Hans Kollhoff: Architektur. Schein und Wirklichkeit

von Claus-M. Wolfschlag -- Der Architekt Hans Kollhoff wurde 2019 Gegenstand einer Attacke aus der Autorenschaft des linken Kulturmagazins Arch+.

Vere­na Hart­baum und Ste­phan Trüby ver­such­ten im Stil »anti­fa­schis­ti­scher« Trüf­fel­schwei­ne Koll­hoff zu dis­kre­di­tie­ren, indem sie ihn in die Nähe des Anti­se­mi­tis­mus rück­ten. Bei­de stam­men aus der Kern­zel­le der lin­ken Bau­theo­rie, dem Insti­tut für Grund­la­gen moder­ner Archi­tek­tur und Ent­wer­fen (IGMA) an der Uni­ver­si­tät Stutt­gart. Trüby fun­giert als Insti­tuts­lei­ter, Hart­baum arbei-tet dort als wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin. Geg­ner des domi­nie­ren­den Bau­mo­der­nis­mus wer­den von dort aus auf­ge­spürt, nega­tiv ver­wert­ba­res Mate­ri­al über sie wird gesucht, um sie dann in Inter­views oder Zei­tungs­ar­ti­keln anzu­kla­gen. Zuletzt muß­te auf die­se Wei­se der Archi­tekt Chris­toph Mäck­ler dran glauben.

Der Geist, vor dem sich die­se Archi­tek­ten­schaft ängs­tigt, müs­se unbe­dingt »in der Fla­sche« gehal­ten wer­den, äußert Koll­hoff nun. Der Auf­hän­ger zur Atta­cke gegen ihn war der von ihm 2000 halb­mo­dern-neo­klas­si­zis­tisch gestal­te­te Ber­li­ner Wal­ter-Ben­ja­min-Platz. Die ideo­lo­gisch beseel­ten Sucher schnüf­fel­ten und wur­den auf dem Are­al bei einer klei­nen, bis­lang kaum beach­te­ten Boden­plat­te fün­dig. Die Plat­te trug ein kri­ti­sches Zitat zu »usu­ra«, dem ita­lie­ni­schen Wort für »Wucher«. Sie fan­den rasch her­aus, daß der nicht genann­te Autor der Zei­len der ame­ri­ka­ni­sche Schrift­stel­ler Ezra Pound ist, der sich einst nega­tiv über Juden geäu­ßert und Mus­so­li­ni ver­ehrt hat­te. Die übli­che Pres­se­ma­schi­ne­rie konn­te nun gegen Koll­hoff in Gang gesetzt und die unschein­ba­re Boden­plat­te selbst­ver­ständ­lich 2020 ord­nungs­ge­mäß ent­fernt werden.

Doch das Trüf­fel­schwein hat bekannt­lich ein fei­nes Sen­so­ri­um, und Koll­hoff beweist mit sei­nem Bänd­chen Archi­tek­tur, daß er kei­nes­falls unge­fähr­lich für das Milieu der moder­nis­ti­schen Bestands­wah­rer ist. Ohne Respekt vor der gegen­wär­ti­gen Archi­tek­ten­zunft legt er eine ver­nich­ten­de Bestands­auf­nah­me unse­rer Bau­kul­tur und des dahin­ter­ste­hen­den mate­ria­lis­ti­schen Ungeis­tes vor. Urba­ner Raum kom­me nicht mehr zustan­de, weil statt Gemein­schaft, die ein Ein­ord­nen erfor­de­re, und Iden­ti­fi­ka­ti­on mit dem Gemein­we­sen nur noch die nar­ziß­ti­sche Gier nach Auf­merk­sam­keit und das kurz­fris­ti­ge Den­ken der Pro­fit­ma­xi­mie­rung die Köp­fe beherrschten.

Koll­hoff spricht offen von »Mach­wer­ken«, die uns heu­te im Feuil­le­ton als gro­ße Archi­tek­tur ver­kauft wer­den. Kurz­le­bi­ge Moden, schlecht altern­de Expe­ri­men­tal­bau­ten, bezugs­lo­se Soli­tä­re und Abschrei­bungs­ob­jek­te, die nach 25 Jah­ren wie­der abge­ris­sen wer­den, zer­stö­ren das Bild der euro­päi­schen Stadt. Mons­trö­se Mega­struk­tu­ren haben vie­ler­orts die klas­si­sche Form des Hau­ses, bei der die meis­ten Men­schen Behag­lich­keit emp­fin­den, ver­drängt. Es sei die­je­ni­ge Archi­tek­tur, die von einer glo­ba­lis­tisch agie­ren­den Eli­te bevor­zugt wer­de. Der Sün­den­fall lag für Koll­hoff dabei in der völ­li­gen Abkehr tra­di­tio­nel­ler Stadt­bau­prin­zi­pi­en nach dem Zwei­ten Welt­krieg. Mitt­ler­wei­le sei sogar die Denk­mal­pfle­ge moder­nis­tisch kor­rum­piert worden.

Der Autor spart nicht mit Kul­tur­kri­tik an plat­tem Enter­tain­ment und Kon­sum ohne Bereit­schaft, auch etwas Geld in die Schön­heit der Stadt zu inves­tie­ren. Doch er gibt auch Hoff­nung auf Ände­rung. Eine neue Schicht von Bau­her­ren wer­de sich nach dem Durch­schrei­ten aller Täler der Unkunst schritt­wei­se aus den Fes­seln des alt gewor­de­nen Moder­nis­mus lösen und den Weg zurück zu tra­di­tio­nel­len Prin­zi­pi­en fin­den. Demut und Acht­sam­keit wür­den wie­der­ent­deckt. Die Lie­be zum Schmuck wer­de wie­der Ein­zug hal­ten. Die euro­päi­sche Stadt wer­de nicht ster­ben. Koll­hoff plä­diert für einen »dem Zeit­geist dia­me­tral ent­ge­gen­ge­setz­ten« Kon­ser­va­tis­mus, der dazu beru­fen sei, das euro­päi­sche Erbe zu bewah­ren. Der “unhei­li­gen Alli­anz aus Poli­ti­cal Cor­rect­ness und skru­pel­lo­sem Wirt­schafts­ge­ba­ren” gel­te es, “das Aris­to­kra­ti­sche als Hal­tung” ent­ge­gen­zu­set­zen: “Ich hof­fe, das klingt zuver­sicht­lich, wenn­gleich jun­ge Archi­tek­ten nun vie­les ver­ges­sen dür­fen, was sie heu­te an der Hoch­schu­le lernen.”

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Hans Koll­hoff: Archi­tek­tur. Schein und Wirk­lich­keit, Sprin­ge: zu Klam­pen 2020. 128 S., 14€

 

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