Entängstigung

PDF der Druckfassung aus Sezession 96/ Juni 2020

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

Im Netz­ta­ge­buch der Sezes­si­on las ich im Kom­men­tar­be­reich zum sound­so­viel­ten »Corona«-Artikel die Sät­ze »Der Tod hält Ern­te wie jedes Jahr. Mal mage­re Ern­te, mal fet­te Ern­te. Big Brot­her aber ern­tet jetzt alle Seelen.«

Wenn die­ser Tage von »Wider­stand« zu spre­chen ist, dann muß es Wider­stand gegen See­l­en­ern­te sein: der geis­ti­ge Wider­stand, dem Bösen zu wider­sa­gen. Die meis­ten Wider­stands­for­men jedoch erleich­tern die üble Ern­te. Dar­über hat Ste­phan Siber in sei­nem Bei­trag »Unter­le­gen­heit und Wider­stand« geschrieben.

Die Ebe­nen der wid­ri­gen Welt­ge­ge­ben­heit – Wider­stand wird auf­ge­bo­ten gegen eine grö­ße­re Macht. Er ist defen­siv, er geht von einem unter­le­ge­nen Wesen aus. Das unter­le­ge­ne Wesen kann dabei der Ver­füh­rung der Macht wider­ste­hen, oder gera­de durch sei­ne Wider­spens­tig­keit ihr ver­fal­len. Es könn­te genau­so gut bequem in ihr auf­ge­hen, es könn­te sich unter­wer­fen. Es hat prin­zi­pi­ell die Frei­heit, auf­zu­ge­ben oder stand­zu­hal­ten. Der rus­si­sche Phi­lo­soph Niko­lai Berdja­jew hat in sei­ner Abhand­lung Von des Men­schen Frei­heit und Knecht­schaft (1954) die wider­stän­di­ge Per­sön­lich­keit cha­rak­te­ri­siert: »Die Exis­tenz der Per­sön­lich­keit muß not­wen­di­ger­wei­se vom Seh­nen getra­gen sein, weil Sehn­sucht den Bruch mit der Welt­ge­ge­ben­heit bedeu­tet, die Unmög­lich­keit, sich ihr anzu­pas­sen.« Pro­por­tio­nal zur Wirk­mäch­tig­keit des wie auch immer gear­te­ten Bösen wächst die Sehn­sucht in einem ent­spre­chend ver­an­lag­ten Indi­vi­du­um, die­sem Wider­stand leis­ten zu wol­len. In mei­nem Bei­trag über das unsicht­ba­re Böse (Sezes­si­on 92) und in mei­nem kapla­ken Selbst­ret­tung (2020) deu­te­te ich die Ebe­nen an, auf denen uns Berdja­jews über­mäch­ti­ge (er nennt sie »knech­ten­de«) Welt­ge­ge­ben­heit ent­ge­gen­tritt. Fünf Ebe­nen möch­te ich unter­schei­den. Von der obers­ten Ebe­ne hin­un­ter zur unters­ten wird Angst auf­ge­baut; von der unters­ten hin­auf zur obers­ten bli­ckend steigt das Ohn­machts­ge­fühl derer, die immer mehr Ebe­nen in ihr Wahr­neh­mungs­feld aufnehmen.

1. LEBENSWELT – Auf der unters­ten Ebe­ne, im all­täg­li­chen Leben, sehen wir uns mit Atem­schutz­mas­ken­zwang, Anste­ckungs­angst, Qua­ran­tä­ne, Ver­bot aller leben­di­gen Gemein­schaf­ten, neu­en Block­war­ten und Unter­neh­mens­plei­ten kon­fron­tiert. Gesprä­che mit Mit­men­schen eska­lie­ren in Win­des­ei­le, weil aus ver­schie­de­nen Posi­tio­nen zur »Coro­na­kri­se« hand­fes­te Welt­an­schau­ungs­kon­flik­te wer­den: »Schlaf­scha­fe« ver­sus »Virus­leug­ner«. Die einen ver­ängs­tigt die Seu­che, die ande­ren die Igno­ranz der Mas­se und das Durch­griffs­recht der Poli­tik auf das Aller­pri­va­tes­te. Der Kon­flikt ist auf die­ser Ebe­ne unlös­bar – was die Angst steigert.

2. PARTEIPOLITISCHE EBENE – Eine Ebe­ne höher sie­delt die Par­tei­en­herr­schaft, »unse­re Poli­ti­ker«, die sich in Kri­sen­ma­nage­mentstren­ge über­bie­ten, um ihren Kopf zu ret­ten. Alle Par­tei­en bil­den ein »brei­tes Bünd­nis« gegen »die Pan­de­mie«. Selbst die Spit­ze der AfD schritt tugend­stolz vor­an mit här­te­ren For­de­run­gen nach Grenz­schlie­ßung und Sicher­heits­maß­nah­men. Wenn sich der­zeit eine Pro­test­be­we­gung for­miert, die schon als neue »PEGIDA« gehan­delt wird, setzt auch die­se ihr Ver­trau­en in die Ein­sichts­fä­hig­keit der Poli­ti­ker, an die sie ihre Appel­le rich­tet. Wem soll man noch Ver­trau­en schen­ken? Dem Sozio­lo­gen Niklas Luh­mann zufol­ge ver­traut man jeman­dem, weil man nichts, nicht etwa, weil man viel von ihm weiß. Der »Wäh­ler­wil­le« ist im Zustand der tota­len Ahnungs­lo­sig­keit (die zugleich eine Infor­miert­heits­il­lu­si­on sein kann) kräf­tig manipulierbar.

3. WELTMACHTEBENE – Die Poli­tik hängt wie­der­um am Faden supra­na­tio­na­ler Orga­ni­sa­tio­nen: Via Robert-Koch-Insti­tut (das eine Regie­rungs­be­hör­de ist) regiert die WHO de fac­to Deutsch­land. Die­se ist ihrer­seits von der Phar­ma­lob­by und u. a. der Bill & Melin­da Gates Foun­da­ti­on mit­fi­nan­ziert. Auf der »Bill-Gates-Ebe­ne« haben wir es mit einer klei­nen Zahl von Han­deln­den und ent­spre­chend grö­ße­rer Macht­kon­zen­tra­ti­on zu tun: Ein Mann kann die welt­wei­te Impf­stoff­ent­wick­lung in sei­nem Inter­es­se vor­an­trei­ben. Sei­ne Fir­ma Micro­soft ist am welt­wei­ten Ver­kauf von »Corona«-Apps, 5 G, per Nano­par­ti­kel in den Kör­per geschleus­ten Impf­stof­fen und dem »Known-Traveller-Digital-Identity«-Programm betei­ligt, das Rei­sen­de nur mit einem Häk­chen bei »gene­sen« oder »geimpft« pas­sie­ren läßt. Gegen die glo­ba­lis­ti­sche Eli­te die Rena­tio­na­li­sie­rung zu fei­ern, da die Staa­ten ihre Gren­zen schlie­ßen, ver­kennt das Wirk­prin­zip der Eli­ten: Die Staa­ten ver­wal­ten nicht sich selbst, son­dern in hand­li­cher Grö­ße die Inter­es­sen der supra­na­tio­na­len Organisationen.

Lie­ßen sich auf den unte­ren Ebe­nen noch rein öko­no­mi­sche Inter­es­sen ding­fest machen (so daß es der­zeit eine auf­fäl­li­ge kri­ti­sche Quer­front zur anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen und anti-neo­li­be­ra­len Lin­ken bis hin zur Anti­fa gibt), läßt ein genaue­rer Blick in Pro­gram­me der WHO, der Gates Foun­da­ti­on oder die auf­ge­zeich­ne­ten Kon­fe­ren­zen von Pan­de­mie-Plan­spiel-Ver­an­stal­tun­gen wie »Event 201« im Okto­ber 2019 ahnen, daß es um Welt­macht geht. Man­fred Klei­ne-Hart­la­ge hat in sei­nem kapla­ken Neue Welt­ord­nung 2011 die The­se ver­tre­ten, daß es sich bei sol­cher­art glo­ba­len Pro­gram­men nicht um gehei­me »Ver­schwö­run­gen« zur Errich­tung einer »Neu­en Welt­ord­nung« han­delt, son­dern die Plä­ne ganz offen dalie­gen. Bill Gates erhielt eine Drei­vier­tel­stun­de Wer­be­zeit in den ARD-Tages­the­men, för­dert, wie im Impres­sum erklärt, das Aus­lands­res­sort des Spie­gel, und schmiert You­Tube-influen­cer, damit sie sei­ne Impf­kam­pa­gne betrei­ben. Die­se Ebe­ne der glo­ba­len Steue­rung durch eine klei­ne Eli­te ist gemeint, wenn Trump im Lau­fe der Coro­na­kri­se seit­her fünf­und­vier­zig­Mal vom »invi­si­ble ene­my« spricht, und Vik­tor Orbán 2018 eine Wahl­kampf­re­de mit den Wor­ten begin­nen läßt: »Wir kämp­fen gegen einen Feind, der von ande­rer Art ist als wir. Er kämpft nicht mit offe­nem Visier, son­dern ver­steckt sich. Er glaubt nicht an den Lohn der Arbeit, son­dern spe­ku­liert mit Geld. Er hat kei­ne Hei­mat, glaubt aber, daß ihm die Welt gehört.« Ein gro­ßer Teil der poli­ti­schen Rech­ten setzt gro­ße Hoff­nun­gen in die­se Poli­ti­ker. Trumps Antritts­re­de konn­te als Ankün­di­gung, mit der NWO auf­zu­räu­men, ver­stan­den werden.

4. DAS UNSICHTBARE BÖSE – Der Kampf um die Macht über die Mensch­heit liegt seit alters her in der Hand des Teu­fels. »Der alt böse Feind // mit Ernst er’s jetzt meint // groß Macht und viel List // sein grau­sam Rüs­tung ist«, heißt es in Luthers Lied Ein fes­te Burg. Die Spit­ze der Macht­py­ra­mi­de kann uner­kenn­bar blei­ben, das Böse schlecht­hin ent­zieht sich.

Sein Wir­ken in der Welt benö­tigt Stell­ver­tre­ter und mäch­ti­ge Hel­fers­hel­fer. Es mag aus­schau­en, als könn­te im Ange­sicht die­ser höchs­ten Ebe­ne nichts mehr hel­fen. Doch – und um die­sen christ­li­chen Grund­ge­dan­ken geht es mir in die­sem Bei­trag – aus der größ­ten Ohn­macht erwächst ein Ret­tungs­im­puls. Ich kann das abs­trak­te Böse nicht fas­sen. Doch ist auf die­ser Ebe­ne das sich ent­zie­hen­de, nicht erkenn­ba­re Böse am tiefs­ten mit mir selbst ver­floch­ten, mit mei­ner See­le. Auf den ande­ren Ebe­nen kann ich von mir abse­hen: Da sind es ande­re play­er, die mir gegen­über­ste­hen. Auf der letz­ten Ebe­ne bin ich selbst damit ver­floch­ten, schick­sal­haft, also so, daß ich die Ver­flech­tung nicht wil­lent­lich been­den kann. »Das Böse ent­zieht sich mir als iden­ti­fi­zier­ba­rer Geg­ner, es ent­zieht sich in mich selbst.« (Tho­mas Wawerka) – eben dadurch bekom­me ich die Auf­ga­be, ihm zu wider­sa­gen. Erst auf die­ser Ebe­ne wird sicht­bar, wie geis­ti­ger Wider­stand aus­se­hen könn­te. Von hier aus wirkt er dann hin­un­ter bis in die aller­ein­fachs­te zwi­schen­mensch­li­che Begegnung.

Zwei Wei­sen der Ver­füh­rung – Das Wesen des Bösen ist es, Macht aus­zu­üben über die See­len, indem es sie ein­schüch­tert und dann mani­pu­liert: Wer sich ihm unter­wirft, wird belohnt. Er kann fort­an, wie der Teu­fel Chris­tus in der Wüs­te so schön plas­tisch sug­ge­riert, Welt­rei­che gewin­nen, Stei­ne zu Brot ver­wan­deln und Wun­der tun.

Die bibli­sche Erkennt­nis, daß das Böse letzt­lich iden­tisch mit der Ver­füh­rung ist, hat Rudolf Stei­ner neu gefaßt, indem er den mäch­tigs­ten Ver­füh­rungs­kräf­ten in der Welt­ge­schich­te und im ein­zel­nen Men­schen die alten Namen »Ahri­man« (alt­per­sisch: »arger Geist«, hebrä­isch auch »Mephis­to­phe­les« genannt) und »Luzi­fer« (lat. der »Licht­brin­ger«, der gefal­le­ne Engel) gege­ben hat. Wir brau­chen hier nicht in Stei­ners Gedan­ken­welt ein­zu­tau­chen. Es reicht aus, anzu­neh­men, daß der Mensch in zwei ent­ge­gen­ge­setz­te, aber stets auf ein­an­der ver­wei­sen­de Rich­tun­gen ver­führ­bar ist. Die ahri­ma­ni­sche Ver­füh­rung ist die kalt berech­nen­de, kal­ku­lie­ren­de, ego­is­ti­sche. Ahri­man ist »der Herr des Intel­lekts«. Die luzi­fe­ri­sche Ver­füh­rung ist die hei­ße, begeis­ter­te, har­mo­nisch-ver­schmel­zen­de, kol­lek­ti­ve. Der Mensch befin­det sich auf­ge­spannt zwi­schen die­sen bei­den Kräf­ten, die sich ihm ein­prä­gen. Je nach Zeit­al­ter der Mensch­heits­ent­wick­lung und je nach indi­vi­du­el­lem Cha­rak­ter prägt mehr die eine oder mehr die andere.

1. DIE LUZIFERISCHE VERFÜHRUNG – Nicht mit­zu­ma­chen, kei­ne »Unter­ta­nen­mas­ke« auf­zu­set­zen, Han­dy-Apps und Imp­fun­gen gegen »Coro­na« zu ver­wei­gern, Teil einer Bewe­gung gegen die »gro­ße Lüge« wer­den zu wol­len, kenn­zeich­net zunächst den wider­sa­gen­den Men­schen: die »Per­sön­lich­keit« im Sin­ne Berdja­jews. Vie­le kri­ti­sche Zeit­ge­nos­sen sind erfüllt von die­ser »Sehn­sucht«, mit der Welt­ge­ge­ben­heit zu bre­chen, sich ihr nicht anzu­pas­sen. Die­ses Seh­nen ist uner­läß­lich zum Auf­bau des inne­ren Widerstandspotentials.

Es kann aller­dings in uto­pi­sches Wol­len mün­den, das sich in dem 70er-Jah­re-Slo­gan aus­drückt »Wer kei­nen Mut zum Träu­men hat, hat kei­ne Kraft zum Kämp­fen«. Am Sehn­suchts­punkt setzt, bild­lich gespro­chen, Luzi­fer an. Der Frei­heits­drang und der sozia­le Trieb zur Ver­ge­mein­schaf­tung (Stei­ner spricht von der »Grup­pen­see­le«) wir­ken stän­dig im Men­schen. Um so stär­ker, je effi­zi­en­ter die­se Trie­be beschnit­ten wer­den und der Mensch ein­ge­sperrt oder iso­liert wird. Die Sug­ges­ti­on einer »neu­en Soli­da­ri­tät« (Anselm Grün) zwi­schen jun­gen und alten, kran­ken und gesun­den Men­schen, oder gleich der gan­zen Mensch­heit unter dem Slo­gan One World: tog­e­ther at home, ergrei­fen die­sen authen­ti­schen Sehn­suchts­trieb und lähmt die Wahr­neh­mung. Indes – kol­lek­ti­ve Wider­stands­be­we­gun­gen, Demons­tra­tio­nen, selbst die Hoff­nung der »Truther« auf eine har­mo­ni­sche ganz ande­re Welt­ord­nung sind immer auch luzi­fe­risch begeis­tert. So nötig das Seh­nen ist, so hoch­gra­dig gefähr­det ist es, instru­men­ta­li­siert zu werden.

2. DIE AHRIMANISCHE VERFÜHRUNG – Der moder­ne Mensch ist als Indi­vi­du­um ange­legt. Die Zeit der anti­ken und mit­tel­al­ter­li­chen Grup­pen­see­le ist pas­sé, das Zeit­al­ter des Ichs ist in der Renais­sance ange­bro­chen. Ent­spre­chend ist der moder­ne Mensch Ein­zel­we­sen, Ver­nunft­we­sen, »faus­ti­scher« Wis­sen­schafts­mensch. Der »Wil­le zum Wis­sen« (Nietz­sche) kann in Wis­sen­schafts­hö­rig­keit, Auf­klä­rung in ihr unmün­di­ges Gegen­teil umschla­gen, weil er ursprüng­lich angst­ge­wirkt ist. Ahri­man ist auch der »Angst ver­ur­sa­chen­de Geist«.

Wenn Seu­chen­sta­tis­tik, epi­de­mio­lo­gi­sche Theo­rien, medi­zi­ni­sche Fall­de­fi­ni­tio­nen und täg­lich neue Maß­nah­men zur Infek­ti­ons­ri­si­ken­mini­mie­rung die Men­schen, um »sich zu infor­mie­ren«, wochen­lang vor die Bild­schir­me ban­nen, hat Ahri­man leich­ten Zugriff auf ihre See­len. Auch die »Digi­ta­li­sie­rung« jeg­li­cher Inter­ak­ti­on ist ganz in sei­nem Sin­ne: Der infor­mier­te, Gesund­heits­ri­si­ken kal­ku­lie­ren­de, mate­ria­lis­ti­sche Ein­zel­mensch vor dem mobi­len End­ge­rät ist sein Fall.

Der­zeit schlägt Ahri­mans Stun­de. Er bin­det Wider­stands­kräf­te, indem er den Geg­ner fehl­lo­ka­li­siert: »das Virus« wird so zum angst­ein­flö­ßen­den Bösen. Medi­zi­ni­sche Kon­trol­le, Impf­stof­fe und big data hei­ßen die ver­meint­li­chen Waffen.

Ahri­man und Luzi­fer sind not­wen­dig – Ohne Wider­sa­cher­mäch­te kein Ich, kei­ne Frei­heit. Was zunächst para­dox erschei­nen mag, will ich zuerst mit dem bibli­schen Hiob und dann anhand eines Gedan­kens aus Ricar­da Huchs Büch­lein Ent­per­sön­li­chung (1921) erklären.

»Der HERR sprach zum Satan: Sie­he, alles, was er hat, sei in dei­ner Hand; nur an ihn selbst lege dei­ne Hand nicht.« (Hiob 1,11). Gott setzt also Satan selbst ein, daß die­ser sich an Hiob ver­grei­fe und ihn ver­su­che! Er soll aus­pro­bie­ren, ob Hiob ver­führ­bar ist, ob er end­lich, wenn sei­ne Qua­len zu groß sind, dem Herrn »ins Ange­sicht flu­chen« wer­de. Satan wird gebraucht, ohne ihn könn­te Gott dem Hiob nicht zei­gen, daß er frei ist.

»Gott ohne Satan ist Satan« kon­den­siert Ricar­da Huch in dem genann­ten Buch die­ses Pro­blem. Sie fährt erläu­ternd fort: »Nicht die Gegen­wir­kung gegen Gott ist das Böse, viel­mehr das, kei­ne Gegen­wir­kung lei­den zu wol­len«. Kei­ne Gegen­wir­kung mehr lei­den zu wol­len, aller Qua­len ledig zu sein, alles nach sei­nem eige­nen Wil­len haben zu kön­nen – damit ist der Mensch maxi­mal ver­führ­bar. Wider­stand bedarf der unab­läs­si­gen Anstren­gung. Ohne Gegen­wir­kung, ohne Wider­sa­cher­kräf­te wäre der Mensch ein Tier oder ein Auto­mat. Er ist des­halb frei, weil er in Ver­su­chung geführt wer­den kann und weil er ihr wider­sa­gen kann. Satan will gleich­zei­tig die Ver­füh­rung auf Dau­er stel­len, indem er die Mani­pu­la­ti­on (oder post­mo­dern gespro­chen »die Matrix«) auf­recht­erhält, und die­se für immer been­den, indem er Pseu­do-Frei­heit ver­spricht und das Ende allen Lei­dens (auch das Ende von Krank­heit und Sterblichkeit).

Ent­ängs­ti­gung – Je lücken­lo­ser und kol­lek­ti­ver sich die Angst welt­weit durch­setzt, des­to not­wen­di­ger (im wah­ren Sin­ne des Wor­tes: Not wen­dend) wird Ent­ängs­ti­gung. Es muß sich um indi­vi­du­el­le Selbst-Ent­ängs­ti­gung han­deln. Sobald sie kol­lek­tiv wür­de, lie­fe sie Gefahr, Mas­sen zu mobi­li­sie­ren, zu instru­men­ta­li­sie­ren, auf ein Ziel ein­zu­schwö­ren und erzeug­te nichts als neue Angst. Wie ist Ent­ängs­ti­gung mög­lich? Mei­nes Erach­tens bedarf es dazu dreierlei:

1. »Wachen über die Zei­chen der Zeit« (Rudolf Stei­ner). Alle Infor­ma­tio­nen prü­fen, sich fra­gen, was hin­ter bestimm­ten Phä­no­men ste­cken könn­te, dabei vie­le Ebe­nen im Blick behal­ten. Sich dabei nicht trig­gern las­sen: anti­pa­thi­sche Abwehr­re­fle­xe genau­so wie sym­pa­thi­sche Soli­da­ri­täts­re­fle­xe wir­ken ein­schlä­fernd. Wach­sam­keit schließt Selbst­prü­fung ein: Auch mei­ne Beob­ach­tung hat immer einen blin­den Fleck.

2. Immer mehr erken­nen, das Erkann­te dann ertra­gen, und zwar ins­be­son­de­re die­je­ni­gen Tei­le des Erkann­ten, auf die man abso­lut kei­nen Ein­fluß hat. Die­je­ni­gen Tei­le, auf die man Ein­fluß neh­men kann, ergrei­fen: ande­ren Mut ver­mit­teln, Mani­pu­la­tio­nen bloß­le­gen, sich ver­wei­gern, dem Bösen stän­dig neu wider­sa­gen. Sich nicht beein­dru­cken las­sen, dem Wid­ri­gen trot­zen. Stark­mü­tig wie Hiob blei­ben, der Gott vetraut, obwohl die­ser sein Fle­hen gera­de nicht erhört. Ahri­mans Ziel und Sieg ist nicht, daß Mil­li­ar­den von Men­schen gechipt und geimpft wer­den, son­dern daß er See­len ern­tet, die sich ihm gern hin­ge­ben. Ers­te­res ist nur eines sei­ner Beein­druckungs­mit­tel: die Men­schen sind ent­we­der begeis­tert oder scho­ckiert ange­sichts von Ahri­mans Mit­teln – und glei­cher­ma­ßen beein­druckt von ihm!

3. Wach­sam­keit und Ertra­gen­ler­nen gesche­hen noch im Ange­sicht des Bösen. Doch wie von des­sen läh­men­dem Blick los­kom­men? Wider­sa­gen heißt in sei­ner schwie­rigs­ten Form, das Böse nicht allein als äuße­re Wider­sa­cher­mäch­te, son­dern als nicht abspalt­ba­re luzi­fe­ri­sche und ahri­ma­ni­sche Tei­le der eige­nen Per­sön­lich­keit zu sehen. Es han­delt sich gegen­wär­tig nicht um eine »Kri­se«, bei der es sich zu hof­fen lohnt, daß sie bald vor­bei sein wird. Es han­delt sich um die con­di­tio huma­na. Gott reicht sie den Jetzt­men­schen als »Kri­se« dar, damit sie ler­nen, sich an der Angst sel­ber zu entängstigen. 

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)