Seit März wissen wir, daß das Institut für Staatspolitik, also der Besitzer und Herausgeber dieser Zeitschrift, vom Verfassungsschutz beobachtet wird, weil es Anhaltspunkte für den Verdacht auf Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gebe. Daß wir nun an der Reihe sind, hat uns ebensowenig überrascht wie die Fadenscheinigkeit der Begründung und die mangelnde Mühe, die sich der VS noch gibt, seine instrumentalisierte Rolle zu kaschieren.
Unter auch nur halbwegs normalen Umständen käme eine Behörde, die zum Schutz der Verfassung eingerichtet worden ist, niemals auf die Idee, ein Institut wie das unsere unter Verdacht zu stellen. Man kann rein strukturell argumentieren: Eine mit rund 250.000 Euro Jahresbudget arbeitende, transparente und bis zum heutigen Tag gemeinnützige Bildungs- und Forschungseinrichtung kann die Verfassung nicht gefährden. Dies ist nur solchen Personen und Gebilden möglich, die soviel politische Macht besitzen, daß sie entweder Verfassungsgrundsätze aushebeln oder einen Putsch durchführen können: Regierungsparteien, Verfassungsgerichte, Generalität, Polizeiführung, Spitzenbeamte, fünfte Kolonnen aus einem mächtigen fremden Staat. Vor allem aber ist es die Verknüpfung von Sendungsbewußtsein, Geld, Netzwerk und Technokratie, die uns dort, wo es um Freiheit und Selbstbestimmung der Völker geht, zu spielenden Kindern degradiert.
Totalitäre Utopie und systemische Macht: Unser Institut ist der Gegenentwurf dazu. Es ist eine Widerstandsinsel in bester konservativ-revolutionärer Tradition: Dr. Erik Lehnert und ich haben Hochschulstudiengänge abgeschlossen, bezahlen Steuern, haben Familien gegründet, erziehen Kinder, sind Offiziere und halten Konsumdistanz. Jeder von uns besitzt über 3000 Bücher, und natürlich schimpfen wir beim Biere über die Regierung. Aber keiner von uns beiden denkt in totalitären Entwürfen, sympathisiert mit Terroristen oder ruft auf sonst eine Art und Weise zu Gewalt auf.
Die Linke war und ist da weiter. Aber selbst die RAF war zu keinem Zeitpunkt ihres Bestehens und Agierens eine Gefahr für die Verfassung. Sie war eine tödliche Gefahr für Leib und Leben derjenigen, die sie im Visier hatte, aber sie bedrohte die Verfaßtheit der Bundesrepublik nicht, obwohl ein erklecklicher Anteil der Studentenschaft und der linken Intelligenzia auf ihrer Seite stand und das, was da tötend verlautbart wurde, goutierte. Ein Teil derer, die über den bewaffneten Kampf sinnierten und in den Massenmördern Ho Tschi Min und Mao, Lenin und Pol Pot Gegenentwürfe zum faschistischen Kapitalismus sahen, machte später Karriere bei den Grünen, in der SPD oder – nach dem Mauerfall – bei den Linken, deren eher spießige Ostvertreter über diese Radikalsozialisten aus dem Westen den Kopf schüttelten.
Aber bis man den Marsch durch die Institutionen, die Parteiebenen und politischen Ämter abgeschlossen hatte und dort ankam, wo man der Verfassung an den Kragen gehen konnte, war der revolutionäre Impuls verflogen, waren die Träume über die Nächte langer Messer ausgeträumt.
Vom Umsturz war die Umdeutung übriggeblieben: Dem »Volk« geht es an den Kragen, weil ein linksbesetztes Bundesverfassungsgericht in ihm keinen Ethnos mehr erblickt haben möchte, sondern eine bloße Ansammlung von Staatsbürgern. So also kann man den Souverän aushebeln, mithin die Verfassung angreifen, und das berührt nun wieder jene quantitative Ebene, von der oben die Rede war: Was sind hundert Terroristen gegen eine Gerichtskammer, die sanft erledigt, was den anderen nicht gelang?
Es ist daher ein Anhaltspunkt für den Verdacht auf extremistische Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, wenn in Mecklenburg-Vorpommern nun mit den Stimmen der CDU und der SPD die Linke Barbara Borchardt zur Verfassungsrichterin ernannt worden ist. Borchardt ist Mitglied der parteiinternen »Antikapitalistischen Linken« und wird aufgrund dieser Zuordnung selbst vom Verfassungsschutz beobachtet.
Man kann sich, wie stets in solchen Fällen, folgenlos darüber empören. Die Verhaltenslehre, die daraus zu ziehen wäre, ist ebenfalls stets dieselbe: Wenn man fest im Sattel sitzt, also an der Macht ist, dann ist das, was der Verfassungsschutz anzumerken hat, bloß ein Vogelschiß. Für alle andern ist es Kriminalisierung und Rufmord.