1945 – Deutschlands Nachkriegsverluste

von Olaf Haselhorst -- PDF der Druckfassung aus Sezession 97/ August 2020

Seit der Rede des dama­li­gen Bun­des­prä­si­den­ten Richard von Weiz­sä­cker zum 40. Jah­res­tag des Kriegs­en­des am 8. Mai 1985 hat sich offi­zi­ell die Auf­fas­sung durch­ge­setzt, mit der Kapi­tu­la­ti­on der deut­schen Wehr­macht am 8. Mai 1945 sei­en die Deut­schen befreit wor­den. Der ent­schei­den­de Satz von Weiz­sä­ckers lau­te­te: »Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung.

«Das, was für den frü­he­ren Bun­des­prä­si­den­ten – und für alle eta­blier­ten Par­tei­en in Deutsch­land – als »Befrei­ung« gilt, sah Gene­ral Dwight D. Eisen­hower, im Zwei­ten Welt­krieg alli­ier­ter Ober­kom­man­die­ren­der in Nord­west­eu­ro­pa und nach Kriegs­en­de der US-Besat­zungs­trup­pen in Deutsch­land, gänz­lich anders. Er stell­te aus­drück­lich fest: »Deutsch­land wird nicht besetzt wer­den zum Zweck der Befrei­ung, son­dern als besieg­te Feind­na­ti­on.« Ein­deu­ti­ger Beleg dafür, daß weder die Alli­ier­ten im all­ge­mei­nen noch die US-Ame­ri­ka­ner im beson­de­ren als Befrei­er nach Deutsch­land kamen, ist die anfangs von ihnen ver­folg­te Besat­zungs­po­li­tik. Dabei bil­de­te das vom berüch­tig­ten Mor­genthau-Plan gepräg­te Doku­ment mit der Bezeich­nung »JCS 1067« die Grund­la­ge. Dahin­ter ver­birgt sich die Direk­ti­ve der »Joint Chiefs of Staff« (JCS, ver­ei­nig­te Stabs­chefs) an den Ober­be­fehls­ha­ber der US-Besat­zungs­trup­pen in Deutsch­land, die – bis Mai 1945 mehr­fach über­ar­bei­tet – schließ­lich durch das Pots­da­mer Abkom­men im August 1945 obso­let wur­de. In der JCS 1067 fin­det sich der oben zitier­te Satz Eisenhowers.

Wesent­li­che Punk­te der Direk­ti­ve waren zum einen das Fra­ter­ni­sie­rungs­ver­bot und zum ande­ren die Sen­kung des Lebens­stan­dards der deut­schen Bevöl­ke­rung auf den nied­rigs­ten euro­päi­schen Stan­dard. Fol­ge war eine um sich grei­fen­de Hun­gers­not, die noch nicht ein­mal durch Hilfs­lie­fe­run­gen des Inter­na­tio­na­len Komi­tees vom Roten Kreuz oder von der UN-Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on zur Unter­stüt­zung von Flücht­lin­gen und Ver­schlepp­ten gemil­dert wer­den durf­te. Wäh­rend Bri­ten und Fran­zo­sen sich ab Jah­res­en­de 1945 über die­ses US-Ver­bot hin­weg­setz­ten, lie­ßen Ame­ri­ka­ner und Sowjets Lebens­mit­tel­lie­fe­run­gen noch wäh­rend des stren­gen Win­ters 1945 / 46 zurück­ge­hen. Infol­ge des Hun­gers und des Man­gels an Koh­len zum Hei­zen kamen in den vier Besat­zungs­zo­nen bis 1948 rund vier Mil­lio­nen Men­schen ums Leben.

Gene­ral Luci­us D. Clay, von 1947 bis 1949 Mili­tär­gou­ver­neur der US-Besat­zungs­zo­ne, ver­glich in sei­nen Memoi­ren spä­ter die Här­ten der ers­ten Pha­se der Besat­zungs­po­li­tik mit der Behand­lung Kar­tha­gos durch die sieg­rei­chen Römer nach dem Drit­ten Puni­schen Krieg. Die anti­ke Stadt wur­de 146 v.Chr. dem Erd­bo­den gleich­ge­macht, die Bewoh­ner wur­den in die Skla­ve­rei verkauft.

Men­schen­ver­lus­te – Nach­kriegs­ver­lus­te defi­nier­te das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt in sei­ner Doku­men­ta­ti­on über die deut­schen Ver­trei­bungs­ver­lus­te als die­je­ni­gen Men­schen­op­fer, die nach dem Ende der Kampf­hand­lun­gen in Deutsch­land am 8. Mai 1945 in den betref­fen­den Gebie­ten zu ver­zeich­nen waren. Das betraf nicht nur deut­sche Zivi­lis­ten, son­dern auch Men­schen zahl­rei­cher ande­rer Natio­nen: Kriegs­ge­fan­ge­ne der alli­ier­ten Staa­ten, Ost- und Zwangs­ar­bei­ter, Ange­hö­ri­ge der vie­len »fremd­völ­ki­schen« Ver­bän­de der Wehr­macht, »Hiwis«, Kosa­ken und ihre Familien.

Die im Pots­da­mer Abkom­men fest­ge­leg­te Ver­trei­bung fast aller Deut­schen aus ihren ange­stamm­ten Sied­lungs­ge­bie­ten öst­lich der Oder und Nei­ße, aus der Tsche­cho­slo­wa­kei, Ungarn, Rumä­ni­en usw. betraf rund 13,8 Mio. Men­schen. Zir­ka drei Mil­lio­nen von ihnen kamen dabei ums Leben.

Auch für die in Gefan­gen­schaft gera­te­nen Sol­da­ten war die Lebens­ge­fahr nach Kriegs­en­de nicht been­det. Vie­le kamen zu Tode auf­grund unmensch­li­cher Zustän­de in alli­ier­ten Gefan­gen­la­gern (»Rhein­wie­sen­la­ger«), star­ben auf Mär­schen in die Gefan­gen­schaft an Ent­kräf­tung oder durch Gewalt des Wach­per­so­nals, wur­den sofort nach Gefan­gen­nah­me durch rus­si­sche Bewa­cher erschos­sen, ver­lo­ren ihr Leben durch Man­gel­er­näh­rung, Zwangs­ar­beit und Krank­hei­ten in Lagerhaft.

Die Anga­ben über die Kriegs­ge­fan­ge­nen­zah­len sind unein­heit­lich. Deut­sche Sta­tis­ti­ken gehen von etwa elf Mio. deut­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen bei Kriegs­en­de aus. Die Mas­se von ihnen geriet erst in der letz­ten Kampf­pha­se von März bis Mai 1945 in alli­ier­ten Gewahr­sam. Davon befan­den sich 3,6 Mio. in bri­ti­schen, 3,09 Mio. in US- und 3,06 Mio. in sowje­ti­schen Lagern. Jüngs­te rus­si­sche Ver­öf­fent­li­chun­gen behaup­ten, im Ver­lauf des Krie­ges sei­en sogar 3 576 300 Ange­hö­ri­ge der Wehr­macht in sowje­ti­sche Gefan­gen­schaft gera­ten. Davon sei­en aller­dings nur 442 100 in Lager­haft ums Leben gekom­men und 2 910 400 in die Hei­mat zurückgekehrt.

Nach dem von Erich Maschke, dem Lei­ter der wis­sen­schaft­li­chen Kom­mis­si­on für deut­sche Kriegs­ge­fan­ge­nen­ge­schich­te, her­aus­ge­ge­be­nen mehr­bän­di­gen Werks, Zur Geschich­te der deut­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen des Zwei­ten Welt­krie­ges, sind dage­gen wäh­rend des Krie­ges durch­schnitt­lich 60 bis 70 Pro­zent der Gefan­ge­nen in sowje­ti­schem Gewahr­sam umge­kom­men. Nach Kriegs­en­de hät­ten etwa 20 bis 25 Pro­zent den Tod gefun­den. In den Jah­ren 1945 bis 1947 kön­ne von einer Fort­set­zung erhöh­ter Lebens­ge­fahr für die Kriegs­ge­fan­ge­nen gespro­chen wer­den, wie sie bereits wäh­rend des Krie­ges bestand. Danach sei die Todes­kur­ve deut­lich abge­sun­ken und habe 1949 den Nor­mal­stand erreicht. Ins­ge­samt sei­en etwa 1,1 bis 1,33 Mio. Gefan­ge­ne in rus­si­schen Lagern gestorben.

Über die Zahl der in US-Haft umge­kom­me­nen deut­schen Sol­da­ten ist nach den Ver­öf­fent­li­chun­gen von James Bac­que ein His­to­ri­ker­streit aus­ge­bro­chen. Wäh­rend der Kana­di­er die Todes­fäl­le in den US-Camps in Deutsch­land auf 576 000 bis 793 000 Opfer schätzt, kommt Rüdi­ger Over­mans ledig­lich auf 22 000 Tote. Ande­re For­scher ver­an­schla­gen die Zahl der Toten in US-Lagern auf 40 000 bis 200 000. Der Grund für die unter­schied­li­chen Anga­ben ist, daß die US-Armee kei­ne sorg­fäl­ti­ge Zäh­lung ihrer Gefan­ge­nen durch­führ­te und kei­ne Stel­le zur Koor­di­nie­rung ihrer Arbeit einrichtete.

In Frank­reich star­ben 115 000 von 937 000 Gefan­ge­nen vor allem durch Man­gel­er­näh­rung und Zwangs­ar­beit, beim völ­ker­rechts­wid­ri­gen Ein­satz bei der Minen­räu­mung und an Seu­chen. Vie­le Kriegs­ge­fan­ge­ne sahen im Ein­tritt in die Frem­den­le­gi­on die ein­zi­ge Über­le­bens­chan­ce. Bald bestand die Legi­on zu 60 Pro­zent aus Deut­schen, die ihr Leben dann viel­fach auf den Schlacht­fel­dern Indo­chi­nas und Alge­ri­ens ließen.

Am schlech­tes­ten erging es den Kriegs­ge­fan­ge­nen in Jugo­sla­wi­en. Von 194 000 gefan­ge­nen Deut­schen starb rund die Hälf­te, höchst­wahr­schein­lich sogar 100 000.

Heinz Nawra­til macht in sei­nem Buch Die deut­schen Nach­kriegs­ver­lus­te fol­gen­de Bilanz der Ver­lus­te an deut­schen Gefan­ge­nen unter der Herr­schaft der ein­zel­nen Mäch­te auf: Sowjet­uni­on – 1,33 Mio.; Frank­reich – 115 000; Jugo­sla­wi­en – 100 000; USA – 75 000; Polen und ČSSR – 22 000; macht ins­ge­samt 1,647 Mio. Umgekommene.

Hin­zu kamen zahl­rei­che wei­te­re Opfer durch Ver­schlep­pung zur Zwangs­ar­beit, durch Mas­sen­sui­zi­de, will­kür­li­che Erschie­ßun­gen und Mor­de. In den Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern in der Sowje­ti­schen Besat­zungs­zo­ne star­ben etwa 100 000 Men­schen. Schwie­rig ist die Zuord­nung von Opfern, wenn es um die alli­ier­te Hun­ger­po­li­tik nach 1945 geht. Heinz Nawra­til bezif­fert sie auf etwa vier Mil­lio­nen und kommt damit auf eine Gesamt­zahl von 8,8 Mio. Deut­schen, die nach dem 8. Mai ihr Leben las­sen muß­ten. Aber selbst dann, wenn man die­se Zahl um drei Mil­lio­nen Opfer redu­ziert und den Hun­ger nicht als absichts­vol­le Metho­de, son­dern als furcht­ba­re Begleit­erschei­nung im Nach­kriegs­cha­os wer­tet: Aus­ge­hend von 5,14 Mio. deut­schen Kriegs­op­fern – Opfer des NS-Ter­ror­re­gimes, Opfer des Bom­ben­krie­ges und Gefal­le­ne – ergibt sich, daß nach Kriegs­en­de mehr Deut­sche ster­ben muß­ten als wäh­rend des Krieges.

Ter­ri­to­ria­le Ver­lus­te – Auf der Lon­do­ner Kon­fe­renz vom 12. Sep­tem­ber 1944 wur­de fest­ge­legt, daß Deutsch­land – wie es in den Gren­zen vom 31.Dezember 1937 bestan­den hat – zum Zwe­cke der Besat­zung in drei Zonen ein­ge­teilt wird, von denen je eine einer der drei Mäch­te – Groß­bri­tan­ni­en, UdSSR, USA – zuge­wie­sen wird, und in ein beson­de­res Ber­li­ner Gebiet, das der gemein­sa­men Besat­zungs­ho­heit der drei Mäch­te unter­wor­fen wird. Die­ses Abkom­men trat mit der Kapi­tu­la­ti­on der Wehr­macht in Kraft.

Sei­ne end­gül­ti­ge Form erhielt der Tei­lungs­plan mit dem Pots­da­mer Pro­to­koll vom 2. August 1945. Frank­reich wur­de zusätz­lich ein­be­zo­gen und erhielt sein Besat­zungs­ge­biet von den USA und Groß­bri­tan­ni­en durch Ver­klei­ne­rung ihrer Zonen und Sek­to­ren. Das Lon­do­ner Pro­to­koll hat­te eine Unter­stel­lung Ost­deutsch­lands – Ost­preu­ßen, Pom­mern, Ost­bran­den­burg, Schle­si­en – unter frem­de Ver­wal­tung noch nicht vor­ge­se­hen. Erst im Pots­da­mer Pro­to­koll wur­de Ost­deutsch­land aus der der Sowjet­uni­on zuge­wie­se­nen Ost­zo­ne her­aus­ge­löst und pol­ni­scher und rus­si­scher Ver­wal­tung unter­wor­fen. Damit wur­de Ost­deutsch­land de fac­to von Polen bzw. der Sowjet­uni­on annektiert.

Die deut­sche Bevöl­ke­rung war in der Mas­se ent­we­der mit Ein­marsch der Roten Armee geflüch­tet oder nach der Beset­zung von den neu­en Macht­ha­bern ver­trie­ben wor­den. Deutsch­land ver­lor damit 114 296 Qua­drat­ki­lo­me­ter (24,26 Pro­zent) von den 471 159 Qua­drat­ki­lo­me­tern des Ter­ri­to­ri­ums von 1937. Im ein­zel­nen waren das Ost­preu­ßen mit 36 996 Qua­drat­ki­lo­me­ter, Pom­mern mit 31 301 Qua­drat­ki­lo­me­ter, Ost­bran­den­burg mit 11 329 Qua­drat­ki­lo­me­ter, Schle­si­en mit 34 529 Qua­drat­ki­lo­me­ter und ein Zip­fel Ost­sach­sens mit 142 Quadratkilometer.

Hin­zu kom­men die Gebie­te Ost­deutsch­lands, die auf­grund der Bestim­mun­gen des Ver­sailler Ver­tra­ges 1918 / 19 abge­tre­ten wer­den muß­ten und 1937 völ­ker­recht­lich nicht zu Deutsch­land gehör­ten, aber mehr­heit­lich von Deut­schen bewohnt und ab 1938 wie­der ins Deut­sche Reich ein­ge­glie­dert wur­den: das Memel­ge­biet mit 2 656,7 Qua­drat­ki­lo­me­ter, West­preu­ßen mit 25 578 Qua­drat­ki­lo­me­ter, die Freie Stadt Dan­zig mit 1914 Qua­drat­ki­lo­me­ter, das nach der Tei­lung Ober­schle­si­ens am 21. Okto­ber 1921 an Polen gefal­le­ne Gebiet mit 3214 Quadratkilometer.

Das bis 1918 zur Habs­bur­ger­mon­ar­chie gehö­ren­de, mehr­heit­lich von Deut­schen bewohn­te Sude­ten­land war nach einem Vier­mäch­te­ab­kom­men zwi­schen Deutsch­land, Ita­li­en, Frank­reich und Groß­bri­tan­ni­en am 1. Okto­ber 1938 aus der Tsche­cho­slo­wa­kei her­aus­ge­löst und an Deutsch­land abge­tre­ten wor­den. Die­ses Gebiet mit 28 943 Qua­drat­ki­lo­me­ter kam 1945 wie­der zur Tsche­cho­slo­wa­kei zurück.

Ein abge­wen­de­ter Ver­lust – Im Wes­ten wur­de das Saar­land mit 1926 Qua­drat­ki­lo­me­ter der fran­zö­si­schen Besat­zungs­zo­ne zuge­teilt, aber 1946 von Frank­reich mit dem Ziel der Anne­xi­on aus sei­ner Besat­zungs­zo­ne aus­ge­glie­dert. Nach der von der Besat­zungs­macht initi­ier­ten Ver­fas­sung des Saar­lan­des war das Gebiet seit dem 17. Dezem­ber 1947 ein von Deutsch­land gelös­tes Land und als »Auto­no­mes Saar­land« dem fran­zö­si­schen Wirt­schafts- und Wäh­rungs­ge­biet ange­schlos­sen. 1954 ver­ein­bar­ten Bun­des­kanz­ler Kon­rad Ade­nau­er und der fran­zö­si­sche Minis­ter­prä­si­dent Pierre Men­dès France, daß nach vor­he­ri­ger Volks­ab­stim­mung ein euro­päi­sches »Saar­sta­tut« inner­halb der West­eu­ro­päi­schen Uni­on ver­ab­schie­det und das Saar­land end­gül­tig von Deutsch­land getrennt wer­den soll­te. Die Bevöl­ke­rung aller­dings lehn­te am 23. Okto­ber 1955 das Saar­sta­tut mit 67,7 Pro­zent der Stim­men ab. Am 1. Janu­ar 1957 trat das Saar­land als zehn­tes Bun­des­land der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land bei.

Kultur‑, Tech­nik- und Wis­sens­ver­lus­te – Wäh­rend der Kriegs­jah­re hat­ten deut­sche For­scher wich­ti­ge Ent­de­ckun­gen auf vie­len Gebie­ten, vor allem im Bereich der Mili­tär­tech­nik, gemacht, mit denen sie ihren Kol­le­gen auf Feind­sei­te weit vor­aus waren. Die bekann­tes­ten Pro­jek­te sind wohl Düsen­trieb­wer­ke und Raketentechnik.

Mit Ein­marsch der alli­ier­ten Kampf­ver­bän­de in Deutsch­land folg­ten ihnen auf dem Fuße Spe­zi­al­trup­pen mit der Bezeich­nung CIOS (Com­bi­ned Intel­li­gence Objec­ti­ves Sub-Com­mi­tee). Sie gehör­ten zur Joint Intel­li­gence Objec­ti­ves Agen­cy (JIOA) und soll­ten die »Ope­ra­ti­on Paper­clip« durch­füh­ren. Es han­del­te sich dabei um ein groß­an­ge­leg­tes Unter­neh­men, um geis­ti­ges Eigen­tum zu sich­ten und gege­be­nen­falls zu beschlag­nah­men. Die CIOS-Spe­zia­lis­ten waren Tech­ni­ker und Wis­sen­schaft­ler, die in über 33 000 deut­sche Fabri­ken, Uni­ver­si­tä­ten, Labo­ra­to­ri­en, Biblio­the­ken und Büros ein­dran­gen und ton­nen­wei­se Doku­men­te, Mate­ri­al­pro­ben, Waren­zei­chen, Patent­schrif­ten und Maschi­nen beschlag­nahm­ten, deut­sches Spit­zen­per­so­nal ver­hör­ten und ver­schlepp­ten. Allein im Reichs­pa­tent­amt wur­den 186 000 Akten ent­wen­det. Beson­ders begehrt waren Unter­la­gen zur Her­stel­lung von syn­the­ti­schem Treib­stoff, Gum­mi und Schmier­öl, Kunst­fa­sern für Tex­ti­li­en, Plas­tik, Die­sel­mo­to­ren, Opti­ken, Druck­pres­sen, Infra­rot-Ziel­ge­rä­ten, Insek­ti­zi­den, künst­li­chem Blut­plas­ma usw. Der größ­te Teil des ent­wen­de­ten Mate­ri­als hat­te nichts mit Rüs­tung und Kriegs­we­sen zu tun. Der Wert aller Beschlag­nah­mun­gen belief sich auf rund 30 Mrd. DM (Stand 1952).

Repa­ra­tio­nen – Die Besat­zungs­mäch­te ent­nah­men aus ihren Zonen Sach­wer­te als Repa­ra­tio­nen. Aus den West­zo­nen wur­den bis 1947 Koh­len im Wert von 200 Mio. Dol­lar (Stand 1938) und Holz expor­tiert. Aus Indus­trie­de­mon­ta­gen und deut­schen Aus­lands­ver­mö­gen gewan­nen sie 520 Mio. Dol­lar. Aus der Ost­zo­ne demon­tier­te die UdSSR Maschi­nen und Anla­gen im Wert von 1,6 Mrd. Dol­lar. Hin­zu kamen Holz­ein­schlag, Repa­ra­tio­nen aus der lau­fen­den Pro­duk­ti­on, Gleis­ab­bau, ent­eig­ne­te Loko­mo­ti­ven usw. Der Gesamt­wert aller Repa­ra­tio­nen für den Zeit­raum 1945 bis 1950 belief sich auf 10,7 Mrd. Dollar.

Kul­tur­raub – Die Men­ge der nicht­kriegs­be­ding­ten Ver­lus­te an deut­schem Kul­tur­gut ist rie­sen­groß. Bemer­kens­wert ist, daß nach der Kapi­tu­la­ti­on mehr ver­lo­ren­ging als durch die Kriegs­aus­wir­kun­gen selbst. Bekann­te Bei­spie­le sind die Ori­gi­nal­hand­schrift des »Lie­des der Deut­schen« von Hoff­mann von Fal­lers­le­ben, die jetzt in Polen ist oder der durch Hein­rich Schli­e­mann aus­ge­gra­be­ne »Schatz des Pria­mos«, der dem Bestand des Ere­mi­ta­ge-Muse­ums im dama­li­gen Lenin­grad ein­ver­leibt wur­de. Aber nicht nur Sowjet­sol­da­ten bis hin­auf zu Mar­schall Geor­gij Schu­kow plün­der­ten deut­sche Kul­tur­gü­ter und ver­schlepp­ten sie in die UdSSR, auch die West­al­li­ier­ten mach­ten wert­vol­le Beute.

Der Qued­lin­bur­ger Dom­schatz wur­de 1945 durch einen US-Offi­zier geraubt. Nach sei­nem Tod woll­ten die Erben das Die­bes­gut ver­sil­bern und boten es der deut­schen Kul­tur­stif­tung der Län­der an, die es 1990 / 91 für etwa 2,6 Mio. Dol­lar zurück­kauf­te. Mut­maß­lich US-Sol­da­ten ent­wen­de­ten Ori­gi­nal­hand­schrif­ten Mar­tin Luthers, das Manu­skript zu Robert Schu­manns Zwei­ter Sin­fo­nie und aus Schloß Schwar­zen­burg zwei Por­träts von Albrecht Dürer, Wer­ke von Franz von Len­bach, Cas­par David Fried­rich und Lukas Cra­nach d. Ä.

Die von Wei­mar in einen Bun­ker bei Jena gebrach­ten Zink­sär­ge Goe­thes und Schil­lers waren von US-Sol­da­ten auf­ge­bro­chen wor­den; die sechs auf Goe­thes Brust befind­li­chen Orden wur­den gestoh­len. Ende April 1945 plün­der­ten Ange­hö­ri­ge der 83. US-Infan­te­rie-Divi­si­on Kunst­de­pots im Klos­ter St. Flo­ri­an in Öster­reich und ent­führ­ten auf fünf Las­tern wert­vol­le Gemäl­de, anti­ke Möbel und einen kel­ti­schen Gold­schatz. Die Hand­schrift des Hil­de­brands­lie­des, des ältes­ten ger­ma­ni­schen Hel­den­lie­des in deut­scher Spra­che, ent­wen­de­ten US-Sol­da­ten 1945 aus Bad Wildungen.

Der mate­ri­el­le Wert des wohl für immer ver­lo­re­nen deut­schen Kul­tur­gu­tes ist uner­meß­lich. Viel grö­ßer ist aller­dings der ideel­le Wert. Ein­zel­ne Sol­da­ten rau­ben, um sich per­sön­lich zu berei­chern. Sie­ger­mäch­te rau­ben, um Selbst­be­wußt­sein und Iden­ti­tät des besieg­ten Vol­kes zu beschä­di­gen. Das Ver­hal­ten der Alli­ier­ten nach dem 8. Mai 1945 zeigt deut­lich, daß Deutsch­land nicht besetzt wur­de zum Zweck der Befrei­ung, son­dern als besieg­te Feindnation.

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