b. Der WHO-Bericht vom 24. Februar 2020
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist eine Behörde der Vereinten Nationen, die versucht, auf übernationaler Ebene Gesetze, Institutionen und Politik zu koordinieren, um die öffentliche Gesundheit zu schützen. Ihr Verhalten angesichts der Corona-Bedrohung stellt sich über den größten Teil des Januars 2020 als zwiespältig und planlos dar.
Die chinesischen Gesundheitsbehörden gaben die Mensch-zu-Mensch-Übertragung des Virus erst am 21. Januar bekannt, einen Tag vor einer WHO-Sitzung, bei der das Gremium entschied, wegen Corona keinen internationalen Notfall auszurufen.
WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus bestand darauf, daß Corona bisher nur in China als Notfall einzustufen sei und erklärte seltsamerweise, daß es außerhalb Chinas „keine Beweise“ für eine Mensch-zu-Mensch Übertragung gäbe. Vierundzwanzig Stunden später, am 23. Januar, verhängte China den Hubei-Lockdown.
Zeitgenössische Presseberichte sprachen von einer Spaltung innerhalb der WHO, wobei die Alarmisten von einer optimistischeren, pro-chinesischen Fraktion überstimmt wurden. Letztere glaubten, China werde den Ausbruch kontrollieren können, und demgemäß versuchte die WHO, die Epidemie herunterzuspielen.
Am 28. Januar stufte sie das Virus als lediglich „moderates“ Risiko ein. Es gab einen Aufschrei; Tedros musste die Einschätzung auf „hoch“ korrigieren. Als das ständige Lob einiger WHO-Beamter für China auf Kritik stieß, legte Tedros nach und sagte, er werde China „immer wieder loben“, weil „seine Maßnahmen dazu beigetragen haben, die Ausbreitung des Coronavirus in andere Ländern zu verhindern.“ Auf kritische Fragen bezüglich der chinesischen Lockdownpraxis reagierte er zurückhaltend:
China hat Maßnahmen ergriffen, die es für effektiv hält. Was uns betrifft, so hoffen wir, daß sie sowohl effektiv als auch von kurzer Dauer sein werden.
Am gleichen Tag äußerte sich Gaudean Galea, Leiter eines WHO-Teams in China, in ähnlicher Weise:
Der Versuch, [eine Epidemie] in einer Stadt von 11 Millionen einzudämmen, ist neu für die Wissenschaft. Eine derartige Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Gesundheit wurde nie zuvor ergriffen, weshalb wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen können, ob sie funktionieren wird oder nicht. … Wir werden genau beobachten, inwieweit sie aufrechterhalten wird und wie lange sie andauern kann. Es gibt Vor- und Nachteile … Eine solche Entscheidung hat offensichtlich erhebliche soziale und wirtschaftliche Auswirkungen.
Wenige Tage später, am 30. Januar, machte die WHO eine Kehrtwende und erklärte Corona zu einer „gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite“.
Gleichzeitig teilte sie der Presse mit, sie bereite eine Delegation nach China vor, um den Corona-Ausbruch näher zu untersuchen. Daraus wurde bald eine „gemeinsame Delegation“ Chinas und der WHO, wobei fünfundzwanzig „internationale Experten“ vom 16. bis 24. Februar durch die Volksrepublik reisen sollten. Ihre Untersuchungen gipfelten in einer Pressekonferenz in Peking am 24. Februar und in einem vierzigseitigen Bericht, der unser aller Schicksal besiegeln sollte.
Dieser Bericht markiert den Beginn der Lockdowns im Westen. Er enthält viele merkwürdige Stellen. Die Verfasser sind z.B. nicht davon überzeugt, daß Corona sehr ansteckend sei. Sie platzieren den Reproduktionsfaktor zwischen 2 und 2,5 (vgl. S. 10), erheblich unter aktuellen Schätzungen. Sie schreiben, daß „die gemeinschaftliche Übertragung sehr begrenzt ist“ (ebd.) und daß das Virus „über Tröpfchen und Flächen bei engem, ungeschütztem Kontakt übertragen wird“ (S. 8). „Übertragung durch die Luft“, durch Aerosole, eine Annahme die zum Fluch unserer Existenz geworden ist, „wurde nicht berichtet … und es wird nicht angenommen, daß sie ein Hauptfaktor für die Übertragung ist“ (ebd.).
Diese Einschätzungen wurden mit einem offenem Lob der Masseneindämmung der Epidemie in Hubei verbunden. Chinas Politik wurde als „wissenschaftlicher und risikobasierter Ansatz“ (ebd.) gepriesen. Diese Stellen lesen sich wie chinesische Staatspropaganda:
Im Angesicht eines bisher unbekannten Virus hat China die vielleicht ambitionierteste, agilste und aggressivste Seucheneindämmungsmaßnahme der Geschichte durchgeführt. (S. 16).
Während wir heute unter modellhaft vereinheitlichten, nicht enden wollenden Lockdowns leiden, lobte der Bericht China für den Einsatz „spezifischer Eindämmungsmaßnahmen“, die „an den Kontext der Provinz, des Landkreises und sogar der Gemeinde angepasst wurden“ (ebd.). Das chinesische Volk profitiere von seinem „tiefem Engagement … für kollektives Handeln“. Chinas
kühnes Vorgehen zur Eindämmung der schnellen Ausbreitung dieses neuen Erregers der Atemwege hat den Verlauf einer schnell eskalierenden und tödlichen Epidemie verändert. (S. 17).
Als Frucht dieser visionären Kühnheit
arbeitet China bereits mit vollem Recht daran, seine Wirtschaft wieder zu stärken, seine Schulen wieder zu öffnen und das Erscheinungsbild der Gesellschaft allmählich wieder zu normalisieren. (S. 18)
Dann kommt der wohl übelste Teil:
Chinas kompromissloser und rigoroser Einsatz von nicht-pharmakologischen Interventionen zur Eindämmung der Übertragung … bietet wichtige Erkenntnisse für die globale Gegenstrategie. (S. 19)
Die Verfasser befürchten allerdings, daß die „Weltgemeinschaft noch nicht bereit“ sei,
die einzigen Maßnahmen zu ergreifen …, die derzeit nachweislich die Übertragungsketten beim Menschen unterbrechen oder minimieren. (ebd.).
Die Umsetzung dieser Maßnahmen erfordere nämlich „ein außergewöhnlich hohes Maß an Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung“. Wenn die Menschen im Westen zu einem solchen Eingriff noch nicht bereit sind, wird man sie also dazu bereit machen müssen:
Die durch die konsequente Anwendung von COVID-19-Eindämmungsmaßnahmen gewonnene Zeit muß effektiver genutzt werden, um die dringend gebotene globale Bereitschaft zu erhöhen und rasch die spezifischen Werkzeuge zu entwickeln, die notwendig sind, um dieses Virus endgültig zu stoppen. (S. 20). Dazu gehört auch die
Aufklärung der Öffentlichkeit über ihre Rolle bei der Verbreitungsverhinderung und über die Ernsthaftigkeit der COVID-19-Krankheit. (S. 21)
Die WHO begann nun, die westlichen Länder zur Masseneindämmung zu drängen, was eine Debatte mit vielen nationalen medizinischen Institutionen provozierte, die geplant hatten, die Ausbreitung von Corona lediglich zu verlangsamen.
Der WHO-Beamte Mike Ryan bedauerte (S. 16), daß
wir diese unglückliche Spaltung in ein Eindämmungslager und ein Risikominderungslager hatten – verschiedene Gruppen, die ihre Sicht der Welt präsentierten und vertraten… offen gesagt, ist das nicht hilfreich.
Ryan forderte „eine besser entwickelte Herangehensweise“, die nicht „von Strategien der Vergangenheit lebt“, sondern die „Lehre der letzten acht bis zehn Wochen“ berücksichtigt.
„Acht bis zehn Wochen“ meinte den Lockdown von Hubei. „Strategien der Vergangenheit“ meinte die Minderungspläne der westlichen Epidemiologie.
Als Ryan diese Worte sagte, hatte das Eindämmungslager in der WHO bereits seinen wichtigsten Sieg errungen. Dieser kam am 8. März, als Italien den ersten westlichen Lockdown in der Lombardei ankündigte.
Laurenz
Auch Kaiser Xi Jinping steht nackt da, auch wenn alle behaupten, er hätte einen schicken Anzug aus heimischer Produktion an.