Die wir hier platinblond und nach Art eines dekadenten Prä-NS-Models mit »Pelz« und Sektglas vor der Front eines gewaltigen … Brummis? Lastwagens? posieren sehen, nennt sich Lisa Eckhart. Sie heißt »eigentlich« Lisa Lasselsberger. Sie stammt aus der Steiermark, lebte als junge Erwachsene (O‑Ton: um in weiser Nach- und Voraussicht die Sprache der »Besatzer« zu studieren) zunächst als Slawistikstudentin in Paris, später in Berlin, dann und nun in Leipzig. Ihre erste Masterarbeit zum fraglos interessanten Thema »Weiblichkeit und Nationalsozialismus, ausgehend von Joseph Goebbels’ Tagebüchern« war laut Wikipedia abgelehnt worden. Es ranken sich vielerlei Gerüchte um die angeblich Siebenundzwanzigjährige, die sich als Kabarettistin ihren (darf man sagen: umstrittenen?) Ruf verschaffte. Ist sie überhaupt eine Frau? Der »zwirnsfadendünnen« (Christine Nöstlinger), stets stark geschminkten, in bombastischen Klamotten, mit einer die 1920er Jahre eher karikierenden Frisur (eine Seite rasiert, die andere gelockt) und ultralangen Kunstnägeln auftretenden Person haftet fraglos eine androgyne Anmutung an. Ihr Humor, für den sie berühmt wurde, ist kühn, gnadenlos und oft sexuell aufgeladen. So scharf hat selten eine Frau geschossen – sogar im Interview reagiert sie aus dem Stand mit hoher Schlagkraft. Das irritiert maximal. Solche Frauen werden (unter Umständen) hochgeschätzt, aber selten gemocht. Sie stellen daher die ideale Projektionsfläche dar für getroffene Hunde und Zukurzgekommene.
Matthias Beltz hatte mir ein paar Jahre vor seinem frühen Tod (2002) gesagt, daß es längst an der Zeit wäre, »rechtes« Kabarett zu machen. Alles andere sei doch kalter Kaffee – linke Witzischkeit sei längst Schenkelklopfhumor, abgehalftert und ohne echte Adressaten. Ihm schwebte ein Programm titels »Negerküsse« vor. Verrückte Träume des vergangenen Jahrtausends! Die Zeit war damals nicht reif für solche Vorhaben einer Wahrnehmungsavantgarde.
Nun aber haben wir im Humormilieu nicht nur einen aneckenden Dieter Nuhr und einen sich volkstümlich gebenden Widerborst namens Uwe Steimle, sondern auch eine maximal irritierende Lisa Eckhart. Tja: »Nun sind sie halt da.« (Angela Merkel). Sie sind da, und sie stören die öffentliche Ordnung empfindlich – zumindest, sofern ein hübscher Orkan einem Betongebäude etwas anhaben kann. Für zwei, drei Jahre galt Lisa Eckhart als Geheimtipp für eingefleischte Hobbylacher und »Eingeweihte«. Ihre, sagen wir »verstörenden« Einlagen wurden per Mailhinweis herumgereicht. Populär wurde sie im Frühjahr 2020 aus folgendem Diffamierungsgrund: Jemand hatte verspätet »aufgedeckt«, daß Eckhart 2018 in der ARD-Witzesendung »Mitternachtsspitzen« einen Gag unter Verwendung »antisemitischer Stereotype« zum besten gegeben habe. Das hatte sie in der Tat – und es war noch schlimmer. Sie hatte keck nach der Opferhierarchie gefragt in bezug darauf, wen man heute eigentlich kritisieren dürfe, und was dabei die stärkste Tabugruppe sei: der »schwarze Mann«, der zivilisiert tue, aber dann von dargebotenen blonden Brüsten überwältigt werde und zum »Stammestanz« schreite? Wobei man wissen müsse, daß »die Erektion eines schwarzen Glieds alle sieben Liter Blut braucht, über die ein Mensch verfügt«. (Um Hilfe – das sagt sie so und blickt maliziös.) Oder sei es »der Jude« (namentlich H. Weinstein, J. Epstein und W. Allen), der immer dargestellt werde, als ginge es ihm ums Geld – dabei ginge es ihm doch nur um Frauen, und dafür bräuchte er eben Geld? Oder sei das Überopfer die »belästigte Frau« als eigentlich »heilige Kuh«? Wo endete das, fragte die Komische, wenn in diesem seltsamen Opferspiel a) die belästigte Frau den Juden schlage, b) der Jude den Flüchtling und c) der Flüchtling die belästigte Frau?
Die Antwort kam prompt nach anderthalb Jahren: Nicht Frauen- und Flüchtlingsvertreter klagten die Profi-Ulkerin an, sondern Antisemitismusriecher. Unter zahlreichen anderen Kritikergrößen (auch im »bürgerlichen« Feuilleton) zeigte sich die fast gleichzeitig berühmt gewordene Konkurrenzschöne und Megahasserin Hengameh Yaghoobifarah (taz) »angeekelt« von Eckharts »Menschenfeindlichkeit« und »Judenhass.« Noch herrischer kam das Verdikt des zum Judentum konvertierten Wolf-Biermann-Sohns Eliyah (einst: Felix) Havemann daher: »Wenn Nichtjuden jüdische Witze erzählen, zucke ich innerlich immer zusammen. Vor allem, wenn sie mit dem Holocaust spielen. Hier in Israel gibt es die geschmacklosesten Auschwitz-Ofen-Witze, die man sich vorstellen kann. Wenn aber ein Deutscher denselben Witz macht, dann zeige ich ihn womöglich wegen Volksverhetzung an.« Nun war man alarmiert. Etwas später geschah es, daß Lisa Eckhart auf dem (militaristisch nur klingenden) »Harbour Front Festival« hätte lesen sollen – keine Witze, sondern aus ihrem brandneu in einem Großverlag erschienenen Roman Omama. Dabei galt es für die dort Nominierten einen mit 10.000 Euro dotierten Preis abzuräumen. Wenigstens zwei weitere Autoren weigerten sich, mit Lisa Eckhart auf einer Bühne zu stehen. Zudem gab es ominös gebliebene »Warnungen« vor einem Auftritt der Tabuisierten. Man lud die Humoristin also aus. Es gab Proteste dagegen. Man lud sie wieder ein. Sie aber wollte nun nicht mehr. Nein, sie ist keinesfalls gekränkt. Das paßte auch nicht zum Look. Sie – die die »sozialen Medien« als »Kloake« bezeichnet und daher meidet – spricht von »fehlgeleiteten Verehrern« und bedankt sich für den Rummel, der ihr Buch ohne eigenes Zutun auf hervorragende Verkaufsränge befördert hat.
Der linke Journalist Jan Sternberg hatte für das »Redaktionsnetzwerk Deutschland« im Nachsommer 2020 (also: nach dem Trubel) eine Reportage über einen Auftritt der Spaßmacherin in Sachsen verfaßt. Er traf auf gespaltene Gefühle, als er das Publikum befragte. »Eine junge Frau liest vom Handy ab, was Satire ihrer Meinung nach sein soll und nicht sein darf: ›Gute Satire tritt nach oben oder gegen die eigenen Zuschauer*innen. Lisa Eckhart beherrscht dieses Handwerk nicht.‹« Sternberg: »Die 27-Jährige betritt die Bühne, sehr groß, sehr blond, sehr hager. Sie drapiert sich in einem sehr offenen Kimonokleid auf einen Barhocker. Warum ihr Äußeres eine Rolle spielt? Weil es eine Brechung des Gewohnten ist, von solch einer Erscheinung rassistische Sketche serviert zu bekommen. Lisa Eckhart sieht nun einmal nicht aus wie Lutz Bachmann, der montags bei Pegida ein Programm ohne jede Doppeldeutigkeit abspielt. Aber ist eine Brechung des Gewohnten zugleich eine ironische Brechung?« Das Publikum raune. »Abwandlungen dieses Raunens gibt es jedes Mal, wenn Eckhart eine Grenze zu Diskriminierung und rücksichtsloser Boshaftigkeit überschreitet, und das tut sie mit der Präzision eines Uhrwerks. Das Raunen klingt manchmal nach ›endlich sagt’s mal eine‹, manchmal nach ›die traut sich was‹ und manchmal dann doch eher nach Fremdschämen.«
Nun muß man ehrlicherweise sagen, daß Lisa Eckhart zu den seltenen Personen mit Intellektuellenhintergrund zählt, die »live und in Farbe« deutlich überzeugender sind als schwarz auf weiß. In den allermeisten Fällen ist es gerade umgekehrt – die Wissenden und Belesenen brillieren auf dem Papier und versagen in der Performanz. Eckharts gerade erschienener Debütroman Omama ist eine reine Qual – allein für den- oder diejenige nicht, der oder die sich vollends dem zynischen Nihilismus verpflichtet hat, wonach jegliche Lebensregung sexualisierbar (mithin verspottenswert) ist. In einem Interview mit der katholischen Tagespost verkündete sie jüngst, daß sie, bisher atheistisch sozialisiert, aus Liebe zur Kirche einst gutkatholisch zu heiraten beabsichtige. In einem anderen ebenfalls frischen Gespräch war bereits die Rede von »meinem Mann«. Frau oder Fräulein – sie stößt an. Was man hier im Bild schön abgebildet findet.