Formen der Machtausübung
Macht mißt sich an der Fähigkeit, beabsichtigte Wirkungen hervorzubringen. In gesellschaftlichen Zusammenhängen freilich ist vor allem die Macht über andere Menschen von Interesse. Mit John Kenneth Galbraiths lassen sich drei Machtformen unterscheiden.
1. REPRESSIVE MACHT beruht auf der Androhung von Strafmaßnahmen oder ihrem tatsächlichen Vollzug. Ein Einzelner oder eine Gruppe sollen dazu gebracht werden, die Verfolgung bestimmter Präferenzen oder Ziele aufzugeben. Sanktionen können in ganz unterschiedlicher Form auftreten. Neben physischen Bestrafungen kommen auch psychologische Methoden in Betracht, die mit der Androhung negativer psychischer Folgen verbunden sind. Zurückweisung, Ablehnung, Lächerlichmachung, moralische Kritik und der Entzug von Respekt sind nur einige. Im Falle von Diffamierung und Stigmatisierung geht es darum, Ansehensverlust oder Ausgrenzung zu bewirken. Über repressive Macht verfügt, wer mit unangenehmen Folgen wirkungsvoll drohen kann und die gewünschte Unterwerfung tatsächlich erreicht. Repressive Macht versetzt den Betroffenen in die Situation, sich für eine der Optionen entscheiden zu müssen. Auch wenn der Betroffene insofern eine freie Wahl trifft, hat er diese Wahl doch nicht freiwillig, sondern in einer herbeigeführten Zwangssituation notgedrungen getroffen. Repressive Macht zielt auf ein gewünschtes (äußeres) Verhalten, ohne daß der Sich-Verhaltende mit dem Inhalt seines Verhaltens innerlich übereinstimmen müßte.
Die Diffamierung bestimmter Ansichten und Standpunkte sowie die schonungslose Stigmatisierung derer, die sich zu ihnen bekennen, macht nicht nur jedem klar, was man lieber nicht sagt, sondern was man sagen muß, um seine persönlichen Ziele unter der Herrschaft des hegemonialen Ideensystems erreichen zu können. Die Macht des kulturellen Hegemons äußert sich auf diese Weise als kompensatorische Macht.
2. KOMPENSATORISCHE MACHT beruht auf der Inaussichtstellung und Verteilung von Belohnungen. Die vom Machthaber gewünschte Unterwerfung in Gestalt von Wohlverhalten wird durch eine ausgleichende Vergütung erzielt. Diese Vergütung kann in vielen Formen »bezahlt« werden: finanzielle Zuwendungen, Sonderrechte, Karrierechancen, Ämter und Posten, Aufnahme in elitäre Zirkel, lobende Erwähnungen etc. Der Betroffene wird dazu verleitet, sich in gewünschter Weise zu verhalten. Wie auch repressive Macht, erzeugt kompensatorische Macht lediglich äußere Konformität. Setzt der Machthaber seinen Willen durch, indem er für Gehorsam Kompensationen anbietet, ist der Einzelne genötigt, sich zwischen Karriere und Authentizität zu entscheiden. Entscheidet er sich für die Karriere, bleibt nicht nur die Anständigkeit auf der Strecke. Es ist ein Akt der freiwilligen und bewußten Selbstunterwerfung.
Ein gewünschtes Verhalten läßt sich aber auch ohne die Androhung und den Vollzug von Sanktionen sowie die Verteilung von Gratifikationen erzeugen. Dazu müssen dieÜberzeugungen und der Wille der Menschen in geeigneter Weise beeinflußt und geformt werden. Hierfür kommen verschiedene Mittel und Methoden in Betracht. Es handelt sich hierbei um Instrumente zur Erzeugung konditionierter Macht.
3. KONDITIONIERTE MACHT beruht auf der gezielten Lenkung bzw. Erzeugung von Gefühlen, Wünschen, Gedanken und Meinungen sowie der Auslösung entsprechender Verhaltensweisen. Sie manifestiert sich in veränderten Bewußtseins- und Überzeugungsinhalten. Konditionierte Macht erzeugt Konformismus, inspiriert gewünschte Entscheidungen, lenkt das Verhalten in bestimmte Richtungen und greift damit auf das Innere des Menschen zu. Der kulturelle Hegemon gewinnt konditionierte Macht, indem es ihm gelingt, menschliche Verhaltensdispositionen seinen Vorstellungen entsprechend zu aktivieren oder seine ideologischen Inhalte in die Überzeugungsbestände möglichst vieler Herrschaftsunterworfener zu überführen. Konditionierte Macht hat, wer subversives Denken zu durchkreuzen und widerständiges Handeln zu unterbinden vermag.
Konditionierte Macht äußert sich in der Fähigkeit, den Willen anderer in einer Weise zu beeinflussen, daß sich diese dem beeinflussenden Willen, gleich ob bewußt oder unbewußt, freiwillig unterwerfen. Es handelt sich um eine Form der Abrichtung. Die herrschenden Ideen sollen dabei nicht nur formal vertreten, sie müssen innerlich anerkannt werden. Konditionierte Macht gilt den Konditionierten als legitime Macht. Einem legitimierten Machthaber leistet man aus eigenen Stücken und im (vermeintlichen) Selbstinteresse Gehorsam. Der Konditionierte sieht seine Gehorsamsleistung nicht als Unterwerfung. Sein Verhalten stimmt mit seinen eigenen, vom Machthaber gezielt herausgebildeten Überzeugungen überein.
Dogmatisierung der politisch-moralischen Grundorientierung
Kulturelle Hegemonie gewinnt man durch die Formung der öffentlichen Meinung. Dazu müssen die entsprechenden Ideen in die öffentlichen Debatten eingespeist, in den Massenmedien permanent präsentiert und möglichst viele überzeugt werden. Am erfolgreichsten ist man, wenn es gelingt, sie als selbstverständliches Gedankengut eines vernünftig denkenden und moralisch anständigen Menschen zu verkaufen. Ideen müssen zudem Multiplikatoren finden; sie müssen in Netzwerken kursieren und prominente, wirkungsvolle Vertreter finden. Ideen werden mächtig, indem sie von Mächtigen propagiert werden.
Die derzeit dominierende politisch-mediale Elite legt es aber nicht nur darauf an, für ihre Ideen und Problemlösungsvorschläge zu werben; ihr geht es vielmehr darum, ihre politisch-moralische Grundorientierung jeglicher Infragestellung durch alternative Denkangebote zu entziehen. Das Hauptmittel, diese Verabsolutierung durchzusetzen, besteht darin, die gleichberechtigte öffentliche Vertretung der kollektivistischen und moralisch-partikularistischen Grundorientierung zu verhindern und die in großen Teilen der Bevölkerung verbreitete Überzeugung von der (partiellen) Berechtigung dieser Grundorientierung mit Methoden der Manipulation, der Einschüchterung und der moralischen Desavouierung zu unterminieren. Diese Elite kämpft nicht nur um die kulturelle, sondern die ideologische Hegemonie; sie zielt darauf ab, das eigene Überzeugungssystem als eine Ideologie zu etablieren. Ihre Stellung als ideologischer Hegemon wird sie allerdings nur dann stabilisieren können, wenn es ihr gelingt, diese konkurrierende Grundorientierung als mit »unseren Werten« unverträglich abzuweisen. Dies gelingt am besten, wenn sie in das Reich des Undenkbaren, des Inhumanen, des Bösen verwiesen wird.
Der Kampf um die ideologische Hegemonie erlaubt keine ergebnisoffene, rationale Diskussion. Denn in einer solchen Diskussion würde deutlich werden, daß man auch für Handlungsoptionen rational argumentieren kann, die mit einer kollektivistischen und partikularistischen Grundorientierung übereinstimmen. Deshalb gilt es festzuhalten: Die kosmopolitische, individualistische und moralisch-universalistische Einstellung– die auf die umfassende Beachtung der Menschenrechte, die allgemeine Anerkennung westlicher Werte, die Überwindung gruppensolidarischen Verhaltens, die Auflösung ethnisch und kulturell homogener Abstammungsgesellschaften sowie die Übertragung nationaler Souveränitätsrechte an supranationale Einheiten, Institutionen und Organisationen zielt – ist nicht nur schlechthin zur politisch-moralischen Grundorientierung der herrschenden Elite geworden; vielmehr wird dieses Ideensystem vom dominierenden Teil der politischen und medialen Elite – unter Nutzung staatlicher Ressourcen – einer kritischen Infragestellung und Diskussion entzogen und ist aufgrund der damit verbundenen Dogmatisierung zu einer Ideologie verkommen.
Ideensysteme werden zu Ideologien auf zwei Wegen: Erstens dadurch, dass ihre Vertreter sie in einem Modus der Unbedingtheit und Ausschließlichkeit propagieren und für unangreifbar, korrekturunbedürftig und revisionsresistent erklären – also durch eine bestimmte Einstellung, die ihre Protagonisten zu ihren eigenen Überzeugungsinhalten haben. Zweitens dadurch, daß sie durch die bestehenden Machtverhältnisse in der betreffenden Gesellschaft der Kritik und einer möglichen Revision entzogen werden oder jedenfalls entzogen werden sollen – also durch eine bestimmte Einstellung, die diesen Ideen gegenüber innerhalb eines Herrschaftssystems vorgeschrieben oder von den Herrschaftsunterworfenen als verpflichtend empfunden wird. Ob einem Ideensystem die Qualität des Ideologischen zuzuschreiben ist, mißt sich nicht an seinem Inhalt, den Ideen selbst, sondern der Art ihrer Vertretung.
Der Staat als Erzieher und Propagandist
Wie alle Staaten setzen auch Weltanschauungsdiktaturen auf repressive und kompensatorische Macht. Charakteristisch für Weltanschauungsdiktaturen ist jedoch, daß der Staat als Erzieher und Propagandist auftritt. Als ideologiegeleitete Systeme setzen sie zudem auf eine ideologiekonforme geistige Beeinflussung der Herrschaftsunterworfenen, mithin auf konditionierte Macht. Allerdings steht diese Herrschaftsmethode auch demokratischen Verfassungsstaaten offen.
Tatsächlich erleben wir derzeit, wie die politisch-mediale Elite des Landes ihre Machtpositionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nutzt, um die Meinungs- und Überzeugungsbildung der Wähler im Sinne ihrer politisch-moralischen Grundorientierung zu beeinflussen. Trotz Fortbestehens der institutionellen Voraussetzungen einer freiheitlichen Gesellschaft ist der Bürger mit einer nahezu einheitlichen Propaganda konfrontiert. Diese Verhältnisse konnten sich etablieren, weil die politisch-mediale Klasse – trotz aller sonstigen Meinungsdifferenzen – eine relativ klar umrissene Agenda verfolgt, sich also insofern »gleichgeschaltet« hat, und auf dem Weg ist, sich zum ideologischen Hegemon aufzuschwingen. Das Ziel dieser Bemühungen ist es, das eigene Ideensystem als herrschende Ideologie zu etablieren und eine entsprechende Bewußtseinsbildung der Massen zu bewerkstelligen. Widerspruch sowohl gegen die herrschenden Ideen als auch die angewendeten Herrschaftsmethoden wird sanktioniert.
Unter welchen Voraussetzungen ist all dies in einem demokratischen Staat möglich? Es ist möglich, wenn Journalisten, Wissenschaftler sowie auch Politiker sich gegenseitig beobachten und beeinflussen, Leitfiguren folgen und sich opportunistisch anpassen. Dies ist mittlerweile bei vielen Themen der Fall. Sie bilden gleichsam eine sich selbst bestärkende Glaubensgemeinschaft, halten aber, so Hans Mathias Kepplinger, trotz intensiver Kollegenbeobachtung an der Illusion fest, ihre Urteile autonom zu bilden. Sie organisieren Netzwerke, um sich gegenseitig zu decken und zu promoten. Zur Herausbildung eines engen Meinungsspektrums bedarf es jedenfalls keiner Zensur.
Die wichtigsten deutschen Medien bilden einen tonangebenden medialen Hauptstrom, der hinsichtlich der Informationsauswahl und der meinungsbildenden Bewertungen mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede aufweist. Differenzen erweisen sich in der Hauptsache als Meinungsunterschiede innerhalb derselben politisch-moralischen Grundorientierung. Um sich in Deutschland ausgewogen zu informieren, ist eine ausschließliche Inanspruchnahme von »Mainstreammedien« nicht mehr sinnvoll.
Diese Mainstreammedien »definieren« allein durch die Auswahl der Themen und die Art und Weise ihrer Berichterstattung einen Meinungskorridor, der in den letzten Jahren erkennbar enger geworden ist. Diesen Korridor der gleichsam »erlaubten« Meinungen zu verlassen, wird mit Isolation und Stigmatisierung bestraft. Die Strafandrohung erzeugt besagten Konformitätsdruck. Konformitätsdruck, und dies ist für das Verständnis von Demokratien wesentlich, kann nicht nur von einer gesellschaftlichen Mehrheit ausgehen, sondern ebenso von einer ideologisch dominierenden Minderheit, die über den nötigen Rückhalt in den Medien verfügt. Über Medienmacht kann repressive Macht ausgeübt werden.
Medienmacht kann aber ebenso in konditionierte Macht umgesetzt werden. Denn auch unter demokratischen Verhältnissen ist es möglich, den Wähler zu konditionieren und in einer von der Elite gewünschten Weise ideologisch zu infiltrieren. Daher ist auch in Demokratien mit Versuchen einer mehr oder weniger gezielten »Gehirnwäsche« zu rechnen. Bei andersdenkenden Bürgern wird sich dann das Gefühl einstellen, unablässig belehrt und erzogen zu werden. In Weltanschauungsdiktaturen sind es die Staatsorgane selbst, die eine Propaganda im Geiste der Systemideologie betreiben; unter demokratischen Verhältnissen ist es das agitatorische Wirken einer politisch-medialen Elite, das aufgrund einer einheitlichen ideologischen Ausrichtung als Indoktrination wahrgenommen werden kann.
Bei allen großen Themen der letzten Jahre – Beurteilung der EU-Erweiterungs- und Integrationspolitik, der Energiewendepolitik, der Euro-Rettungspolitik, der Migrationspolitik, der »Klimarettungs«-Politik, des Brexit, des gegenwärtigen amerikanischen Präsidenten und seines Vorgängers – war zu beobachten, wie sich ein ideologischer Gleichklang bei der Berichterstattung in den dominierenden Medien herausbildete. Dies bedeutet nicht, daß alternative Sichtweisen nicht geäußert werden durften und überhaupt nicht auftauchten. Die Existenz eines Mainstreams ist in einer pluralistischen Medienlandschaft durchaus mit dem sporadischen Vorkommen alternativer Meinungen vereinbar. Entscheidend ist, daß kritische Perspektiven, die die herrschenden Meinungen fraglich werden lassen könnten, marginalisiert und abweichende Positionen verächtlich gemacht werden. Die oft zu hörende Behauptung, auch abweichende Meinungen kämen in der Berichterstattung der Leitmedien vor, ist in der Sache richtig, wird aber dem Phänomen der von einem politisch-medialen Komplex praktizierten Propaganda nicht gerecht. Wenn nämlich die wichtigsten und die meisten Medien eines Landes die Politik der Regierung unterstützen und die wenigen oppositionellen Stimmen permanent diskreditieren, findet allein durch die konzertierte moralische Herabwürdigung regierungskritischer Auffassungen eine Meinungsmanipulation statt.
Die öffentlich-rechtlichen Medien der Bundesrepublik haben publizistische Vielfalt und Ausgewogenheit zu garantieren. Diesen Forderungen ist nur dadurch nachzukommen, daß alle relevanten legitimen Positionen gleichermaßen Darstellung finden. Journalisten haben daher die Pflicht, neutral zu berichten, das heißt Nachrichten über Äußerungen und Handlungen nicht mit Wertungen zu versetzen. Sobald Menschen es aus Isolationsfurcht unterlassen, ihre Standpunkte öffentlich zu vertreten, setzt jene, eine freiheitliche Gesellschaft zerstörende, Dynamik ein, die Elisabeth Noelle-Neumann als »Schweigespirale« bezeichnet hat – die Herausbildung einer »schweigenden« Bevölkerungsmehrheit, deren Überzeugungen durch die dominierenden Medien diffamiert werden.
Der gekaperte Staat
Was ihre politisch-moralische Grundorientierung anlangt, schwimmen große Teile der Politik und der Leitmedien auf derselben Welle. Sie verfolgen ähnliche Zielvorstellungen und agieren sinngleich. Der Staat wurde von ähnlich denkenden Kräften unterwandert. Diese Akteure sitzen in den Institutionen des Staates, den Redaktionen der Massenmedien, auf den Lehrstühlen der geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Fakultäten und teilweise sogar in den Vorständen großer Konzerne. Dies rechtfertigt es, von einem »politisch-medialen Komplex« zu sprechen, der den Staat und den öffentlichen Meinungsbildungsprozeß faktisch kontrolliert.
Regierungskritiker haben kaum Möglichkeiten, sich in den Leitmedien zu artikulieren; oppositionelle Kräfte können sich außerhalb des Parlaments nicht angemessen präsentieren; die Entscheidungsträger müssen sich öffentlich nicht verantworten. Die Regierung hat nicht nur ausreichend mediale Rückendeckung, um eigene Fehlleistungen zu bemänteln und vor allem zu »beschweigen«, sie wird auch nicht zur Rechenschaft gezogen. Je wirkungsvoller Kritiker mundtot gemacht werden, um so häufiger kommen die Entscheidungsträger mit ihrem Versagen einfach durch – eben weil es in den wichtigen Medien nicht wirklich benannt, geschweige denn angeprangert wird. Diese nehmen ihre Kontrollfunktion selektiv wahr.
Daß die einzige tatsächliche Oppositionspartei, eine Partei, mit deren Grundanliegen im Hinblick auf die nationale und kulturelle Selbstbehauptung ein beträchtlicher Teil des Volkes sympathisieren dürfte, die AfD, von allen anderen im Parlament vertretenen Parteien in einer Art »nationaler Front« ausgegrenzt und zum inneren Feind erklärt wird, untergräbt sowohl das Vertrauen des Bürgers in die demokratischen Institutionen als auch die Institution der Opposition selbst – eine in der Demokratie, neben dem Rechtsstaat, entscheidende Sicherung gegen Tyrannei. Die Opposition formuliert den Widerspruch gegen die Regierungspolitik und zerstört die Illusion der Alternativlosigkeit. Solange eine Opposition als Partei – abgesehen also von vereinzelten Mitgliedern – auf dem Boden der Verfassung kämpft, ist ihre Ausgrenzung, die zudem innerparteiliche Tendenzen zur Radikalisierung verstärken kann, eine politische Torheit sondergleichen. Zudem sollte man nicht verkennen, daß die Stigmatisierung einer Partei die Stigmatisierung ihrer Wähler impliziert.
Daß darüber hinaus die Entscheidungsprozesse wichtiger Weichenstellungen im Dunkeln bleiben, wird ebenfalls nicht thematisiert und von der politischen Klasse auch nicht als ein demokratisches Defizit wahrgenommen. Weitreichende Entschlüsse werden mitunter kaum erläutert und nur notdürftig begründet. Diese Praxis untergräbt das in einer Demokratie notwendige Vertrauen des Volkes in die Seriosität und Gemeinwohlorientiertheit der politisch Mächtigen. Schließlich wird von den Herrschaftsunterworfenen erwartet, daß sie die Gesetze einhalten und auch Entscheidungen akzeptieren, die nicht ihren Wünschen entsprechen.
Mit welch unzureichenden Erklärungen der Bürger abgespeist wird, war auch in der Corona-Krise zu beobachten. Politische Amtsträger benahmen sich nicht wie Vertreter des Volkes, sondern wie Vormünder und Erziehungsberechtigte. Die massiven Grundrechtseinschränkungen, die Bundesregierung und Landesregierungen erlassen haben, hätten – gerade auch wegen der prekären Informationslage – detailliert und nachvollziehbar begründet werden müssen. In einer solchen Begründung hätte die Faktenbasis der Entscheidung offengelegt und eine Prüfung der Tauglichkeit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Mittel vorgelegt werden müssen. Darüber hinaus wäre zu erwarten gewesen, daß man Falsifikationskriterien nennt – also im voraus sagt, beim Eintritt welcher Entwicklungen man das gewählte Vorgehen für gescheitert oder überflüssig hielte. Selbst über offenkundige Strategiewechsel wurde nicht informiert.
Informationspflichten der Regierung resultieren zudem aus dem politischen Mitwirkungsrecht, das jedem Bürger in der Demokratie zusteht. Denn Informationen sind eine Grundlage für Entscheidungen. Tatsächlich werden dem Bürger Informationen selektiv und dosiert zugeteilt – und zwar so, daß er keine nicht-gewünschten Schlußfolgerungen zieht. Dem Wahlvolk wird mißtraut, und Bürger werden nicht wie Erwachsene behandelt. Dies wird zu Recht als ein Angriff auf die eigene Würde empfunden. Würdeverletzungen aber rufen Reaktionen des Zorns hervor und sollten von Regierungen tunlichst vermieden werden. Dem politisch-ideologischen Hegemon jedoch scheinen solche Überlegungen gänzlich fremd zu sein. Er läßt keine Gelegenheit ungenutzt, die Gräben in der Gesellschaft weiter zu vertiefen.
Alles dies ist möglich, weil es öffentlich nicht auf Widerspruch stößt. Und es kann auf keinen vernehmbaren Widerspruch stoßen, weil die einflußreichen Medien entweder auf eine subtile Weise indirekt vom Staat oder von großen, zum Teil transnational tätigen, privaten Konzernen kontrolliert werden, die sich ebenfalls der Agenda der politischen Eliten verschrieben haben. Die Techniken der Massenbeeinflussung sorgen dafür, daß diese Machtverhältnisse nicht ins Bewußtsein der Herrschaftsunterworfenen treten und deshalb hingenommen werden. Wahlen sind unter diesen Bedingungen nicht mehr fair. Die Demokratie gerät zu einer Scheinveranstaltung, in der die jeweils dominierende Elite an den Schalthebeln des gekaperten Staates sitzt.
Die politisch-mediale Klasse nutzt ein ganzes Arsenal verschiedener Kampfmethoden, nicht nur um ihre Macht zu stabilisieren, sondern um Widerspruch gegen ihre Agenda, ja selbst die bloße Infragestellung ihrer Illusionen zu unterbinden. Sie untergräbt bewußt und absichtlich die Voraussetzungen einer gleichberechtigten demokratischen Mitsprache. Sie betreibt ein Informationsmanagement und manipuliert die öffentlichen Diskussionen. Sie erzeugt Unmut und Gegenreaktionen. Undifferenzierte und einer Prüfung nicht standhaltende Klassifizierungen politischer Gegner als »Nazis« oder »Faschisten« werden selbst von höchsten Amtsträgern aggressiv vorgetragen. Die politische Klasse hat mit ihren Fehlentscheidungen – speziell im Zuge der Euro-Einführung, der Euro-Rettungspolitik und der Migrationskrise – sich selbst und das ganze Land in eine Lage manövriert, in der sie zu Mitteln und Methoden greifen zu müssen glaubt, die die Misere nur verschlimmern können.