Oder so

PDF der Druckfassung aus Sezession 97/ August 2020

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Im Rah­men der Vor­stel­lung des Ver­fas­sungs­schutz­be­richts für das Jahr 2019 hat der Prä­si­dent die­ser Behör­de, Tho­mas Hal­den­wang, Anfang Juli unter ande­rem unser Insti­tut (und damit uns Ver­ant­wort­li­che) als »Super­sprea­der von Haß und Gewalt« angeführt.

Der Begriff »Super­sprea­der« (deutsch: Super­ver­brei­ter) stammt aus der Viro­lo­gie und bezeich­net im Zusam­men­hang mit Epi­de­mien sol­che Infi­zier­te, die eine unge­wöhn­lich hohe Zahl von Orga­nis­men mit einem bak­te­ri­el­len oder vira­len Krank­heits­er­re­ger anste­cken. Im Zuge der Coro­na-Kri­se haben wir alle gelernt, wie mit sol­chen Virus­schleu­dern umzu­ge­hen sei: den Kran­ken mar­kie­ren und iso­lie­ren, die noch nicht Erkrank­ten war­nen und immu­ni­sie­ren, den Virus aus­mer­zen. Das Wort »Super­sprea­der« klingt aus dem Mun­de Hal­den­wangs also wie eine kli­ni­sche Dia­gno­se, die eine Behand­lungs­me­tho­de nahe­legt, und die­ser Umstand ist das eigent­lich Besorg­nis­er­re­gen­de, bes­ser: der schril­le Warn­ton. Gegen Mei­nun­gen (nicht: Gewalt­ta­ten) so vor­zu­ge­hen, kenn­zeich­net den Hygiene‑, den Gesinnungsstaat.

Hal­den­wang setzt die Tra­di­ti­ons­li­nie der­je­ni­gen fort, die über Anders­den­ken­de wie über eine Krank­heit den­ken und spre­chen. Ihm schwebt ein »Gesell­schafts­kör­per« vor, des­sen Gesund­heit vor Infek­tio­nen geschützt wer­den müs­se. Indem Hal­den­wang aus­spricht, was er zuvor dach­te, ist er im Drei­schritt Den­ken-Sagen-Han­deln auf der zwei­ten Stu­fe ange­langt. Sei­ne Absicht ist klar: Er mar­kiert uns als Kran­ke, unse­re Arbeit als etwas gefähr­lich Anste­cken­des. Er warnt die Gesun­den, er schlägt unse­re Iso­lie­rung vor und hofft auf Immu­ni­sie­rung des Gesell­schafts­kör­pers durch Auf­klä­rungs­bro­schü­ren, deren Titel denen von Pres­se­or­ga­nen und Medi­en­an­stal­ten ähneln: Spie­gel, Welt, ARD undsoweiter.

Tho­mas Hal­den­wang ist von der Sor­te, die sich die Hän­de nicht schmut­zig macht. Das Han­deln, das auf sein Den­ken und Spre­chen fol­gen soll, über­läßt er ande­ren. Wobei: Viel­leicht ver­hält es sich bereits mit sei­nem Den­ken so. »Wo las­sen Sie den­ken?« – das war ein Auf­kle­ber aus der Früh­zeit der Neu­en Rech­ten nach der Wen­de. Man möch­te bei Hal­den­wang nach­fra­gen: Wer in sei­nem Büro, in sei­ner Behör­de kam auf den Begriff »Super­sprea­der«? Gab es nach dem lau­ni­gen Geläch­ter über die­se schö­ne, kras­se Voka­bel die kur­ze, stets sehr not­wen­di­ge Kater­stim­mung des Gehirns, in der die Äuße­rungs­ver­ant­wor­tung sich zu Wort mel­det und die Schnaps­idee vom Tisch wischt? »Super­sprea­der«, Men­schen als geis­ti­ge Krank­heits­schleu­dern, medi­zi­ni­sches Voka­bu­lar, viro­lo­gi­sches Besteck, Mei­nungs­eu­ge­nik– jetzt muß doch einer abbrem­sen hel­fen, muß sei­nem Chef sagen, daß es einen fun­da­men­ta­len, viel­leicht auch irgend­wo im Grund­ge­setz nie­der­ge­schrie­be­nen Unter­schied gibt zwi­schen Mei­nung und Krank­heit, Satz und Virus.

Aber: Ein Brem­ser war nicht im Raum. Daher: Wenn Hal­den­wangs Pres­se­kon­fe­renz für irgend etwas ein Zei­chen war, dann für behörd­li­che Ent­hem­mung, für die Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit der Macht und für die Unwil­lig­keit der Pres­se, das Unge­heu­er­li­che an die­sem Vor­gang fest­zu­hal­ten. Wir selbst notie­ren es ja längst nur noch des­we­gen, damit es fest­ge­hal­ten wird – ohne dar­über hin­aus­rei­chen­de Absicht also. Wir machen uns nichts mehr vor: Es han­delt sich nicht mehr um eine Ver­hand­lung mit Anspruch auf Gehör, son­dern um einen Schau­pro­zeß. Und wäh­rend da vorn einer schwa­dro­niert, denkt man auf der Bank sit­zend dar­über nach, ob es sich loh­nen könn­te, den Satz­spie­gel der Sezes­si­on ins­ge­samt auf zwei­spal­tig umzu­bau­en (oder so).

In Ernst von Salo­mons Fra­ge­bo­gen gibt es eine fei­ne Sze­ne: Bei der Ankunft im US-ame­ri­ka­ni­schen Gefan­ge­nen­la­ger müs­sen die deut­schen Sol­da­ten der Rei­he nach durch ein Spa­lier von CIs ren­nen, die auf die Wehr­lo­sen ein­dre­schen, auch dann, wenn sie strau­cheln und fal­len. Salo­mon schil­dert nun, wie einer der Deut­schen antrat und die Hatz nicht mit­mach­te – die­ses Geren­ne durch die pras­seln­den Hie­be, von denen jeder so weni­ge wie mög­lich abkrie­gen woll­te. Die­ser Mann also trat in die Gas­se und durch­schlen­der­te sie gemäch­lich, wäh­rend die »Befrei­er« auf ihn ein­hie­ben. Als er einen Schuh ver­lor, blieb er ste­hen und angel­te mit dem Fuß danach. Dann schlen­der­te er wei­ter. Viel­leicht dach­te er unter­wegs dar­an, daß er sich aus einem Stoff­rand einen neu­en Schnür­sen­kel dre­hen könn­te (oder so).

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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