungsschutz und im Zweifel auch gegen Verfassungsgericht und Grundgesetz durchzusetzen!
Wenn dieses Zitat das Argument des Verfassers sein soll, daß er vom Rechtsweg abraten würde, ist dies eine wirklich befremdliche Interpretation fast im Sinne einer „unbegrenzten Auslegung“.
Jeder Jurist lernt im ersten Semester, daß eine gerichtliche Entscheidung, der man dann durch Urteilskritik am Maßstab etwa der Demokratie entgegentreten kann, zur Voraussetzung hat, daß jemand überhaupt einen Antrag gestellt hat. Denn: Wo kein Kläger, da keine Richter!
Also setzt die kritisierte Aussage des Verfassers eine Entscheidung des Verfassungsgerichts voraus und diese wiederum, daß jemand ein Verfahren beantragt hat – und dies soll belegen, daß man vom Rechtsweg abrät? Eigenartig!
In der Broschüre geht es darum, eine politische Alternative zum VS in seiner jetzigen Form zu entwickeln, weil es die die Aufgabe einer Partei ist, politische Konzepte zu erarbeiten, d.h. letztlich Gesetzesänderungen vorzuschlagen, was im Falle des Ersatzes des bestehenden Verfassungsschutzsystems durch den klassischen Staatsschutz ohne Grundgesetzänderungen nicht machbar sein wird.
Urteils- und Verfassungskritik sollte einem Juristen wohl erlaubt sein, ebenso die Werbung, für die Änderung der Rechtsgrundlagen, auf denen etwa eine Gerichtsentscheidung beruht, eine politische Mehrheit zu finden. Dies stellt gerade keine Aufforderung dar, wie Vosgerau entsprechend dem Muster des amtlichen Verfassungsschutzes insinuiert, das Grundgesetz nicht als geltende Verfassung anzuerkennen (andernfalls könnte man sich Gedanken um die Änderung des Verfassungstextes wirklich ersparen).
Da sich die Broschüre auf die politischen Alternative konzentriert, ist zur Beschreitung des Rechtswegs keine Aussage getroffen. Gerade um negative Gerichtsentscheidungen (die man ausschließen sollte) in der politischen Wirkung zu neutralisieren, ist eine politische Alternativstrategie erforderlich, um ein derartiges Urteil als Beleg für die dringende Änderungsbedürftigkeit des VS-Einflusses zu nehmen.
Der Verfasser hat lediglich davor gewarnt, die Beschreitung des Rechtswegs unrealistisch einzuschätzen, da angesichts des ideologie-politisch ausgerichteten Verfassungsschutzes, den die Gerichtsbarkeit nicht grundsätzlich in Frage gestellt hat, alles andere als eine Erfolgsgarantie besteht (denn auch das Beispiel der Republikaner zeigt vor allem eins: Was nützt ein später Sieg vor Gericht politisch, wenn man dann keine aktiven Mitglieder mehr hat und keine Wählerstimmen mehr gewinnt?).
Auf das dahinterstehende Problem, daß mit dem Grundgesetz eine besondere Demokratie errichtet worden ist (wie sich auch der noch aktuellen juristischen Kommentarliteratur entnehmen läßt), geht der Rezensent mit keinem Wort ein. Es mag sein, daß das Grundgesetz auch ganz anders hätte verstanden werden können, aber es wird eben (aus historischen Gründen, die eine besondere Lage begründeten) so interpretiert und angewandt, daß damit für die AfD – wie schon für funktionale Vorgängerparteien – ein Existenzproblem entsteht und zwar eines, das auch durch erfolgreiche Gerichtsurteile wahrscheinlich nicht gelöst werden kann.
Entscheidend ist dabei, was häufig als „ungeschriebener Teil des Grundgesetzes“ bezeichnet wird und aus dem sich wiederum die amtlichen Vorwürfe gegen die Oppositionspartei AfD ableiten (wie etwa Geschichtsrevisionismus, Menschenbild, Staatsauffassung und dergleichen). Diese Vorwürfe bestehen nicht in Rechtsverstößen, sondern in “falschen Ansichten”, die als „rechtsextrem“ eingestuft werden – ein Begriff, der sich in der Ermächtigungsgrundlage des Verfassungsschutzes nicht findet.
Wenn der Rezensent dem Verfasser vorhält, er würde die Amerikaner fälschlich als Ursache des Übels identifizieren, wo doch die 68er das Problem wären, wirft er ein Scheinproblem auf. Die Frage ist, wieso es die 68er geschafft haben, diesen Einfluß zu gewinnen. Hier wurde die alliierte re-education-Politik zur Entfaltung gebracht.
Bedeutsam ist auch, daß nur von linker Seite eine Verfassungspolitik betrieben worden ist, was dann im politischen Prozeß immer zu einer Lösung „links vom (jeweils bisherigen) Grundgesetz“, also zu einem linkeren Grundgesetz geführt hat. Was dementsprechend fehlt, ist eine Verfassungspolitik von rechts, um im politischen Prozeß dann wenigstens den Status quo des Grundgesetzes zu sichern.
Die Formulierung einer Verfassungsalternative dient damit durchaus dem Grundgesetz – dies zu begreifen, setzt jedoch das Verständnis des demokratischen politischen Prozesses voraus, was ein Verfassungsgerichtspositivismus wohl nicht hinreichend erfaßt.
Daher ist es auch unfreiwillig komisch, wenn der Rezensent (gegen meine vermeintliche Überzeugung) schreibt:
Daß in der Politik am Ende nur Realos gewinnen können, liegt in der Natur der Sache. Daß es immer auch Fundis gibt, beruht auf einem individualpsychologischen Phänomen…
Sofern die Kategorien überhaupt passen, erscheinen „Romantiker“ eher diejenigen zu sein, welche meinen, die Gerichtsbarkeit würde ihre politischen Probleme lösen, während die „Realos“ eher die sind, die sich auch Gedanken machen, wie etwa das Verfassungsschutzrecht, ja Verfassungsvorschriften geändert werden müssen, um den bundesdeutschen Zustand zugunsten des Mehrparteiensystems, Chancengleichheit der Parteien, aber auch der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit zu verbessern.
Da in dem Text Insinuationen erkennbar sind, abschließend folgender Hinweis: Die kritisierte Broschüre ist dem Legalitätsprinzip verpflichtet, was bedeutet, daß man die Rechtsordnung beachtet, auch wenn man mit Vorschriften nicht einverstanden ist. Das heißt aber auch, daß man als Anhänger des Legalitätsprinzips nicht verpflichtet ist, davon auszugehen, daß man die Rechtsvorschriften nicht kritisieren oder keine Änderungen vorschlagen dürfte.
Dieser Grundsatz gilt auch für das Grundgesetz. Es ist als Rechtsordnung zu beachten, ist jedoch kein religiöses Dokument – vor dieser Vorstellung hat schon Adenauer ausdrücklich gewarnt. Politik ist nun einmal, Änderungen des Rechts anzustreben – während in der Tat Gerichtsprozesse auf den Status quo des Rechts ausgerichtet sind.
Wer das nicht verstanden hat, sollte keine Publikationen besprechen, die sich mit Politik befassen (Vosgerau) und nicht versuchen, die einzige Oppositionspartei in Deutschland politisch zu beraten (Stein).
– –
Die 39. Studie des Instituts für Staatspolitik, Scheitert die AfD? Die Illusion der Freiheitlichkeit und die politische Alternative, kann hier erworben werden.
RMH
Vom BVerfG in der aktuellen Besetzung sich großartigen Rechtsschutz zu versprechen ist spätestens seit dem zweiten NPD Urteil eher unrealistisch, dennoch schließt diese Feststellung den Gang vor dieses nicht aus. Die Frage ist doch, welche Lehren man draus zieht. Und hierüber kann man trefflich streiten. Mit dem Kopf durch die Wand wird es bei einer parlamentarischen Partei nicht gehen. Ein Einknicken in wesentlichen Inhalten bspw. Seitens der AfD Bundestagsfraktion kann ich aber bis heute beim besten Willen nicht erkennen. Also, um was wird gestritten?