Erik Niedlings 10 Minuten

Fast jeden Tag kommt ein Bullshit-Typ um die Ecke, der nur deshalb ein Futzelchen Aufmerksamkeit kriegt, weil er sich mit uns beschäftigt. Heute: Erik Niedling.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

(Bit­te sei­ne KZ- und Gulag-Phan­ta­sie am Ende des Inter­views beach­ten. Tat­säch­lich war es ja so, daß er und Joa­chim Bes­sing UNBEDINGT zu uns kom­men woll­ten, um auf der Wel­le “Mit Rech­ten reden” zu sur­fen. Letz­te Chan­ce sozu­sa­gen: Bes­sings Bewer­bung ins Dschun­gel­camp war gera­de abge­lehnt wor­den, selbst dafür ein­fach zu wenig pro­mi­nent. Dabei wäre er zu allem bereit gewe­sen, hat er uns erzählt. Kopf in Maden, Tat­zel­wurm hin­ten­rein und­so­wei­ter. Nun such­te er Kon­takt, woll­te sich wie­der hoch­kon­tak­ten. Wir atme­ten auf, als das Gespräch vor­über war. Wort­an­teil Bes­sing: 90 Pro­zent. Sein Kum­pel war eine ver­zwei­fel­te Fra­ge als Gestalt: Was kann ich tun, damit ich auf­fal­le, zehn Minu­ten lang, wenigs­tens? Mal ne Kat­ze foto­gra­fie­ren? Hier also: Nied­lings Auftritt.)

– – –

Auf Ebay kann man sich beim Künst­ler Erik Nied­ling um das Foto einer wei­ßen Kat­ze vor Rosen bewer­ben. Der Haken: Sie gehört dem neu­rech­ten Ver­le­ger­paar Götz Kubit­schek und Ellen Kositza.

Erik Nied­ling, Sie haben gera­de ein Kunst­werk von sich auf Ebay-Klein­an­zei­gen gestellt, wie lau­fen die Gebo­te? (Kunst­werk? Kat­zen­fo­to, oder?)

Aus­ge­zeich­net. Aber ich spe­ku­lie­re nicht auf ein hohes Gebot, son­dern ich ver­schen­ke die Arbeit.

Das Bild wur­de auf ihrer Aus­stel­lung in der Ber­li­ner Gale­rie Tobi­as Naeh­ring (kennt auch kein Schwein) nicht ver­kauft. Als ein­zi­ges, sagen Sie, und Sie haben da auch eine Ver­mu­tung, war­um. (Jetzt sind wir alle gespannt:)

Ja, alle Arbei­ten wur­den ver­kauft, bis auf die­se Foto­gra­fie einer wei­ßen Kat­ze. Alle Inter­es­sen­ten und Inter­es­sen­tin­nen für “White Cat” sahen von einem Erwerb ab, sobald sie erfuh­ren, dass das abge­bil­de­te Haus­tier dem neu­rech­ten Verleger:innenpaar Ellen Kositza und Götz Kubit­schek gehört. (krass. krass­krass­krass) Die anfäng­li­che woh­li­ge Begeis­te­rung für die hübsch ins Bild gesetz­te Kat­ze wich blitz­schnell einem dunk­len Gru­sel. (zack) Die­se Ambi­va­lenz woll­te dann wohl nie­mand überm Sofa ertra­gen müs­sen. (Damo­kles-Bild)

Zunächst ein­mal: Wie kamen Sie dazu, aus­ge­rech­net die­se Kat­ze zu foto­gra­fie­ren? (War kei­ne ande­re da, oder?)

Ich beglei­te­te im Jahr 2016 aus Neu­gier den Schrift­stel­ler Joa­chim Bes­sing nach Schnell­ro­da, wo wir mit Kositza und Kubit­schek über ihre Begeis­te­rung für Chris­ti­an Kracht, Joa­chims 90er-Jah­re-Klas­si­ker “Tris­tesse Roy­al” und das Risi­ko der Wie­der­eröff­nung von KZs nach einem theo­re­ti­schen Wahl­sieg der AfD strit­ten. Ich mach­te eini­ge Bil­der bei dem Tref­fen und mir wur­de gestat­tet, auch auf dem Gelän­de ihres Rit­ter­guts her­um­zu­strei­fen um zu foto­gra­fie­ren. Dabei ist mir die Kat­ze über den Weg gelau­fen und hat sich mir gera­de­zu auf­ge­drängt. Ich glau­be, die Kat­ze woll­te unbe­dingt von mir foto­gra­fiert wer­den. (Wenn da einer sagt: gleich kommt das Vögel­chen! Sie Schelm!)

Wie ist der künst­le­ri­sche Kon­text, was zeig­ten die ande­ren Bil­der der Aus­stel­lung denn? (Inter­es­siert kei­ne Sau, oder kennt jemand den Foto­künst­ler Erik Nied­ling? Ant­wort gekürzt:)

Ich … dann … wie­der nicht … wenig los … bit­te … bit­te … 10 Minu­ten … nur ein­mal … bitte …

Geschich­ten über die Haus­tie­re von poli­tisch pro­ble­ma­ti­schen Hal­te­rin­nen und Hal­tern sind ja ziem­lich inter­es­sant, ken­nen sie noch mehr? (Zsch­ä­pes Kat­ze, die woll­te man eutha­na­sie­ren, oder?)

Ich bin mir fast sicher, dass Mus­so­li­ni ein Löwen­ba­by mit der Fla­sche auf­zog, und die Löwin dann spä­ter, als sie zu groß für den Haus­halt wur­de, immer mal wie­der im Zoo besuch­te. (Nicht ver­mu­ten, goo­geln, Sepp! Hier ent­lang!)

Wie ist das nun mit der Kat­ze, die ja nicht selbst ver­mit­telt wer­den soll, son­dern nur ein Bild von ihr. Was lässt sich an den Schwie­rig­kei­ten, die das berei­tet, für Sie ablesen?

Dass auch Men­schen, die sich für auf­ge­klärt und libe­ral hal­ten, ande­re Wesen vor allem aus dem Kon­text her­aus beur­tei­len – und nicht als sie selbst. (Ick beur­tei­le, also bin ick)

Sie haben Mit­leid mit dem Tier, weil es Pro­jek­ti­ons­flä­che für eine Schuld ist, die es gar nicht auf sich gela­den hat? Und benut­zen Sie die Kat­ze nicht auch?

Ich den­ke bei der Kat­ze, die angeb­lich auf den schö­nen Namen Sophie (Mimi! Mim­i­mi!) hört, han­delt es sich um ein eher bla­sier­tes Exem­plar, für ein biss­chen Auf­merk­sam­keit schaut sie in jede Kame­ra, da hält sich mein Mit­leid in Gren­zen. Aber woher will ich das wirk­lich wis­sen? Denn natür­lich benut­ze ich die­se Kat­ze – so wie jedes ande­re Haus­tier auch – als Projektionsfläche.

Wie ver­hin­dern Sie, dass Kubit­schek-Fans das Bild erwer­ben und dar­aus eine Iko­ne für ihre Ideo­lo­gie machen?

Durch den Ein­satz einer inter­na­tio­na­len Fach­ju­ry aus Kunst- und Katzenliebhaber:innen. Sie wählt aus den Bewerber:innen die künf­ti­gen Besitzer:innen der Arbeit aus. (Die­ser Sepp hat halt echt an alles gedacht…)

Der Bewer­bungs­schluss für die Amnes­tie-Kat­ze ist der 8. Mai, nicht ganz zufällig.

Nein, kein Zufall. Zum einen ist der 8. Mai, wie alle wis­sen, der Tag der deut­schen Kapi­tu­la­ti­on im Zwei­ten Welt­krieg, zum ande­ren (Ach­tung, Ach­tung: Wer­be­block:) anti­zi­pie­re ich jähr­lich am 8. Mai das “Buri­al of the White Man”, die sym­bo­li­sche Bestat­tung des wei­ßen Man­nes, auf dem Klei­nen Gleich­berg in Thü­rin­gen. Bei­des Grün­de zum Feiern.

Ihr Gedan­ke, dass man die All­ge­gen­wart von Rechts­extre­mis­mus irgend­wie aner­ken­nen muss, also etwas ande­res gebo­ten ist als bloß das “Dage­gen­sein”, ist ja sehr inter­es­sant. Wel­chen “Umgang” mit Rechts­extre­mis­mus und Faschis­mus schla­gen Sie vor? Und wel­che Rol­le kann Kunst dabei spielen?

Ja, “Nazis raus” sagt sich so leicht, aber wohin mit ihnen? (Jetzt beginnt die Apart­heits­suh­le a la Nied­ling:) Ich den­ke, mit leid­lich pro­vo­kan­ten Lied­tex­ten und einer roten Bom­ber­ja­cke ist es nicht getan. (Neid auf Dan­ger Dan, hm? Da muß noch eine Schip­pe drauf, oder?) Rech­te sind auch Men­schen (uff), sie mit Gewalt und Unter­drü­ckung zu bedro­hen folgt genau der pri­mi­ti­ven Ver­gel­tungs­lo­gik, die man doch bekämp­fen will. Ich bin für eine neue Art der Sepa­ra­ti­on. Nach dem alten Mot­to “Jedem Tier­chen sein Plä­sier­chen” könn­te man Faschist:innen nach einer Idee aus Ingo Nier­manns Video­buch “Deutsch Süd-Ost” auf frei­wil­li­ger Basis in “Nazi-Zoos” umsie­deln, wo sie die Mög­lich­keit hät­ten, unter kon­trol­lier­ten Bedin­gun­gen ihrer Ideo­lo­gie zu frö­nen. Für genü­gend Essen, Klei­dung, Obdach und Aus­lauf wäre gesorgt. Neu­gie­ri­ge Besucher:innen könn­ten über Kopf­hö­rer die kri­tisch kom­men­tier­te Aus­ga­be von “Mein Kampf” hören und am Aus­gang ein paar Nazi-Zoo-Andenken mit gut sicht­ba­ren Warn­hin­wei­sen erwer­ben. Alle andern hät­ten end­lich ihre Ruhe. (Brav, Nied­ling, sehr ori­gi­nell. Set­zen, 1)

– – –

Die­ses Inter­view führ­te Sil­ke Hoh­mann, und hier ist die Kat­ze zu sehen.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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Kommentare (10)

ede

4. Mai 2021 23:57

Was erlaubt sich der Kerl.

Dieses edle Tier für seine schmutzigen Phantasien zu missbrauchen.

Gotlandfahrer

5. Mai 2021 00:41

Es fiel mir schwer, den Text zu erfassen. Womöglich bin ich gescheitert. Meine Loyalität ist davon unabhängig. Vielleicht liege ich daneben, aber ich sage mal so: Auf meinem LinkedIn-Profil labern mich pro Tag drei bis vier Leute an. Ich klicke die weg. Und rede nicht mal drüber, erstens, weil die mich nicht interessieren, zweitens, weil ich nicht offenbaren will, wer mich inzwischen alles anlabert. Soviel Stolz darf sein.

brueckenbauer

5. Mai 2021 02:00

Zugegeben, er beutet Kubitscheks Bekanntheit aus, damit auch für ihn etwas abfällt. Trotzdem finde ich, er wird hier zu harsch angegangen. Mir gefällt, wie er sagt, dass auch Rechte Menschen sind und dass man sie nicht mit Gewalt und Unterdrückung behandeln soll. Und in die "Nazi-Zoos" will er sie doch nur auf freiwilliger Basis übersiedeln. Ich bin überzeugt, dass wir mehr "Separation" brauchen. Es ist gar nicht nötig, mich zu alimentieren.

dreamingplanet7

5. Mai 2021 07:09

Schade, ich haette das Katzenfoto gerne erstanden als Ergaenzung fuer meinen Hausaltar mit Raeucherstaebchen und taeglichen Verneigungen... Denke aber ich halte der Durchleuchtung einer diversen Jury aus Katzenliebhaber:innen nicht stand...

Aber im Ernst, mit gefaellt die neue Kategorie "Spott aus Kubitscheks Feder" sehr gut. Weiter so :-)

H. M. Richter

5. Mai 2021 07:20

Es gibt Namen – Dieterich Heßling ist so einer –, die sich einbrennen ins Gedächtnis, hat man sie einmal gehört oder gelesen. Da kann es dann vorkommen, daß einem Jahrzehnte später, so es denn einen Anlaß dafür gibt wie das Lesen von Eric Niedlings 10 Minuten, gar noch die ersten drei Sätze eines Romans einfallen, der nicht umsonst Der Untertan heißt:  "Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt. Ungern verließ er im Winter die warme Stube, im Sommer den engen Garten, der nach den Lumpen der Papierfabrik roch und über dessen Goldregen- und Fliederbäumen das hölzerne Fachwerk der alten Häuser stand. Wenn Diederich vom Märchenbuch, dem geliebten Märchenbuch, aufsah, erschrak er manchmal sehr. Neben ihm auf der Bank hatte ganz deutlich eine Kröte gesessen, halb so groß wie er selbst!" 

Ein gebuertiger Hesse

5. Mai 2021 10:30

Die menschliche Schäbigkeit, die sich im Tun dieses Neidlings ausdrückt, ist abgründig. In seinen Träumen, oder auch im nächsten Leben, wird er sie aufs Butterbrot geschmiert bekommen.

Phil

5. Mai 2021 12:11

Ekelhaft; doch ignorieren wir solche Typen mit der Gelassenheit einer Katze.

(@brueckenbauer Man muss (und kann) keine Brücken bauen zu Leuten, die uns – auch Sie – als "Nazis" bezeichnen, und von einer kollektiven "freiwilligen" Selbsterniedrigung Andersdenkender träumen.)

Vultus Animi

5. Mai 2021 12:47

Ich würde sagen, da lässt sich jemand die Katze im Sack schenken. Ob er daran Freude haben wird? Ich hätte sie genommen. 

anatol broder

5. Mai 2021 15:01

wie ich bereits unter götz kubitscheks ant­wort auf danger dan an­merkte, sind nied­liche kläffer nicht nur sein problem. er­neut zitiere ich den rapper ssio:

«manche rapper nehmen ihre katze löffel­chen oder machen kinder mit an­ge­hörigen.» (tbc, 2020)

in ssios um­feld wird auch be­reits ge­bissen, wo­bei die revolu­tion ihr lieb­lings­gericht ver­langt.

nom de guerre

5. Mai 2021 15:54

Die Welt ist ein seltsamer Ort, voll der merkwürdigsten Bewohner.