Der Cant

PDF der Druckfassung aus Sezession 95/ April 2020

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Vor­wür­fe, die sich poli­ti­sche Geg­ner an den Kopf wer­fen, muß man in der Regel nicht ernst neh­men. Das hat ver­schie­de­ne Grün­de, von denen der offen­sicht­lichs­te ist, daß die­se Vor­wür­fe jeden tref­fen und von jedem erho­ben wer­den kön­nen. Ein Bei­spiel wäre die Unter­stel­lung, die jeweils ande­re Sei­te habe ein Inter­es­se an der »Spal­tung« der Gesell­schaft und arbei­te an ihrer Ver­tie­fung. Im Gegen­zug gibt aber jeder poli­ti­sche Akteur vor, die­se Spal­tung gera­de ver­hin­dern zu wol­len. Der Vor­wurf ist also aus-tausch­bar und ver­fängt im Grun­de nur bei den­je­ni­gen, die schon vor­her davon über­zeugt waren, daß er zutrifft.
Ein ande­rer Grund für die Uner­heb­lich­keit sol­cher Gefech­te liegt dar­in, daß es sich bei den Vor­wür­fen meist um Wort­hül­sen han­delt, was es unmög­lich macht, ihre Gül­tig­keit zu über­prü­fen. Das trifft ide­al­ty­pisch auf den Vor­wurf der »Heu­che­lei« zu. Er unter­stellt, daß der Geg­ner etwas ande­res sagt, als er tut oder eigent­lich tun möch­te, daß er also Was­ser pre­digt und Wein trinkt. Heu­che­lei bedeu­tet, daß er wil­lent­lich täuscht, daß er eigent­lich weiß, daß falsch ist, was er behaup­tet. Das Pro­blem der Heu­che­lei ist damit im Grun­de kein inne­res, son­dern ein äuße­res. Im Innern kann man durch­aus wis­sen, daß das, was man behaup­tet, falsch ist. Wich­tig für die Heu­che­lei ist der äuße­re Ein­druck, auf ihn kommt es an, da man den Geg­ner (oder auch sei­ne Anhän­ger) täu­schen will.
Der­je­ni­ge, der heu­chelt, wird das nicht zuge­ben – sein Manö­ver wäre dann ja sinn­los. Gegen den wirk­li­chen oder ver­meint­li­chen Heuch­ler erhebt sich der Vor­wurf der Heu­che­lei, der in der Regel sei­nen Aus­gangs­punkt in der (behaup­te­ten) Dif­fe­renz zwi­schen Sagen und Tun hat. Jemand sagt bei­spiels­wei­se, daß die AfD ihre Zustim­mung zur frei­heit­li­chen demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung nur heu­che­le, weil sie in Wirk­lich­keit genau die­se Ord­nung abschaf­fen wol­le. Das kön­ne sie nur nicht offen behaup­ten, weil ihr dann ein Ver­bots­ver­fah­ren dro­he. Hier nun fehlt die­se Dif­fe­renz zwi­schen Sagen und Tun, wes­halb sich der Vor­wer­fer mit Wort­klau­be­rei­en behel­fen muß, bei denen er die Wor­te will­kür­lich in einen Zusam­men­hang stel­len kann, um den gewünsch­ten Effekt zuer­zie­len. Anders gela­gert ist der Fall, wenn ein soge­nann­ter Auf­schrei durch das Land geht, wenn ein Poli­ti­ker der Alt­par­tei­en bedroht wird und gleich­zei­tig die Tat­sa­che, daß AfD-Poli­ti­ker regel­mä­ßig Angrif­fen auf Leib und Leben aus­ge­setzt sind, bei den­sel­ben Leu­ten zu kei­ner­lei Reak­ti­on führt. Hier sorgt die Her­ein­nah­me der Moral dafür, die größ­ten Wider­sprü­che ver­schwin­den zu las­sen. Auch hier ist Heu­che­lei nicht in jedem Fall gege­ben. Die­ser Tat­be­stand setz­te Ein­sicht in das Miß­ver­hält­nis vor­aus. Wenn der lin­ke Poli­ti­ker die Auf­nah­me »aller« »Flücht­lin­ge« for­der­te, sei­ne eige­ne Woh­nung aber nicht zur Ver­fü­gung stellt, so ist das zwei­fel­los Heu­che­lei, in dem Sin­ne, daß objek­tiv ein Wider­spruch besteht, der aller­dings sub­jek­tiv gar nicht mehr emp­fun­den wird, weil der Zusam­men­hang von Sagen und Tun mora­lisch ver­wischt wird. Die Anwen­dung der höhe­ren Moral auf das Ziel des Sagens recht­fer­tigt das Tun und ver­deckt die Dif­fe­renz. Die Heu­che­lei wird hier habituell.
Bei der Auf­lö­sung die­ses Sach­ver­halts ist ein Blick in die Geschich­te einer bestimm­ten Wort­bil­dung hilf­reich, weil sie zeigt, daß Heu­che­lei nichts mit rech­ter oder lin­ker Gesin­nung zu tun hat, son­dern mit mora­li­scher Ver­kom­men­heit, die auf allen Sei­ten ziem­lich gleich ver­teilt sein dürf­te. Der klas­si­sche Heuch­ler des 19. Jahr­hun­derts war nicht der Lin­ke, son­dern inner­halb Deutsch­lands der »Spie­ßer«, und inter­na­tio­nal der Bri­te. Nietz­sche mein­te auch kei­ne Lin­ken, als er im Zara­thus­tra den »Heuch­ler« beschrieb, son­dern jeman­den, der sich selbst belügt. Die Heu­che­lei des Spie­ßers par­odier­te Gus­tav Mey­rinck in sei­nem Wun­der­horn als klas­sen­lo­sen Selbst­be­trug, bei dem mehr dem Schein als dem Sein ent­spre­chend gelebt wird. Vor allem aber über die Kari­ka­tur des Unter­tan von Hein­rich Mann ist die Tat­sa­che, daß als welt­größ­te Heuch­ler ein­mal die Bri­ten gal­ten, etwas in Ver­ges­sen­heit gera­ten. Es geht um den Cant, der ein­mal als spe­zi­el­le bri­ti­sche Art der Heu­che­lei galt (heu­te sagen die Bri­ten zum Heuch­ler hypo­cri­te), die man ent­rät­seln und vor allem ent­lar­ven muß­te, wenn man dem Welt­macht­an­spruch der Bri­ten ent­ge­gen­tre­ten wollte.
Ursäch­lich für die­se Fixie­rung auf die Bri­ten war einer­seits das deut­sche Min­der­wer­tig­keits­ge­fühl, das am Bri­ten die Ver­schla­gen­heit bewun­der­te, mit der er die schreck­lichs­ten Ver­bre­chen recht­fer­tig­te und damit durch­kam. Ande­rer­seits sehen wir den deut­schen Hang zur Grund­sätz­lich­keit, der wie stau­nend vor die­ser Ver­lo­gen­heit steht, mit der jedes Tun zum eige­nen Vor­teil schön­ge­re­det wird. Als ers­ter bekann­ter Zeu­ge tritt uns Theo­dor Fon­ta­ne ent­ge­gen, der in den 1850er Jah­ren als Kor­re­spon­dent in Lon­don leb­te und Land und Leu­te ziem­lich gut kann­te. Fon­ta­ne war der Begriff Cant selbst noch unbe­kannt, aber er bemerk­te bereits 1852 als Unter­schied zwi­schen Deutsch­land und Eng­land, daß es in letz­te­rem nie auf den Inhalt, aber immer auf die Form ankommt: »Du brauchst nicht recht zu haben; du mußt nur inner­halb der Form des Rechts dich befin­den, und du hast recht.« Gemeint ist eine von Äußer­lich­kei­ten über­deck­te Form der Prin­zi­pi­en­lo­sig­keit, die man für Ober­fläch­lich­keit hal­ten könn­te, wenn dar­aus nicht Kon­se­quen­zen erwach­sen würden.
In sei­nen Berich­ten für die preu­ßi­sche Pres­se kom­men­tier­te Fon­ta­ne regel­mä­ßig die bri­ti­schen Blät­ter. Über ein von ihm als beson­ders dras­tisch emp­fun­de­nes Bei­spiel berich­tet er am 14. März 1857 in der Neu­en Preu­ßi­schen (Kreuz-)Zeitung, bei dem es um den Opi­um­han­del in Chi­na geht, der im Par­la­ment ange­pran­gert wur­de. Da die­ser (um des­sen Lega­li­sie­rung zwei Krie­ge geführt wur­den) gro­ße Gewin­ne erwirt­schaf­tet, mit denen die begehr­ten chi­ne­si­schen Güter Sei­de und Tee bezahlt wer­den, dür­fen mora­li­sche Erwä­gun­gen kei­ne Rol­le spie­len. Im Gegen­teil: Der Opi­um­schmug­gel wird von der Pres­se als das eigent­li­che Pro­blem mar­kiert, das auf die Selbst­sucht der Chi­ne­sen zurück­zu­füh­ren sei, die sich wei­gern, ihren Markt voll­stän­dig für Eng­land zu öff­nen. Fon­ta­ne bezeich­net den ent­spre­chen­den Arti­kel als »dumm­pfif­fig«, der für die »selbst­süch­tig-bor­nier­te Majo­ri­tät« geschrie­ben sei. Was ihn am meis­ten empö­re, »das ist die schnö­de, fre­che Rechts­ver­dre­he­rei, die sich weiß­wa­schen und dem unschul­di­gen Teil die Schuld in die Schuh schie­ben will«. Welch star­ke Nach­wir­kun­gen die­se Bekannt­schaft mit dem eng­li­schen Cant hat­te, geht schon dar­aus her­vor, daß Fon­ta­ne noch im Stech­lin einem Pas­tor den bekann­ten Satz »sie sagen ›Chris­tus‹ und mei­nen Kat­tun« über die Eng­län­der in den Mund legt.
Der Begriff Cant scheint auch in Groß­bri­tan­ni­en erst gebräuch­lich gewor­den zu sein, nach­dem er durch Sid­ney Whit­man 1887 sei­ne ers­te sys­te­ma­ti­sche Dar­stel­lung erhal­ten hat­te. Es wird bereits ein Jahr spä­ter in der natio­nal-libe­ra­len Zeit­schrift Die Grenz­bo­ten aus­führ­lich dem deut­schen Publi­kum vor­ge­stellt, womit der Cant zumin­dest in die poli­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung ein­ge­führt war. Er wird dort schon in einer Wei­se defi­niert, daß zwar sei­ne schärfs­te Aus­prä­gung bei den Bri­ten zu fin­den sei, die Tat­sa­che als sol­che sich aber leicht ver­all­ge­mei­nern las­se. Cant ist dem­nach die Kunst, die Din­ge so schei­nen zu las­sen, wie sie nicht sind. Die­se Kunst sei für die See­le töd­lich, weil sie schnell über das Sta­di­um der bewuß­ten Lüge hin­aus zum Glau­ben der eige­nen Wahn­vor­stel­lun­gen und damit zu einem Zustand führt, in dem man »auf­rich­tig unauf­rich­tig« ist.
Daß aus die­sem Auf­tau­chen des Begriffs eine Kon­junk­tur wur­de, kann man nicht gera­de behaup­ten. Selbst Max Weber, der die (im Fall der Eng­län­der) im Puri­ta­nis­mus lie­gen­den Grund­la­gen (der Begriff selbst lei­tet sich von can­tus her, hier ver­stan­den als bigot­tes Geplär­re) für die­se Geis­tes­hal­tung auf­ge­deckt hat, benutzt ihn, soweit ich sehe, nur aus­nahms­wei­se. Das änder­te sich erst mit Beginn des Krie­ges 1914, als deut­lich wur­de, daß an die­sem Vor­ur­teil durch­aus etwas dran ist. Anstoß gab die Heu­che­lei um das neu­tra­le Bel­gi­en, in das die Deut­schen ein­mar­schier­ten, was die Eng­län­der zu schärfs­ten Pro­tes­ten und Ankla­gen nutz­ten, obwohl sie selbst Bel­gi­en durch­aus nicht als neu­tral betrach­tet hat­ten. Durch die all­ge­mei­ne Auf­wal­lung fand sich der Cant vor allem auch in Sati­re-Zeit­schrif­ten wie­der. Aber auch die geis­ti­ge Mobil­ma­chung nutz­te den Begriff gern, wenn es dar­um ging, die Paro­le »Gott stra­fe Eng­land« zu begrün­den. Wir fin­den den Begriff aus­drück­lich bei so berühm­ten Leu­ten wie Fer­di­nand Tön­nies oder Max Sche­ler, aber auch dem Sinn nach in Wer­ner Som­barts pro­gram­ma­ti­scher Schrift Händ­ler und Helden.
Klar war, daß die Umstän­de der Nie­der­la­ge im Ers­ten Welt­krieg und die anschlie­ßen­de Demü­ti­gung Deutsch­lands in Ver­sailles nicht gera­de dazu bei­getra­gen haben, das Bild von Eng­land zu ver­bes­sern. Der Gebrauch des Wor­tes Cant fin­det sich aller­dings weni­ger auf Sei­ten der Rech­ten, die sich zuneh­mend am Ras­se­be­griff erwärm­ten (in dem Eng­land trotz sei­ner kel­ti­schen Ein­spreng­sel als Ver­bün­de­ter vor­kommt), son­dern auf Sei­ten der­je­ni­gen, die grund­sätz­lich gegen die Heu­che­lei ihres Zeit­al­ters Stel­lung bezie­hen (und schon aus die­sem Grund die poli­ti­sche Are­na mei­den). In der Zwi­schen­kriegs­zeit war der Cant daher dem poli­ti­schen Kampf wei­test­ge­hend ent­zo­gen und kam vor allem in kul­tur­ge­schicht­li­chen Abhand­lun­gen vor, die die Geis­tes­hal­tung der Gegen­wart erkun­den woll­ten. Das berühm­tes­te Bei­spiel ist zwei­fel­los Egon Frie­dell, der mit sei­nen Aus­fäl­len gegen Eng­land unter Beru­fung auf den Cant beweist, daß es auch ohne Chau­vi­nis­mus mög­lich ist, den Begriff zu nutzen.
Frie­dell schreibt in sei­ner Kul­tur­ge­schich­te der Neu­zeit dem Eng­län­der unter dem Stich­wort »cant« die Fähig­keit zu, Din­ge die er für unan­ge­nehm hält, »für eine Sün­de oder eine Unwahr­heit zu erklä­ren«. Dies gesche­he mit bes­tem Gewis­sen, was ganz natür­lich sei, denn »er han­delt in der Aus­übung eines Instinkts«. Cant kön­ne man daher als »ehr­li­che Ver­lo­gen­heit« defi­nie­ren. Die­se Fähig­keit zum Selbst­be­trug schreibt mit Ste­fan Zweig ein zwei­ter Essay­ist dem aus­ge­hen­den 19. Jahr­hun­dert in Gän­ze zu. Er macht das an dem Aus­ein­an­der­klaf­fen von mora­li­schem Rigo­ris­mus einer­seits und libe­ra­ler Schein­fromm­heit ande­rer­seits fest: »Wer ein­mal Tole­ranz als Flag­ge auf dem First der Kul­tur gehißt, besitzt kein Her­ren­recht mehr, sich in die Moral­auf­fas­sung des Indi­vi­du­ums ein­zu­men­gen.« Es wer­de eben kei­ne ernst­haf­te Ver­sitt­li­chung mehr gefor­dert, son­dern nur ein äuße­res Wohl­ver­hal­ten gegen­über der Kon­ven­ti­on. Man darf also alles machen, nur erwi­schen las­sen darf man sich nicht, was Zweig zu der Quint­essenz zusam­men­faßt: »nicht Kant habe sitt­lich das neun­zehn­te Jahr­hun­dert beherrscht, son­dern der ›cant‹«.
Die­se uni­ver­sel­le Aus­wei­tung des Begriffs Cant wur­de durch den Zwei­ten Welt­krieg jäh abge­bro­chen. Jetzt bemüh­te man sich auf deut­scher Sei­te wie­der sehr stark, den Nach­weis zu füh­ren, daß allein die Bri­ten der Cha­rak­ter­lo­sig­keit des Cant anheim­ge­fal­len wären. Hier, ins­be­son­de­re in zahl­lo­sen klei­nen Schrif­ten des Deut­schen Insti­tuts für Außen­po­li­ti­sche For­schung der NSDAP und sei­ner Rei­he Das Bri­ti­sche Reich in der Welt­po­li­tik erleb­te der Begriff sei­ne letz­te Kon­junk­tur. Obwohl ein­zel­ne Bei­trä­ge über die cal­vi­nis­ti­schen Ursprün­ge die­ses Cha­rak­ter­man­gels auch neue Ein­sich­ten zuta­ge för­der­ten, führ­te die Indienst­stel­lung die­ser For­schung in den Kriegs­ein­satz dazu, daß nach 1945 kei­ne Rede mehr vom Cant sein durf­te. Dabei ist der Cha­rak­ter­man­gel mit dem zwei­ten Sieg der Alli­ier­ten nicht aus der Welt geschafft wor­den, son­dern er hat sich in der Tat uni­ver­sa­li­siert. Die Rich­tung hat Carl Schmitt bereits 1932 mit sei­nem Dik­tum »Wer Mensch­heit sagt, will betrü­gen« gewie­sen. Der Cant ist zu einer Geis­tes­hal­tung all der­je­ni­gen gewor­den, die mit dem Ver­weis auf ver­meint­lich höhe­re Idea­le ihre Poli­tik recht­fer­ti­gen – und damit meis­tens erfolg­reich sind.
Es bleibt die ein­gangs erwähn­te Fra­ge, ob die Ent­lar­vung die­ser Heu­che­lei mög­lich ist, wenn man bedenkt, daß wir es in den meis­ten Fäl­len mit einer auf­rich­ti­gen Unauf­rich­tig­keit zu tun haben, die mit dem Begriff der Heu­che­lei nur unzu­rei­chend beschrie­ben ist. Alle Pro­pa­gan­da- und Auf­klä­rungs­tä­tig­keit des 20. Jahr­hun­derts haben es nicht ver­mocht, die­sen Kno­ten der Unauf­rich­tig­keit zu zer­schla­gen. An die Stel­le der Eng­län­der sind mitt­ler­wei­le inter­na­tio­nal ver­netz­te Grup­pen getre­ten, die in ihren jewei­li­gen Län­dern den Cant pfle­gen und sich dem­entspre­chend gegen Kri­tik immu­ni­siert haben. Der Blick in die Geschich­te zeigt, daß es wenig bringt, dem poli­ti­schen Geg­ner sei­ne Unauf­rich­tig­keit zum Vor­wurf zu machen, wenn er nicht mehr in der Lage ist, Schein und Sein von­ein­an­der zu unterscheiden.
Für die Dia­gno­se bie­tet die Geschich­te genü­gend Hin­wei­se, aller­dings kei­ne für die Lösung, die dar­in bestehen muß, die Wirk­lich­keit wie­der zur Gel­tung zu brin­gen. Die Heu­che­lei hat es dann schwer, wenn Taten den Aus­schlag dar­über geben, wie jemand zu bewer­ten ist. Da es ohne Wor­te nicht geht, kann die For­de­rung an die Spra­che nur die sein, die Begrif­fe mög­lichst so zu ver­wen­den, daß in ihnen die Gedan­ken nach­voll­zieh­bar zur Gel­tung kom­men, weil sich in ihnen die Wirk­lich­keit spie­gelt. Wer begriff­li­che Unsau­ber­kei­ten nicht zuläßt, macht sich zumin­dest weni­ger angreif­bar und kommt gar nicht erst in Ver­su­chung zu heu­cheln. Daß er damit poli­tisch erfolg­reich sein wird, ist ange­sichts der Spiel­re­geln poli­ti­scher Kom­mu­ni­ka­ti­on aus­ge­schlos­sen. Im poli­ti­schen Mei­nungs­kampf, in dem Wahr­heit ganz offen­sicht­lich nichts zählt, kann es daher nur zwei Mög­lich­kei­ten geben: eine ähn­lich star­ke Über­zeu­gung aus­zu­bil­den, die von den eige­nen Grün­den, mögen sie zutref­fen oder nicht, voll­stän­dig über­zeugt ist, oder die Ver­damm­nis zur ewi­gen Nischenexistenz.
Der dafür zu zah­len­de Preis ist in bei­den Fäl­len hoch. Im ers­ten Fall wäre er nur gerecht­fer­tigt, wenn es um mehr als per­sön­li­che Inter­es­sen geht.
Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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