Alltagsanekdote: Vor einiger Zeit kam ein Kind von einem bunten Fest mit vielerlei Ständen nach Hause. Es hatte einen Stapel Aufkleber mitgebracht. Weiß auf Schwarz stand da fett »FCK«, darunter »AFD«. Das Kind dachte, »ihr könnt die vielleicht irgendwie gebrauchen.« Es ging davon aus, »FCK« hieße irgendwas Dynamisch-Freundliches. Vielleicht im Sinne von »Los gehts, AfD!« oder »Allez, AfD«. Wer weiß schon als Kind, was gebräuchliche Abkürzungen wie ca., etc. oder mfG bedeuten? Ich selbst wußte es lange nicht. Ich hatte »ca.« lange als [tza] ausgesprochen und dachte, das würde »normalerweise« bedeuten.
»Fcknzs« oder »fckafd« sind beliebte sogenannte Hashtags, wie sie beispielsweise im sozialen Netzwerk Twitter verwendet werden. Haßsprache / Hatespeech geschieht heute gern konsonantisch. Das »a« bei AfD ist eine Ausnahme. Bei den Anwendern dieser simplen Codes spielt ein unverhohlener Stolz mit, diese vokalfreie Geheimsprache zu beherrschen. Man sagt etwas gleichsam mit zusammengebissenen Zähnen, und schwupps, entspringt »das Zauberwort« (Josef von Eichendorff)!
Mir stellen sich zwei Fragen: Die eine geht nach den verschwundenen Vokalen; die andere nach dem nun also verschwiemelten »fuck«, das wohl als »ficken«, also ein eminent sexueller Akt dechiffriert werden dürfte. Trennen wir das eine von dem anderen.
Zunächst: Das althebräische Alphabet aus dem 10. / 9. Jahrhundert v. Chr., das in seiner Schreibweise übrigens den germanischen Runen deutlich stärker ähnelt als dem etwas älteren indisch / vedischen Sanskrit, kam mit seinen 22 »Buchstaben« ohne Vokale aus. Sämtliche bekannte Konsonantenalphabete zählen zu den semitischen Schriftsystemen. Darunter zählen auch die phönizische, die aramäische sowie einige syrische und arabische Schriften. Laut Wikipedia dürfen wir Konsonantenalphabete keineswegs deshalb für »defizitär halten, weil ihnen Vokalzeichen fehlten.« Dies sei »unter Berücksichtigung der Struktur der semitischen Sprachen und der Lesetraditionen in den (nord)semitischen Sprachen des 1. Jahrtausends v. Chr. eindeutig nicht der Fall.« Nun gut. Vielleicht ist die rein konsonantische Sprache gar höherwertig – moralisch jedenfalls?
Es ist nicht genau auszumachen, wann und womit dieser vokalfreie Botschafts-Trend begann. Als 2018 die Deutsche Fußballnationalmannschaft der Herren (alias »Die Mannschaft) unter #Zsmmn (=Zusammen) zu kommunizieren begann, war die Mode bereits bejahrt. Meine Krankenkasse (Techniker) sendet ihren jungen Versicherten seit gut zwei Jahren ein betont »cooles« Magazin titels »Mgzn« zu. Im Grunde wirkt der Vokalverzicht wie das lässige »Hä?« im Gegensatz zum ordentlichen »Wie bitte?« Ein kleiner, penibel ausgezirkelter Akt der Rebellion!
Vor dem Konsonantentrend waren in der Werbung phonetische ˈːɪʃə Umschriften populär, und wiederum davor wurde der Blick potentieller Konsumenten auf anderweitig schwer lesbare Botschaften gelenkt. Kome togeter, alias »Come Together« des Zigarettenanbieters »West« dürfte in den frühen Neunzigern ein Vorläufer des »Irritierenden« gewesen sein.
Was irritiert, bannt den Blick. Nun also der Wegfall der Vokale. Es entsteht ein Zischen oder etwas Abgehacktes. Es paßt zur Zeit. Man zischt sich an. Kein Blickkontakt, keine Anrede, nur dieses in seiner lautmalerisch plosiv-frikativen Kombination vernichtenwollende Zischen und Verhärten. Ohne Vokale klingt beinahe jedes Wort wie »basta«, nur eben konsonantisch: »Grm«, »Fck«, »Stp«! Also: fck statt fuck. Gemäß der Legende kommt der Verzicht auf das »u« daher, weil Dissidenten die strengen Zensurmaßnahmen der pietistischen US-amerikanischen Medienaufsicht unterlaufen wollten. So simpel läßt sich tricksen.
Dabei sind sowohl die medialen Ausrufezeichen #Fcknzs wie auch #Fckafd gar nicht zum Aussprechen gedacht. Beschimpft wird hauptsächlich digital, verschriftlicht. Die polemogene Kommunikation läuft heute anonym. Da sind Schneid, Muskeln oder der persönliche Ruf völlig wurst. Aggressiv auf virtuellen Foren rumplärren kann jeder, solange es in den Rahmen der kommerziellen Regeln grade noch paßt. Nur eine kleine Portion Gratis-Mut benötigt es, bei solcher Verwünschung auch Gesicht zu zeigen.
Der hier sich zur Schau stellenden Person, der wir bewußt kein Geschlecht »zuweisen« wollen, käme sicherlich kein klares »Halt! Nicht weiter!« oder eine Ansage wie: »So, Freund! Und jetzt Du!« über die Lippen. Sie / er ist zu schlaff, zu lasch, zu fertig. Diese Figur ist die Personifizierung dessen, was heute »Haßsprache« genannt wird. Alles ist hier durcheinander, alles ist quer. Die sogenannte Frisur steht und hängt herum, die Schultern hängen auch (weshalb die Jacke verrutscht ist), dito die Augenlider. Der Schädel sitzt wie haltlos auf dem Restkörper, und zwischen den metallisch durchstochenen Gesichtsteilen mag in diesem traurigen Zustand kein artikulierter Laut hervorgebracht werden können. Nur ein Zischen, ein undeutlicher Wortrest: »FCK NZS.« Wir sehen hier jemanden, der offenkundig jeden Halt im Leben verloren hat. Jemanden, der weiß, daß es ihm schlecht geht, der ebenfalls weiß, daß er nicht die Kraft hat, das zu ändern und der daher nun einen Adressaten für all sein Unbill sucht. Ein Protest-Hemd für 19.99 € kann sich selbst eine arme Wurst leisten.
Aber warum bloß »fck«? Weshalb nicht »HLFT MR, CH BN M ND?« Vermutlich, weil »am Ende sein« eine lange Strecke bedeutet, auf der zunächst einmal notwendig solche Verbalaggressionen auftreten.
»Fuck« heißt übersetzt (Überraschung!) »ficken«. Übersetzt wird das seit dem späten Mittelalter als »koitieren«. Es gibt hierzu reichlich sprachgeschichtlichen Stoff, der über das indogermanische *peug, das lateinische »pungere« und »figere« (= stechen, annageln, durchbohren) schließlich zum altitalienischen »ficar« mit eben dieser Bedeutung »koitieren« gelangt.
Als Schimpfwort ist »fck« / »fuck« deutlich ein Einwanderer. Es zählt keineswegs zu den urdeutschen Verfluchungen. Lange Zeit wurde hierzulande vor allem sakramental geflucht. Ich mag hier nur Harmloses zitieren: »Himmelherrgottnochmal«, »JessesMaria«. Mit Luther kam speziell im Deutschen sehr prägnant ein skatologischer Aspekt hinzu. Luther befleißigte sich, Abscheu ausdrückend, gern analer Gegenden und deren Ausscheidungen. »Himmelarschundzwirn« wäre wiederum ein sehr artiges Beispiel, es gibt deutlich deftigere. Spätestens seit reformatorischen Zeiten »hat der Unterleib Gott den Rang abgelaufen« (Urs Hafner, NZZ). In abwertender Absicht nutzt der Hasser deutscher Zunge mit Vorliebe Metaphern der Po-Gegend: scheiß drauf; das Arschloch; der hat’s bei mir verschissen; er hat echt abgekackt. Bei den Angelsachsen hingegen steht interessanterweise seit je die Vorderseite des Unterleibs im Vordergrund der Flüche: prick, cunt, slut, bitch, load of toss. Psychologen mögen hieraus ihre Schlüsse ziehen, es ist jedenfalls ein weites Feld.
Was heißt es nun, wenn man einem (politischen) Gegner wünscht, er möge nicht bekämpft, nicht besiegt, nicht widerlegt, sondern »gefickt« werden? Orgiastische Freuden werden nicht gemeint sein. Die zählen nicht zu den Dingen, die man dem Feind wünscht. Da es wortgemäß definitiv um sexuelle Penetration geht, können nur Vergewaltigungsverwünschungen gemeint sein. Das ist nun kurios. Denn unter allen Parteien gilt die AfD als die patriarchalischste. Aus ihren Reihen hörte man aber bislang keine »FCK«-Aufrufe. Die Rechten träumen nicht davon, irgendwen zu nageln, zu penetrieren, zu durchstoßen. Es ist das linksgrüne Milieu, das mit »Besorg’s‑Ihnen«-Wünschen sich hervortut. Das ist doch vielsagend? Hn st q m y pns. Was vertrackt ist – wir wissen wenig darüber, welche Gesäßrichtung der französische Fluch habituell einnimmt.