Unter Verdacht

PDF der Druckfassung aus Sezession 96/ Juni 2020

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Seit März wis­sen wir, daß das Insti­tut für Staats­po­li­tik, also der Besit­zer und Her­aus­ge­ber die­ser Zeit­schrift, vom Ver­fas­sungs­schutz beob­ach­tet wird, weil es Anhalts­punk­te für den Ver­dacht auf Bestre­bun­gen gegen die frei­heit­li­che demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land gebe. Daß wir nun an der Rei­he sind, hat uns eben­so­we­nig über­rascht wie die Faden­schei­nig­keit der Begrün­dung und die man­geln­de Mühe, die sich der VS noch gibt, sei­ne instru­men­ta­li­sier­te Rol­le zu kaschieren.

Unter auch nur halb­wegs nor­ma­len Umstän­den käme eine Behör­de, die zum Schutz der Ver­fas­sung ein­ge­rich­tet wor­den ist, nie­mals auf die Idee, ein Insti­tut wie das unse­re unter Ver­dacht zu stel­len. Man kann rein struk­tu­rell argu­men­tie­ren: Eine mit rund 250.000 Euro Jah­res­bud­get arbei­ten­de, trans­pa­ren­te und bis zum heu­ti­gen Tag gemein­nüt­zi­ge Bil­dungs- und For­schungs­ein­rich­tung kann die Ver­fas­sung nicht gefähr­den. Dies ist nur sol­chen Per­so­nen und Gebil­den mög­lich, die soviel poli­ti­sche Macht besit­zen, daß sie ent­we­der Ver­fas­sungs­grund­sät­ze aus­he­beln oder einen Putsch durch­füh­ren kön­nen: Regie­rungs­par­tei­en, Ver­fas­sungs­ge­rich­te, Gene­ra­li­tät, Poli­zei­füh­rung, Spit­zen­be­am­te, fünf­te Kolon­nen aus einem mäch­ti­gen frem­den Staat. Vor allem aber ist es die Ver­knüp­fung von Sen­dungs­be­wußt­sein, Geld, Netz­werk und Tech­no­kra­tie, die uns dort, wo es um Frei­heit und Selbst­be­stim­mung der Völ­ker geht, zu spie­len­den Kin­dern degradiert.

Tota­li­tä­re Uto­pie und sys­te­mi­sche Macht: Unser Insti­tut ist der Gegen­ent­wurf dazu. Es ist eine Wider­stands­in­sel in bes­ter kon­ser­va­tiv-revo­lu­tio­nä­rer Tra­di­ti­on: Dr. Erik Leh­nert und ich haben Hoch­schul­stu­di­en­gän­ge abge­schlos­sen, bezah­len Steu­ern, haben Fami­li­en gegrün­det, erzie­hen Kin­der, sind Offi­zie­re und hal­ten Kon­sum­di­stanz. Jeder von uns besitzt über 3000 Bücher, und natür­lich schimp­fen wir beim Bie­re über die Regie­rung. Aber kei­ner von uns bei­den denkt in tota­li­tä­ren Ent­wür­fen, sym­pa­thi­siert mit Ter­ro­ris­ten oder ruft auf sonst eine Art und Wei­se zu Gewalt auf.

Die Lin­ke war und ist da wei­ter. Aber selbst die RAF war zu kei­nem Zeit­punkt ihres Bestehens und Agie­rens eine Gefahr für die Ver­fas­sung. Sie war eine töd­li­che Gefahr für Leib und Leben der­je­ni­gen, die sie im Visier hat­te, aber sie bedroh­te die Ver­faßt­heit der Bun­des­re­pu­blik nicht, obwohl ein erkleck­li­cher Anteil der Stu­den­ten­schaft und der lin­ken Intel­li­gen­zia auf ihrer Sei­te stand und das, was da tötend ver­laut­bart wur­de, gou­tier­te. Ein Teil derer, die über den bewaff­ne­ten Kampf sin­nier­ten und in den Mas­sen­mör­dern Ho Tschi Min und Mao, Lenin und Pol Pot Gegen­ent­wür­fe zum faschis­ti­schen Kapi­ta­lis­mus sahen, mach­te spä­ter Kar­rie­re bei den Grü­nen, in der SPD oder – nach dem Mau­er­fall – bei den Lin­ken, deren eher spie­ßi­ge Ost­ver­tre­ter über die­se Radi­kal­so­zia­lis­ten aus dem Wes­ten den Kopf schüttelten.

Aber bis man den Marsch durch die Insti­tu­tio­nen, die Par­tei­ebe­nen und poli­ti­schen Ämter abge­schlos­sen hat­te und dort ankam, wo man der Ver­fas­sung an den Kra­gen gehen konn­te, war der revo­lu­tio­nä­re Impuls ver­flo­gen, waren die Träu­me über die Näch­te lan­ger Mes­ser ausgeträumt.

Vom Umsturz war die Umdeu­tung übrig­ge­blie­ben: Dem »Volk« geht es an den Kra­gen, weil ein links­be­setz­tes Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in ihm kei­nen Eth­nos mehr erblickt haben möch­te, son­dern eine blo­ße Ansamm­lung von Staats­bür­gern. So also kann man den Sou­ve­rän aus­he­beln, mit­hin die Ver­fas­sung angrei­fen, und das berührt nun wie­der jene quan­ti­ta­ti­ve Ebe­ne, von der oben die Rede war: Was sind hun­dert Ter­ro­ris­ten gegen eine Gerichts­kam­mer, die sanft erle­digt, was den ande­ren nicht gelang?

Es ist daher ein Anhalts­punkt für den Ver­dacht auf extre­mis­ti­sche Bestre­bun­gen gegen die frei­heit­li­che demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung, wenn in Meck­len­burg-Vor­pom­mern nun mit den Stim­men der CDU und der SPD die Lin­ke Bar­ba­ra Bor­chardt zur Ver­fas­sungs­rich­te­rin ernannt wor­den ist. Bor­chardt ist Mit­glied der par­tei­in­ter­nen »Anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Lin­ken« und wird auf­grund die­ser Zuord­nung selbst vom Ver­fas­sungs­schutz beobachtet.

Man kann sich, wie stets in sol­chen Fäl­len, fol­gen­los dar­über empö­ren. Die Ver­hal­tens­leh­re, die dar­aus zu zie­hen wäre, ist eben­falls stets die­sel­be: Wenn man fest im Sat­tel sitzt, also an der Macht ist, dann ist das, was der Ver­fas­sungs­schutz anzu­mer­ken hat, bloß ein Vogel­schiß. Für alle andern ist es Kri­mi­na­li­sie­rung und Rufmord.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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