Ein Ausrufezeichen, dem jedoch eine intellektuelle Vorleistung vorausging: Die IfS-Studie Japans Politik der Null-Zuwanderung. Vorbild für Deutschland? von Dr. Jan Moldenhauer, AfD-Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt, aus dem Jahr 2018 hatte maßgeblichen Anteil daran, daß das japanische Migrationsmodell größere Aufmerksamkeit in der Rechten zuteil wurde und auch ein diskutiertes Thema blieb.
Es ist also nur folgerichtig, daß Moldenhauer auf dem zurückliegenden Verlagswochenende in Schnellroda dieses Modell noch einmal im Detail den interessierten Zuhörern darlegte:
Die japanische Zuwanderungsstrategie fußt nicht auf einem Ökonomie‑, sondern auf einem Identitätsprimat. Dem Erhalt der Identität des japanischen Volkes wird also Vorrang vor ökonomischen Fragen eingeräumt.
Moldenhauers Japan-Studie erhalten Sie direkt hier, bei Antaios, dem größten konservativen Versandbuchhandel.
Der hohe Grad an gegenseitigem Vertrauen in Japan zeigt die Vorzüge einer ethnischen Homogenität. Ähnliche gesellschaftliche Erosionen im Bereich der Sicherheit und des Sozialstaates (abnehmende soziale Solidarität aufgrund ethnischer Zersplitterung), wie sie im Zuge der fortschreitenden ethnischen Heterogenisierung vor allem in Westeuropa zu beobachten sind, bleiben den Japanern so erspart.
Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Land der untergehenden Sonne vollkommen vom Sog der Moderne und der Globalisierung erfaßt ist: Als globale Speerspitze in Sachen Digitalisierung treibt die Vereinzelung in Japan ausgefallenste Blüten.
Das Phänomen der Hikikomori, was so viel bedeutet wie »sich einschließen«, greift immer weiter um sich: Die Betroffenen ziehen sich vollkommen zurück, bis sie nur noch eine Existenz in ihrem Zimmer führen und sich vor allem in eine digitale Ersatzwelt flüchten.
Besonders junge Männer sind von dieser Flucht in die Einsamkeit betroffen. Erklärungsansätze für dieses Phänomen gibt es viele: Familiäre Verhältnisse (eine starke Abhängigkeit zur Mutter), die japanische Leistungsgesellschaft, neoliberale Reformen Paralyse und Identitätsverlust angesichts eines Japans, »das zum Kotzen friedlich« sei etc.
Eine der engagiertesten Aktivistinnen, Amamiya Karin, die sich gegen die Ausbreitung der Hikikomori stemmt (laut den verfügbaren akademischen Quelltexten mit politisch rechtem Hintergrund), beschreibt das Problem innerhalb der japanischen Gesellschaft in Form einer Kampfansage wie folgt:
Wir starten den Gegenangriff. Den Angriff gegen all jene, die junge Menschen mit Niedriglöhnen abspeisen und sie dazu noch beschimpfen, obwohl sie sich an ihnen bereichern. Wir starten den Gegenangriff. Gegen all jene, die mit der Floskel Eigenverantwortung die Menschen in die Enge treiben.
Wir starten den Gegenangriff. Gegen all jene, die uns im Namen des Wirtschaftsprimats und des Marktprinzips in eine fragwürdige Freiheit entlassen, eine Freiheit, die uns nur das bloße Überleben belässt, während wir in dieser Maschinerie der Selbstausbeutung unsere sogenannten Kompetenzen weiterentwickeln und uns einem erbarmungslosen Überlebenskampf stellen müssen.
Es gibt sechzehn Millionen Menschen, die in nichtregulären Beschäftigungsformen arbeiten, darunter allein zwei Millionen Freeter, dazu NEET, Teilzeitarbeitende, Leiharbeiter und Akkordarbeiter. Heute arbeitet in Japan einer von drei Menschen in einem nichtregulären Beschäftigungsverhältnis.
Von den unter 24-Jährigen ist jeder zweite betroffen. Warum ist das so? Es liegt jedenfalls nicht, wie gerne behauptet wird, daran, dass die jungen Leute zu nichts Lust hätten, dass sie träge und faul seien oder dass sie über keinerlei Fähigkeiten verfügen würden!
Der Grund dafür liegt einzig und allein darin, dass die Unternehmen einfach keine teuren Festangestellten beschäftigen wollen. Schuld daran sind also die Firmen, die die Absicht verfolgen, ihre Gewinne zu erhöhen, wenn sie Löhne drücken und Leute nach Belieben heuern und feuern. Für den Sieg in der internationalen Konkurrenz wird der Jugend die Zukunft geraubt.
In dieser Deutung sind die Hikikomori Auswuchs einer neuen Armut, eines neuen Prekariats in der japanischen Gesellschaft.
Wer sich visuell einen Eindruck von den Hikikomori machen möchte, hier eine Dokumentation von Russia Today aus dem Jahr 2018:
Wer lieber etwas darüber lesen möchte, der sollte einen Blick auf die Studie und Literatursammlung »Nach Einbruch der Dunkelheit«. Zeitgenössische japanische Literatur im Zeichen des Prekären von Lisette Gebhardt, Professorin für Literatur- und Kulturwissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt, werfen. Hier, auf ihrer Academia.edu-Präsenz erhält man eine kostenlose Leseprobe, die komplette Schrift erhalten Sie über die Buchsuche auch bei Antaios.
Die letzten Tage hat Gesundheitsminister Jens Spahn mit gesundheitspolitischen Maximalplänen für den Herbst von sich Reden gemacht. Während andere europäische Länder von den strikten Corona-Maßnahmen zunehmend Abstand nehmen – bspw. Aufhebung der Maskenpflicht in Dänemark, in Großbritannien und den Niederlanden – oder wie im Fall von Schweden nie dazu gegriffen haben, exekutiert man in Deutschland weiterhin den Ausnahmezustand bzw. stellt ihn erneut in Aussicht.
Die Unverhältnismäßigkeit dieses Vorgehens rechtfertigt man immer noch unverblümt über die »Wissenschaft«. Doch kommen Widerworte aus der Wissenschaft, werden diese entweder ignoriert oder, wenn sie in Ethikräten sitzen, ausgeschlossen.
Ein Schicksal, das auch den Philosophen Christoph Lütge, Mitgleid im Bayrischen Ethikrat, ereilte, als dieser aus dem enggesteckten Corona-Meinungskorridor ausbrach: Im Februar 2021 beförderte man ihn deswegen aus ebenjenem Ethikrat.
Dem Magazin Cicero hat er nun ein lesenswertes Interview gegeben: »Bestellte Wahrheit – ›Wissenschaftler haben sich zu Kumpanen der Regierung gemacht‹«, das sein Dasein leider hinter einer »PayWall« fristet.
Für all diejenigen, die kein Cicero-Konto besitzen und nicht das kostenlose Probeabo abschließen wollen, mit Gefahr, die vorzeitige Kündigung zu vergessen, hier ein paar längere Zitate aus dem Interview:
Lütge zur Politisierung der Wissenschaft:
Nehmen Sie nur einmal die Leopoldina. In dieser Nationalen Akademie der Wissenschaften hat man sich während der Coronakrise eindeutig in den Dienst der Politik gestellt. Die abgezirkelten Stellungnahmen kamen auf Wunsch der Politik zustande.
Es sollte wissenschaftlich untermauert werden, was die Politik an Entscheidungen benötigt hat. Im Nachhinein muss man sehr deutlich sagen, dass das nicht immer der Stand der Wissenschaft war. So manches, was bereits zum Zeitpunkt der Stellungnahmen fraglich war, hat sich im Nachhinein klar als unzutreffend herausgestellt.
Und zur Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen:
Denken Sie nur an den sechsmonatigen Lockdown : Nach Studien der Ludwig-Maximilians-Universität München und anderer Institutionen hat der nichts gebracht – wenn Zahlen gesunken sind, dann aus anderen Gründen. Denken Sie an das Tragen von Masken: Warum tragen wir noch immer Masken bei hoher Impfquote und bei derart niedrigen Inzidenzen?
In Dänemark sind die Masken weg. Ebenso in Großbritannien, den Niederlanden, Ungarn und weiteren Ländern. Von Schweden gar nicht zu reden. Und in diesen Ländern gehen die ohnehin wenig aussagekräftigen Inzidenzen dennoch nach unten oder bleiben niedrig.
Und mit der Einschätzung Lütges, daß die Regierung mit den strikten Maßnahmen lediglich vom eigenen Versagen ablenken möchte, geht es ins Wochenende:
Die Politik will davon ablenken, dass sie in dieser Krise auf Biegen und Brechen vollkommen unverhältnismäßige Maßnahmen durchgezogen hat, Maßnahmen, die entweder ihren Zweck nicht erfüllt haben oder die viel zu weit gingen.
Laurenz
@JS
Einsamkeit in modernen Gesellschaften betrifft nicht nur Japan.
https://youtu.be/zpRIxpa1NDg
https://youtu.be/ZfbjLVTG96A
https://youtu.be/qMBMpOJFEmg
https://youtu.be/594LteIRd6s
Auch wenn die rassistischen öffentlich-rechtlichen Sender in den Sendungen Migranten mißbrauchen, um ihre Ideologie zu verkaufen, ist an der Symptomatik "Einsamkeit" sicher was dran, auch wenn die angebotenen Lösungen sicherlich eben nur die Symptome bekämpfen & nicht die Ursachen.
Zugegeben, als "ewiger" Junggeselle fühle ich mich zwar nicht einsam, aber diese oft übliche Lebensform mit viel individueller Freiheit hat etwas mit der Disziplinlosigkeit zu tun, sich in Gemeinschaften an Regeln halten zu müssen. Daran beißt auch weder in Japan noch in "Sonstwo" die Maus einen Faden ab.