Sammelstelle für Gedrucktes (22)

Mehrfach war es in der »Sammelstelle« angeklungen, nun setzt sich der Trend fort: »Marine Le Pen auf dem Vormarsch«.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

So titelt die Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung jeden­falls in ihrem Bei­trag vom 15. Juni, der damit ein­setzt, daß Le Pen »Hoch­kon­junk­tur« habe.

Chris­ti­an Schu­bert ver­weist hier­bei dar­auf, daß schon jetzt der Wahl­kampf für die Prä­si­dent­schafts­wahl 2022 begon­nen hat. Ers­ter Halt: die Regio­nal­wah­len, deren ers­ter Akt am Wochen­en­de statt­fin­den wird:

Nach den jüngs­ten Umfra­gen liegt ihr Ras­sem­blem­ent Natio­nal (RN, frü­her: Front Natio­nal) in sechs der zwölf fran­zö­si­schen Regio­nen vor­ne. Schon bei den Regio­nal­wah­len 2015 hat­te die Par­tei mit 27,7 Pro­zent das höchs­te pro­zen­tua­le Ergeb­nis ihrer Geschich­te erzielt, auch wenn ihre Kan­di­da­ten im zwei­ten Wahl­gang kei­ne ein­zi­ge Regi­on gewin­nen konnten.

Man könn­te mun­keln: regio­nal ist nicht natio­nal. Indes: Auch dort

sehen alle Umfra­ge­insti­tu­te Mari­ne Le Pen in der Stich­wahl der Prä­si­dent­schafts­wahl 2022 – mög­li­cher­wei­se wie­der gegen Emma­nu­el Macron wie fünf Jah­re zuvor. Damals stand ihr frei­lich ein fri­scher Macron gegen­über, der noch nicht von den schwe­ren Kri­sen der Pan­de­mie, der “Gelbwesten”-Bewegung und der Ren­ten­pro­tes­te gezeich­net war.

Macron gelang es – als unver­brauch­ter Kan­di­dat mit eige­ner »schlan­ker« Par­tei­for­ma­ti­on –, Links­li­be­ra­le, Libe­ra­le, Libe­ral­kon­ser­va­ti­ve und auch ent­täusch­te Kon­ser­va­ti­ve anzu­spre­chen, die ihre eigent­li­che Hei­mat frei­lich bei den Repu­bli­ka­nern – der Nach­fol­ge­par­tei der Sar­ko­zy-Res­te – haben. Doch just hier wil­dert nun der Ras­sem­blem­ent National:

Zuge­win­ne ergat­tert Mari­ne Le Pen der­zeit vor allem im bür­ger­lich-kon­ser­va­ti­ven Lager. Nach einer Umfra­ge sehen sie 42 Pro­zent der Fran­zo­sen die­ser poli­ti­schen Cou­leur in einem posi­ti­ven Licht, 12 Punk­te mehr als einen Monat zuvor. 39 Pro­zent der Anhän­ger der Repu­bli­ka­ner-Par­tei, der eigent­li­chen Haus­macht der Kon­ser­va­ti­ven, hegen Sym­pa­thien für Le Pen, 14 Pro­zent­punk­te mehr als vor vier Wochen. “Mari­ne Le Pen star­tet bei die­ser Wäh­ler­grup­pe eine feind­li­che Über­nah­me”, ana­ly­siert der Poli­to­lo­ge Gil­les Ival­di von der Pari­ser Uni­ver­si­tät Sci­en­ces Po.

Was macht Le Pen anders als 2017? Sie hat sich vier Jah­re lang inten­siv inhalt­lich vor­be­rei­tet und ver­sucht, einen Über­blick über den aktu­el­len wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­stand zu erhal­ten, vor allem in öko­no­mi­schen Fra­gen, bei der theo­re­ti­scher Sozi­al­pa­trio­tis­mus als Absichts­er­klä­rung dau­er­haft nicht aus­rei­chen kann, wenn man prak­ti­sche Regie­rungs­ver­ant­wor­tung über­neh­men möch­te – inhalt­li­che Ver­tie­fung erscheint dann obligat.

Das war bei Mari­ne Le Pen nicht immer so: Die gro­ßen Fern­seh­de­bat­te mit Macron 2017 ver­lor sie auch auf­grund feh­len­der Detail­kennt­nis­se. Le Pen hat ihre Lek­ti­on begrif­fen – und nicht nur die­se. Ihr gelang es auch, das RN-Pro­gramm zu pro­fes­sio­na­li­sie­ren, ohne die Syn­the­se aus soli­da­ri­schen und patrio­ti­schen Moti­ven zu beschä­di­gen. Ihre größ­te Kor­rek­tur nahm sie beim »FREXIT«, der For­de­rung nach einem dop­pel­ten Aus­stieg Frank­reichs aus der EU und der Wäh­rungs­uni­on, vor:

Denn mit sehr gro­ßer Mehr­heit wol­len die Fran­zo­sen in der Wäh­rungs­uni­on blei­ben. “Die Fran­zo­sen sagen uns: Macht es inner­halb des Euros. Also wer­den wir es inner­halb des Euros machen”, sag­te Le Pen in einem Fern­seh­in­ter­view. Sie kann der Gemein­schafts­wäh­rung sogar posi­ti­ve Sei­ten abge­win­nen: “Der Euro schützt uns teil­wei­se vor den Tur­bu­len­zen auf den Finanzmärkten.” .

Das Topos der Sou­ve­rä­ni­tät von Volk und Land bleibt indes auch hier zen­tral für jene Poli­ti­ke­rin, die wie­der­holt von »intel­li­gen­tem Pro­tek­tio­nis­mus« anstel­le bor­nier­ter Abschot­tung spricht:

“Wenn ein sou­ve­rä­ner Staat sich einer exter­nen Finanz­quel­le bedient, ist sein Wort unum­stöß­lich”, schrieb sie und erin­ner­te an den letz­ten fran­zö­si­schen Staats­bank­rott des Jah­res 1797, der sich nicht wie­der­ho­len dür­fe. Die Schul­den­til­gung hät­te sogar einen “wich­ti­gen mora­li­schen Aspekt”, meint sie. “Wer sei­ne Schul­den bezahlt, macht sich rei­cher.” Im glei­chen Atem­zug kün­dig­te sie an, sich für mehr fran­zö­si­sche Zeich­ner der Staats­schul­den stark­zu­ma­chen. Japan mache mit sei­nem hohen Anteil japa­ni­scher Staats­schul­den-Inves­to­ren deut­lich, wie ein Land trotz hoher Schul­den sei­ne natio­na­le Sou­ve­rä­ni­tät erhal­ten könnte.

Ein neu­er Kurs­schwenk des RN ist also nicht zu ver­mel­den. Einst war der Front Natio­nal ja – spe­zi­ell in den 1980er Jah­ren – eine Par­tei, die geschichts­re­vi­sio­nis­tisch und wirt­schafts­li­be­ral aus­ge­rich­tet war. Ers­te­res kor­ri­gier­te man im Rah­men der »Ent­dia­bo­li­sie­rung«, und auch das sozi­al­öko­no­mi­sche Pro­fil rich­te­te man in den 1990er Jah­ren neu aus:

“In Sozi­al­fra­gen bin ich links, in Wirt­schafts­fra­gen rechts”, sag­te Jean-Marie Le Pen im Jahr 2002. Sei­ne Toch­ter setz­te die Akzent­ver­schie­bung so weit fort, dass bei Wirt­schafts- und Sozi­al­the­men kaum noch Unter­schie­de zur Lin­ken erkenn­bar waren. Der Aus­bau des Sozi­al­staa­tes und die Ableh­nung von Pri­va­ti­sie­run­gen gehör­ten zu ihren Kern­for­de­run­gen. “Damit gewann sie viel Zustim­mung unter Arbei­tern. Die­se Wäh­ler­schicht ist ihr bis heu­te treu. Ihr Expan­si­ons­ge­biet liegt jetzt im bür­ger­lich-kon­ser­va­ti­ven Lager”, ana­ly­siert der Par­tei­en­ex­per­te Ivaldi.

Und wäh­rend in Deutsch­land die Arbeit­ge­ber­lob­bys und Markt­fe­ti­schis­ten von der Ren­te mit 70 + x träu­men, dis­ku­tier­te man im Ras­sem­blem­ent Natio­nal lan­ge über die Ren­te mit 60. Auch hier nimmt Le Pen nun eine Kor­rek­tur vor, denn:

Die­se wür­de eine Sen­kung des im inter­na­tio­na­len Ver­gleich ohne­hin nied­ri­gen fran­zö­si­schen Ren­ten­al­ters von zwei Jah­ren bedeu­ten. Heu­te spricht sie statt­des­sen von Min­dest­bei­trags­jah­ren von 40 Jah­ren. Mit 60 sol­len nur jene in Ren­te gehen, die mit 20 die Arbeit auf­ge­nom­men haben. Seit Mit­te der Sieb­zi­ger­jah­re ist das durch­schnitt­li­che Alter des Arbeits­markt­ein­tritts von 20 auf 27 Jah­re geklettert.

Ob der­ar­ti­ge (und wei­te­re) Fein­jus­tie­run­gen Mari­ne Le Pens wirk­lich dazu führ­ten und füh­ren wer­den, daß sich fort­an wei­te­re Wäh­ler von Macrons bür­ger­li­cher Platt­form La Répu­bli­que en Mar­che und von den libe­ral­kon­ser­va­ti­ven Repu­bli­ka­nern abwen­den – oder ob es eher die offen­bar­ten ekla­tan­ten Män­gel bei­der Kon­kur­ren­ten sind, die die Brand­mau­er gegen rechts ein­rei­ßen, läßt Chris­ti­an Schu­bert in der FAZ offen. Ich ver­mu­te tat­säch­lich eher letz­te­res, zumal Mari­ne Le Pens Modi­fi­ka­tio­nen an der Gene­ral­li­nie noch reich­lich Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum lassen.

Schu­bert dazu:

Mari­ne Le Pen setzt dage­gen weni­ger auf inhalt­li­che Kohä­renz denn auf Wäh­ler­stim­men: “Wir sind schon Olym­pia­sie­ger in den popu­lä­ren Klas­sen. Wenn wir jetzt noch im bür­ger­li­chen Lager dazu­ge­win­nen, sind wir nicht mehr zu stop­pen”, sag­te kürz­lich eine Füh­rungs­kraft der Partei.

Die Regio­nal­wah­len am Wochen­en­de wer­den zei­gen, ob sich die­se selbst­be­wuß­te Ansa­ge auf Fak­ten stüt­zen kann.

– –

Selbst­be­wußt agiert in Deutsch­land der­weil Hans-Georg Maa­ßen. Er, der sei­ne Mit­glied­schaft in der CDU-CSU-nahen Wer­te­Uni­on ruhen läßt, weil ihm der Sozi­al­kon­ser­va­ti­ve Max Otte als neu­er Bun­des­vor­sit­zen­der nicht ganz geheu­er ist (zu patrio­tisch? zu wenig Trans­at­lan­ti­ker?), läßt kei­ne Gele­gen­heit aus, sich als Vor­kämp­fer gegen rechts im all­ge­mei­nen und die AfD im beson­de­ren zu sti­li­sie­ren – was frei­lich nichts dar­an ändert, daß bedau­er­li­cher­wei­se eini­ge unbe­lehr­ba­re Man­dats­trä­ger der AfD, fast aus­nahms­los aus West­deutsch­land stam­mend, auf sozia­len Medi­en eine Cheer­lea­der-Bri­ga­de des Maa­ßen­is­mus insze­nie­ren, auf die das Wort »Fremd­scham« zu ver­wen­den noch höf­li­che Unter­trei­bung darstellte.

Was beju­belt man bei Maa­ßen? Das einer, der jahr­zehn­te­lang als Ver­ant­wor­tungs­trä­ger der bun­des­deut­schen Malai­se fun­gier­te (und leid­lich von ihr pro­fi­tier­te), nach 2015 punk­tu­ell auf­be­gehr­te? Das wäre ver­ständ­lich, wenn er nicht fort­wäh­rend beto­nen wür­de, daß es nur ein­zel­ne Fel­der der Mer­kel-Ära sind, die es zu bear­bei­ten gel­te. Oder ist es nach wie vor sei­ne Aus­sa­ge, daß es in Chem­nitz anno dazu­mal kei­ne »Hetz­jag­den« durch Deut­sche auf Migran­ten gab? Das wäre ver­ständ­lich, weil Maa­ßen mit dem Insis­tie­ren auf die­ses Fak­tum ja tat­säch­lich – end­lich – etwas ris­kier­te (sei­nen Pos­ten) und der ver­ein­ten polit­me­dia­len Meu­te wider­stän­dig gegen­über trat.

Nun darf man dies durch­aus aner­ken­nen, ohne sei­ner Selbst­in­sze­nie­rung als letz­ter frei­heit­li­cher Demo­krat auf den Leim zu gehen. Es ist fast schon bemit­lei­dens­wert, wie er um Aner­ken­nung durch jene Mit­te bet­telt, aus der man ihn für mode­ra­tes Abwei­chen ver­sto­ßen hat. Ein Bei­spiel fin­det sich in der NZZ (v. 21.5.2021), als er mit einem FDP-Kol­le­gen diskutierte:

Herr Kuh­le, als Mit­glied des Innen­aus­schus­ses wis­sen Sie, dass kaum ein Prä­si­dent des Ver­fas­sungs­schut­zes mehr gegen den Rechts­extre­mis­mus getan hat als ich. Einer mei­ner Vor­gän­ger hat­te die Abtei­lung für Rechts­extre­mis­mus abge­baut, ich habe sie wie­der auf­ge­baut. Ich habe gegen den Wil­len des dama­li­gen Innen­mi­nis­ters beim Haus­halts­aus­schuss neue Stel­len für den Kampf gegen Rechts­extre­mis­mus bean­tragt und durchgesetzt.

Wer ein­zu­wen­den gedenkt, daß es dabei ja um den »wah­ren« Rechts­extre­mis­mus und »wah­re« Rechts­extre­mis­ten ging, wäh­rend es erst heu­te, unter Hal­den­wang, auch »unbe­schol­te­ne Bür­ger« trifft, igno­riert bewußt oder unbe­wußt den Umstand, daß es Maa­ßens Amts­zeit war, in der die jun­gen Patrio­ten der »Iden­ti­tä­ren Bewe­gung« suk­zes­si­ve kri­mi­na­li­siert wur­den, in der man den losen Ver­bund einer Neu­en Rech­ten all­mäh­lich in den Fokus nahm, in der man das Prüf­ver­fah­ren gegen die AfD eröff­ne­te, wor­an Maa­ßen übri­gens selbst – auch in der NZZ – immer wie­der erinnert.

Auch war es Maa­ßen, der bereits im Ver­fas­sungs­schutz­be­richt 2016 (!), also ein Jahr nach dem Som­mer der Migra­ti­on, davor warn­te, daß sich die »extre­me Rech­te« bür­ger­li­cher Camou­fla­ge bedie­nen könn­te, um »rechts­extre­mis­ti­sche« (migra­ti­ons­geg­ne­ri­sche) Argu­men­ta­ti­ons­li­ni­en Stück für Stück in brei­te­re Gesell­schafts­schich­ten ein­si­ckern zu lassen.

Die Lis­te lie­ße sich fort­set­zen, doch ent­schei­dend ist ledig­lich, zu begrei­fen, daß Hans-Georg Maa­ßen kei­ne soge­nann­te Kipp­fi­gur ist, die Trenn­li­ni­en über­win­det und Brü­cken baut, nein: Er ist der, der eine unüber­wind­ba­re Bar­ri­ka­de vor der Brü­cke errich­tet, um von denen, die nicht auf sie gelas­sen wer­den, dafür fre­ne­tisch gefei­ert zu wer­den, weil er sich imstan­de zeigt, mit­un­ter zutref­fen­de Sät­ze zu for­mu­lie­ren und christ­de­mo­kra­ti­sche Rest­ver­nunft zu konservieren.

Ohne­hin: Maa­ßen ist Christ­de­mo­krat, war dies auch als VS-Behör­den­chef (eine Unsit­te des bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Regle­ments) tritt im Sep­tem­ber als CDU-Bun­des­tags­kan­di­dat in Thü­rin­gen an (aus­ge­rech­net dort) und betont die Wich­tig­keit des Erfol­ges Armin Laschets – eines CDU-imma­nen­ten Links­li­be­ra­len – über die AfD.

Er ist ein poli­ti­scher Geg­ner, bei dem man, wie bei Boris Pal­mer oder Thi­lo Sar­ra­zin auch, aner­ken­nen kann, wenn er etwas Rich­ti­ges sagt, und ihn ver­tei­di­gen kann, wenn er vom über­ge­ord­ne­ten geg­ne­ri­schen Kom­plex ange­grif­fen wird. Aber ihn zu mys­ti­fi­zie­ren belegt nur die Ideen- und Hoff­nungs­lo­sig­keit der deut­schen Kon­ser­va­ti­ven und »Kon­ser­va­ti­ven«.

Ange­grif­fen wird Maa­ßen seit einer Wei­le für die Ver­wen­dung des »Globalismus«-Begriffs. In einem Text mit dem Titel »Auf­stieg und Fall des Post­na­tio­na­lis­mus« für das Maga­zin CATO hat er, gemein­sam mit dem Ach­gut-Pseud­ony­mus Johan­nes Eis­le­ben, den seriö­sen Glo­ba­lis­mus-Kri­ti­kern einen Bären­dienst erwie­sen, als er davon raun­te, daß »Wirt­schafts­glo­ba­lis­ten« danach trach­ten wür­den, »glo­ba­les Eigen­tum und glo­ba­le Pro­fi­te zuneh­mend auf eini­ge tau­send Fami­li­en zu kon­zen­trie­ren, die sich dar­an­ma­chen, bald alles zu besitzen«.

Anstel­le fun­dier­ter Kri­tik der glo­ba­lis­ti­schen Theo­rie und Pra­xis »von rechts« zu for­mu­lie­ren, repro­du­ziert Maa­ßen die in Truther-Sze­nen und anders­wo belieb­te Kom­ple­xi­täts­re­du­zie­rung, es hand­le sich um per­so­na­li­sier­te Fra­gen, die man auf weni­ge Akteu­re fokus­sie­ren könn­te – und schon wäre ein Sta­tus quo ante wie­der mach­bar bzw. min­des­tens erstre­bens­wert. Maa­ßen blen­det poli­ti­sche und öko­no­mi­sche Sys­tem­fra­gen aus, ver­mei­det es, die­se auch nur auf­zu­wer­fen und ver­wech­selt damit patrio­tisch-sou­ve­rä­nis­ti­sche Kapi­ta­lis­mus­kri­tik mit res­sen­ti­ment­ge­la­de­ner Superreichenschelte.

Anders als pro­mi­nen­te Ver­fas­sungs­schüt­zer und selbst­er­nann­te »Rechts­extre­mis­mus­exper­ten« mei­nen, offen­bart das kei­nen »sekun­dä­ren Anti­se­mi­tis­mus« Maa­ßens. Es zeigt viel­mehr, daß jemand, der jahr­zehn­te­lang Teil des fal­schen Gan­zen – des polit­me­dia­len Kom­ple­xes und sei­ner libe­ra­len Ideo­lo­gie – war, auch nach sei­ner Ver­ban­nung aus dem Jus­te Milieu an den prin­zi­pi­el­len Glau­bens­leh­ren der Eta­blier­ten fest­hält, und zwar auch dann, wenn er eini­ge ihrer Feh­ler kun­dig aus­ge­macht hat.

Doch nicht die poli­ti­schen, wirt­schaft­li­chen und gesell­schaft­li­chen Pro­zes­se der seit Dez­en­ni­en herr­schen­den »Mit­te« wer­den ana­ly­siert, durch­drun­gen, kri­ti­siert, theo­re­tisch umge­kehrt. Nur weil »eini­ge tau­send Fami­li­en«, eine »klei­ne Eli­te« und »Glo­ba­lis­ten« dies und jenes tun wür­den, wären schließ­lich die Ver­hält­nis­se, wie wir sie vor­fin­den. Eine sol­che Welt­sicht beinhal­tet schlech­ter­dings eine Ent­las­tung der herr­schen­den Ver­hält­nis­se als sol­cher und stellt eine Ablen­kung von Fra­gen sys­te­mi­schen Cha­rak­ters dar.

Um Zwei­fel aus­zu­räu­men: Ja, der der­zei­ti­ge real­po­li­ti­sche Haupt­wi­der­spruch des jun­gen 21. Jahr­hun­derts ver­läuft zwi­schen Glo­ba­lis­ten und Anti-Glo­ba­lis­ten, prä­zi­ser: zwi­schen »ent­grenz­tem Glo­ba­lis­mus und volks­be­zo­ge­nem Popu­lis­mus« (Armin Schäfer/Michael Zürn). Doch »Glo­ba­lis­mus« ist nicht im luft­lee­ren Raum ent­stan­den, son­dern stellt die zeit­ge­mä­ße Ent­wick­lung der vor­herr­schen­den Pro­duk­ti­ons- und Lebens­wei­se dar.

Ohne Ver­ständ­nis des­sen ist ein poli­tisch wirk­sa­mer Anti­glo­ba­lis­mus unmög­lich oder kapri­ziert sich sei­ner­seits auf Ablenk­zie­le. Die der­zeit voll­zo­ge­ne Ver­ein­heit­li­chung der Welt unter markt­ori­en­tier­ten, immer häu­fi­ger auch woken, post­mo­dern-lin­ken Prin­zi­pi­en (Glo­ba­lis­mus) ist der Wider­part der von rechts ange­streb­ten Bewah­rung der Viel­ge­stal­tig­keit der Welt in ihrer gewach­se­nen Dif­fe­renz (Anti­glo­ba­lis­mus).

Maa­ßen indes kon­zen­triert sich auf lin­ke Ideo­lo­gen und eini­ge Fami­li­en, denen er All­macht zuschreibt, ohne sich zu fra­gen, wes­halb die neo­li­be­ra­le Epo­che die­se und wei­te­re Trends aus­lös­te, ver­stärk­te, zemen­tier­te, bevor wir nun dar­auf auf­bau­end in eine neue Misch­form aus staats­mo­no­po­lis­ti­schem Kapi­ta­lis­mus, Big-Tech-Herr­schaft und woker Aus­ge­stal­tung des Über­baus gelan­gen. Maa­ßens Igno­ranz gegen­über sozio­öko­no­mi­schen Kon­ti­nui­tä­ten und der libe­ra­len Wur­zel der Pro­ble­me frap­piert des­halb um so mehr, da er selbst wie­der­holt auf Quinn Slo­bo­di­an und des­sen Stu­die Glo­ba­lis­ten ver­wie­sen hat und als »Lite­ra­tur­tipp« bewarb.

Hat Maa­ßen den kana­di­schen His­to­ri­ker aber über­haupt gele­sen? Die­ser leis­tet eine wirk­mäch­ti­ge Glo­ba­lis­mus­kri­tik, die viel von dem ent­hält, was Maa­ßen aus­blen­det und sei­ne Feh­ler, die er begeht, kon­stant ver­mei­det. Dar­auf von der Welt (v. 7.6.2021) ange­spro­chen, zeigt sich Slo­bo­di­an durch­aus inter­es­siert an der deut­schen Debat­te um Maa­ßen und erläu­tert den Ter­mi­nus des »Glo­ba­lis­mus«:

„Glo­ba­lis­mus“ und „Glo­ba­list“ sind inter­es­san­te Begrif­fe. Es gibt sie im Eng­li­schen seit den 1930er Jah­ren. Und immer haben sie eine Art Dop­pel­kar­rie­re gehabt. Einer­seits benutz­ten Leu­te in der Welt der inter­na­tio­na­len Bezie­hun­gen und der Außen­po­li­tik Gegen­sät­ze wie „Glo­ba­lis­mus ver­sus Regio­na­lis­mus“ oder „Glo­ba­lis­mus ver­sus Natio­na­lis­mus“, wenn sie dar­über dis­ku­tier­ten, was die Rol­le Ame­ri­kas nach dem Zwei­ten Welt­krieg sein soll­te. (…) Soll­ten sie eine Art Welt­po­li­zei sein oder soll­ten sie sich an der Mon­roe- Dok­trin orientieren.

Und es gab Leu­te, die sag­ten, wir neh­men eine glo­ba­lis­ti­sche Posi­ti­on ein, wir befür­wor­ten den Glo­ba­lis­mus. Und dann gab es gleich­zei­tig sol­che, die das als Ideo­lo­gie bezeich­ne­ten und kri­ti­sier­ten. Sie sug­ge­rier­ten dabei oft, dass es klei­ne Inter­es­sen­grup­pen hin­ter dem grö­ße­ren Plan gibt. Es gibt heu­te eine Begriffs­ver­schie­bung in Rich­tung die­ser Bedeutung.

Gegen die Begriffs­ver­schie­bung schreibt Slo­bo­di­an an, dem es um »eine bestimm­te poli­ti­sche Phi­lo­so­phie« gehe:

Es gibt eine Art von pla­ne­ta­ri­scher Visi­on, die die Neo­li­be­ra­len, über die ich schrei­be, für ihre Welt­an­schau­ung in Anspruch nah­men. Und weil sie die Welt als einen ein­zi­gen Wirt­schafts­raum sahen, sahen sie die Not­wen­dig­keit für Insti­tu­tio­nen, die den gan­zen Pla­ne­ten regieren.

Hier sieht Slo­bo­di­an die Adep­ten der glo­ba­lis­ti­schen Vor­den­ker Hay­ek, Fried­man, Mises und Co. ein­ge­reiht, ver­weist aber auch dar­auf, daß es neu­er­dings »Anti­glo­ba­lis­ten« gebe, die sich – ihrer Wider­sprü­che ver­mut­lich im unkla­ren – just posi­tiv auf die ideel­len Grund­la­gen der genann­ten »Glo­ba­lis­ten« bezie­hen. Mit eini­ger Zuspit­zung bezeich­net Slo­bo­di­an sie als »popu­lis­ti­sche Bas­tar­de des Neo­li­be­ra­lis­mus«. Sie sind sei­ne Kin­der, ent­stam­men sei­ner Ideo­lo­gie, lesen sei­ne theo­re­ti­schen Vor­den­ker – und wen­den sich nun ver­bal gegen eini­ge sei­ner eige­nen, prak­ti­schen Konsequenzen.

Slo­bo­di­ans kla­rer Stand­punkt bedeu­tet aber kei­nes­wegs, daß er sich einer Dis­kus­si­on verschließt:

Wenn Maa­ßen über Ideen dis­ku­tie­ren will, dann nur zu. Ein Gespräch, das sich dar­um dreht, Wort­ver­wen­dun­gen ohne Kon­text als Ankla­ge oder Ver­tei­di­gung zu benut­zen, ist kein wirk­li­ches Gespräch. Das ist völ­lig unpro­duk­tiv, weil alles dann in einer Echo­kam­mer bereits exis­tie­ren­der poli­ti­scher Posi­tio­nen ver­hallt, in denen sich jeder immer tie­fer verschanzt.

Die­sen Schlag führt Slo­bo­di­an damit nicht gegen Maa­ßen, son­dern gegen sei­ne anti­fa­schis­ti­schen Kri­ti­ker von Lui­sa Neu­bau­er bis Ste­phan Kra­mer. Wenn Maa­ßen also über Ban­de doch noch eine frucht­ba­re Debat­te über die Gefah­ren des Glo­ba­lis­mus aus­ge­löst hat, ist ihm nach »Chem­nitz« tat­säch­lich ein zwei­tes Fleiß­bi­en­chen zu ver­lei­hen. Das war’s dann aber auch.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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Kommentare (20)

Dietrichs Bern

17. Juni 2021 15:18

Die "Marktfetischisten" träumen mitnichten von einer Rente mit 70. Der Marktfetischist will überhaupt niemandem vorschreiben, wann er in Rente zu gehen hat.

Das ist ein Ansinnen der Staatsgläubigen. Die Rente mit 70ff. (eigentlich geht es ja nur um Kürzung der Rente) ist eine simple Folge eines Umlagesystems, dass unter grassierendem Beitragszahlerschwund einerseits und einer Aufblähung der Anspruchsteller, die z. T. wenig bis nichts einzahlen.

Da der Staatsdienst grundsätzlich nur die anzieht, deren Wirken obsolet ist, wird das System zwangsläufig an die Wand fahren.

RMH

17. Juni 2021 16:07

Der Wahlkreis in Thüringen, Suhl, Schmalkalden, Meiningen etc., in dem Maaßen zur BT-Wahl antritt, ist ein hochspannender. Ist doch der bisherige Mandatsträger der CDU aus diesem Wahlkreis über Corona- Geschäfte (Skandal) gestolpert und bietet dort die SPD für die kommende Wahl immerhin einen DDR Olympiasieger auf. Die AfD wiederum ist auch nicht schwach auf der Brust. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es hier eine Empfehlung für Maaßen seitens anderer Parteien zur Verhinderung eines AfD Erfolges geben wird (so, wie es wohl zum Teil in SA bei den Direktmandaten geschehen ist). Klare Chance für die AfD also. Kann mir nicht vorstellen, dass viele in Thüringen den ehemaligen Chef der Abteilung Horch & Guck 2.0 wählt. Gesundes Misstrauen gegenüber Geheimdienstlernen sollte hoffentlich dort noch vorhanden sein. Die AfD sollte Ihren Kandidaten daher noch Mal extra unterstützen, nicht dass der SPD Kandidat entgegen allen Trends der lachende Dritte wird.

HartwigBenzler

17. Juni 2021 16:26

Träume nichts als Schäume?

 

A. Marion hat Kreide gefressen, ihren Vater auf dem Altar der politischen Korrektheit geopfert und ist aktuell beliebter als Emmanuel. Alles richtig. Wird sie deshalb 2022 Präsidentin? Möglich, aber sicher ist es nicht. Tatsache ist: weltanschaulich ist von ihr nichts zu erwarten.

B. Maaßen ist ein falscher Fuffziger, da er natürlich bestens Bescheid weiß, aber, so wie es BK treffend beschreibt, „Systemling“ durch und durch ist. Nicht zu vergessen: er hat die beiden Uwes („NSU“) mit auf dem Gewissen.

 

Nordlicht

17. Juni 2021 16:58

Zu: Maaßen

Wenn er die CDU zu punktueller Zusammenarbeit mit der AfD bringt, ist er ein punktueller Partner. Mehr nicht.

 

Der_Juergen

17. Juni 2021 17:46

Zu Le Pen, dem RN und ihren fehlenden Möglichkeiten, auf parlamentarischem Wege einen wahrhaftigen Umbruch zu bewirken, wurde hier schon in früheren Debatten das Notwendige gesagt. Viel interessanter fand ich an diesem Beitrag Kaisers Bemerkungen zum falschen Messias Maassen, der, weil er eine oder zwei besonders plumpe Lügen des Regimes kritisiert hat, nun von naiven Rechten zum Hoffnungsträger hochstilisiert wird. Man halte sich von solchen Leuten fern.

Sugus

17. Juni 2021 17:56

-Selbst wenn LePen die nächste Wahl verliert, die Zustände in Frankreich sind so, wie sie sind, in den Banlieues und mit islamistischen Attacken praktisch im Wochentakt. Auf die Dauer wird die französische Gesellschaft sich dazu positionieren müssen, unabhängig davon, wo sie bei Wahlen das Kreuzchen macht

-Nebenbei: Die FAZ übersetzt "classes populaires" mit "populäre Klassen"? Das ist ja erbärmlich, neudeutscher "Qualitätsjournalismus" eben.

paterfamilias

17. Juni 2021 18:36

Wenn Sie nur bitte noch den Begriff "antifaschistisch" als Denkschule - und dann auch noch für Personen wie Neubauer - in Anführung setzen wollten, wäre der Wahrheitsfindung umso mehr gedient.

Antwort BK:
Das sind originäre Antifaschisten, mit Leib und Seele. Der Begriff wird daher durchaus bewußt so verwendet.

Der_Juergen

17. Juni 2021 19:17

@Hartwig Benzler,

Hartwig,  Du verwcchselst Marine Le Pen mit ihrer Nichte Marion. Diese wird ganz sicher nicht Präsidentin, während Marine, die, wie Du richtig schreibst, ihren Vater verraten hat, eine gewisse Chance hat, ins Elysee einzuziehen, sofern nicht allzu plump gefälscht wird. Viel ausrichten können wird sie in diesem Fall nicht, sondern nur jedem vor Augen führen, dass auf dem Weg über Wahlen nichts mehr läuft.

Laurenz

17. Juni 2021 19:49

@HartwigBenzler, Der_Juergen & Sugus (nur bedingt)

Da kann sich BK echt die Finger wund schreiben, wenn Sie mental jegliches Verstehen nicht nur blockieren, sondern geradezu blockieren wollen. Das grenzt, charakterlich, fast am Masochismus. Lassen Sie Sich das bitte gesagt sein, es gibt in der Politik nur ganz selten einen Märtyrer-Tod.

Wenn man gewaltfrei an die Macht will, gibt es keine andere Möglichkeit, als einer Mehrheit, Politik für eine Mehrheit anzubieten. Das ist in Frankreich, wie bei uns, jetzt so einfach, wie noch nie, da die meisten Parteien nur noch Minderheiten repräsentieren. Und wenn man Politik für Mehrheiten machen will, ist man schlicht gezwungen, Kompromisse einzugehen.

Desweiteren muß man Ihnen attestieren, daß Sie, einer, wie der andere, nicht in der Lage sind, wie zB bei den Chinesen üblich, Politik über den eigenen Tod, auch über den Tod von Le Pen, hinauszudenken. Wo ist denn Ihr völkisches Bewußtsein? Pustekuchen, Sie schreiben, wie die Linken, im Geiste des eigenen individuellen Egoismus'. Das ist fürwahr der übliche konservative Narzißmus in der (Neuen) "Rechten". Und das ist schon seit 70 Jahren so & leider nicht wirklich neu.

Laurenz

17. Juni 2021 20:12

@BK

Zu Maaßen ist zu sagen, er ist der Nachfolger Bosbachs. Für mich persönlich ist das alles Theater, um ein Bild der politischen Diversität in der Union für die Öffentlichkeit zu zeichnen, welche es so gar nicht gibt. Alles nur Scheingefechte. Natürlich existiert die mundtot gemachte Basis der Union, die Merz favorisiert. Aber für die nächsten 4 Jahre sind die weiter abgebügelt worden. Konkludent hat man Söder vertröstet, denn Söder hätte alle Merkelianer-Flaschen. wie Altmeier etc., sofort ausgetauscht. Das hat Laschet geschickt verhindert. Die Tragik der konservativ Angehauchten der CDU ist, daß ihr einziges Pferd im Kabinett, Spähnchen, gerade schwer unter Beschuß steht. Maaßen hat hierzu noch nie Stellung bezogen, was beweist, daß er installiert ist.

Wünschen wir Marine einfach Glück.....

Aussenseiter

17. Juni 2021 23:45

Bezeichnend ist ja beim Thema Maaßen ja auch, wie frenetisch der bei "Tichys einblick" als Messias abgefeiert wird. Was ja ganz gut passt, ist "Tichys Einblick" ja sozusagen "Maaßen" als Web-Portal: immer wieder richtige Erkenntnisse, aber dann doch nicht dazu bereit, die alten Bindungen zum "Liberalkonservatvismus" zu kappen. In den Foren zu den Artikeln auf Tichys Einblick kommt nix durch, das Israel/NATO oder die LGTBQ-Agenda grundsätzlich kritisiert. Dennoch ist erheiternd, wie die Kommentare in der Regel "rechter" sind als die Linie der Seite.  

Der_Juergen

18. Juni 2021 08:06

@Laurenz

Ihr dummes Geschwätz nervt mich, und bestimmt nicht nur mich.

"Politik über den eigenen Tod hinwegdenken" wollen Sie also. Wie viel Zeit, glauben Sie wohl, hat Frankreich, hat Deutschland, hat die weisse Welt noch? Und was nützt es, "gewaltlos an die Macht zu kommen", wenn man sie nicht nutzen kann, weil jeder Schritt von einer erdrückenden feindlichen Mehrheit im Parlament bekämpft und sabotiert und von einer feindlichen Presse und feindlichen Gerichten, in denen überall dieselben Freimaurer hocken, blockiert wird?

 

 

Laurenz

18. Juni 2021 09:36

@Aussenseiter

"bei "Tichys Einblick" als Messias abgefeiert wird"

Das haben Sie hervorragend formuliert. Ebenso wird mit Wolffsohn am alten Schuldkult herumgedoktort, um die verlorene Bonner Republik doch noch mit Infusionen am Leben zu erhalten. Trotzdem ist Tichys im Schreibstil der JF überlegen, weil bürgernäher. Allerdings werden über die Ausrichtung auch in dieser Redaktion sehr wohl ab & an die Fetzen fliegen. Mein Eindruck ist, daß, der in meinen Augen begabte, Alexander Wallasch, der meist eine Nummer härter rangeht, weniger für Tichys schreibt.

Waldgaenger aus Schwaben

18. Juni 2021 10:29

Erzählen Sie einem konservativ-liberalen Bürger etwas von Forderungen nach mehr Sozialleistungen, kommt sofort die Gegenfrage:

"Wer soll das bezahlen?" Antworten Sie: "Die Reichen", weiß er, dass er damit gemeint ist.

Antworten Sie: "Machen wir halt Schulden!", weiß er, dass letztlich er die Schulden zurückzahlen muss. 

Reden Sie mit ihm über die Reduktion anderer Staatsausgaben zur Gegenfinanzierung, wird es ein interessantes Gespräch.

Eine "Externe Finanzquelle", von der Marien LePen redet haben wir leider nicht (Meint sie vielleicht Deutschland?)

 

Zu Maaßen: 

Wenn eine schwarz-grüne und / oder eine schwarz-gelbe Regierung eine knappe Mehrheit an Sitzen habt, zwei oder drei Sitze, könnte es spannend werden. Maaßen, Merz und andere "Rebellen" in der CDU wissen, dass sie nur vom Wohlwollen der Wähler in ihren Wahlkreisen abhängen, einen guten Listenplatz werden sie nie bekommen. Insofern werden sie nicht leichtfertig die Hand heben, wenn deutsche Interessen verkauft werden. 

Andreas Walter

18. Juni 2021 12:18

Natürlich hat Maaßen nicht die "Rechtswende" beim BfV eingeleitet, das haben schon Frisch und Fromm (grins, nein, das ist keine Käsemarke), beide von der SPD, vor ihm gemacht.

Man kann im Grunde genommen sagen, dass mit dem Sieg des kapitalistischen Westens über den Warschauer Pakt sofort ein anderer Feind in den Vordergrund gerückt werden musste (als ABM und zur Selbstlegitimation der total aufgeblasenen Geheimdienste). In den VSA war es der Islam, in Deutschland die "Nazis". Man vergisst das alles nur sehr schnell, mit der Zeit, doch man muss es sich dann eben wieder in Erinnerung rufen. War gerade sofort alles wieder da, auch wenn es bereits 30 Jahre her ist. Kann man aber jungen Menschen nicht vorwerfen, auch diese Absurdität nicht miterlebt zu haben.

Andreas Walter

18. Juni 2021 13:04

Korrektur.

@Der_Juergen

Sie sehen das alles schon sehr klar, richtig und nüchtern. Einschliesslich auch den aggressiven Störsender (oder Aufschneider), der sich hier festgebissen hat (einfach ignorieren, sich nicht triggern lassen).

Eben, was soll darum auch eine Le Pen machen. Wobei sie dann zumindest Atombomben hat, um sich wenigstens die lieben "Nachbarn" vom Hals zu halten. Doch innenpolitisch? Alle Muslime nach Osten deportieren, vertreiben? Nach Germoney? pentaplusungut

Das möchte ich mir gar nicht vorstellen, was dann auch in Frankreich losgehen würde.

Es sei denn man geht davon aus, dass bestimmte Gruppen das womöglich sogar wollen, so etwas sogar unterstützen, Europa ins Chaos, in die Zerstörung zu stürzen. Some think big.

 

Jan

18. Juni 2021 15:51

@ Aussenseiter

TE und Achse, genau wie Maaßen und Sarrazin, die auf beiden Portalen großen Resonanzraum erfahren, würde ich als "strukturkonservativ" bezeichnen. TE mehr altes CDU/FDP-Milieu, Achse eher die kritische Linke. Beide Portale üben massive Kritik an den aktuellen Fehlentwicklungen, stellen aber in ihrer Kritik kaum die Frage, welche systemischen Eigenschaften vorlagen, damit es überhaupt zu den kritisierten Entwicklungen kommen konnte. Die berühmten 68er und ihr ominöser Marsch durch die Institutionen müssen besonders in Leserkommentaren immer wieder als Prügelknaben herhalten, das geht aber nicht tief genug. Auch schimmert immer mal wieder Nostalgie nach der Bonner Republik durch, besonders bei TE. Als wenn die Strukturen für die fatalen Entwicklungen nicht damals schon gelegt worden sind. Immerhin geht Thomas Spahn in seinen Analysen hin und wieder mal über den konventionellen Tellerrand hinaus (Gefahr der Verfassungsdiktatur) und über die mangelnde Reformierbarkeit des Parteienstaates hat Fritz Goergen schon oft geschrieben. Beide Blogs sind täglich lesenswert, man muss sie nur richtig einschätzen.

Ansonsten hat Benedikt Kaiser die Causa Maaßen mit chirurgischer Präzision seziert.

Der_Juergen

18. Juni 2021 18:18

@Jan @Aussenseiter

Gute Kommentare. Tichys Einblick erinnert in vielem an PI, das allerdings um eine Stufe radikaler ist. Wie von allem @Jan hervorhebt, wird die Systemfrage niemals gestellt. Dabei ist - und in diesem Punkt muss man den Marxisten recht geben - eine klare Analyse der Lage Voraussetzung für die Entwicklung einer Alternative. Auch bei Sezession gibt es eine Reihe honoriger Kommentatoren, die sich immer noch nach den guten alten Tagen von Franz Josef Strauss und Alfred Dregger zurücksehnen. Dabei war der Keim der Zerstörung damals längst gelegt; die der BRD von ihren Geburtshelfern, den anglo-amerikanischen Okkupanten, anerlegten Fesseln wurden nie abgestreift, und es wurde auch nie ein auch noch so halbherziger Versuch dazu unternommen. Der "Lange Marsch durch die Institutionen" hat in der Tat stattgefunden, aber dass er überhaupt möglich wurde, lag daran, dass das System den Antideutschen die ideologschen Waffen für ihre Zerstörungsarbeit geliefert hattr und als Gefangener seiner eigenen Lügen hilflos zusehen wurde, wie die radikale Linke diese Waffen immer hemmungsloser handhabte.

Laurenz

18. Juni 2021 19:59

@Der_Juergen & @Jan

Was Roland Tichy angeht, sind wir uns wohl einig.

Allerdings ist dieser womöglich intelligente Hugenotte sicherlich nicht blind.

Denn die Tichys-Leserschaft, zumindest jene, die sich artikuliert, ist vielleicht vom Bildungsniveau her nicht ganz so abgehoben, wie die Leser & Beitragsschreiber auf der SiN, aber politisch ähnlich zu verorten. Tichys Positionierung ist offensichtlich bewußt gewählt.

Der_Juergen

18. Juni 2021 20:04

Off-topic, aber allen Autoren, die zur neuen Nummer der gedruckten "Sezession" (102) beigetragen haben, herzlichen Dank für ihre vortreffliche Arbeit. Ich lese das Heft gerade mit grossem Gewinn.

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