Sammelstelle für Gedrucktes (18)

Der Austrittsprozeß des Vereinigten Königreichs aus der EU, der am 1. Januar seinen Abschluß fand, belebt neu-alte Streitigkeiten in Schottland.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

Natür­lich ist das kei­ne schot­ti­sche Son­der­si­tua­ti­on; auch in Nord­ir­land wächst die Wut auf allen Sei­ten, dazu bei ande­rer Gele­gen­heit Grundsätzliches.

Doch zunächst zum Brexit-Fall: Als Vehi­kel zur Rück­erlan­gung natio­na­ler Sou­ve­rä­ni­tät und selbst­ver­ant­wort­li­cher Poli­tik ist er spä­tes­tens seit der Dexit-For­de­rung vom AfD-Bun­des­par­tei­tag auch in unse­ren Zusam­men­hän­gen wie­der virulenter.

Inter­es­sant dabei ist, daß das Brexit­vo­tum ein­mal mehr sozia­le und natio­na­le Wider­sprü­che zusam­men­brach­te. Für Sahra Wagen­knecht war die »Migra­ti­ons­fra­ge« sogar die »Schlüs­sel­fra­ge« per se, weil die Bri­ten die Kon­trol­le über Zuwan­de­rungs­be­we­gun­gen zurück­er­lan­gen und damit nicht dem EU-Markt über­las­sen woll­ten – vor allem in den unte­ren Ein­kom­mens­seg­men­ten kon­kur­rier­ten Ein­hei­mi­sche zuneh­mend mit Aus­län­dern aus der EU und dar­über hin­aus; der Lohn­druck war bzw. ist immens.

Auch Paul Mason, ein undog­ma­tisch lin­ker Den­ker, sah die Front­stel­lung so, daß ein »Remain« (in der EU) bei vie­len Bri­ten wahr­ge­nom­men wur­de als Bekennt­nis zu unbe­grenz­ter Ein­wan­de­rung, sin­ken­den Löh­ne und kul­tu­rel­len Spannungen.

»Die Ver­hält­nis­se in Deutsch­land«, so arti­ku­liert es wie­der­um Wagen­knecht in ihrem neu­en Buch Die Selbst­ge­rech­ten,

mögen mit den bri­ti­schen noch nicht ver­gleich­bar sein. Aber die Ent­wick­lung geht in eine ähn­li­che Rich­tung. Immer­hin ist der deut­sche Nied­rig­lohn­sek­tor einer der größ­ten in ganz Euro­pa. Jeder fünf­te Beschäf­tig­te arbei­tet heu­te in die­sem Bereich. (…) Dass die Löh­ne in vie­len Bran­chen um bis zu 20 Pro­zent san­ken und selbst ein jah­re­lang anhal­ten­des Wirt­schafts­wachs­tum dar­an nichts ändern konnte,

– und jetzt begibt sich Wagen­knecht auf ver­min­tes Terrain –

das war allein wegen der hohen Migra­ti­on nach Deutsch­land mög­lich. Denn nur sie stell­te sicher, dass die Unter­neh­men die Arbeits­plät­ze zu den nied­ri­gen Löh­nen unver­än­dert beset­zen konnten.

Wagen­knecht tut gut dar­an, die­se bei­den Ebe­nen – Lohnentwicklung/Sozialstaat einer­seits, Migra­ti­ons­pro­ble­ma­tik ande­rer­seits – zu ver­bin­den, so wie es das sozi­al­pa­trio­ti­sche Lager ja bereits viel län­ger und nach­drück­li­cher prak­ti­ziert. Wer dabei aber nicht mit­geht, ist nicht nur die Mehr­heits­lin­ke in der Bun­des­re­pu­blik, son­dern auch die schot­ti­schen »Natio­na­lis­ten«, die so zu benen­nen eben­so wider­sprüch­lich scheint wie im Fall ihrer kata­la­ni­schen Freunde.

Denn der schot­ti­sche »Natio­na­lis­mus«, ver­kör­pert in der regie­ren­den Scot­tish Natio­nal Par­ty (SNP) und ihrem vor­po­li­ti­schen Netz­werk, hat sich einem »grü­nen« und »inte­gra­ti­ven« Kon­zept ver­schrie­ben, das im Kern besagt, daß ein jeder in Schott­land leben­der Mensch – mag er gebo­ren und sozia­li­siert sein, wo er möch­te – als schot­ti­scher Citoy­en anzu­se­hen ist, wobei sich die schot­ti­sche Gesell­schaft als »pro­gres­si­ve« und »welt­of­fe­ne« Nati­on aus der Domi­nanz des eng­lisch domi­nier­ten »kon­ser­va­ti­ven« Ver­ei­nig­ten König­rei­ches zu lösen hätte.

Aus die­sem Grund ist Beat Bum­ba­cher zu wider­spre­chen, wenn sie die SNP in der NZZ (v. 5.5.2021) als »schot­ti­sche Ver­si­on der Sozi­al­de­mo­kra­tie« labelt. Das eigent­li­che kon­ti­nen­tal­eu­ro­päi­sche Pen­dant zur SNP sind viel­mehr die Grü­nen, »Natio­na­lis­mus« als Mar­ken­zei­chen hin oder her.

Denn den zeit­ge­mäß-grü­nen Ent­wurf einer schot­tisch-mul­ti­kul­tu­rel­len Staats­bür­ger­idee, der auch in der deutsch­spra­chi­gen Pres­se als »schot­ti­scher Natio­na­lis­mus« fir­miert und damit begriff­li­che Asso­zia­tio­nen wecken kann, die in die Irre füh­ren, soll­te der Leser fort­an mit­den­ken. Main­stream-Natio­na­lis­mus in Schott­land heißt eben schlicht und ergrei­fend: Abkehr von der Uni­on mit dem Ver­ei­nig­ten König­reich, kei­nes­wegs jedoch mit der EU. (Ähn­li­ches gilt für Kata­lo­ni­ens Sepa­ra­tis­ten: Abkehr von Spa­ni­en heißt nicht Abkehr vom EU-Apparat).

Die­se Aspek­te hel­fen womög­lich, grö­ße­re Bei­trä­ge über schot­ti­sche Ent­wick­lun­gen bes­ser ein­zu­ord­nen. Ein Bei­spiel hier­für bie­tet der Arti­kel »Die prag­ma­ti­schen Rebel­len« aus der NZZ (v. 30.4.2021), in dem es heißt, daß

in Schott­land eine neue Gene­ra­ti­on von Natio­na­lis­ten auf die Unab­hän­gig­keit drängt.

Wir wis­sen nun grob, wel­che Poli­tik die SNP ver­tritt, die, ange­führt von Nico­la Stur­ge­on, bei den heu­ti­gen Regio­nal­wah­len vom 6. Mai auf eine Mehr­heit hofft,

um bei Boris John­son ulti­ma­tiv ein zwei­tes Unab­hän­gig­keits­re­fe­ren­dum einzufordern.

Niklaus Nusp­li­ger berich­tet ein­lei­tend über die Umkeh­rung der Pole:

Im Schott­land der fünf­zi­ger Jah­re gal­ten die schot­ti­sche Kul­tur oder die gäli­sche Spra­che als rück­stän­dig, das impe­ria­le Gross­bri­tan­ni­en hin­ge­gen ver­kör­per­te Welt­of­fen­heit und Fortschritt.

Heu­te ist es die SNP, die Welt­of­fen­heit und Fort­schritt zu ver­kör­pern bean­sprucht. Sie erreich­te real­po­li­tisch indes tat­säch­lich einiges:

Schott­land erhielt vor der Jahr­tau­send­wen­de poli­ti­sche Auto­no­mie und ein eige­nes Par­la­ment, in der Regio­nal­re­gie­rung sitzt die Scot­tish Natio­nal Par­ty (SNP) seit 2007 an den Schalt­he­beln der Macht. (…) Wenn die SNP der Regio­nal­prä­si­den­tin Nico­la Stur­ge­on am 6. Mai eine Par­la­ments­mehr­heit erringt, will sie in der ers­ten Hälf­te der nächs­ten Legis­la­tur über die Unab­hän­gig­keit abstim­men las­sen – zum zwei­ten Mal nach der Volks­ab­stim­mung von 2014, bei der die Natio­na­lis­ten mit einem Ja-Anteil von 45 Pro­zent einen Ach­tungs­er­folg erzielten.

Seit­dem hat sich viel geän­dert. 16jährige dür­fen seit Jah­ren wäh­len, und Jugend­li­che ten­die­ren über­wie­gend noch stär­ker zur Unab­hän­gig­keit und gegen Lon­don. Nusp­li­ger trifft eini­ge von ihnen, zum Bei­spiel Char­lot­te Armi­ta­ge, eine 23jährige Stu­den­tin, die als Vize­prä­si­den­tin der Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on der SNP aktiv ist. Bereits 2014 votier­te sie gegen die Unio­nis­ten und für die Unab­hän­gig­keit – und wür­de heu­te wie­der so handeln.

Die kon­ser­va­ti­ve Regie­rung in Lon­don bremst uns, als unab­hän­gi­ges Land könn­ten wir eine viel pro­gres­si­ve­re Sozi­al- oder Kli­ma­po­li­tik haben,

so umschreibt Armi­ta­ge das zen­tra­le Momen­tum der SNP-Jugend. Sie fügt hinzu:

Und wir könn­ten wie­der der EU beitreten,

die nach Ansicht der jun­gen Schot­tin wohl bekannt für ihre pro­gres­si­ve Sozi­al­po­li­tik zu sein scheint, was nicht zuletzt in Wagen­knechts Buch anhand der ent­spre­chen­den Weg­mar­ker Lohn­druck, Migra­ti­ons­wel­len und unter­neh­me­ri­scher Gewinn­ma­xi­mie­rungs­stra­te­gien kon­se­quent wider­legt wird.

Armi­ta­ge, so wird deut­lich, steht aber nicht alleine:

Demo­sko­pen haben erho­ben, dass mitt­ler­wei­le mehr als zwei Drit­tel der 16- bis 34-jäh­ri­gen Schot­ten die Unab­hän­gig­keit befür­wor­ten, wäh­rend sich in der gesam­ten Bevöl­ke­rung Befür­wor­ter und Geg­ner eines Bruchs mit Lon­don über die letz­ten Mona­te hin­weg gese­hen etwa die Waa­ge hielten.

Armi­ta­ge gibt gegen­über der NZZ zu Protokoll:

Der natio­na­lis­ti­sche Traum ist viel älter als ich. Aber mei­ne Gene­ra­ti­on hat nun die Chan­ce, ihn auch wirk­lich zu realisieren.

Der Vor­spann zum schot­ti­schen Natio­na­lis­mus mach­te wohl schon deut­lich, daß die­ser »natio­na­lis­ti­sche Traum« wenig zu tun hat mit dem, was ori­gi­nä­re Natio­na­lis­ten dar­un­ter ver­ste­hen dürf­ten. Die SNP steht eben für Kli­ma­ideo­lo­gie, Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus, Gen­der und Co. – nur eben bit­te ohne Bevor­mun­dung aus Lon­don, was die eini­gen­de Klam­mer aller SNP-Strö­mun­gen ist.

ein rechts­kräf­ti­ges Unab­hän­gig­keits­re­fe­ren­dum nur nach Zustim­mung der Regie­rung in West­mins­ter abhal­ten, und Pre­mier­mi­nis­ter Boris John­son hat ange­kün­digt, dass er kei­nen Urnen­gang erlau­ben wolle.

ob sich die­se Posi­ti­on hal­ten lässt, wenn die SNP eine Mehr­heit der 129 Sit­ze im Regio­nal­par­la­ment erringt – was ihr gemäss Umfra­gen knapp gelin­gen könn­te. Der Poli­to­lo­ge John Cur­ti­ce von der Strath­cly­de Uni­ver­si­ty ver­weist im Gespräch auf zwei Prä­ze­denz­fäl­le: 2011 habe der Wahl­sieg der SNP zum ers­ten schot­ti­schen Unab­hän­gig­keits­re­fe­ren­dum geführt, und nach der Unter­haus­wahl von 2015 hät­ten die Kon­ser­va­ti­ven das Wahl­ver­spre­chen eines Brexit-Refe­ren­dums umgesetzt.

Just die­ser Brexit hel­fe nun der SNP, den die Schot­ten mit 62 Pro­zent ablehn­ten. Der soge­nann­te har­te Brexit habe den Ein­druck verstärkt,
das eher links­ge­rich­te­te Schott­land und das kon­ser­va­ti­ve­re Eng­land streb­ten immer wei­ter aus­ein­an­der. Genau dies nutzt die talen­tier­te Nico­la Stur­ge­on aus: Sie argu­men­tiert, der Brexit habe Tat­sa­chen geschaf­fen, die ein zwei­tes Unab­hän­gig­keits­re­fe­ren­dum erfor­der­ten. Und sie setzt sich in Sze­ne als Anti­po­din von Boris John­son, der bei vie­len Schot­ten anti­eng­li­sche Abwehr­re­fle­xe aus­löst und in der Coro­na-Kri­se einen weni­ger sou­ve­rä­nen Ein­druck hin­ter­liess als Sturgeon.

Aber es gibt auch gegen­läu­fi­ge Ten­den­zen. Nusp­li­ger lernt im Ver­lauf sei­ner Repor­ta­ge Ross New­ton (25) ken­nen. Der stimm­te als 18jähriger für die Unab­hän­gig­keit, ist unter­des­sen aber zum strik­ten Geg­ner der­sel­bi­gen geworden:

Schott­land habe erheb­li­che sozia­le Pro­ble­me, dar­un­ter die höchs­te Zahl von Dro­gen­to­ten in Euro­pa, doch steh­le sich die SNP-Regie­rung mit dem Argu­ment aus der Ver­ant­wor­tung, ohne Unab­hän­gig­keit fehl­ten ihr zur Lösung der Pro­ble­me die Kom­pe­ten­zen. Ross bezeich­net Stur­ge­on als Popu­lis­tin, die kom­ple­xe Fra­gen mit Schlag­wor­ten ver­ein­fa­che. «Sie sagt, ein unab­hän­gi­ges Schott­land wer­de der EU bei­tre­ten. Aber wo ist der kon­kre­te Plan dafür? Und was genau soll mit der Gren­ze zu Eng­land gesche­hen?» Die Unab­hän­gig­keit wir­ke auf vie­le sei­ner Alters­ge­nos­sen tren­dig, und die SNP posi­tio­nie­re sich als pro­gres­si­ve Kraft. Wer aber auf Social Media gegen die SNP Stel­lung bezie­he, bekom­me die aus­gren­zen­de Sei­te der Natio­na­lis­ten zu spüren.

Wir erin­nern uns an die­ser Stel­le ers­tens erneut, daß mit »Natio­na­lis­ten« links­grü­ne EU-Befür­wor­ter gemeint sind und zwei­tens, daß es ein eher­nes Gesetz in der Mehr­heits­lin­ken seit Rosa Luxem­burg gibt: Bei der Frei­heit, die man gemäß ihrer popu­lä­ren Maxi­me Anders­den­ken­den gewäh­ren soll­te, ging es im Kon­text um die Mei­nungs­frei­heit inner­halb des (oft zer­strit­te­nen) lin­ken Lagers, nicht um Mei­nungs­frei­heit per se. Das ist auch in Glas­gow und Edin­burgh offen­sicht­lich nicht anders, wo der »Natio­na­lis­mus« dem links­grü­nen Zeit­geist sub­or­di­niert ist.

Pas­send dazu zitiert Niklaus Nusp­li­ger den 22jährigen Italo-Schot­ten Nico Mat­re­ca­no, den künf­ti­gen Prä­si­den­ten des »Natio­na­lis­ti­schen Ver­ban­des« an der Uni­ver­si­tät Glasgow:

Natür­lich lie­be ich das roman­ti­sche Bild der High­lands, aber Schott­land ist nicht nur das Land der Ein­hei­mi­schen, son­dern aller, die hier leben wollen.

Ange­la Mer­kel und Anna­le­na Baer­bock wären erfreut.

– –

In Frank­reich gibt es der­weil neue Wider­stän­de gegen die Ansicht derer, die Euro­pas Natio­nen zum Sied­lungs­ob­jekt »aller, die hier leben wol­len« umfunktionieren.

In der NZZ (v. 30.4.2021) berich­tet dazu Rudolf Bal­mer in sei­nem Bericht über den »Krieg gegen die ›Hor­den der Banlieu‹«:

In einem Brand­brief haben zwan­zig pen­sio­nier­te Gene­rä­le und mehr als tau­send wei­te­re Mili­tärs kaum ver­hoh­len mit einem Mili­tär­putsch gegen die demo­kra­tisch gewähl­te Regie­rung gedroht, um den «Zer­fall» Frank­reichs abzu­wen­den. Letzt­lich kön­ne nur eine «Inter­ven­ti­on» der Streit­kräf­te Ord­nung schaf­fen und mit dem «Isla­mis­mus und den Hor­den der Ban­lieue» auf­räu­men, heisst es in dem offe­nen Brief, der am 21. April vom Wochen­ma­ga­zin «Valeurs actu­el­les» publi­ziert wurde.

Valeurs actu­el­les, wer es nicht kennt, ist ein tra­di­ti­ons­rei­ches Nach­rich­ten­ma­ga­zin der fran­zö­si­schen Rech­ten, das seit 1966 erscheint; poli­tisch bewegt es sich zwi­schen christ­li­chem Kon­ser­va­tis­mus und klas­si­schem fran­zö­si­schen Natio­na­lis­mus und stellt so – aus­nahms­wei­se tat­säch­lich – eine Art »Schar­nier« zwi­schen gemä­ßig­ter und grund­sätz­li­cher Rech­te dar, im par­tei­po­li­ti­schen Sin­ne fer­ner zwi­schen den eta­blier­ten Kon­ser­va­ti­ven und dem Ras­sem­blem­ent Natio­nal Mari­ne Le Pens (RN, ehe­mals Front Natio­nal, FN).

«Die Situa­ti­on ist ernst, und die Auf­ga­be ist kolos­sal», schrei­ben die Autoren im tra­di­tio­nel­len Stil der extre­men Rech­ten in dem Brief, der in Frank­reich viel Wir­bel ver­ur­sacht, weil er als Ulti­ma­tum und Auf­ruf zu einem Mili­tär­putsch inter­pre­tiert wird. Weder das ras­sis­tisch ange­hauch­te Feind­bild noch der Tag der Ver­öf­fent­li­chung sind zufäl­lig gewählt: Am 21. April vor exakt 60 Jah­ren orga­ni­sier­ten die Mili­tärs im damals noch fran­zö­si­schen Alge­ri­en einen Putsch gegen die Staats­füh­rung von Gene­ral Charles de Gaulle.

Die Beschrei­bung, was dann in Nord­afri­ka und Frank­reich geschah, liest man lie­ber bei Domi­ni­que Ven­ner nach, obschon Das rebel­li­sche Herz der­zeit ver­grif­fen ist. Ven­ner beschrieb die Auf­stand­s­epi­so­de 1961 im Gespräch mit Karl­heinz Weiß­mann für die 34. Sezes­si­on übri­gens so:

Unse­re Ideen waren kurz­le­big, unse­re Instink­te aber tief. In toll­küh­nen Aktio­nen ris­kier­ten wir Kopf und Kra­gen. Die­ses Enga­ge­ment hat­te wenig mit dem gemein, was man land­läu­fig als »poli­tisch« bezeich­net. Wir träum­ten weni­ger davon, eine »Par­tei« zu grün­den als viel­mehr einen mys­tisch-mili­tä­ri­schen Orden. Unse­re Vor­bil­der waren die spa­ni­schen Falang­is­ten von 1936 oder ein Mann wie Oberst Nas­ser 1952.

Aber wei­ter mit Balmer:

Wie die Put­schis­ten 1961 sehen die selbst­er­klär­ten «Patrio­ten» in Uni­form, die den Brief ver­fasst haben, die Nati­on wegen der «Lax­heit» der Regie­rung in Gefahr. Sie sehen heu­te nicht ein Kolo­ni­al­reich am Unter­ge­hen, son­dern sie wäh­nen die «Grund­wer­te unse­rer Zivi­li­sa­ti­on» vom «Zer­fall» bedroht, weil die Staats­füh­rung nichts unter­neh­me gegen den «Ras­sen­krieg, den die hass­erfüll­ten und fana­ti­schen Anhän­ger eines bestimm­ten Anti­ras­sis­mus füh­ren». Wenn nichts gesche­he, dro­he Frank­reich in ein Patch­work von «Par­zel­len» zu zer­fal­len, in denen «Dog­men herr­schen, die in Wider­spruch zu unse­rer Ver­fas­sung ste­hen», schrei­ben die Ex-Mili­tärs war­nend. In ihrem Brief geben die Unter­zeich­ner Prä­si­dent Emma­nu­el Macron eine letz­te Chan­ce zur «strik­ten Anwen­dung der bestehen­den Geset­ze», um den Isla­mis­mus zu bekämpfen.

Alles ande­re, so die größ­ten­teils pen­sio­nier­ten Akteu­re, könn­te zu »Tau­sen­den von Toten« füh­ren, wofür man der Regie­rung die Ver­ant­wor­tung zuwei­sen wür­de. Le Pen, man ahnt es, hat die Initia­ti­ve eupho­risch begrüßt (sie tei­le »ihre Ana­ly­se und ihre Besorg­nis«), und tat­säch­lich haben man­che der Unter­zeich­ner eine eige­ne RN- bzw. FN-Vergangenheit.

Le Pen distan­zier­te sich also nicht von der impli­zi­ten Andro­hung eines mili­tä­ri­schen Ein­grei­fens, plä­dier­te aber für die ent­schei­den­de Wei­chen­stel­lung an den Wahl­ur­nen. Le Pen muß einen schma­len Grad begehen:

Einer­seits sind die pen­sio­nier­ten Sol­da­ten aller Hier­ar­chie­stu­fen ihr urei­ge­nes Wäh­ler­kli­en­tel, der alte FN konn­te sei­ne bes­ten Ergeb­nis­se immer im Süden holen, und zwar vor allem dort, wo sich vie­le Alge­ri­en­fran­zo­sen ansie­del­ten, die mit der Repu­blik und sei­nen Eli­ten frem­del­ten nach dem glanz­lo­sen Abgang aus Algier und Co.

Ande­rer­seits schreckt sie damit kon­ser­va­ti­ve Wäh­ler ab, denen die Revol­te-in-spe Angst ein­jagt. Sie wur­den par­la­ments­po­li­tisch hei­mat­los, nach­dem die Sar­ko­zy-Res­te sich pul­ve­ri­sier­ten. Le Pen will ihnen seit Jah­ren mit­tels »Ent­dia­bo­li­sie­rung« näher kom­men woll­te. (Ent­dia­bo­li­sie­rung in Frank­reich heißt nicht Abschwä­chung der eige­nen Pro­gram­ma­tik, son­dern ein Hint­an­stel­len der his­to­risch »rechts­ra­di­ka­len« Bezü­ge, d. h. unter ande­rem die Wur­zeln in der mili­tan­ten Par­tei­nah­me für Algé­rie fran­çai­se.)

Für Le Pen heißt es also ein­mal mehr: Wer wählt wie bei wel­cher Reak­ti­on, und wer blie­be fern?

Das For­schungs­zen­trum Cevi­pof schätzt, dass rund die Hälf­te der Ange­hö­ri­gen der Streit­kräf­te und der Poli­zei in Frank­reich bei Wah­len extrem rechts stimmt.

Rudolf Bal­mer setzt sei­ne Beschäf­ti­gung mit die­ser »Pro­ble­ma­tik« an sel­bem Publi­ka­ti­ons­ort (v. 4.5.2021) fort. In sei­nem infor­ma­ti­ven Bei­trag mit der sper­ri­gen Über­schrift »Putsch­dro­hun­gen sind in Frank­reich nichts Neu­es« kon­kre­ti­siert er die Sym­pa­thie­er­klä­run­gen von Mili­tärs und Polizei:

Laut dem For­schungs­zen­trum Cevi­pof erklär­ten 2016 zwi­schen 52,5 und 55 Pro­zent (je nach Aus­gangs­la­ge) der Sol­da­ten und Poli­zis­ten, sie wür­den 2017 bei den Prä­si­dent­schafts­wah­len im ers­ten Durch­gang Mari­ne Le Pen wäh­len. Ver­gleich­ba­re Zah­len lie­fer­te 2019 die lin­ke Stif­tung Jean Jau­rès, die sich auf die Aus­wer­tung der Wahl­er­geb­nis­se in meh­re­ren Gar­ni­sons­städ­ten stützt. Dass sich Mari­ne Le Pen mit den Ver­fas­sern des Appells soli­da­ri­siert und die­se dazu auf­ge­ru­fen hat, sich ihrer poli­ti­schen «Schlacht» anzu­schlies­sen, ist da wenig über­ra­schend. Das RN hofft, bei den Prä­si­dent­schafts­wah­len in einem Jahr vom Gefühl vie­ler Wäh­ler (unter ihnen vie­le Ange­hö­ri­ge der Streit- und Ord­nungs­kräf­te) zu pro­fi­tie­ren, wonach die gewähl­te Füh­rung der Auf­ga­be der Ver­tei­di­gung der Inter­es­sen und der Unab­hän­gig­keit der Nati­on nicht mehr gewach­sen ist.

Frank­reich also vor einem neu­en Putsch, exakt 50 Jah­re nach der geschei­ter­ten Erhe­bung von 1961? Wohl kaum.

Dar­aus den Schluss zu zie­hen, dass letzt­lich nur eine mili­tä­ri­sche Inter­ven­ti­on und die Errich­tung eines auto­ri­tä­ren Regimes eine Lösung dar­stel­len kön­nen, bleibt aber die Ansicht einer klei­nen Min­der­heit, auch in den Streitkräften.

Man darf ergän­zen: auch im Ras­sem­blem­ent National.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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Kommentare (45)

Laurenz

6. Mai 2021 17:46

(1)

Sahra Wagenknecht erzählt weißgott im Westen nichts Neues. Das ist doch alles seit Schröder/Fischer offensichtlich. Auch ein Meuthen, will, wie Merkel & Koboldbock arme Neger, kniend, unsere Böden putzen sehen, um Aktiengesellschaften reicher zu machen. Wagenknecht führt den Kampf Oskars, aber Wagenknecht sieht einfach besser aus als Oskar, Der Sexus ist immer ein Verkaufs-Argument.

Was die Schotten angeht, so ist das doch eine einfache Geschichte, die SNP wurde längst übernommen. Und die indigenen Nationalisten machen mit, weil alles andere die politische Schlagkraft halbieren würde. Auch die extrem nationalistischen Serben wollen in die EU, die Ukrainer auch, die Frage, wer will in die EU, ist leichter zu beantworten, als die Frage wer nicht? Und dafür gibt es nur einen einzigen Grund: Deutschland. Solange bei uns auch nur ein Centavo zu holen ist, bleibt die EU en vogue. Ein Dexit käme einer Kriegserklärung an ganz EU-Land gleich. Das möge Gott Marx im roten Himmel mit grünen Wolken verbrämt, verhindern. Bei einem Dexit bricht das ganze Kartenhaus EU von einem Tag auf den anderen zusammen.

Laurenz

6. Mai 2021 17:50

(2)

Ihre pensionierten Franzmann-Generäle da, die machen doch nur Papperlapapp. Ein echter Putschist labert nicht, sondern putscht. Hier handelt es sich doch nur um verzweifeltes & haltloses Gequatsche. Marine Le Pen mag das für den Wahlkampf nutzen können, aber mehr bleibt davon nicht übrig.

RMH

6. Mai 2021 18:13

Schotten, ein Volk, welches sich von Engländern hat kolonisieren lassen, will jetzt EU-Kolonie werden.

Im Film Trainspotting (nach dem Buch von Irvine Welsh) sagt ein Akteur dazu das wesentliche:

Trainspotting - Schottland - YouTube

 

Glast

6. Mai 2021 20:24

@RMH

Genau an diese Sequenz musste ich auch augenblicklich denken. 

Fredy

6. Mai 2021 20:59

Schottland ist ohne Whisky nicht zu ertragen. Das ist das ganze Geheimnis des Whiskys.

Und mittlerweile gilt das für die ganze EU.

Waldgaenger aus Schwaben

6. Mai 2021 22:19

Beim erste Referendum wurde von unserer Lückenpresse noch daraufhin gewiesen, dass die EU Schottland wahrscheinlich nicht aufnehmen würde. Wenn nur ein Land dagegen ist, kommt ein Beitritt nicht zustande.

Und Spanien wird wegen Katalonien und den Basken nicht zustimmen, Belgien wegen Flandern, Frankreich wegen Korsika und so weiter. Das Fass, dass allerorts Regionen sich abspalten und als eigenständige Staaten in die EU eintreten wollen, wird die EU nicht aufmachen.

Wahrscheinlich will die EU-Kamerilla Schottland aus GB heraus lösen um GB zu schaden, wird das Land dann aber nicht aufnehmen.

Sekundant

6. Mai 2021 22:30

Werter Laurenz, woher wollen Sie wissen, daß die (extrem nationalistischen) Serben in die EU wollen? Bei meinen jährlichen mehrwöchigen Aufenthalten dort ergaben meine Gespräche mit den Serben bisher Anderes; ungefähr die Hälfte will das, die andere Hälfte nicht. Man verbindet dort, z.B. in Novi Sad, die EU zurecht mit der NATO und hat (noch) nicht vergessen, wer im Frühjahr 1999 Bomben zum Schichtwechsel - damit sich das auch richtig lohnt - nicht nur aufs Dach der Industriebetriebe warf. Kann in einigen Jahren natürlich leider anders ausschauen....

Nordlicht

7. Mai 2021 00:29

Nett, mal von denen auf der anderen Seite der Nordsee etwas zu hören.

Alles, was GB und die EU schwächt, ist mir willkommen.

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Der Brandbrief der Militärs und Polizisten ist verständlich, aber nach der französischen Politik-Struktur ist der Präsident, auch wenn er so eine Weichling wie Macron ist, nicht zu stürzen. Und Frankreich ist zu sehr von der EU abhängig (- via mit deutscher Finanzstütze), dass grundlegende Maßnahmen gegen die muselmanische Machtexpansion nicht zu erwarten sind.. Das EuGH hat nicht nur D, sondern auch F in der Hand. Die Migration wird weiterlaufen, und es wird keine Reduzierung der so reizvollen Sozialleistungen für "Asylbewerber" geben.

Was die Islamisierung mit der ständigen Zuströmen angeht, sind das demokratische Frankreich und das demokratische Deutschland strukturell nicht in der Lage, den Knoten zu durchschlagen. 

Imagine

7. Mai 2021 01:24

Die Frage ist, warum es Le Pen mit ihrer RN gelingt, eine patriotische Sammlungsbewegung jenseits des Links-Rechts-Schemas zu bilden und so etwas in Deutschland nicht möglich ist?

Meine These ist, dass die nationale Rechte in Deutschland nach wie vor noch in vormodernen, tribalistischen Deutungsmustern denkt, also in Abstammungsgemeinschaften und Völkern.

Historisch gab es die Kriege zwischen Stämmen und Völkern. Die Spartaner kämpften gegen die Perser und für die Deutschen waren bis Ende des WKII die Franzosen der „Erbfeind“.

Aber der Jugoslawien-, der Irak-, der Libyen- und der Syrienkrieg waren keine Kriege zwischen Völkern, sondern dort führte die NATO Angriffskriege gegen Systeme und Regimes, die ihren Interessen entgegenstanden.

In der modernen Welt werden Kriege nicht in nationalem Interesse geführt, sondern im Interesse von bestimmten Machtgruppen, meist aus ökonomischen Motiven und zum Zwecke des Erhalt oder der Ausweitung ihrer Herrschaft.
 

Es geht um das Interesse von Klassen, von Unternehmen, von mafiösen Organisationen und Interessengruppen, im Grunde entsprechen diese Kriege von der Grundstruktur den Bandenkriegen, es geht um Ausbeutung, Betrug, Raub sowie System- und Herrschaftserhalt, so es der Soziologe Wolfgang Pohrt in „Brothers in Crime“ ausführte.

Völkische oder rassistische Motive spielen keine oder nur eine nachrangige Rolle.

Imagine

7. Mai 2021 01:25

2/2

Die völkischen Rechten in Deutschland denken in historisch obsoleten völkischen und rassistischen Kategorien.

Tatsächlich sind moderne Gesellschaften hoch arbeitsteilig und in globale Wirtschaftskreisläufe integriert. Alle Großunternehmen sind auf den Weltmarkt ausgerichtet und sie beschäftigen Mitarbeiter aus der ganzen Welt. So hatte beispielsweise Google Schweiz im Jahr 2019 4000 Mitarbeiter aus 75 Nationen.

Sehr deutlich wird der Wandel vor allem im Sport. In Top-Fußballmannschaften finden sich Spieler aus allen Teilen und Nationen dieser Welt. Kein Verein und keine Top-Mannschaft wurde auf einen ausländischen oder andersfarbigen guten Spieler zugunsten eines nicht so guten „Volksgenossen“ verzichten. Das wäre anachronistisch und würde zudem als „rassistisch“ angesehen werden.

Im heutigen Verständnis der Mehrheit der Bevölkerung wird ein völkisches und abstammungsorientiertes Denken nicht als patriotisch und gemeinwohlorientiert angesehen, sondern als anti-humanistisch, nationalistisch und Nazi-affin.

Damit komme ich auf die Eingangsfrage zurück. In Deutschland war die nationale Rechte anti-bürgerlich und anti-liberal, sie kämpfte gegen die Republik und hat nie ihr tribalistisch-rassistisches sowie autoritäres Führer-Denken aufgegeben.

Natürlich ist dieses vormoderne Denken mit linkspatriotischen Positionen völlig inkompatibel. Deshalb kann und wird es in Deutschland keine nationale Sammlungsbewegung geben.

Laurenz

7. Mai 2021 05:55

@RMH

Danke für den Film-Tipp!

https://de.wikipedia.org/wiki/Ewan_McGregor ist vielleicht nicht umsonst ein Hollywood-Stern. Die Nummer in der Pampa der Hochlande kommt jedenfalls gut rüber.

Die Römer sahen jedenfalls Schottland & seine Bewohner als nutzlos an, was so heutzutage nicht mehr ganz stimmt. Schottland besitzt Erdöl & gute Flottenhäfen an strategisch wichtiger Stelle.

Aber ganz richtig ist, der Freiheitsgeist der Schotten ist gebrochen. Robert de Bruce ist auch schon fast 700 Jahre tot. Ich habe in Schottland eine akademische Nichts & einen Neffen. Und die sind, wie der Artikel sagt, grün. Das macht keinen wirklichen Unterschied zu unseren pseudo-grünen Kaschberln hier.

Franz Bettinger

7. Mai 2021 07:13

Off topic? - Als Kind habe ich mir manchmal den Weltuntergang vorgestellt, mit Gott und Gewittern und so, und dass ich zu jener letzten Generation zählen und also nicht sterben, sondern dem letzten Richter lebend zur Beurteilung vorgeführt würde. Das war kein übler Gedanke. Immerhin war man irgendwie auserwählt, zur dieser letzten Mischpoke zu gehören. Ich sah im Beiwohnen und Mit-Gestalten des Weltuntergangs das letzte große, ultimative Abenteuer. Seit kurzem kommt dieser Gedanke zurück und wird immer größer. Er erscheint mir viel weniger unwahrscheinlich als vor 50 Jahren. Die Menschen sind in großer Zahl verrückt und unrettbar geworden. Daran gibt es keinen Zweifel. Auch nicht daran, dass wir von Lügen umstellt sind. Nichts als Verachtung habe ich für diese letzte, denkfaule Generation übrig, die sich sogar mit dem Teufel irgendwie noch arrangieren will. Selbst ein Zurück ins grade noch Normale der Jahre 2001 oder 2014 würde an meiner Verachtung nichts ändern. Denn ich habe sie jetzt kennengelernt, meine Zeitgenossen, und wie erbärmlich sie sind. Vielleicht wird die Fahrt in den Orkus noch ganz nett. Nomaské! 

Gelddrucker

7. Mai 2021 11:52

 @Imagine:

 

Diese Umfrage zeigt wie "völkisch" Europäer trotz jahrezehntelanger Umerziehung denken und widerlegt Ihre These ziemlich eindeutig:

 

https://wewereneverasked.co.uk/survey

 

 

Maiordomus

7. Mai 2021 13:01

@Imagine, der viele hier widersprechen, sieht als Denkerin von Strukturen, vgl. Imagine (1) vieles richtig. Sie kritisiert Denken in "tribalistischen" Deutungsmustern. Letzteres scheint mir kritisierbarer als das auch genannte "Vormoderne", von dem ein Yorck von Wartenburg, ich glaube der aus dem weiland "Widerstand", mal zu bedenken gegeben hat: "Der moderne Mensch, das heisst, der Mensch seit der Renaissance, ist fertig zum Begrabenwerden". Gemeint war zumal der moderne europäische Mann, heute mit der Formel "Alte weisse Männer" denunziert. Dabei bietet aber das Mittelalter, von dem Novalis schwärmte,  nicht gerade eine Alternative. Bin aber bei der Lektüre von Nominalisten (Roger Bacon, Duns Scotus) sowie sogar bei Schriften des Oberschwaben Albertus Magnus (zum Beispiel über das Gewissen, wo bereits alles formuliert ist, was vom gesunden Menschenverstand her klar sein müsste) immer wieder überrascht. Es gab bei uns eine Geburt des Kritischen Denkens ausgerechnet mit arabisch-persischem Einfluss. Nur sind jene damaligen Denker, wie mir ein heutiger Repräsentant der iranischen Schia deutlich sagte, nicht mit dem Islam zu verwechseln, wie heute islamophile Schwätzer annehmen. Die Aufklärung via Averroes erfolgte nicht mit Koran-Zitaten. Dies ist Alberts Schüler Thomas v. Aquin schon aufgefallen. 

Marc_Aurel

7. Mai 2021 13:33

@Benedikt Kaiser
Ist etwas darüber bekannt, wie sich die SNP finanziert, wie sie vernetzt ist, wer dort Idee einspeist? …die Gesinnung dort, kommt sicher nicht von ungefähr…

@Franz Bettinger
Sie haben schon Recht, aber vergessen Sie bei Ihrem Urteil über die „denkfaule Generation“ aber nicht, dass die Manipulationsmaschinerie noch nie so raffiniert war, wie heute. Durch die Auswertung der aus den sozialen Medien gesammelten Daten, kann man ganz wunderbar die Wirksamkeit der Propaganda einschätzen, feinabstimmen und man kann auch sehr dynamisch auf Trendwenden reagieren. Die Reaktion auf politische und/oder mediale Vorstöße ist nach Bevölkerungsschicht, Altersgruppen- und Berufsgruppen, Region etc., auswertbar. Dazu werden die Köpfe permanent aus allen Richtungen mit einem Singsang aus wohlklingenden Schlagworten wie Vielfalt, Toleranz, Weltoffenheit usw., ähnlich den Techniken der „Pick-Up-Community“, eingelullt bis die „guten Menschen“ anfangen sanft mit dem Kopf zu schwingen und ins Lied des Schwarms einzustimmen. Gerade Unbedarfte haften schnell an diesem klebrigen Film und kommen da wohl ohne fremde Hilfe kaum heraus.

Gustav

7. Mai 2021 14:04

@ Franz Bettinger

Du sprichst mir aus dem Herzen. Liebe Grüße an die Golden Bay, einen besonderen Gruß an den Abel Tasman Coast Track, den ich vor dreißig Jahren unsicher gemacht habe!

AmazonBesteller

7. Mai 2021 14:13

@ Benedikt Kaiser

Sehr schöner und präziser Artikel. Mir gefällt, dass Sie sich nicht so leicht einlullen lassen. Vielen Dank.

 

Er bezeichnet etwas, was ich schon als Kind in der Schule erleben musste.

Komischerweise war mir sofort klar um was es geht. Und das als Kind in der 7. Klasse.

Meine Instinkte haben mich nie getäuscht.

Eine Lehrerin wollte, dass wir die deutsche Nationalhymne singen, aufstehen und die rechte Hand aufs Herz legen. Obwohl ich schon als Kind national eingestellt war (ganz natürlich eben), kam mir das verlogen vor. Ich sang also nicht mit und legte die Hand nicht aufs Herz.

Jetzt stand ich da, um mich herum quietschendes Singen. Mal laut, mal leise:

„EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT… hmmm….hmmmm….hmmm…. BLÜHHHHHH IM KLAAAHANZE DIESES GLÜHÜCKES, PLÜH …hmmm…LAND!“

Lehrerin kommt auf mich zu und ermahnt mich mitzusingen. Hätte was mit Anstand und Pflicht zu tun… jeder hier ist deutsch und muss da mitsingen, so ein Lied wirkt da schon verbindend, mit meiner Verweigerungshaltung würde ich andere ausgrenzen.

Letztlich war/ist die Lehrerin eine grüne Überzeugungstäterin. Der Civic-Nationalism ist ja nichts anderes als die totale Umwidmung der Werte und Wörter um uns dann für deren Zwecke einzuspannen. Plötzlich fordert man nationale Solidarität, eine gemeinsame Kraftanstrengung damit man dann endlich selbst abgeschafft ist.

anatol broder

7. Mai 2021 14:26

brigitte woman, 05/2021, gesellschaft

«andrea barie, 63, schult zivilcourage und gibt argumentationstraining. sie ist schulsekretärin aus leidenschaft und hat vier kinder.

***

andrea barie. aussagen, wie ‹ja, ich kann gut verstehen, dass dich das verunsichert oder dass dir das angst macht› sind meist ein guter türöffner.

brigitte woman. ist das nicht gefährlich? wenn man zu viel verständnis zeigt, unterstützt man doch die thesen.

andrea barie. nein. man kann dann trotzdem noch gegenargumente bringen oder zum perspektivwechsel einladen. meine mutter war zum beispiel mal sehr besorgt, als 2015 so viele geflüchtete zu uns kamen. sie dachte allen ernstes, dass man sie wegen ihrer grossen wohnung enteignnen würde. ich habe verständnis für ihre sorge gezeigt, habe ihr aber deutlich machen können, dass diese unbegründet ist, und habe sie gebeten, sich in die lage der geflüchteten hineinzuversetzen: hast du das auch mal anders betrachtet? was würdest du denn machen, wenn du in einem land leben würdest, in dem deine kinder nicht sicher aufwachsen können? da wurde sie nachdenklich.

***

das argumentationstraining gegen stammtischparolen wurde vor über 20 jahren von dem bildungswissenschaftler klaus-peter hufer entwickelt. oft werden die trainings in zusammenarbeit mit landeszentralen für politische bildung oder volkshochschulen angeboten.»

AmazonBesteller

7. Mai 2021 14:32

@ Imagine

Meine These ist, dass die nationale Rechte in Deutschland (...)  in vormodernen, tribalistischen Deutungsmustern denkt, also in Abstammungsgemeinschaften und Völkern.

Ja und? Modern ist nicht immer gleich besser. Außerdem machen das nicht nur Rechte, sondern auch sehr erfolgreiche Religionsgemeinschaften. 

Aber der Jugoslawien-, der Irak-, der Libyen- und der Syrienkrieg waren keine Kriege zwischen Völkern, sondern dort führte die NATO Angriffskriege gegen Systeme und Regimes, die ihren Interessen entgegenstanden.

Ist Ihnen eigentlich klar, dass eben genau das ehem. Jugoslawien, Irak, Libyen, Syrien, Vielvölkerstaaten waren/sind? Diese werden nur durch Diktaturen zusammengehalten. Fällt diese Diktatur weg, brechen automatisch die inneren, ethnischen Konflikte aus. Das ehem. Jugoslawien ist genau in die ethnischen Bruchstücke zerfallen und genau daraus wurden die jetzigen Staaten. In Bosnien und Herzegowina gibt es immer noch ethnische Konflikte. Warum? Weil Serben und Moslems unter einer Regierung leben müssen. Dürfte doch nach Ihrer Theorie kein Problem sein.

In der modernen Welt werden Kriege nicht in nationalem Interesse geführt, sondern im Interesse von bestimmten Machtgruppen, meist aus ökonomischen Motiven und zum Zwecke des Erhalt oder der Ausweitung ihrer Herrschaft.

Auch die Gliederung in ethnische Organisationseinheiten (Nationalstaat) hat ökonomische Ziele. Diese Ziele hängen von den darin lebenden Menschen ab. Ihre Aussage ist trivial. 

Niekisch

7. Mai 2021 15:21

 "für die Deutschen waren bis Ende des WKII die Franzosen der „Erbfeind“."

@ imagine 1:24: So generell - apodiktisch stimmt es nicht. In den 30iger Jahren gab es bereits intensive Kontakte zwischen Veteranen des I. Weltkrieges und Jugendaustausch, wovon ich aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis Kenntnis habe. Übrigens wurde 1945 der Reichstag auch von Angehörigen der "Charlemagne" verteidigt. 

Darf ich Sie fragen, was uns Deutschen noch bleibt, wenn der Weltstaat BRD außer dem Fußball alle restlichen Lebensbereiche durchwebt hat? 

Etwas off-topic schiebe ich dem Artikel von Götz Kubitschek "Deutschland. Aber normal" mit dem Kampfbegriff "Normalisierungspatriotismus" den vielleicht treffenderen Begriff "Deutsche Überlebenspolitk" nach, da "Der_Juergen" mich mit seiner völlig richtigen Lagebeurteilung dazu angeregt hat.

Dieter Rose

7. Mai 2021 15:25

" verrückt und unrettbar", so empfinde ich das auch. Ich frage mich, woher diese Massenbewegung ins Verrückte und Unrettbare rührt.

Dass alles so in die gleiche für uns falsche Richtung läuft. 

Gibt es einen Weltenlenker? In's Falsche?

anatol broder

7. Mai 2021 19:37

venner macht im angeführten gespräch (2010) die rechnung ohne den wirt: «entgegen den vorstellungen der antifaschisten ist der faschismus weder räumlich noch zeitlich übertragbar. eine wiederkehr des faschismus wird es genausowenig geben wie eine neue reformation.»

Eo

7. Mai 2021 20:42

Dieter Rose
7. Mai 2021 15:25

"Gibt es einen Weltenlenker? In's Falsche?"

Wer wejß ?!
Aber im konkreten Fall würde ich eher auf Gottspieler tippen ...

 

Eo

7. Mai 2021 20:51

PS.
Da fällt mir
noch so'n Kalenderspruch ein:

Teuflische Pläne lassen auf teuflische Planer schließen.

https://neue-spryche.blogspot.de/2014/10/teuflische-plane.html

 

 

 

Maiordomus

7. Mai 2021 21:19

@AmazonBesteller: "Schlecht und modern", brachte es Goethe auf den Punkt. Das  Argument "modern" genügt überhaupt nicht, auch wenn ich @Imagine bezüglich ihrer Kritik des "Tribalismus" recht geben muss; selbst wenn dies, wie immer in der Logik, nicht auch schon die Richtigkeit des Gegenteils beweist, den universalistischen Weltstaat, wobei ich dessen Ablehnung, wie hier mehrmals festgehalten, nicht mit dem philosophischen Universalismus bzw. dem Universalienproblem verwechselt haben wollte. Es gab im Einzelfall vernünftige Platoniker so wie es verhängnisvolle Vorschläge auch von Nominalisten gab. So wie es eine Hegelsche Rechte und eine Hegelsche Linke gab, welch letztere nicht vollständig, nur teilweise, im Marxismus und Neomarxismus aufgegangen ist. Unter den Hegelschen Rechten war z.B. der Deutsche Friedrich Albert Lange nicht nur theoretisch, als Mitglied des Verfassungsrates des Kantons Zürich (1868/69), sogar praktisch für eine radikal dezisionistische direkte Demokratie, sogar für Volksabstimmungen über alle Gesetze, was auf kleinstaatlicher Ebene praktikabel ist, das Gegenteil von Weltgeist-Rechthaberei.  

Imagine

7. Mai 2021 22:10

@Maiordomus  7. Mai 2021 13:01
„Sie kritisiert Denken in "tribalistischen" Deutungsmustern. Letzteres scheint mir kritisierbarer als das auch genannte "Vormoderne" …“

„Vormodern“ meint vor-bürgerlich.

Das bürgerliche Denken durchbricht auf gesellschaftlicher Ebene das Abstammungsprinzip und damit auch die durch Geburt vorgegebene feudale Hierarchie, die sich in Ständen organisiert.

Die bürgerliche Gesellschaft ist keine Abstammungsnation mehr, sondern ist eine Willensnation aus freien und gleichen Bürgern auf Basis von „LIBERTE EGALITE FRATERNITE“ (vgl. Gesellschaftsvertrag).

Die bürgerliche Gesellschaft stellt eine neue Evolutionsstufe der Menschheit dar:

Die vorbürgerlichen, religiös-gläubigen Menschen waren noch in einem infantilen Stadium (vgl. OESTERDIEKHOFF).

Das völkische Verständnis von Nation als Abstammungsgemeinschaft steht im Widerspruch zum bürgerlichen. Es handelt sich um unterschiedliche Stufen menschlicher Evolution.

Der vorbürgerliche Mensch – und dies ist der psychische Entwicklungsstand der Massen - braucht die Führung und die Führer. Er ist deshalb anti-liberal und anti-bürgerlich. Er erreicht nicht die Stufe individueller Autonomie und benötigt die autoritäre Ordnung zur Orientierung und zur Verhaltensstabilität. Insofern ist Arnold Gehlen zuzustimmen.

links ist wo der daumen rechts ist

7. Mai 2021 23:20

Normalisierung 1

 

Schade, daß der „Normalisierungspatriotismus“-Strang gleich wieder abgedreht wurde (mit den Schotten sind wir ja nicht weit vom Thema entfernt).

Die Crux besteht darin, daß im Verlauf der 90er tatsächlich ein Normalisierungsdiskurs stattfand, in dem ein neutraler „Normalisierungspatriotismus“ zwischen den Kampfbegriffen „Normalisierungsnationalismus“ und „Verfassungspatriotismus“ durchaus seinen Platz hatte.

Was dann Ende der 90er versäumt wurde, war der Brückenschlag zwischen rechtem Regio-Nationalismus und linker Globalisierungskritik. Es hätte sich eine ähnlich einheitliche Ablehnungsfront der Vernünftigen gegen einen wildgewordenen Wirtschaftsliberalismus bilden können wie weiland 1914.

Während die einen von ihrer „Wiedervereinigungsfreude“ in einen veritablen Katzenjammer taumelten, wurden die anderen Steigbügelhalter für einen rot-grün getarnten Neoliberalismus. Betrogen waren beide. Und Gauweiler und Lafontaine noch Gegner.

Was heute nottäte:

Ein Burgfriede wie 1914.

Die C-Krise trennt endlich die Spreu vom Weizen, man weiß nun, wer wie tickt. Burgfriede heißt aber v.a. Zurückhaltung, wenn sich die Gegenseite offenbart. Dann da tut sich ein Normalisierungskorridor auf, und das ist das beste, was auf dem Weg einer allgemeinen Normalisierung passieren kann. 

Danach dann kommen altbekannte Themen wie Heimat, Nation, Muttersprache, Tradition auf den Tisch – und deren Hege und Pflege.

Franz Bettinger

7. Mai 2021 23:57

@Nordlicht: Mit Mikado-Stäbchen als Brecheisen versuchen einige Unentwegte (wie Dr. Fuellmich) das Kartenhaus der Erzgauner zum Einsturz zu bringen; aber der Gordische Knoten, der uns (per EuGH, EU…) knebelt, ist nicht demokratisch zu lösen; wohl nur auf die Art Alexanders. 

Franz Bettinger

8. Mai 2021 00:07

@Imagine: Ich wundere mich immer wieder über Sie. Sie sind ein guter 100m-Läufer und kommen doch immer als letzter an. Es liegt daran, dass Sie diese Eisenkugel am Fußgelenk mit sich rumtragen. Bedauerlich, so ein Ballast.

Franz Bettinger

8. Mai 2021 01:04

@Analto Broder glaubt: "Entgegen den Vorstellungen der (Antifa) Linksgrünen ist der Faschismus nicht in unsere Zeit übertragbar. Eine Wiederkehr der faschistischen Idee wird es so wenig geben wie eine neue Reformation. Das sind abgelaufene Epochen. Finito.“

Ich bin mir da bei beidem (sic) nicht sicher. Sehen wir nicht gerade schwarze Schimmel kotzen? Dinge, die wir für nie mehr vorstellbar hielten? Sind Gulags, KZs, Maoistische Umerziehungslager, ja eine Maoistische Kulturrevolution mit all ihren Abscheulichkeiten heute oder morgen wirklich nicht vorstellbar? Doch, ich kann mir das gut vorstellen. Ich glaube gar, dass es so kommen wird. Und wie immer wird „für ein höheres Gut“, "für die Menschheit", „nur zum Besten aller“ denunziert, benachteiligt, weggesperrt, gefoltert und gemordet werden. Mit weniger als diesem hohen Anspruch lassen sich Kapital-Verbrechen dieser Größenordnung nicht machen; und es wird wieder die Linke sein, die sie begeht.

Franz Bettinger

8. Mai 2021 01:17

@Dieter Rose fragt "Gibt es einen Weltenlenker? Ins Falsche?“ - Bis vor kurzem hatte ich darauf keine Antwort. Denn besteht der deep state nicht vorwiegend aus Weißen? Nun antworte ich: „Ja, es gibt ihn, diesen (jenseitigen) Weltuntergangs-Lenker, und die Satanisten sind dessen Wegbereiter.

@Gustav: Sind Sie zufällig jener, mit dem wir vor 30 Jahren zum Erstaunen der prüden Briten + Kiwis, weil wir nicht warten wollten, bei ablaufender, aber immer noch hoher Tide nackt durch das noch nabelhohe Awaroa Inlet gewatet sind? Ach, waren das Zeiten! Falls ja, kontaktieren Sie mich! Wär ja doll. 

anatol broder

8. Mai 2021 14:24

@ franz bettinger

ich merke eine phasen­verschiebung. dein not­fall­koffer scheint heute ganz schön mit­teilungs­bedürftig zu sein. sobald wieder ruhe im karton herrscht, hörst du auch fremde stimmen:

dominique venner über die faschistische phase;

rene descartes über die dämonische phase;

sigmund freud über die anale phase.

Imagine

8. Mai 2021 15:51

Leider argumentiert B. Kaiser in diesem Artikel nicht sozialwissenschaftlich, sondern parteipolitisch im Sinne der AfD, die in ihrem Wahlprogramm den Austritt aus der EU fordert.

Denn tatsächlich ist der politische Spielraum der einzelnen EU-Staaten weitaus größer, als es Politik und Medien in der BRD suggerieren.

In der BRD spielt die Merkel-Regierung „über Bande“: In Geheimverhandlungen werden von Merkel & Co. auf EU-Ebene vorvertragliche Vereinbarungen getroffen. Danach wird verkündet, „die EU habe beschlossen“. Diese Beschlüsse werden zu Gesetzesvorlagen. die vom Parlament, das aus Ja-Sagern und Abnickern besteht, durchgewinkt.

Durch dieses Spiel „über Bande“ wird der Eindruck erweckt, die EU habe dies beschlossen und die nationalen Parlamente hätten keine andere Wahl, als diese Beschlüsse in Gesetze umzusetzen.

Jedoch besitzen in der EU die Parlamente nach wie vor in entscheidenden Fragen weitgehende nationalstaatliche Souveränität, Das zeigt sich z.B. in den unterschiedlichen Höhen der Mindestlöhne, die in fünf anderen EU-Staaten höher als in der BRD sind, oder an einer anderen Migrationspolitik mit anderen Reglungen usw.

Insofern ist objektiv festzustellen, dass Schottland bei einem Austritt aus dem U.K. an nationaler Souveränität gewinnen würde.

Gracchus

8. Mai 2021 21:03

Die Frage von @imagine, den @maiordomus für ein weibliches Wesen erachtet, ist berechtigt. Wenn in konservativen Kreisen die bürgerliche Gesellschaft heraufbeschworen wird, sollte man sich fragen, ob das mit den eigenen Zielen einer - ich nenn's mal so - Kulturrechten vereinbar ist; zu fragen ist also, ob man's bei den Bürgerlichen nicht eigentlich mit den Kulturverwesern zu tun hat. Kommt Kultur von Ackerbau und - so könnte man sagen - und bezeichnet etwas, was den Alltag prägt und durchdringt, und hochkulturelle Schöpfungen diesen Ursprung oder Humus keineswegs verleugnen, sind Erwerbsleben und Kultur beim Bürger getrennt. Kultur ist für ihn etwas Äusserliches, ein Freizeitvergnügen, und oft genug ein zu anstrengendes. 

Wenn nun in der großen Krise, Kultur als nicht systemrelevant eingestuft, sagt dies kein Barbar, sondern der Bürger.

Gracchus

8. Mai 2021 21:30

Der Bürger ist eben der Knecht, dem der Erhalt seines Lebens das höchste Gut ist (dagegen Schiller: Das Leben ist der Güter höchstes nicht). 

Zwar gab es, weil der Bürger eben auch nicht glauben oder beten kann, kunstreligiöse Anwandlungen, diese wirken auch noch heute nach, aber wiederum verschwiemelt - "Bayreuth"; entgegen Walter Benjamin lebt die gegenwärtige Kunst von Ausnahmen abgesehen von dieser quasireligiösen Aura, ohne noch grosse Werke hervorzubringen, die dergleichen rechtfertigten - oder ohne Bewusstsein, ja geradezu lächerlich, wenn kulturindustrielle Produkte mit offenkundiger Gewinnerzielungsabsicht als (Pop-)Stars bezeichnet werden. 

Die bürgerlichen Feuilletons - jetzt Kulturteil geheißen - sind ganz in ihrem Element, wenn sie Trash-TV oder den Tatort behandeln; es ist immer verstörend, durch diese Seiten zu scrollen. Alles ist gleich. So differenziert wie ein PCR-Test, der anschlagen kann, ob derjenige nun im Koma liegt oder gerade quitschfidel durch die Gegend läuft. 

Imagine

9. Mai 2021 08:49

1/3
@Franz Bettinger   7. Mai 2021 23:57
Mit Mikado-Stäbchen als Brecheisen versuchen einige Unentwegte (wie Dr. Fuellmich) das Kartenhaus der Erzgauner zum Einsturz zu bringen; aber der Gordische Knoten, der uns (per EuGH, EU…) knebelt, ist nicht demokratisch zu lösen; wohl nur auf die Art Alexanders.

Rechte haben generell eine Affinität zur Lösungen mittels physischer Gewalt, selten bringen sie wirklich hochintelligente Lösungen hervor. Daher auch die Affinität der Rechten zu Militär, zu Waffen und physischer körperlicher Überlegenheit.

Aber so funktionieren moderne Gesellschaften nicht mehr. Offene physische Gewalt ist hier die Ausnahme.

Hingegen hatten die Nazis noch einen eigenen Militär- und Terrorapparat, nämlich die SA, ein Millionenheer, bestehend aus weltkriegserfahren Soldaten und Offizieren. Damals waren die Menschen auf absoluten Gehorsam und blinde Befehlsausführung konditioniert.

Das ist heute anders. Die Gesellschaft hat sich liberalisiert. Die Menschen sind konsumverwöhnt und verweichlicht. Polizisten und Soldaten verstehen sich als „Bürger in Uniform“, die wollen keinen Bürgerkrieg.

Moderne Systemsteuerung basiert nicht mehr auf primitiver Gewalt wie im Mittelalter oder in offensichtlichen Diktaturen. Sondern das Verhalten der Menschen wird mit Informationen, mit Psychologie und Rechtskonstruktionen manipuliert.

 

Imagine

9. Mai 2021 08:49

Die Thinktanks der herrschenden Klasse bestehen aus einer Elite von Wissenschaftlern, alles Spitzenleute, viele Nobelpreisträger sind dabei. Die entwerfen die Strategien und machen die „hidden Plans“. Die Ausführenden in Politik und Medien sind  korrupte, intellektuell mittelmäßige Figuren. Die werden – meist unbewusst - wie Marionetten gesteuert.

Die Gesetze werden von Starjuristen im Sold der großen Unternehmen und der Superreichen gemacht, in die Bürokratie eingebracht und von den Ja-Sagern und Abnickern in den Parlamenten durchgewinkt. Häufig wissen die „Volksvertreter“ gar nicht, worum es sich handelt. Das Abstimmungsverhalten wird von den Parteiführungen, insbesondere von den Fraktionsvorsitzenden, vorgegeben. Wer nicht mitmacht, in den Parteien nicht mehr auf einen Listenplatz, was das Ende seines privilegierten Jobs ist. Und in den Medien werden sie als „Abweichler“ diskriminiert.

Martin Luther King warnte: „Never forget that everything Hitler did in Germany was legal.”:

Es ist die Aufgabe einer freiheitlichen Opposition, die Schein-Legitimität  formal-legal zustanden gekommener Gesetze, wie z.B. des Infektionsschutzgesetzes mit seinen Grundrechts- und Freiheitseinschränkungen, in Frage zu stellen.
Ein Musterbeispiel dafür sind die Ausführungen von Prof. Murswiek dazu (s. Video 51 des Corona-Ausschusses ab 2:04:20).

 

Imagine

9. Mai 2021 08:50

3/3
Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder sind die zivilisatorischen Kräfte in der Gesellschaft noch stark genug, um dem Rechtsstaatsverlust entgegenzuwirken oder es kommt zu einer erneuten Zivilisationskatastrophe mit Barbarei, wie es diese wiederholt im letzten Jahrhundert gab.

Gelingt der „Great Rest“ mit der Etablierung eines faschistischen System neuen Typs, dann ist es mit Rechtsstaatlichkeit, individuellen Freiheitsrechten und der liberalen Gesellschaft vorbei.

Dann entsteht ein System einer totalitären Terrorherrschaft mit extremem Konformitätsdruck.

Doch der Sieg der „Systemerhalter“ wird nicht ewig währen.

Denn in der Evolutionsgeschichte der Menschheit haben sich langfristig immer die überlegenen polit-ökonomischen Systeme durchgesetzt. Das kapitalistische System war der Subsistenzökonomie überlegen. der Liberalismus den Formen mittelalterlicher Herrschaft. So ist die Frauenemanzipation selbst in finstersten Gottesstaaten von den Klerikalfaschisten nicht aufzuhalten.

 

Niekisch

9. Mai 2021 18:24

"Damals waren die Menschen auf absoluten Gehorsam und blinde Befehlsausführung konditioniert."

@ imagine 8: 49: Das trifft auf die Wehrmacht nicht zu. Jeder Fachmann bestätigt, dass das deutsche Militär zumindest ab 1943 auf flexible Kampfführung weitgehend autonom agierender Kleinkampfgruppen ausgerichtet war, weswegen zumindest die Bodentruppen weit effektiver kämpften als die der alliierten Kreuzzügler.

Franz Bettinger

10. Mai 2021 08:21

Nach dem WW2 wurde eine gigantische Lügenindustrie entwickelt, welche u. a. die Politiker der NATO in der neuen hohen Kunst der Volksverdummung ausbildete. Denn das Volk konnte die Lügen nur fressen, wenn es entsprechend verblödete. Die Verblödung des Volkes war eine große Herausforderung, aber, wie man heute sieht, hat das großartig geklappt. Und jetzt, heute, haben die Mächtigen der Welt beschlossen, das letzte Kapitel einzuläuten. Mit der größten Lügen-Geschichte aller Zeiten, der Corona-Pandemie. Man musste aber wie in einem echten Krieg unbedingt erst einmal Chaos schaffen. Da wir momentan diese Situation erleben, kann man davon ausgehen, dass uns nach der gigantische Corona-Lüge gigantische Veränderungen bevorstehen. Nach über einem Jahr Corona müsste doch selbst dem Ahnungslosesten auffallen, dass wir mit den größten Absurditäten zu unbedingtem Gehorsam erzogen werden. C ist ein Dressurakt. Es ist erschreckend, Zeuge dieses Wahns zu werden. Wer die Lüge nicht zu durchschauen in der Lage ist, ist der überhaupt noch ernstzunehmen? Wir reden auch von Doktoren, Professoren + Hochgebildeten, die vor nackten Königen in die Knie gehen. Diese geistigen Armleuchter, sie kapitulierten einfach. Sie, unser aller Hoffnung, sie ließen die ganze Gesellschaft im Stich! Ja, auch Sloterdijk und Enzensberger zähle ich dazu. Mehr dazu von unserem Freund Hans-Jürgen Geese. Nomaské.

links ist wo der daumen rechts ist

10. Mai 2021 09:58

Normalisierung 2

 

@ Niekisch

Das Thema Wehrmacht wird uns nicht ausgehen, keine Bange.

Empfehle dazu wieder einmal das relativ ausgewogene Standardwerk von Philippe Masson, Die deutsche Armee. Geschichte der Wehrmacht 1935-1945.

Und: Hört den Zeitzeugen zu (dazu ist Youtube gerade gut genug).

Apropos:

Nachgetragen zum 8. Mai, als dieses Video eingestellt wurde, und eine nachträgliche Sonntagheldin, die damals ca. 98jährige Paula Krupp, die die Bombardierung Hamburgs in einem Gartenhäuschen überlebt hat. Ihr Verlobter fiel 1944 24jährig – und sie berichtet, wie sie ihm in Gedanken „jetzt immer noch“ erzählt, „was er alles nicht mehr hat erleben können“.

https://www.youtube.com/watch?v=PJrqF4FMszE  (5:42, 17:40, 42:00 u.a.)

Eine ruhige, gelassene Dokumentation. Fast eine Spur von Johann Peter Hebel.

So geht Normalisierung.

Und das genaue Gegenteil zu diesem ewigen schmallippigen Aufrechnen, Anschwärzen, „Aufdecken“, Zündeln, Bürgerkrieg-Spielen (das man ja sonst gern am Gegner verachtet) wie hier:

https://www.klonovsky.de/2021/05/haltungsjournalismus-live-mitgeschnitten/

Imagine

10. Mai 2021 11:16

„Nun ist es so weit: Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat einen neuen Phänomenbereich mit dem Namen „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ eingerichtet. Innerhalb dieses Bereichs gibt es als erstes Sammelbeobachtungsobjekt „Demokratiefeindliche und/oder sicherheitsgefährdende Delegitimierung des Staates“, dem die relevanten Akteure aus der „Querdenker“-Szene zugeordnet werden. Wie viele Menschen in diese neue Kategorie fallen, ist noch unklar.“ (FAZ 28.4.2021).

Kritik am Regierungshandeln wird als „demokratiefeindliche und/oder sicherheitsgefährdende Delegitimierung des Staates“ klassifiziert.

Der kritische mündige Bürger wird so zum Demokratie- und Verfassungsfeind gemacht.

Die Gesellschaft ist kollektiv im „Drei Affen-Modus“. Die wirklich relevanten Zukunftsfragen werden in der Öffentlichkeit nicht mehr thematisiert und diskutiert, nur Oberflächenphänomene.

Aber auch durch einen modernen Faschismus 2.0 werden die Systemerhalter allerhöchstens Zeit gewinnen, aber sie werden ihr historisch antiquiertes System in der Systemkonkurrenz auf Dauer nicht halten können.

Franz Bettinger

10. Mai 2021 14:00

Potpourri:

Wer sich eine Maske anzieht, zeigt sein wahres Gesicht. 
Wer Logik im Chaos sucht, ist auf einem einsamen Posten. 
Es steht geschrieben An ihren Taten wird man sie erkennen
Schwarm-Intelligenz ist selten, Schwarm-Dummheit häufig!

Ach, wie viele Freunde sind alt geworden, aber nicht erwachsen. 
Wer zu viel Logik im Chaos sucht, ist auf einem einsamen Posten.
Lieber einen Castor im VorGarten als einen Grünen im Kanzleramt. 
Wenn Ungeimpfte Geimpfte gefährden, wozu hilft dann die Impfung?
Die Lüge wird mit der Wahrheit kaum einen gepflegten Dialog führen. 
Welche Verschwörungstheorie ist eigentlich noch nicht wahr geworden?
Das Establishment exekutiert die Grüne Forderung Deutschland verrecke!
Das Schlimmste in einem 3-wöchigen Lockdown sind die ersten 6 Monate. 
Beginne mit einem Erdbeben, und steigere allmählich. Monika Hausamman. 
Die Linken kommen sich vor wie Stauffenberg, wenn sie AfD-Rentner anpöbeln. 
Es wird geimpft, als gäbe es kein Morgen mehr. Für Geimpften trifft das sogar zu.

qvc1753

10. Mai 2021 14:23

Nur ein paar Anmerkungen zum Thema Schottland: 
​​​​​Der schottische Nationalismus hat deutlich andere historische Quellen als in anderen Ländern. Im Kern ist es der Erhalt dessen, was man durch die englische Übermacht innerhalb der bestehenden Verfassung in Gefahr sieht. Dies ist nach dem Verständnis nur im Gegensatz zum Ansatz der Konservativen zu sehen, die in Schottland eben als englisch dominiert verstanden werden. Und die Konservativen vertreten Ansichten, die in Schottland nicht mehrheitsfähig sind.
Damit versteht man das "Eigene" als etwas, das sich nur im Kontrast zu England erhalten lässt. 
Kernproblem ist, das die gegenwärtige Verfassung einerseits den Randnationen (aber eben nicht England) signifikante Selbstverwaltungsrechte zubilligt - aber es keine Ebene gibt in der die Randnationen - analog zu einem Bundesrat oder Senat - ihre Interessen äußern können.
Nationales Interesse in Schottland ist eben eine enge Anbindung an Europa, eine egalitäre Sozialpolitik und die Betonung der eigenen Traditionen. Und diese Traditionen sind meist so, das sie schneller Fremdes integrieren als anderswo.  

Laurenz

14. Mai 2021 01:51

@Anatol Broder @Franz Bettinger

Und Anatol Broder über die nasale Phase.