Nun ist sie halt da

PDF der Druckfassung aus Sezession 98/ Oktober 2020

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Die wir hier pla­tin­blond und nach Art eines deka­den­ten Prä-NS-Models mit »Pelz« und Sekt­glas vor der Front eines gewal­ti­gen … Brum­mis? Last­wa­gens? posie­ren sehen, nennt sich Lisa Eck­hart. Sie heißt »eigent­lich« Lisa Las­sels­ber­ger. Sie stammt aus der Stei­er­mark, leb­te als jun­ge Erwach­se­ne (O‑Ton: um in wei­ser Nach- und Vor­aus­sicht die Spra­che der »Besat­zer« zu stu­die­ren) zunächst als Sla­wis­tik­stu­den­tin in Paris, spä­ter in Ber­lin, dann und nun in Leip­zig. Ihre ers­te Mas­ter­ar­beit zum frag­los inter­es­san­ten The­ma »Weib­lich­keit und Natio­nal­so­zia­lis­mus, aus­ge­hend von Joseph Goeb­bels’ Tage­bü­chern« war laut Wiki­pe­dia abge­lehnt wor­den. Es ran­ken sich vie­ler­lei Gerüch­te um die angeb­lich Sie­ben­und­zwan­zig­jäh­ri­ge, die sich als Kaba­ret­tis­tin ihren (darf man sagen: umstrit­te­nen?) Ruf ver­schaff­te. Ist sie über­haupt eine Frau? Der »zwirns­fa­den­dün­nen« (Chris­ti­ne Nöst­lin­ger), stets stark geschmink­ten, in bom­bas­ti­schen Kla­mot­ten, mit einer die 1920er Jah­re eher kari­kie­ren­den Fri­sur (eine Sei­te rasiert, die ande­re gelockt) und ultra­lan­gen Kunst­nä­geln auf­tre­ten­den Per­son haf­tet frag­los eine andro­gy­ne Anmu­tung an. Ihr Humor, für den sie berühmt wur­de, ist kühn, gna­den­los und oft sexu­ell auf­ge­la­den. So scharf hat sel­ten eine Frau geschos­sen – sogar im Inter­view reagiert sie aus dem Stand mit hoher Schlag­kraft. Das irri­tiert maxi­mal. Sol­che Frau­en wer­den (unter Umstän­den) hoch­ge­schätzt, aber sel­ten gemocht. Sie stel­len daher die idea­le Pro­jek­ti­ons­flä­che dar für getrof­fe­ne Hun­de und Zukurzgekommene.

Mat­thi­as Beltz hat­te mir ein paar Jah­re vor sei­nem frü­hen Tod (2002) gesagt, daß es längst an der Zeit wäre, »rech­tes« Kaba­rett zu machen. Alles ande­re sei doch kal­ter Kaf­fee – lin­ke Wit­zisch­keit sei längst Schen­kel­klopf­hu­mor, abge­half­tert und ohne ech­te Adres­sa­ten. Ihm schweb­te ein Pro­gramm titels »Neger­küs­se« vor. Ver­rück­te Träu­me des ver­gan­ge­nen Jahr­tau­sends! Die Zeit war damals nicht reif für sol­che Vor­ha­ben einer Wahrnehmungsavantgarde.

Nun aber haben wir im Humor­mi­lieu nicht nur einen anecken­den Die­ter Nuhr und einen sich volks­tüm­lich geben­den Wider­borst namens Uwe Steim­le, son­dern auch eine maxi­mal irri­tie­ren­de Lisa Eck­hart. Tja: »Nun sind sie halt da.« (Ange­la Mer­kel). Sie sind da, und sie stö­ren die öffent­li­che Ord­nung emp­find­lich – zumin­dest, sofern ein hüb­scher Orkan einem Beton­ge­bäu­de etwas anha­ben kann. Für zwei, drei Jah­re galt Lisa Eck­hart als Geheim­tipp für ein­ge­fleisch­te Hob­by­l­a­cher und »Ein­ge­weih­te«. Ihre, sagen wir »ver­stö­ren­den« Ein­la­gen wur­den per Mail­hin­weis her­um­ge­reicht. Popu­lär wur­de sie im Früh­jahr 2020 aus fol­gen­dem Dif­fa­mie­rungs­grund: Jemand hat­te ver­spä­tet »auf­ge­deckt«, daß Eck­hart 2018 in der ARD-Wit­ze­­sen­dung »Mit­ter­nachts­spit­zen« einen Gag unter Ver­wen­dung »anti­se­mi­ti­scher Ste­reo­ty­pe« zum bes­ten gege­ben habe. Das hat­te sie in der Tat – und es war noch schlim­mer. Sie hat­te keck nach der Opfer­hier­ar­chie gefragt in bezug dar­auf, wen man heu­te eigent­lich kri­ti­sie­ren dür­fe, und was dabei die stärks­te Tabu­g­rup­pe sei: der »schwar­ze Mann«, der zivi­li­siert tue, aber dann von dar­ge­bo­te­nen blon­den Brüs­ten über­wäl­tigt wer­de und zum »Stam­mes­tanz« schrei­te? Wobei man wis­sen müs­se, daß »die Erek­ti­on eines schwar­zen Glieds alle sie­ben Liter Blut braucht, über die ein Mensch ver­fügt«. (Um Hil­fe – das sagt sie so und blickt mali­zi­ös.) Oder sei es »der Jude« (nament­lich H. Wein­stein, J. Epstein und W. Allen), der immer dar­ge­stellt wer­de, als gin­ge es ihm ums Geld – dabei gin­ge es ihm doch nur um Frau­en, und dafür bräuch­te er eben Geld? Oder sei das Über­op­fer die »beläs­tig­te Frau« als eigent­lich »hei­li­ge Kuh«? Wo ende­te das, frag­te die Komi­sche, wenn in die­sem selt­sa­men Opfer­spiel a) die beläs­tig­te Frau den Juden schla­ge, b) der Jude den Flücht­ling und c) der Flücht­ling die beläs­tig­te Frau?

Die Ant­wort kam prompt nach andert­halb Jah­ren: Nicht Frau­en- und ­Flücht­lings­ver­tre­ter klag­ten die Pro­fi-Ulke­rin an, son­dern Anti­se­mi­tis­mus­rie­cher. Unter zahl­rei­chen ande­ren Kri­ti­ker­grö­ßen (auch im »bür­ger­li­chen« ­Feuil­le­ton) zeig­te sich die fast gleich­zei­tig berühmt gewor­de­ne Kon­kur­renz­schö­ne und Mega­has­se­rin Hen­g­ameh Yag­hoo­bi­fa­rah (taz) »ange­ekelt« von Eck­harts »Men­schen­feind­lich­keit« und »Juden­hass.« Noch her­ri­scher kam das Ver­dikt des zum Juden­tum kon­ver­tier­ten Wolf-Bier­mann-Sohns Eli­yah (einst: Felix) Have­mann daher: »Wenn Nicht­ju­den jüdi­sche Wit­ze erzäh­len, zucke ich inner­lich immer zusam­men. Vor allem, wenn sie mit dem Holo­caust ­spie­len. Hier in Isra­el gibt es die geschmack­lo­ses­ten Ausch­witz-Ofen-Wit­ze, die man sich vor­stel­len kann. Wenn aber ein Deut­scher den­sel­ben Witz macht, dann zei­ge ich ihn womög­lich wegen Volks­ver­het­zung an.« Nun war man alar­miert. Etwas spä­ter geschah es, daß Lisa Eck­hart auf dem (mili­ta­ris­tisch nur klin­gen­den) »Har­bour Front Fes­ti­val« hät­te lesen sol­len – kei­ne Wit­ze, son­dern aus ihrem brand­neu in einem Groß­ver­lag erschie­ne­nen Roman Omama. Dabei galt es für die dort Nomi­nier­ten einen mit 10.000 Euro dotier­ten Preis abzu­räu­men. Wenigs­tens zwei wei­te­re Autoren wei­ger­ten sich, mit Lisa Eck­hart auf einer Büh­ne zu ste­hen. Zudem gab es omi­nös geblie­be­ne »War­nun­gen« vor einem Auf­tritt der Tabui­sier­ten. Man lud die Humo­ris­tin also aus. Es gab Pro­tes­te dage­gen. Man lud sie wie­der ein. Sie aber woll­te nun nicht mehr. Nein, sie ist kei­nes­falls gekränkt. Das paß­te auch nicht zum Look. Sie – die die »sozia­len Medi­en« als »Kloa­ke« bezeich­net und daher mei­det – spricht von »fehl­ge­lei­te­ten Ver­eh­rern« und bedankt sich für den Rum­mel, der ihr Buch ohne eige­nes Zutun auf her­vor­ra­gen­de Ver­kaufs­rän­ge beför­dert hat.

Der lin­ke Jour­na­list Jan Stern­berg hat­te für das »Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land« im Nach­som­mer 2020 (also: nach dem Tru­bel) eine Repor­ta­ge über einen Auf­tritt der Spaß­ma­che­rin in Sach­sen ver­faßt. Er traf auf gespal­te­ne Gefüh­le, als er das Publi­kum befrag­te. »Eine jun­ge Frau liest vom Han­dy ab, was Sati­re ihrer Mei­nung nach sein soll und nicht sein darf: ›Gute Sati­re tritt nach oben oder gegen die eige­nen Zuschauer*innen. Lisa Eck­hart beherrscht die­ses Hand­werk nicht.‹« Stern­berg: »Die 27-Jäh­ri­ge betritt die Büh­ne, sehr groß, sehr blond, sehr hager. Sie dra­piert sich in einem sehr offe­nen Kimo­no­kleid auf einen Bar­ho­cker. War­um ihr Äuße­res eine Rol­le spielt? Weil es eine Bre­chung des Gewohn­ten ist, von solch einer Erschei­nung ras­sis­ti­sche Sket­che ser­viert zu bekom­men. Lisa Eck­hart sieht nun ein­mal nicht aus wie Lutz Bach­mann, der mon­tags bei Pegi­da ein Pro­gramm ohne jede Dop­pel­deu­tig­keit abspielt. Aber ist eine Bre­chung des Gewohn­ten zugleich eine iro­ni­sche Bre­chung?« Das Publi­kum rau­ne. »Abwand­lun­gen die­ses Rau­nens gibt es jedes Mal, wenn Eck­hart eine Gren­ze zu Dis­kri­mi­nie­rung und rück­sichts­lo­ser Bos­haf­tig­keit über­schrei­tet, und das tut sie mit der Prä­zi­si­on eines Uhr­werks. Das Rau­nen klingt manch­mal nach ›end­lich sagt’s mal eine‹, manch­mal nach ›die traut sich was‹ und manch­mal dann doch eher nach Fremdschämen.«

Nun muß man ehr­li­cher­wei­se sagen, daß Lisa Eck­hart zu den sel­te­nen Per­so­nen mit Intel­lek­tu­el­len­hin­ter­grund zählt, die »live und in Far­be« deut­lich über­zeu­gen­der sind als schwarz auf weiß. In den aller­meis­ten Fäl­len ist es gera­de umge­kehrt – die Wis­sen­den und Bele­se­nen bril­lie­ren auf dem Papier und ver­sa­gen in der Per­for­manz. Eck­harts gera­de erschie­ne­ner Debüt­ro­man Omama ist eine rei­ne Qual – allein für den- oder die­je­ni­ge nicht, der oder die sich voll­ends dem zyni­schen Nihi­lis­mus ver­pflich­tet hat, wonach jeg­li­che Lebens­re­gung sexua­li­sier­bar (mit­hin ver­spot­tens­wert) ist. In einem Inter­view mit der katho­li­schen Tages­post ver­kün­de­te sie jüngst, daß sie, bis­her athe­is­tisch sozia­li­siert, aus Lie­be zur Kir­che einst gut­ka­tho­lisch zu hei­ra­ten beab­sich­ti­ge. In einem ande­ren eben­falls fri­schen Gespräch war bereits die Rede von »mei­nem Mann«. Frau oder Fräu­lein – sie stößt an. Was man hier im Bild schön abge­bil­det findet.

 

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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