Hanau und “The Hunt” – die brüchige Zivilgesellschaft

PDF der Druckfassung aus Sezession 95/ April 2020

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Im August 2019 wur­de ich in einem Wie­ner Café am hel­lich­ten Tag atta­ckiert. Jemand hat­te sich von hin­ten an mich her­an­ge­schli­chen und eine Cola-Fla­sche über mei­nem Kopf ent­leert. Ich dreh­te mich um und blick­te in ein haß­ver­zerr­tes Gesicht. Der Typ beschimpf­te mich: »Wegen dir müs­sen Men­schen ster­ben, du Faschist!« Die­se Annah­me gab ihm offen­bar das gute Gewis­sen, vor einem Dut­zend Zeu­gen einen tät­li­chen Angriff zu bege­hen. Es war übri­gens der zwei­te die­ser Art inner­halb von zwei Monaten.

Im Früh­ling des Jah­res hat­te es in der öster­rei­chi­schen Pres­se eine gro­ße Hetz­kam­pa­gne gegen Mar­tin Sell­ner und die Iden­ti­tä­re Bewe­gung gege­ben, die ohne jeden Beweis mit Ter­ro­ris­mus und Gewalt in Ver­bin­dung gebracht wur­de. Dabei wur­de auch mein Name ein paar Mal genannt. Waren die Angrif­fe eine Frucht die­ser Hetze?

»In Hanau kann es jeden tref­fen«, beti­tel­te die Welt am 30. März 2017 einen Arti­kel über den hes­si­schen »Gewalt­brenn­punkt«: »Jun­ge Män­ner schla­gen sich und ande­re kran­ken­haus­reif. Opfer wird, wer den Streit suchen­den Halb­star­ken in die Que­re kommt.« Wie kam es dazu? Der Arti­kel zitier­te den Hanau­er Sozi­al­de­zer­nen­ten Axel Weiß-Thiel (SPD): »Migra­ti­ons- und Zuwan­de­rungs­be­we­gun­gen spie­len eine Rol­le. Dadurch tritt eine Ver­schär­fung auf.« Mit ande­ren Wor­ten han­del­te es sich um Rudel­kämp­fe eth­ni­scher Ban­den, etwa Tür­ken und Afgha­nen. »Die Poli­zei muß durch­grei­fen«, for­der­te der wacke­re Sozi­al­de­mo­krat – im Klar­text also Gewalt anwen­den. »Die Täter sol­len die Stär­ke des Staa­tes zu spü­ren bekom­men. Sie müs­sen kapie­ren, dass es Regeln und Geset­ze gibt.«

Fast drei Jah­re spä­ter, am 19. Febru­ar 2020, wur­den im sel­ben hes­si­schen Hanau zehn Men­schen ermor­det. Neun der Opfer, die der Tod in zwei ver­schie­de­nen Shi­sha-Bars ereilt hat­te, hat­ten einen »Migra­ti­ons­hin­ter­grund« (dar­un­ter Kur­den, Tür­ken, Roma, ein Afgha­ne, ein Bos­ni­er). Das zehn­te war die 72jährige Mut­ter des mut­maß­li­chen Täters Tobi­as Rath­jen, der sich anschlie­ßend selbst gerich­tet hatte.

Es gab etli­che Augen­zeu­gen­be­rich­te, die von mehr als nur einem Kil­ler spra­chen, und eini­ge woll­ten einen gänz­lich ande­ren Mann gese­hen haben, als jenen, der am nächs­ten Tag als Täter prä­sen­tiert wur­de: Bei dem 43jährigen Deut­schen habe es sich um einen »Rechts­extre­mis­ten« gehan­delt, die Tat sei ein »ras­sis­ti­scher Ter­ror­an­schlag« gewe­sen. Basis die­ser Behaup­tun­gen war ein im Inter­net auf­find­ba­res »Mani­fest«, in dem der Täter nicht nur die hohe Aus­län­der­kri­mi­na­li­tät beklag­te, son­dern auch noch der Ansicht war, daß zwei Dut­zend außer­eu­ro­päi­scher Völ­ker »kom­plett ver­nich­tet wer­den« müssen.

Danach müs­se »die Fein-Säu­be­rung kom­men, die­se betrifft die rest­li­chen afri­ka­ni­schen Staa­ten, Süd- und Mit­tel­ame­ri­ka, die Kari­bik und natür­lich das eige­ne Volk«, in dem es schließ­lich nicht nur »Rein­ras­si­ge« gebe. Dies müs­se gesche­hen, damit die Mensch­heit nicht län­ger an der »Lösung des Rät­sels« des Uni­ver­sums gehin­dert wer­de. Er zöge es dabei vor, die Sache kurz und schmerz­los per Knopf­druck zu erledigen.

Es gebe aber noch eine wei­te­re Mis­si­on zu erfül­len: »Zudem müs­sen wir eine ›Zeit­schlei­fe‹ flie­gen und den Plan­ten [sic], den wir unse­re Hei­mat nen­nen zer­stö­ren, bevor vor vie­len Mil­li­ar­den Jah­ren das ers­te Leben ent­stand. Denn wir kön­nen nicht, dass was alles jemals auf die­ser Erde pas­siert ist, das Mil­lio­nen­fa­che Leid dass Men­schen erlit­ten haben, so ste­hen las­sen.« Die­se »ein­zigs­te rele­van­te Mis­si­on« müs­se schnell erfüllt wer­den, ehe »uns« Natur­ka­ta­stro­phen dezi­mie­ren, »bevor wir das Ziel erreicht haben.«

Und nicht nur das: Rath­jen schil­dert, wie er seit sei­ner Kind­heit von Geheim­diens­ten über­wacht wer­de, die auch ver­ei­telt haben, daß er eine Frau fin­den konn­te, die sei­nen hohen Ansprü­chen genügt. Dabei wur­den zahl­rei­che Ideen zu Hol­ly­wood­fil­men direkt aus sei­nem Kopf gestoh­len, eben­so wie eine genia­le »Stra­te­gie für den DFB, um wie­der Tur­nie­re gewin­nen zu können.«

Spä­tes­tens an die­ser Stel­le soll­te jeder­mann mit noch eini­ger­ma­ßen intak­ter Urteils­kraft begrif­fen haben, daß es sich bei Rath­jen um eine klas­si­sche para­no­ide Schi­zo­phre­nie gehan­delt hat, ähn­lich dem berühm­ten Fall des Psy­cho­ti­kers Schre­ber, den Eli­as Canet­ti in Mas­se und Macht behan­delt hat, um das Wesen von Aus­lö­schungs- und All­machts­phan­ta­sien zu erkun­den. Die­se offen­kun­di­ge Tat­sa­che hin­der­te die media­le Maschi­ne­rie nicht dar­an, die Tat poli­tisch aus­zu­schlach­ten und als exem­pla­ri­sche Mani­fes­ta­ti­on eines in Deutsch­land wach­sen­den »Ras­sis­mus« hinzustellen.

Der Psy­cho­ti­ker wur­de zum »Rechts­ter­ro­ris­ten« à la Brei­vik oder Tar­rant ernannt, der sei­ne Stich­wor­te von der AfD emp­fan­gen haben soll (wofür es nicht den lei­ses­ten Beweis gibt). AfD-Poli­ti­ker, die sich die­sen Schuh nicht anzie­hen woll­ten, wur­den der »Abwie­ge­lung, Ver­ant­wor­tungs­ab­wäl­zung, Instru­men­ta­li­sie­rung« (Mat­thi­as Kamann, Poli­tik­re­dak­teur der Welt) bezich­tigt, wobei letz­te­res eine beson­ders dreis­te Pro­jek­ti­on ist. Horst See­ho­fer erklär­te, daß Hanau gezeigt habe, daß die »Gefähr­dungs­la­ge durch Rechts­extre­mis­mus, Anti­se­mi­tis­mus und Ras­sis­mus in Deutsch­land sehr hoch« sei und man dar­um Links- und Rechts­extre­mis­mus nicht auf eine Stu­fe stel­len dür­fe. Die Bun­des­kon­fe­renz der Migran­ten­or­ga­ni­sa­tio­nen (BKMO) for­der­te in einem offe­nen Brief an Ange­la Mer­kel einen »Mas­ter­plan gegen Rechts­extre­mis­mus« sowie die Ver­an­ke­rung von »Viel­falt als Staats­ziel im Grundgesetz«.

Exakt das­sel­be Schau­spiel war bereits im Juni 2019 anläß­lich des Mor­des an dem CDU-Poli­ti­ker Wal­ter Lüb­cke zu beob­ach­ten gewe­sen. Da der Tat­ver­däch­ti­ge ein »Rechts­extre­mist« mit kri­mi­nel­ler Ver­gan­gen­heit war, hagel­te es eine ähn­li­che Flut an Ankla­gen wider die AfD und die Rech­te über­haupt. Auch bei die­sem mut­maß­li­chen Täter, der sein Geständ­nis wider­rief, besteht der Ver­dacht auf eine psy­chi­sche Stö­rung. 1995 war er vom Land­ge­richt Wies­ba­den wegen ver­such­ten Tot­schlags ver­ur­teilt wor­den: »Damals kam ein Gut­ach­ter zu dem Schluss«, er »lei­de unter einer Bor­der­line-Stö­rung«, die unter ande­rem von plötz­li­chen Aggres­si­ons­schü­ben und man­geln­der Impuls­kon­trol­le gekenn­zeich­net ist. »Die Kam­mer ging dar­auf­hin von einer ›ver­min­der­ten Schuld­fä­hig­keit‹ aus.« (Der Spie­gel, 22. Novem­ber 2019).

Zwi­schen Lüb­cke und Hanau tauch­te ein ver­mut­lich »ech­ter« Rechts­ter­ro­rist auf: Am 9. Okto­ber 2019 ver­such­te Ste­phan Bal­liet in Hal­le in eine Syn­ago­ge ein­zu­drin­gen, um dort ein Mas­sa­ker zu bege­hen, das er per Live­stream über­tra­gen woll­te; als ihm dies miß­lang, töte­te er will­kür­lich zwei Men­schen, die bei­de kei­nen »Migra­ti­ons­hin­ter­grund« hat­ten. Über sei­ne psy­chi­sche Dis­po­si­ti­on erfuhr man ledig­lich, daß er »sozi­al iso­liert« gewe­sen sei. Die Kam­pa­gne lief nach dem übli­chen Mus­ter ab; hier wird Schicht für Schicht immer wie­der das­sel­be Bild auf­ge­tra­gen und ver­fes­tigt, das im kol­lek­ti­ven Bewußt­sein die Angst vor einer per­ma­nen­ten »rech­ten Gefahr« erzeu­gen soll. Der (im Fall Hanau buch­stäb­li­chen) Psy­cho­se des Täters folgt die media­le »Psy­cho­se«, die zum Teil poli­ti­schem Kal­kül ent­sprin­gen mag, zum Teil tat­säch­lich Züge von Mas­sen­wahn trägt. Kern ist die hart­nä­cki­ge Ver­ken­nung der Tat­sa­che, daß nicht der »Ras­sis­mus«, son­dern der »Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus« ein »struk­tu­rel­les« Pro­blem dar­stellt: der All­zweck­sün­den­bock »Ras­sis­mus«, wie auch immer man ihn defi­nie­ren mag, ist nur eine sei­ner zwangs­läu­fi­gen sys­tem­im­ma­nen­ten Fol­gen. Die Tat­re­la­ti­vie­rung durch Ver­weis auf die psy­chi­sche Insta­bi­li­tät des Täters ist nur dann gül­tig, wenn es sich um Migran­ten- oder Aus­län­der­ge­walt han­delt, sei es der Eri­trä­er, der im Juli 2019 in Frank­furt eine deut­sche Frau und ihr acht­jäh­ri­ges Kind vor einen ein­fah­ren­den Zug stieß, oder der Jor­da­ni­er, der im sel­ben Monat in Stutt­gart auf offe­ner Stra­ße einen Kasa­chen mit einem Schwert zerstückelte.

Fäl­le die­ser Art gehö­ren zu einem trotz aller media­len Ver­ne­be­lung immer lau­ter wer­den­den Grund­rau­schen impor­tier­ter Gewalt, deren Palet­te von Mes­ser­at­ta­cken, Ver­ge­wal­ti­gun­gen, Schul­mob­bings, Mor­den, Clan­kri­mi­na­li­tät bis zu isla­mis­ti­schen Anschlä­gen reicht. Kei­ne ernst­haf­te Dis­kus­si­on über wach­sen­den »Ras­sis­mus« kann die­se Zusam­men­hän­ge aus­blen­den, ohne das Bild kom­plett zu ver­zer­ren. Wenn die Kri­tik an die­sen Zustän­den als »Dün­ger für Gewalt« (NZZ vom 26. August 2019) ver­un­glimpft wird, dann bedeu­tet dies nur, den Deckel auf den kochen­den Topf zu pres­sen. Auch wenn die Tat von Hanau kaum als »Ter­ro­ris­mus« inter­pre­tiert wer­den kann, so erscheint es unzwei­fel­haft, daß die inner­ge­sell­schaft­li­chen Span­nun­gen, die durch das mul­ti­kul­tu­ra­lis­ti­sche »Expe­ri­ment« (Yascha Mounk) erzeugt wer­den, immer wie­der schla­fen­de Hun­de wecken, für die durch­aus der Psych­ia­ter zustän­dig wäre. Dazu gehö­ren gewiß auch etli­che der »klei­ne­ren« isla­mis­ti­schen Atten­ta­te, die eben­falls eher amok­lauf­ar­ti­ge Züge auf­wei­sen. Wenn die Zivi­li­sa­ti­on brü­chig wird, fun­gie­ren psy­chisch Labi­le wie Seis­mo­gra­phen. Auf letz­te­re ein­zu­schla­gen ver­hin­dert bekannt­lich kein Erdbeben.

Die­sen Job des Ein­schla­gens über­neh­men anti­fa­schis­ti­sche Trup­pen, deren Auf­ga­be es ist, jeg­li­che Oppo­si­ti­on zum Links­kurs des Estab­lish­ments gewalt­sam ein­zu­schüch­tern. Die Ziel­grup­pe wur­de nach der Cau­sa Thü­rin­gen über die AfD hin­aus bis in die »Wer­te-Uni­on« und sogar bis in die FDP aus­ge­wei­tet; allein im März 2020 wur­den zwei AfD-Poli­ti­ker, Nico­laus Fest und Tino Chrup­al­la, Opfer eines Brand­an­schla­ges auf ihre Autos. Beschmier­te Haus­wän­de, ein­ge­schla­ge­ne Schei­ben, Mord­dro­hun­gen, tät­li­che Über­grif­fe und ähn­li­ches sind für vie­le AfD-Poli­ti­ker trau­ri­ge Nor­ma­li­tät gewor­den. Die­se Gewalt ist eine kla­re Fol­ge der Kam­pa­gnen des Estab­lish­ments, das schon lan­ge an dem »Nar­ra­tiv« arbei­tet, den »Rech­ten« grund­sätz­lich als eine Art Wer­wolf hin­zu­stel­len, der sich als nor­ma­ler Mensch oder »besorg­ter Bür­ger« tarnt, wäh­rend er in Wahr­heit nur nach belie­bi­gen Ali­bis sucht, um sein alt­be­kann­tes Trieb­tä­ter­tum von der Lei­ne zu las­sen. Das ist auch der Kern der »NSU«-Geschichte, die der Öffent­lich­keit über die angeb­li­chen Taten der drei­köp­fi­gen »brau­nen Ter­ror­zel­le« seit Jah­ren auf­ge­tischt wird: Der »Nazi« ist jemand, der aus purer Lust tötet, sein »Ras­sis­mus« ist eine rein patho­lo­gi­sche Dis­po­si­ti­on ohne jeg­li­chen Wirk­lich­keits­be­zug. Der­art dämo­no­lo­gisch wird auch der his­to­ri­sche Natio­nal­so­zia­lis­mus dar­ge­stellt, der von den »Exper­ten« des Estab­lish­ments Tag für Tag nekro­man­tisch beschwo­ren wird, um ihn wie einen Film auf die Lein­wand der Gegen­wart zu pro­ji­zie­ren, die als ein »neu­es Wei­mar« inter­pre­tiert wird (häu­fig ohne die dama­li­ge Rol­le der kom­mu­nis­ti­schen Bedro­hung zu erwähnen).

Das ist ein inter­na­tio­na­ler Trend: In allen Län­dern, in denen eine mas­si­ve Mul­ti­kul­tu­ra­li­sie­rungs­po­li­tik betrie­ben wird, pro­pa­gie­ren die Medi­en das Schreck­bild der »weiß-supre­ma­tis­ti­schen« Gefahr des wei­ßen Rechts­ter­ro­ris­ten, der von »Haß« und »toxi­scher Männ­lich­keit« zer­fres­sen ist. Die im Febru­ar 2020 ange­lau­fe­ne Ama­zon-Serie Hun­ters zeigt das tra­di­tio­nel­le »wei­ße« Ame­ri­ka der sieb­zi­ger Jah­re als von deut­schen »Nazis« infil­triert, die als comic­ar­ti­ge Seri­en­kil­ler und Lust­mör­der gezeich­net wer­den und ein »vier­tes Reich« pla­nen. Ihre anti­se­mi­ti­schen und ras­sis­ti­schen Ideen sind in der Par­al­lel­welt der taran­tin­oes­ken Serie selbst­ver­ständ­li­cher Bestand­teil des wei­ßen Main­streams, was sich in hei­te­ren Quiz­shows äußert, in denen die Kan­di­da­ten zum Bes­ten geben dür­fen, war­um »jeder die Juden haßt«. Die »Nazis« sind in hohen Regie­rungs­po­si­tio­nen tätig und haben sadis­ti­sche jun­ge Män­ner auf ihrer Sei­te, denen vier­zig Jah­re vor Char­lot­tes­ville Paro­len der »Alt­right« in den Mund gelegt wer­den. Eigent­li­cher Inhalt ist aller­dings, wie das aus Juden und »Peo­p­le of Color« bestehen­de »Jäger«-Team die­se »Nazis« aus­fin­dig macht, um sie genüß­lich zu fol­tern und zu töten, was als heroi­sche, gerech­te Tat dar­ge­stellt wird, da es sich bei den Opfern ohne­hin kaum noch um mensch­li­che Wesen han­delt. Gleich­zei­tig bemüht sich die Serie, das wei­ße Ame­ri­ka schlecht­hin als kryp­ton­a­zis­tisch zu denunzieren.

Eben­falls im Febru­ar 2020 ver­öf­fent­lich­te der paki­sta­nisch­stäm­mi­ge bri­ti­sche Rap­per und Schau­spie­ler Riz Ahmed einen Kurz­film, den er als Reak­ti­on auf den »Brexit« ver­stan­den wis­sen will: The Long Good­bye (»Der lan­ge Abschied«) zeigt, wie eine fröh­li­che paki­sta­ni­sche Fami­lie von eng­li­schen Natio­na­lis­ten aus ihrem Haus auf die Stra­ße gezerrt und zusam­men mit ande­ren Ein­wan­de­rern ver­schleppt und teil­wei­se exe­ku­tiert wird, wäh­rend die Poli­zei und die wei­ßen Nach­barn taten­los zuse­hen. Der Film endet mit einer lan­gen Rede Ahmeds, in der er den bri­ti­schen Kolo­nia­lis­mus und die Aus­beu­tung sei­ner Lands­leu­te anpran­gert, deren »brau­ne Kör­per die­ses Land auf­ge­baut haben«: »Wo ich her bin, ist also nicht dein Pro­blem, Bru­di.« Die­ses Hor­ror­sze­na­rio, in denen net­te, inte­grier­te Paki­sta­nis hilf­lo­se Opfer einer bru­ta­len eth­ni­schen Säu­be­rung wer­den, fin­det in einem Land statt, in dem die wei­ße Stamm­be­völ­ke­rung uner­bitt­lich zur Min­der­heit schrumpft, in dem etli­che Städ­te und Stadt­tei­le bereits in mus­li­mi­scher Hand sind, in dem paki­sta­ni­sche Gangs zwei Jahr­zehn­te lang tau­sen­de wei­ße Mäd­chen zur Pro­sti­tu­ti­on zwan­gen, sexu­ell miß­brauch­ten, fol­ter­ten und zum Teil sogar töte­ten, und das in den letz­ten Jah­ren Schau­platz etli­cher isla­mis­ti­scher Atten­ta­te war. Gleich­zei­tig herr­schen dra­ko­ni­sche Geset­ze gegen »Haß­re­de« und »Ras­sis­mus«. Ahmed als Star der Unter­hal­tungs­bran­che kann selbst wohl kaum für sich bean­spru­chen, »dis­kri­mi­niert« zu wer­den. Kom­men­ta­re auf You­Tube prei­sen das Video für sei­ne angeb­li­che Wirk­lich­keits­nä­he, nega­ti­ve Wort­mel­dun­gen wur­den mas­sen­wei­se gelöscht. Nicht anders als »Hun­ters« schürt es den Haß auf den »wei­ßen Ras­sis­ten«, des­sen eige­ne Angst vor »eth­ni­scher Säu­be­rung« (in Form der demo­gra­phi­schen Ver­drän­gung) kei­ner­lei Berech­ti­gung zuge­spro­chen wird.

Man kann unschwer erken­nen, wie mit Pro­pa­gan­da die­ser Art Gewal­tent­hem­mung gegen »Wei­ße«, »Ras­sis­ten«, »Rech­te« psy­cho­lo­gisch vor­be­rei­tet und legi­ti­miert wird. Hier wird zwei­fel­los das gute Gewis­sen für künf­ti­ge Über­grif­fe auf­ge­baut. Immer­hin gibt es all­mäh­lich Gegen­strö­mun­gen: Der 2019 gedreh­te, im März 2020 in den ame­ri­ka­ni­schen Kinos ange­lau­fe­ne Film The Hunt zeigt, wie links­li­be­ra­le Eli­ten Men­schen­jagd auf »deplo­rables«, »abge­häng­te« kon­ser­va­ti­ve Wei­ße und Trump-Anhän­ger machen. Das ein­schlä­gi­ge Por­tal Salon schäum­te und sprach von »Pro-Trump-Pro­pa­gan­da«, die »aus Tätern Opfer« mache. Der Rezen­sent Matthew Roz­sa unter­stell­te, daß sich Trump-Anhän­ger offen­bar »ver­zwei­felt danach seh­nen, tat­säch­lich ver­folgt zu wer­den«: »Wenn Sie der Bot­schaft die­ses Fil­mes zustim­men, dann ist Ihre See­le ernst­haft krank.«

Aha: Im Gegen­satz also zu der »Bot­schaft« von Hun­ters? 

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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