Corona-Diktatur – ein besonderes „Compact“-Heft

Gewöhnlich bewohnen Sezession und Compact ihre eigenen Habitate, bedienen ihre eigene Klientel, bisweilen scheiden sie Welten voneinander.

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

Doch wenn sich der Strick um unse­re Gur­geln zuzieht, rückt man näher zusammen.

Die Rede von der „Coro­na-Dik­ta­tur“, Unwort des ver­gan­ge­nen Jah­res aus der Per­spek­ti­ve der lin­gua coro­nae impe­rii, klingt pla­ka­tiv und gehört eigent­lich in die­sel­be Schub­la­de wie „Mer­kel­ju­gend“ oder „Links­staat“. Doch unter einem gro­ben Slo­gan fin­det sich hier das Gegen­teil: Das neue Son­der­heft ist die phi­lo­so­phischs­te Aus­ga­be, die es von Com­pact je gab.

Aus die­sem Grun­de lohnt sie mei­ne ein­ge­hen­de Betrach­tung und Bespre­chung. Mar­tin Sell­ner pflegt in einem Video­for­mat jedes Com­pact-Heft zu rezen­sie­ren, auch die­ses, und schreibt regel­mä­ßig eine eige­ne klei­ne Kolum­ne dar­in, was ihn übri­gens mit dem Antai­os-Autor Man­fred Klei­ne-Hart­la­ge verbindet.

In der vor­lie­gen­den Aus­ga­be fin­den sich gera­de­zu for­mat­spren­gend lan­ge phi­lo­so­phi­sche Essays (sogar in Kapi­tel unter­teilt). Sie­ben an der Zahl ken­nen Sie als Sezes­si­on-im-Netz-Leser bereits – Hei­no Bos­sel­mann hat sie zuerst an die­ser Stel­le ver­öf­fent­licht, in Com­pact sind sie nun wie­der­ab­ge­druckt. Ihn hier kol­le­gi­al zu loben wäre pein­lich, die Kom­men­tar­dis­kus­sio­nen auf unse­rer Netz­prä­senz spre­chen für sich und für Bosselmann.

Von den drei Phi­lo­so­phen ist nur einer einem gro­ßen intel­lek­tu­el­len Publi­kum außer­halb unse­rer „Sze­ne“ bekannt, näm­lich der lin­ke ita­lie­ni­sche Phi­lo­soph Gior­gio Agam­ben. Der drit­te im Bun­de ist Rudolf Brand­ner, den Freun­de des Tumultblogs ken­nen dürften.

Bringt man die drei zusam­men, ent­steht tat­säch­lich ein Drei­er­ge­spann, des­sen Tei­le kom­ple­men­tär wir­ken. Bos­sel­mann ist der Essay­ist, der spitz­fed­ri­ge, manch­mal gal­li­ge Zeit­kom­men­ta­tor. Brand­ner ist der Auf­klä­rer und anti­to­ta­li­tä­re Kri­ti­ker der Logik des herr­schen­den Irrsinns.

Und Agam­ben? Der ist das, was man einen post­mo­der­nen Groß­den­ker nen­nen könn­te. Bei wem hier die Alarm­glo­cken lei­se zu klin­geln begin­nen, der begin­ne die Lek­tü­re von Coro­na-Dika­tur. Wie unse­re Frei­heit stirbt mit dem Bei­trag des Kul­tur­re­dak­teurs Jonas Gla­ser. Der titelt näm­lich „Slo­ter­di­jk und ande­re Ver­rä­ter“ und lan­det auf zwei Sei­ten auf dem Punkt: wie­so die­se public intellec­tu­als in der gegen­wär­ti­gen Lage sich und uns ver­ra­ten haben.

Slo­ter­di­jk, Sla­voj Žižek und Judith But­ler haben alle Maß­stä­be der alten Ideo­lo­gie­kri­tik über Bord gewor­fen. Das geht so weit, daß sich Slo­ter­di­jk einen Bun­des­kanz­ler Spahn wünscht und Žižek über Agam­ben ent­rüs­tet den Kopf schüt­telt, wol­le die­ser doch so wie die Rech­ten und wie Trump „leben wie bis­her. Das hie­ße ja, dass die Pan­de­mie sich aus­brei­tet und noch mehr Men­schen krank macht.“

Agam­ben denkt grund­sätz­lich. Ihn kann man kei­nen Rene­ga­ten nen­nen, denn er bleibt sei­ner alten Ideo­lo­gie­kri­tik treu. Dabei kom­bi­niert er in den vor­lie­gen­den Tex­ten Carl Schmitts Unter­schei­dung zwi­schen „kom­mis­sa­ri­scher“ und „sou­ve­rä­ner“ Dik­ta­tur mit Michel Fou­caults Ana­ly­se der „Bio­po­li­tik“.

Des­sen berühm­ter Schluß der Ord­nung der Din­ge bekommt bei Agam­ben – der abge­druck­te Auf­satz „Wenn das Haus brennt“ ist fast mys­tisch-poe­tisch und der schwie­rigs­te Bei­trag des Hef­tes – eine Deu­tung, die viel­leicht erst heu­te ver­rät, was Fou­cault 1966 nur ahnte:

Der Mensch ver­schwin­det heu­te, wie ein Ant­litz aus Sand am Strand weg­ge­wa­schen wird. Das aber, was an sei­ne Stel­le tritt, hat kei­ne Welt mehr, es ist nur nack­tes Leben, stumm und ohne Geschich­te, den Kal­kü­len der Macht und der Wis­sen­schaft aus­ge­lie­fert. Viel­leicht kann nur aus die­ser Zer­stö­rung eines Tages all­mäh­lich oder mit einem Mal etwas Neu­es erschei­nen – gewiss kein Gott, aber auch kein ande­rer Mensch – ein neu­es Tier viel­leicht, eine in ande­rer Wei­se leben­de Seele …

Daß Zukunfts­hoff­nun­gen denk­bar sind, die weder die Wie­der­her­stel­lung des „alten Nor­mal“ her­bei­seh­nen, noch die Illu­si­on einer „bür­ger­li­chen Revo­lu­ti­on“ (Mar­kus Krall) hegen, noch (Agam­bens Kern­ge­dan­ke!) sich dem trans­hu­ma­nis­ti­schen Grau­en vor­aus­ei­lend anbe­que­men, ist ein Motiv, das nun aber wirk­lich Com­pact spren­gen wür­de und von daher einen ande­ren Platz bekom­men muß.

Ich bin bereits mit­ten­drin, die Mensch­heits­ent­wick­lung (christ­lich geht es nur ober­halb eines Agam­ben­schen „neu­en Tie­res“) hoff­nungs­voll weiterzudenken.

Rudolf Brand­ner kommt von Kant und Hegel her. Aus sei­nen Tex­ten gewinnt man Schritt für Schritt Argu­men­ta­ti­ons­stoff dafür, daß die „Coro­na-Dik­ta­tur“, wider­sprüch­lich bis zum Zer­plat­zen, para­do­xer­wei­se doch funk­tio­niert. Panik-Moral statt Wis­sen­schaft ist ein sol­ches Argu­ment: Digi­tal model­lier­te und medi­al ver­brei­te­te Mut­ma­ßun­gen erset­zen die bekann­te alt­eu­ro­päi­sche Rationalität.

Ein wei­te­res Argu­ment: Das Abwehr­recht des Indi­vi­du­ums gegen den Staat wird umge­deu­tet in ein neu­es Schutz­recht des Staa­tes im Namen der Volks­ge­sund­heit. Am Bei­spiel des Wider­stands­rechts führt Brand­ner dann vor, daß die­ses sich auf einen Adres­sa­ten ver­läßt, welch­sel­bi­ger im Fal­le des Wider­stands­fal­les jedoch kei­nes­wegs bereit ist, dem Bür­ger die­ses Recht über­haupt einzuräumen:

Denn gera­de dann, wenn die­ser Fall vor­herrsch­te, kann ein sol­cher Rechts­an­spruch nicht mehr gewähr­leis­tet wer­den, da die gan­ze Staats­ge­walt in den Hän­den derer liegt, gegen die er geführt wer­den müßte.

Brand­ners Kri­tik­fo­lie ist der bür­ger­li­che Rechts­staat, der auf dem mün­di­gen Indi­vi­du­um und der demo­kra­ti­schen Gewal­ten­tei­lung beruht. „Es ist nicht ersicht­lich, wie der Staat ein Ein­griffs­recht in die Frei­heit legi­ti­mie­ren könn­te“, schreibt er an einer Stelle.

Mein Ein­wand lau­tet: der Staat ist längst dar­über hin­weg, Legi­ti­mie­rung nötig zu haben. Mit Agamben/Schmitt gespro­chen: er hat die Stu­fe von der kom­mis­sa­ri­schen zur sou­ve­rä­nen Dik­ta­tur bereits genom­men. Wer jetzt phi­lo­so­phisch erklärt, wie­so das alles aber „über­haupt nicht mehr demo­kra­tisch“ ist, legt mit Kant eine „regu­la­ti­ve Idee“ als Maß­stab an die Wirk­lich­keit der Zuschauerdemokratie.

Wenn am Schluß die­ser “Compact”-Nummer das „Infek­ti­ons­schutz­ge­setz“ mit roten Rand­be­mer­kun­gen ver­se­hen abge­druckt ist, sind wir wie­der in bekann­ten Fahr­was­sern. Doch pfif­fi­ger kann man so einen Text nicht aus­ein­an­der­neh­men: dane­ben­krit­zeln, was eigent­lich gemeint ist mit die­sem „Schutz“, den wir zu „dul­den“ (§25, Absatz 1) haben.

Die übers Heft ver­streu­ten Zitat­käst­chen stö­ren den Lese­fluß eher, zumal die zu Wort kom­men­den Poli­ti­ker oder klu­gen Köp­fe weder zu den Bezugs­au­to­ren der jewei­li­gen Bei­trä­ge zäh­len (geht es um Hob­bes, fin­den wir z.B. Hel­mut Schmidt, Tho­mas Mün­zer oder Sophie Scholl) noch daß man­che Frei­heits­phra­sen kon­text­frei trag­fä­hig sind (so z.B. die von Rosa Luxem­burg oder Geor­ges Danton).

Die Gra­phik (mit einem Fil­ter ver­frem­de­te Pho­tos) taucht das Heft in ein zeit­lo­ses Licht, was dem Gegen­stand alles Rei­ße­ri­sche nimmt. Nur die Gesich­ter der Her­ren Agam­ben und Brand­ner erschei­nen der­art ver­zerrt, daß man Angst vor ihnen bekom­men könn­te, zumal Spahn und Lau­ter­bach iro­ni­scher­wei­se trotz glei­cher Bild­be­ar­bei­tung fast hübsch anmuten.

Den Lesern der Sezes­si­on sei hier­mit aus­drück­lich das Com­pact-Aktu­ell-Heft ans Herz gelegt. Es ist nicht nur ein Zeit­do­ku­ment, son­dern ver­sam­melt bit­ter nöti­ge Denkan­re­gun­gen. Die kön­nen wir der­zeit brau­chen, auch wenn’s uns bis­wei­len beim Drü­ber­nach­den­ken den Hals zuschnürt.

– –

Das Com­pact-Aktu­ell-Heft zur “Coro­na-Dik­ta­tur” kann hier bestellt wer­den, wir lie­fern sofort.

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

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Kommentare (42)

Maiordomus

29. März 2021 17:58

Diese Leute, um die sich die Debatte dreht, werden samt und sonders massiv überschätzt, gehörten wohl sicher nicht zu den 10 000 wichtigsten Repräsentanten europäischer Ethik, die Medizinethik nicht zu vergessen. 

Der_Juergen

29. März 2021 18:53

Ich lese Compact seit mehreren Jahren und halte es für eine hervorragende Zeitschrift. Über Details wie die alberne Betitelung von Söder als "Södolf" oder darüber, dass die Merkel gelegentlich mit einem Hitlerschnäuzchen darsgestellt wird, ärgere ich mich natürlich, weil sie unnötige Verbeugungen vor dem Gesslerhut darstellen, aber sie fallen im Vergleich zu den enormen Verdiensten Elsässers und seiner Mitarbeiter nicht ins Gewicht.  Dass ich in der gestern erhaltenen Compact-Ausgabe einen gemeinsamen Beitrag von Sommerfeld und Elsässer las, hat mich geradezu entzückt.

Sloterdijk, den ein sehr gebildeter, in letzter Zeit leider verstummter Kommentator dieses Blogs als überragendsten Denker der Gegenwart zu preisen pflegte, wird stark überschätzt. Mit seinem Wunsch nach einem Bundeskanzler Spahn hat er sich eine Bankrotterklärung ausgestellt; fortan wird man nicht verpflichtet sein, irgendetwas,was er noch von sich gibt, ernst zu nehmen. Ich gebe zu, dass ich nur eines seiner Bücher gelesen habe (Die schrecklichen Kinder der Neuzeit); es ist gut, aber nicht so gut, dass man vor Ehrfurcht erstarren würde und den brennenden Wunsch verspürte, gleich zum nächsten Werk dieses Autors zu greifen. - Dass Judith Butler hier überhaupt einer Erwähnung für würdig befunden wird, wundert mich ungemein. 

 

Ruewald

29. März 2021 19:48

Hervorragend!

Danke für die Empfehlung; überraschend hier das hohe Niveau von Compact.

Außer dem Staatsversagen

["Nur das Staatstheater kann es sich leisten, untauglichen Leuten Hauptrollen zu geben"   (Karlheinz Deschner)]

versagt auch ein Großteil der intellektuellen "Elite", beim Corona- wie auch beim Klima-Paradigma (ein allerdings viel komplexeres Gebiet). Philosophie schützt nicht vor Dummheit (Sloterdijk).

Es fehlt oft wissenschaftstheoretisches Basiswissen, um solide Fakten von Scharlatanerie zu unterscheiden, oder der gesunde Menschenverstand, der ausreicht, um Statistiken richtig zu interpretieren.  

Walter van Rossum spricht "Vom Tod der Aufklärung unter Laborbedingungen" (Untertitel zu "Meine Pandemie mit Professor Drosten").

Sehr aufschlußreich die über-politischen Zusammenhänge im (kostenlosen) Ebuch von Michel Chossudovsky (Prof. f. polit. Ökonomie, bekannt sein Werk "The Globalization of Poverty", Herausgeber der Website GlobalResearch.ca):

"The 2020 Worldwide Corona Crisis: Destroying Civil Society, Engineered Economic Depression, Global Coup d’État and the “Great Reset”."
The Worst Crisis in Modern History.

Lotta Vorbeck

29. März 2021 21:41

Great Reset - Die teuflischen Pläne der globalen Eliten

COMPACT Magazin für Souveränität, April 2021

Seiten 36, 37, 38:

 

"Das All war deutsch"

... Die Büste des Kosmonauten vor dem Planetarium im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg ist schon lange verschwunden. Auch das wiedererrichtete Planetarium Halle an der Saale wird den Namen Jähns nicht erneut tragen. So beschloß es im Februar der Stadtrat – ein Grünen-Antrag, der mit 28 gegen 18 Stimmen (vor allem aus der SPD und der Linken) angenommen wurde.

Auch die AfD konnte sich nicht für den ersten Deutschen im All begeistern. Jähn, so die Kritik, habe nun mal der DDR gedient. Das mag sein, räumte Konrad Stahl schon 2019 ein. Doch «den Flug ins All hat er nicht mit einem Parteiabzeichen gemacht,
sondern er hat eine Leistung vollbracht. Diese Leistung sollte man würdigen.»

Lotta Vorbeck

29. März 2021 22:00

Die mit dem allzu gut bekannten Haifischlächeln das Grundgesetz auf das sie eigentlich vereidigt sind aushebelnden Protagonisten eines jedes Maß vermissen lassenden, übergriffig gewordenen Staatsgebildes, die sonst nicht müde werden, die Existenz eines Staatsvolkes in Abrede zu stellen, phantasieren nun im Machtdelirium von "Volksgesundheit".

Geht's noch kafkaesker?

Gracchus

29. März 2021 22:31

Na, was Frau Sommerfeld empfiehlt, ist mir Befehl. Ich werde mir das Heftchen mal zu Gemüte führen. Aber nicht wegen der drei Herren, deren Beiträge ich ja kenne. Bisher erschien mir compact zu krawallig, aber die Zeiten sind eben krawallig. 

Agamben hielt ich mit seinem "homo sacer"-Projekt für übertrieben, aber das Pandemie-Regime zeigt, dass er damit total ins Schwarze getroffen hat. 

@imagine

Ich denke, Sie missverstehen Sommerfeld. Gemeint ist m. E. eher, dass der Staat meint, keine Legitimierung zu benötigen. Wer will ihn von diesem Glauben abbringen?

Franz Bettinger

30. März 2021 00:48

Die Gretchenfrage, vor der viele - vor allem viele vom Staat Abhängige (Künstler, Schauspieler; Sloterdijks, Prechts, Hallervordens, aber auch Ausnahmegestalten wie Katharina Witt und Nena) - stehen, lautet: Soll ich mich retten und die Lüge mitmachen  oder sagen, was ich wirklich denke? - Wie im Dritten Reich trennt ein strenger Wind die Spreu vom Weizen. Es ist offenbar nicht Dummheit und nicht genuine Bosheit; es ist eine Charakterfrage, wie man sich in einem Unrechtsstaat verhält. - Warum sollten Philosophen mehr Charakter haben als Schauspieler?

Franz Bettinger

30. März 2021 01:07

"Der Staat ist längst darüber hinweg, Legitimierung nötig zu haben." - Muss sich der Schäfer oder Papst gegenüber seinen Schafen legitimieren? Der König gegenüber den Untertanen? Nein, denn er allein hat die Macht. Soweit sind wir verkommen. Auch eine sogenannte Demokratie (ja, sogar die direkte in der Schweiz) hat uns nicht vor dem Rückfall in die Diktatur bewahrt. 

heinrichbrueck

30. März 2021 02:57

Das Wörtchen Ideologiekritik. Aus welcher Perspektive denn möglich; wenn die Ideologie eigentlich abgelehnt wird? Unpolitisches Vorspiel?

„Wenn das Haus brennt“ - eine merkwürdige Gruppenstrategie. Die Feuerwehr kennt keine Menschheit. Der Philosoph ist immer noch Demokrat? Obwohl Corona die Illusionen niederbrennt?

@ Der_Juergen

Sloterdijk ist immerhin sprachgewandt. Philosophie als sprachliche Inspirationsquelle, die verstellten Unsichtbarkeiten finden zu helfen. Die verborgene Politik, dagegen auch Philosophen machtlos an ihre Grenzen stoßen können. Was nicht funktioniert, die Ideologie der Ideologielosigkeit und Ideologiefeindschaft, dürfte Sloterdijk schon erkennen. Der weiße Mann bleibt Humanist, die Feuerwehr wartet. Das nihilistische Haus brennt ab.

Gustav Grambauer

30. März 2021 09:24

Lotta Vorbeck

"Das All war deutsch."

"Das All war sächsisch!"

- G. G.

Gustav Grambauer

30. März 2021 09:24

Peter Sloterdijk: "Du mußt dein Leben ändern!"

Gustav Grambauer: "Gar nichts muß ich!"

Kurz und deutlich.

- G. G.

RMH

30. März 2021 10:28

Das Heftlein vom Auf-Welle-Macher Elsässer werde ich mir nicht kaufen, auch wenn es als intellektuelle Ausnahmeausgabe gefeiert wird. Man muss seine Lesekapazitäten rational einsetzen.

Sloterdijk hat vor fast 40 Jahren die Ursünde wider den heiligen Elfenbeinturm-Geist der akademischen Philosophie begangen, in dem er mit Kritik der zynischen Vernunft doch glatt einen Bestseller abgeliefert hat. Das sich kaum einer der Käufer durch die 2 Bände geackert hat, schmälert den damaligen Affront gegen die poststrukturalistischen, semiotisch- diskursanalytisch-sprachphilosphischen Turboschwurbler nicht. Auch wenn kaum wer Werke von S.  zu Ende gelesen haben mag, eines waren seine Bücher nie, unlesbar, im Gegenteil.

Und er war für rechte eigentlich eine Art Türöffner und dafür tut er nun Buße. Also bitte etwas Milde ...

Lotta Vorbeck

30. März 2021 10:47

@Gustav Grambauer - 30. März 2021 - 09:24 AM

"Das All war sächsisch!"

---

Claro!

"Das All war deutsch" ist die vom COMPACT-Magazin gewählte Überschrift.

Imagine

30. März 2021 11:01

@Franz Bettinger   30. März 2021 01:07
„Muss sich der Schäfer oder Papst gegenüber seinen Schafen legitimieren? Der König gegenüber den Untertanen?“

So ist es.

Nur freiheitliche Menschen zwingen den Staat zur Legitimation seines Handelns.

Daraus kann man einen Untertanen-Test machen. Wer meint, der Staat müsse sich nicht mehr legitimieren, erweist sich als Untertan.
 

Kommentar Sommerfeld: Und was ist mit jenen freiheitlichen Menschen, die dem Staat bereits soweit "abhandengekommen" sind, daß sie seine Pseudo-Legitimationen nicht akzeptieren und darüber hinaus das liberalistische Basisaxiom der Legitimationsbedürftigkeit des Staates gegenüber dem Bürger infragestellen? Es kann also zwei Gründe geben zu glauben, der Staat müsse sich nimmer legitimieren: a.) man folgt dem "ideologischen Staatsapparat" (Althusser) blind, dann ist man Untertan, oder b.) man steht vor diesem Apparat, guckt ihn schräg von unten herauf an, und erkennt: das da verhöhnt und verspottet den freiheitlichen Menschen in mir. Der bürgerliche Sprechakt der "Legitimation" ist damit obsolet. In einem idealen Sprechakt wäre "Der Staat legitimiert sich vor mir und ich akzeptiere seine Rechtfertigung" gut und richtig, aber die ist nicht gegeben.

MARCEL

30. März 2021 11:07

Laut dem Gulag-Chronisten Varlam Shalamov (1907-1982) ist Kälte das zersetzendste Element für Körper und Seele. Zukünftige "Gulag-Systeme" im Zuge von Corona und Co. werden mit sozialer und psychologischer Kälte operieren. Herkömmliche Lager (allenfalls noch wie in Dish's Roman Camp Concentration) braucht es da wohl nicht mehr - man wird, gleich einem Reaktor einfach "abgeschaltet" - welch ein "Fortschritt"...

Es lohnt sich, Shalamovs 45 Lehrsätze zu verinnerlichen, die er im Gulag lernen musste. Gehegte Illusionen über die eigene Widerstandsfähigkeit zerplatzen schnell, vielleicht auch gut so. Erkenne Dich selbst!

(Seite im Netz auf englisch)

https://www.theparisreview.org/blog/2018/06/12/forty-five-things-i-learned-in-the-gulag/

Gotlandfahrer

30. März 2021 11:18

Zuviel hohes Denken hilft nicht. Was längst bekannt ist lautet:

  • Deutschland stand seit 45 unter Fremdherrschaft, um es unten zu halten
  • Machtkämpfe daher alle unter regelnder Aufsicht
  • Wettbewerb und Vorbildsendung zunehmend auf zulässiges Extrem „Volksschädigung“ (Schwäche, Befreiung, Gleichheit) gemorpht
  • Fremdpflege der deutschen „Selbstzüchtigungsleistung“ mit Rückschlagwirkung auf innere Rechtfertigungserzählung des Hegemonen, dadurch Kontaminierung des „westlichen Systems“
  • Schubwirkung auf das nachwachsende Bewusstsein durch gedächtnislöschende Kohortenreproduktion, Abstraktifizierung der Lern-, Arbeits- und Erlebenswelt, Always-on Basisversorgung bei gleichzeitiger Dissonanzbewältigungsbedürfnisbefriedigung (DBBB) mittels Sühnekonzepten (Klima, Plastik, Fleisch, Auto, Hinternkneifen usw.)
  • Kippen aller Angelegenheiten in kultische Hinterfragungsverbote
  • Maskierung und Angsthetzerei nun als letzte nicht-kinetische Drehung der Spirale – nach ganz fest kommt ganz lose

Dass sich in so einem historischen Fällungsprozess die Brotsänger in die in ihrer Weisheitssackgasse Angekommenen wie Sloterdijk und wenige klare Kristalle scheidet, ist nicht überraschend. Und? Brauchen wir nun weitere Denkanregungen? Denken wir nicht immer nur weiter darüber nach, was mit uns gemacht wird?  Wie wir andere dazu bringen könnten, so zu denken wie wir? Stürzt so das Kalb?

Laurenz

30. März 2021 11:29

@RMH

Ihr Beitrag ist gut in meinen Augen. Es werden laut Schätzungen nur 10% der gekauften Bücher gelesen. Lesen ist Grundbedürfnis wie Luxus zugleich. Und ob Sloterdijk nun gelesen wird oder nicht, bleibt für mich unerheblich, man muß nicht jeden Hinz & Kunz kennen. Ich kennen ein wenig Precht, ein bißchen Indset & ein mehr-bißchen Sommerfeld, aber weniger vom Bücher lesen, mehr von Artikeln oder Videos. Auch über die klassischen Philosophen bis Heidegger und Fichte las ich ein zusammenfassendes Werk, das reicht. Natürlich findet man dann seine Lebenshelfer, bei mir war es Castaneda, dessen gesamte Werke ich las, der gilt aber nicht als Philosoph, wobei Er Philosoph im Komparativ war. Er setzte angeblich um, was er schrieb, und ist damit den meisten Philosophen überlegen. Sloterdijks "Kritik der zynischen Vernunft" wurde 150k mal verkauft & ist in Deutschland das best verkaufte philosophische Werk nach dem Kriege. Mit Verlaub, das hiesige Verständnis der Philosophie ist lächerlich in seiner Wirkung. Castaneda verkaufte viele Mio. seiner Bücher.

Laurenz

30. März 2021 13:10

@Gotlandfahrer

"Machtkämpfe daher alle unter regelnder Aufsicht"

Nein. 

Unserer Besatzungsmacht ist es egal, wer Wahlen gewinnt. Der Gewinner muß antreten & wird instruiert.

Es existieren mehrere Videos, in denen Steineschmeißer & Außenminister a.D. Josef Fischer der in den USA an die Macht gekommenen Bush-Administration erklären muß, daß man einen Irak-Einsatz der Bundeswehr in Deutschland nicht verkaufen kann.

Der Gehenkte

30. März 2021 13:42

@ Der_Juergen

Sie werden doch nicht im Ernst ein dreißig Jahre währendes, aus 20 umfänglichen Büchern bestehendes - die zahlreichen kleineren Arbeiten nicht durchgezählt -, circa 1,50 Meter langes - wovon Sie gerade mal dreieinhalb Zentimeter kennen -, alle Bereiche der Philosophie umfassendes und noch nicht mal beendetes Werk  ... an einem einzigen tagesaktuellen Satz, gesprochen für ein Boulevardblatt, messen wollen?, zumal man diesem Satz ad hoc ein Dutzend hochkarätige Schlagworte entgegenhalten kann (Thymus, wohltemperierte Grausamkeit, Vertikalspannung, keine moralische Pflicht zur Selbstzerstörung etc.), die dem politischen und philosophischen Gegner schwer im Magen liegen.

@ Gustav Grambauer

Hätten Sie "Du mußt dein Leben ändern" zur Kenntnis genommen, dann wäre Ihnen dieser flapsige und ein bißchen peinliche Spruch nicht passiert. Es geht darin um das Üben, in Hinblick auf die Vertikalspannung, als anthropologische Grundkonstante - ein durch und durch konservativer Gedanke.

@ die anderen

Es ist natürlich immer wohlfeil, einen Autoren daran zu messen, ob er meiner Meinung ist. Wozu dann überhaupt noch lesen?

 

Gotlandfahrer

30. März 2021 14:28

@Laurenz:

"Nein.

Unserer Besatzungsmacht ist es egal, wer Wahlen gewinnt. Der Gewinner muß antreten & wird instruiert."

Unwesentliche Unterscheidung. Es tritt ja niemand an, der dies nicht wüsste. Das Begleitorchester ist eh im Bilde. Daher das Gleiche in: Grün.

Imagine

30. März 2021 15:32

@Kommentar Sommerfeld:
„oder b.) man steht vor diesem Apparat, guckt ihn schräg von unten herauf an, und erkennt: das da verhöhnt und verspottet den freiheitlichen Menschen in mir.“

Wer guckt von schräg unten herauf?

Es sind die Ohnmächtigen, die objektiv Unfreien.

Jene die, die politisch nichts bewirken können oder wollen. Das Sammelsurium proletarisch-kleinbürgerlichen Existenzen.

Die Unfreien machen - soweit es ihnen gestatte ist – symbolische Aktionen, wie diese Untertanen-Demos, welche nichts bewirken. Aber es gibt den Untertanen subjektiv das Gefühl, Opposition gezeigt zu haben.

Aber echte Gegenmacht können und wollen sie damit nicht erzeugen. Dazu sind ihr politischer Wille, ihr Mut und ihre gesellschaftliche Wirkmacht viel zu schwach.

So ist das Ganze ist nur eine Psycho-Nummer.

Man muss also fragen, wer über Willen, Mut und Macht verfügt, das Handeln der Polit-Marionetten in eine Legitimationskrise zu bringen?

Gegen die Demonstranten kann man einfach Polizei einsetzen.

Aber wie sieht z.B. beim Corona-Ausschuss aus?

Kommentar Sommerfeld: Ich will keine "Macht erzeugen", auch keine "echte Gegenmacht". Der Corona-Ausschuß will die BRD via staatliche Institutionen (RKI, Charité) vor einem amerikanischen Gericht verklagen. Wird (was äußerst unwahrscheinlich ist) die Klage angenommen und ihr stattgegeben, wäre der Staat pleite und nicht etwa jeder einzelne Bürger rehabilitiert. Who pays the bill?

anatol broder

30. März 2021 16:08

welche welten scheiden sezession und compact vonein­ander? ich versuche nun, diese frage mit hilfe des willens zu beantworten. folgende zusammen­hänge zwischen welt und wille sind denkbar:

(1) die welt ist mein wille.

(2) die welt ist sein wille.

(3) die welt ist unser wille.

(4) die welt ist deren wille.

(5) die welt ist willenlos.

wie ist die welt von caroline sommer­feld? obwohl ich ihr meistens nur schwer folgen kann, glaube ich, den schlüssel im ausge­stellten einleitungs­satz zu erkennen:

«wenn sich der strick um unsere gurgeln zuzieht, rückt man näher zusammen.»

einerseits verdünnt sommerfeld unsere mit man, was die eigene hoheit aus­schliesst. anderer­seits führt sie den strick als subjekt ein. daraus schliesse ich, dass für sommer­feld die variante (2) gültig ist. wenn sie später vom «zeit­losen licht» spricht, fühle ich mich bestätigt.

mit ähnlichen überlegungen stufe ich sezession bei der achse (1) und (2) ein (ich oder gott), während compact bei (3) und (4) landet (wir oder die).

in der besprochenen ausgabe rücken offenbar (2) und (4) bzw (1) und (3) zusammen, was dem stammleser von compact als zurückhaltend erscheinen müsste.

Gustav Grambauer

30. März 2021 18:51

Der Gehenkte

"Es geht darin um das Üben, in Hinblick auf die Vertikalspannung, als anthropologische Grundkonstante - ein durch und durch konservativer Gedanke."

Münkler hat Sloterdijks Problem im damaligen streitgegenständlichen Bezugsrahmen nur vage andeuten können. Es ist ein sehr tiefes: der völlige Mangel an Erdung (worauf S. nichts mehr zu erwidern hatte, da ihm in der Hinsicht jede Substanz fehlt).

S. ist eine freischwebende Philosophiermaschine; ein Channel im Luftelement, der unentwegt irgendwelche originellen oder pseudo-originellen Thesen in einem Crossover-Stil, der allein schon (für einen Puristen wie mich) unertragbar ist, ausspuckt. Sehen Sie nicht die Oberflächlichkeit?

Mich interessieren jene, die ihre Botschaften innerlich durchgearbeitet haben, ihre Erkenntnisse in inneren Prozessen erringen, mit jeder Faser sozusagen in die Hölle der Erkenntnis hinabsteigen und erst von dort aus in den Himmel herauffahren.

Ohne dies kann einer noch so viel von "Vertikalspannung" schwadronieren, es ist dann wertloser Theoriemüll. Wenn mir ein, sagen wir, Bonhoeffer, etwas von Vertikalspannung vermitteln wollte, dann nähme ich das gern auf.

Aber nicht bei einem Luftikus wie S.

Die Positionierung zu S. ist insofern vorrangig ein moralischer Test, gerade für sein Zielpublikum, den theorienvernarrten BRD-Bildungscuck. Und jetzt schleudert er dieses nach immer neuen S.-Faszinationen gierende Cuck-Publikum mit der Spahn-Luftnummer durch die Manegenluft ...

- G. G.

Imagine

30. März 2021 19:09

Kommentar Sommerfeld:
„Ich will keine "Macht erzeugen", auch keine "echte Gegenmacht".“

Muss man auch nicht. Man kann die Macht anderen überlassen und sich fremdbestimmen lassen.
Um an der Gestaltung der Gesellschaft aktiv mitwirken zu können, braucht man jedoch Macht. Aber die Massen wollen dies gar nicht.

„Der Corona-Ausschuß will die BRD via staatliche Institutionen (RKI, Charité) vor einem amerikanischen Gericht verklagen. Wird (was äußerst unwahrscheinlich ist) die Klage angenommen und ihr stattgegeben, wäre der Staat pleite und nicht etwa jeder einzelne Bürger rehabilitiert. Who pays the bill?“

1. Der Staat wäre nicht pleite. Das Vermögen derer, die für ihr rechtswidriges Verhalten in Regress genommen werden können, würde mehr als ausreichen.
2. Auf Recht und Freiheit verzichten, damit der Staat nicht pleitegeht?

All dies kennzeichnet einen Untertan und nicht einen freiheitlichen bürgerlichen Menschen.

Kommentar Sommerfeld ad Freiheit: Nein, keinen Untertanen, sondern einen Christen.
Und ad Coronaauschuß: Das sind Staatsunternehmen, die Herren haften doch nicht privat. Und der pleitegegangene Staat ist somit Schuldner der EZB bzw. der Weltbank. Aber dies führt jetzt zu weit, um es hier fachgerecht zu erörtern.

Eo

31. März 2021 00:03

@ Der_Juergen 29. März 2021 18:53

Genau. Hochinteressante Thematik.
Aber gerade zum Schluß, wo's spannend wird, weil dann so etwas wie ein Ausblick ansteht,  fällt der Epilog doch äußerst, wenn nicht gar erschreckend dünn aus.

Aus diesem Grund
habe ich dem guten, alten Slo auch mal eine Karte geschickt, mit der Frage versehen, ob eine Gesellschaft zwangsläufig instabil werden muß,  wenn der Bastardfaktor einen gewissen Schwellenwert übersteigt.

Leider keine Antwort
gekriegt. Dabei hatte ich extra eine Kunstpostkarte mit eim schön-schröcklichen Bild von Edward Burne-Jones ausgewählt, das ich insgeheim für ein Schlüsselbild ansehe; nicht zuletzt das aktuelle welthistorische Drama betreffend, nämlich: 'Die Erfüllung des Schicksals'.

 

 

Franz Bettinger

31. März 2021 01:52

@Marcel: Danke für den überaus lehrreichen Hinweis auf den Gulag-Chronisten V. Shalamov und seine Lehren. Besonders wichtig schien mir No. 30 der Lehren: "The world should be divided not into good and bad people but into cowards and non-cowards. 95% of cowards are capable of the vilest things, lethal things, at the mildest threat.“  Genau! Das ist das, was ich Charakter nannte, aber Feigling ist besser, weil genauer. Wenn es daraus eine Lehre gibt, dann die, dass Macht immer aus den Gewehrläufen kommt. Oder moderner: dass Macht besitzt, wer Gewalt ausüben kann; dazu zählt auch die Kälte per Propaganda und Entfremdung.  

Franz Bettinger

31. März 2021 01:59

Weil ich es für so augenöffnend halte gebe ich Shalamov’s 45 Lehren hier gekürzt und verfranzelt wieder. (@Redaktion: Es macht nur Sinn, wenn es in einem Stück veröffentlicht wird; ansonsten besser löschen.)
For 15 years the writer Varlam Shalamov was imprisoned in a Russian Gulag. He endured 6 of those years enslaved in the gold mines of Kolyma, one of the coldest, most hostile places on earth. What he learned: 

1. The extreme fragility of human culture. A man becomes a beast in 3 weeks, given heavy labor, cold, hunger, beatings.

2. The main means for depraving the soul is the cold. In central Asian camps people held out longer, for it was warmer there.

3. Friendships never arise in life-threatening conditions. They arise in bearable conditions (hospitals...).

4. The feeling a man preserves longest is anger. 

5. Stalin’s victories were due to his killing the innocent; an organization a tenth the size would have swept Stalin away in 2 days.  (??  FB: I do not understand the meaning of this) 

6. Humans were were physically stronger than animals: no horse can survive work in the Far North.

 

Franz Bettinger

31. März 2021 02:06

7. The only people, able to preserve a minimum of humanity in conditions of starvation and abuse, were religious people.

8. Party workers and the military are the first to fall apart.

9. I saw what a weighty argument - for the intellectual - is the most ordinary slap in the face.

10. Ordinary people distinguish their bosses by how hard they hit them.

11. Beatings are almost totally effective as an argument.

12. I discovered from experts the truth about how mysterious show trials are set up. 

15. One can live on anger.  (FB: not on pride and dignity?) 

16. One can live on indifference.

17. One cannot live on hope - there is no hope. You live by instinct on the same basis as a tree, a stone, an animal.

18. I am proud to have decided at the beginning that I would never be a foreman if this could lead to another man's death, or had to serve the bosses by oppressing other people.

19. Both my physical and my spiritual strength turned out to be stronger than I thought in this great test. I am proud that I never sold anyone, sent anyone to their death or to another sentence, and never denounced anyone.  

22. Women are more decent and self-sacrificing than men: in Kolyma there were no cases of a husband following his wife into the gulag. But wives would come, many of them.
 

Franz Bettinger

31. März 2021 02:18

24. I saw “the first Rockefellers,” underworld millionaires. I heard their confessions.  (??) 

26. I realized that you can achieve much (time in hospital) but only by risking your life, taking beatings… 

28. The passion for power (to be able to kill at will) is great - from top bosses to the guards.

30. The world should be divided not into good and bad people but into cowards and non-cowards. 95% of the cowards are capable of the vilest lethal things, at the mildest threat. (!)

34. The best period of my life were the months I spent in a prison cell, where I managed to strengthen the spirit of the weak, and where everyone spoke freely.

39. In my life women have not played a major part: the camp is the reason.  ?? 

40. Knowing people is useless, for I am unable to change my attitude toward any scoundrel. (FB: even if I understand why they are scoundrels.)

41. The people whom everyone hates are the last in the ranks, those who lag behind, who are sick, weak, those who can’t run when the temperature is low.   ??!!  (FB: because of the burden or the compassion, they ask for?) 

44. Moving from the condition of a prisoner to that of a free man is very difficult.

45. A writer has to be a foreigner in the questions he deals with, and if he knows his material well, he will write in such a way that nobody will understand him.  (FB: sehr seltsam) 

Der_Juergen

31. März 2021 09:09

@Der Gehenkte

Selbstverständlich macht das, was Sloterdijk heute an Schwachsinnigem zu Covid von sich gibt, seine Bücher nicht schlechter, so wie die Tatsache, dass Nietzsche wahnsinnig wurde, den Wert seiner Werke in keiner Weise schmälert. Doch wer Spahn zum Bundeskanzler möchte, hat jeden Anspruch, politische Alternativen zum heutigen System zu vertreten, verspielt. (Es sei denn, Sloterdijk habe gescherzt, was seine sonstigen Auslassungen zur "Pandemie" jedoch nicht vermuten lassen.)

Ein - Sloterdijk intellektuell natürlich hoffnungslos unterlegener - Mann der äussersten Linken, Günter Wallraff, hat übrigens seinen "widerwilligen Respekt" vor Söder bekundet. Eigentlich logisch, denn Söder will ja dasselbe wie die Linksradikalen, nämlich den totalen Verbots- und Überwachungsstaat. Und sie will dem Menschen das nehmen, was ihm Geborgenheit und Wärme schenkt. (Wallraff ist dafür, das Händeschütteln auch nach Corona nicht wieder einzuführen.)

Imagine

31. März 2021 10:11

@Sommerfeld

ad Freiheit: Nein, keinen Untertanen, sondern einen Christen“

Leuchtet mir nicht ein, warum dies christlich sein soll.

Insgesamt sehe ich wenig Kampfbereitschaft und –willen bei den nationalen Rechten, sondern eher Resignation, Rückzug und Fatalismus, allerdings gibt es Ausnahmen..

Höcke gab im Interview als ein Ziel des Solidarischen Patriotismus an, dass niemand der sein Leben lang gearbeitet hat, Altersarmut befürchten muss.

Das soll ein Ziel sein? Für das es zu kämpfen lohnt?

Im 21.Jahrhundert in einer Hightech-Überflussgesellschaft malochen und am Ende froh sein, wenn man nicht in Altersarmut landet?

Auch diese Angst, dass der Staat pleitegeht, wenn man ernst mit dem Kampf gegen die Corona-Diktatur und für individuelle Freiheit macht.

Worauf basiert diese Angst? Auf der Angst vor dem Verlust der Beamtenpension oder dem Kollaps des Sozialstaats?

Mir kommt das Ganze extrem spießig vor, so wie Kleinbürger, die ängstlich Konflikte vermeiden.

Die AfD-Szene erlebe ich als spießig, darin sind sich Meuthen und Höcke sehr ähnlich. Da gibt es wenig Mut zur Wahrheit und Konfliktbereitschaft beim Thema Corona

Gracchus

31. März 2021 12:11

@Sloterdijk: Von Zeit zu Zeit les ich den Altern gern. Zu Anfang der Pandemie hat er sich noch kritisch zum Pandemie-Regie geäußert. Das ist mir aber egal. Aber @Grambauers Kritik trifft einen wahren Kern:

"Mich interessieren jene, die ihre Botschaften innerlich durchgearbeitet haben, ihre Erkenntnisse in inneren Prozessen erringen, mit jeder Faser sozusagen in die Hölle der Erkenntnis hinabsteigen und erst von dort aus in den Himmel herauffahren."

Den Verdacht, das dies bei Sloterdijk nicht der Fall ist, hatte ich auch schon. Für eine pointierte Formulierung scheint Sloterdijk gerne eine Erkenntnis zu opfern. "Du sollst dein Leben ändern" war für mich auch trotz brillanter Einzelanalysen enttäuschend. Warum? Am Ende kann Sloterdijk keinen Zugang zur Transzendenz eröffnen. Es gibt für ihn keine echte Transzendenz. 

Wer sich kritisch äußert, ist auch der Philosoph Jochen Kirchhoff. 

Auch lohnt sich Ivan Illich wiederzulesen. 

Gracchus

31. März 2021 12:15

@imagine @Somnerfeld 

Ich verstehe nicht, worauf @Sommerfeld hinaus will. @imagine: Es ist doch nicht falsch, sich die eigene politische Ohnmacht einzugestehen. Das ist nicht kleinbürgerlich. Dabei muss man ja nicht stehen bleiben. 

Kommentar Sommerfeld: Worauf ich überhaupt und grundsätzlich hinauswill, sprengt diesen Kommentarbereich. Zu diesem Themenkomplex hier konkret nur soviel: es geht um die Frage nach der Macht und der Ohnmacht. Ohnmacht ist nicht bloß ein - politisches - Defizit an Macht, das schnell wieder aufgefüllt werden muß (durch "Ergreifung", Revolution, politische Mehrheit, Geostrategien, was auch immer), sondern eine - individuelle - Existenzkrise. Wenn man die durchlebt, siehe G.G. zu Sloterdijk et.al., ist man eben kein "Untertan" mehr.

Laurenz

31. März 2021 13:27

@alle Sloterdijk/Spahn-Kritiker

Spahn wird hier ohne jegliche Argumentation kritisiert, & somit auch Sloterdijk. Das ist uns unwürdig.

Wenn Sie den Villa-Kauf kritisieren wollen, dann hinterfragen Sie diesen. Wenn Sie die Privatisierung von Krankenhäusern meinen, benennen Sie dieses. Wenn Sie die politische Haltung Spahns kritisieren, werden Sie deutlich.

Aber wenn Sie Seine Handlungsweise beim Masken-Einkauf meinen, ist das genauso, typisch deutsch, kleingeistig dämlich, wie bei der Linken auch.

Spahn hatte beim schnellen Einkauf von Masken, wie Helmut Schmidt beim Hamburger Hochwasser, einfach gemacht & ob sein Lebensgefährte bei solch einer Firma arbeitet oder nicht, spielt keine Rolle. Wenn man etwas schnell haben möchte, wird es sofort teuer. Hätte Spahn, gemäß EU-Richtlinien, den Maskenkauf europaweit ausgeschrieben, hätten wir heute noch keine Masken.

Und in diesem Zusammenhang spielt es überhaupt keine Rolle, daß ich der Meinung bin, daß wir überhaupt keine Masken gebraucht hätten.

Laurenz

31. März 2021 13:43

@Franz Bettinger

Es wäre günstiger, Du findest eine russisch-deutsche Übersetzung von Schalamows Lehren. Englisch ist als historische Proleten-Sprache einfach nicht exakt genug.

Und so einzigartig sind die 17 Jahre Sibirien Schalamows gar nicht. Viele befanden sich dort & machten dieselben Erfahrungen, wie zB  Bubi Hartmann, welcher 10 Jahre in dieser Weltregion als Kriegsgefangener verbrachte. Das Ausmaß eines langjährigen Gulag-Aufenthalts wird sofort verständlich, wenn Du Dir Bilder Hartmanns in Uniform mit Ritterkreuz anschaust, und Photos nach Seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft, zB als Geschwader-Kommodore des ersten Jet-Geschwaders der Bundesluftwaffe.

Auch zu diesem Thema paßt die Aussage Imgines gut "Um an der Gestaltung der Gesellschaft aktiv mitwirken zu können, braucht man jedoch Macht. Aber die Massen wollen dies gar nicht."

Gulag-Schicksale werden zwar auch in Rußland wahrgenommen, sind aber in der Volks-Psyche der Russen noch so gegenwärtig & normal, daß sich darüber bis heute kaum einer aufregt. Dort fehlt einfach eine Jahrzehnte andauernde Medien-Kampagne, wie bei unseren deutschen Gulags.

Imagine

31. März 2021 14:17

@Gracchus  31. März 2021 12:15
Es ist doch nicht falsch, sich die eigene politische Ohnmacht einzugestehen. Das ist nicht kleinbürgerlich. Dabei muss man ja nicht stehen bleiben.“

Da stimme ich Ihnen zu. Sich die eigene politische Ohnmacht einzugestehen, dazu braucht es Ich-Stärke, Mut und Ehrlichkeit. Und ist Voraussetzung für echte politische Handlungsfähigkeit, im Gegensatz zum symbolischen Polit-Aktionismus.

Der Kleinbürger verdrängt und verleugnet seine Realität, er idealisiert und identifiziert sich mit den Erfolgreichen. Macht sich wichtig, häufig kleidet er sich mit Fake-Markenklamotten, trägt Fake-Rolex und wähnt, zu den Gewinnern zu gehören.

Und unter den Akademikern aus den Geschwätz-Wissenschaften gibt es jede Menge Pseudo-Intellektuelle, die sich für grandios halten.

Ruewald

31. März 2021 23:16

Ergänzend zu @grambauer, @bettinger, @der_jürgen:

So wie wir in "Grenzsituationen" (Jaspers) uns erst bewähren und zeigen/erfahren, wer wir sind (was in uns steckt) -  zeigen in Krisensituationen Intellektuelle/Philosophen erst ihr "wahres Gesicht" und wieviel wert ihre ganze Philosophie bzw. "Gesellschaftskritik" – statt "in vitro" – "in vivo" ist und taugt und ob sie überhaupt durchblicken und welchen Charakter sie letztlich haben.

Beispiele: Habermas mit seiner "philosophischen" Rechtfertigung des Jugoslawien-Kriegs;
H. M. Enzensberger mit seiner Befürwortung des Kriegs gegen den Irak;
und nun: Sloterdijk mit seiner Einschätzung eines Jens Spahn.  

Hat jemand noch andere Beispiele?

Laurenz

1. April 2021 09:12

@Ruewald

Ergänzend zu @grambauer, @bettinger, @der_jürgen

Es spielt doch eh keine Rolle, ob Habermas, Enzensberger oder Sloterdijk irgendwas schreiben oder nicht. Und die Debatte darum ist verschwendete Lebenszeit, vor allem in Anbetracht dessen, daß diese Philosophen als Rechtfertiger dienen.

heinrichbrueck

1. April 2021 14:52

@ Laurenz

Bisher wurde der Philosoph noch nicht zitiert.

anatol broder

1. April 2021 19:44

der hinweis auf die knappheit des kommentarfeldes (@ gracchus 12:15) passt zum sommerfeldischen grundseufzer: isch kriech ka loft. doch wie wäre es, zur abwechslung einen verständlichen artikel vorzulegen? stattdessen umklammert sommerfeld ihren holprigen bericht mit atemnöten:

«wenn sich der strick um unsere gurgeln zuzieht […] auch wenn’s uns bisweilen beim drübernachdenken den hals zuschnürt.»

diese kleinen ohnmachtsanfälle hier wirken bestenfalls wie die kontextfreien zitatkästchen in der «philosophischsten ausgabe» des krawallblattes. schlimmstenfalls nimmt man sie als eine opferpose wahr. ich bezweifle jedenfalls, dass der leser dadurch ein beklemmendes gefühl bekommt.

links ist wo der daumen rechts ist

2. April 2021 23:43

Vom Verschwinden der Glühwürmchen (Pasolini)

Also wenn man DIE Philosophie glaubt erledigt zu haben, indem man ein paar Feuilleton-Größen anführt und dann patzig von "verschwendeter Lebenszeit" spricht, wobei man den eigenen zeitvernichtenden Geltungsdrang unterschlägt, dann soll das neurechte Saftladen-Projekt meinetwegen gestorben sein.

Adorno, den immerhin auch schon ein paar im Forum zustimmend angeführt haben, sprach im Zusammenhang mit philosophischer Lektüre von der "Arbeit am Begriff"; aber die meisten träumen halt von der reinen, i.e. unechten Unmittelbarkeit.
Sloterdijk selber halte ich in seiner Schreibe für eine Mischung aus Scheler und Klages.

Sein kleiner Text "Luftbeben" aber war einer der philosophischen Schlüsseltexte des beginnenden 21. Jahrhunderts. Darin spricht er von der atmosphärischen Vergiftung (mit Beginn des Gaskriegs im Ersten Weltkrieg), die schließlich alle Bereiche von Technik, Wissenschaft, Kunst und Medien durchdringt. Und wo stehen wir heute? Sein Resultat aus der Einsicht, daß im Verhältnis des Einzelnen zu seiner Umwelt die Formen von Hingabe, Teilhabe und Kommunion nicht mehr möglich sind, ist - für ihn - eine bestimmte Form der Immunologie; die vertrauenerweckende Umwelt ist fraglich geworden. Klingt (formuliert 2002) doch relativ aktuell, oder nicht?

Die oft zitierten "Verhaltenslehren der Kälte" sind dazu das Seitenstück einer  - vornehmen - Selbstimmunisierung.

links ist wo der daumen rechts ist

3. April 2021 13:42

Den Gegenpart zu allen Formen einer vornehmen Selbstimmunisierung (ob proletarisch als Mitläufer oder heroisch am Machtpol) gegen die Zumutungen der Umwelt, i.e. Realität bildet natürlich das hehre Wort vom Widerstand.
Wie das in totalitären Zeiten überhaupt gedacht werden kann, und wie nah dann Gesprächs-Schutzräume, Verrat und überlegene Moral (keine Hypermoral), die zum Tod führt, beieinander liegen, kann man u.a. in HLs "Staatsräten" nachlesen.
Die daraus resultierende "Moral", in diesem Fall Klees Bild der "Zwitschermaschine", gleicht nicht von ungefähr dem Bennschen Geschichtsfatalismus von 1943.
Geschichte bleibt leider unverfügbar.
Und den Wahrheitsgehalt im Schmerzgestammel eines Kriegskrüppel kann man natürlich wie HL in seinen "Verhaltenslehren" getrost ausklammern.
Oder über die Grade eines uneingestandenen, nicht-"artistischen" Märtyrertums, aus dem nur in den seltensten Fällen eine Auferstehungsreligion wird, diskutieren.
Aber da wären wir wieder über Umwegen bei Sloterdijks Ausführungen über Golgatha in seinem Buch "Du mußt dein Leben ändern".
Er selber hat schon vor geraumer Zeit, um mit Theweleit zu sprechen, den Machtpol gewählt. Halt die noble Form des Mitläufertums.