51 AfD-Politiker wurden mit Angabe ihrer Wohnadressen und unterfüttert durch die Anleitung zum Bau von Sprengsätzen zur Tötung ausgeschrieben, darunter Björn Höcke und Bernd Baumann (Parlamentarischer Geschäftsführer im Bundestag). “Töten wir die Schweine mit Sprengstoff. Die Zeit ist reif für harte Aktionen” heißt es in diesem Aufruf, und im Falle Höckes solle man, so schreiben es die Verfasser, auch auf die Personenschützer keine Rücksicht nehmen.
Am Wochenende war in keinem Radiosender etwas über diese Liste und die zunehmende Gewalt gegen AfD-Mitglieder und Wahlkämpfer zu hören. Berichtet wurde aber über antisemitische Pöbeleien gegen Anhänger des Fußballclubs Maccabi Haifa, der zu Gast bei Union Berlin war, an historisch heiklem Ort, im Olympiastadion von 1936 nämlich. Es wurde gepöbelt und Bier verspritzt, so sagen es die Betroffenen und so vermeldete es beispielsweise der Deutschlandfunk.
Natürlich: Äpfel und Birnen, Vergleichsverbot, und wer Bier verspritzt, zündet irgendwann auch Bücher an, undsoweiter. Aber man hätte doch auch über den Riesenkorb voller Äpfel berichten können und nicht bloß über die eine Birne, so faulig sie auch sein mag.
Höcke jedenfalls, dessen Partei in Thüringen sehr gut, in Hamburg und Bremen undundund sehr viel weniger gut abschnitt, hat sich trotz alledem Gedanken zu der gerade absolvierten Bundestagswahl gemacht. Aus den unvermeidlichen “Parteikreisen” hört man nämlich, daß dieses mit Schlagseite segelnde Parteischiff als Beiboot sich andienen solle: Würde man in der Nähe der CDU gesichtet und von dort aus zumindest freundlich gegrüßt, könne der Wähler endlich eine neue Machtkonstellation wählen, ein bürgerliches Lager, eine bürgerliche Mehrheit, eine Alternative zu den alles dominierenden Grünen, von denen in jeder Partei viel zu viel stecke.
Höckes Text zur Wahl legt einen anderen Schluß nahe: Noch mehr Normalität geht kaum, und radikal ist die AfD sowieso nicht, das kann man am Slogan, am Programm, an den Mandatsträgern und Spitzenpolitikern ablesen. Da gab es in der Geschichte der BRD ganz andere Revolutionsphantasien und Umstürzler auf Regierungssesseln, und passiert ist trotzdem nichts.
Jedenfalls: hier Höckes Text, der eine andere Strategie empfiehlt. Die drei Stichworte lauten wohl “entschlossen”, “geschlossen”, “kein unterkriechen”.
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Björn Höcke: “Wir müssen besser werden”
Die Zeiten, in denen der AfD als neuem Hoffnungsträger in der Politik die Wahlerfolge regelrecht zuflogen, sind vorbei. In den meisten Landesparlamenten war der Wiedereinzug die erste echte Bewährungsprobe und hier zeigte sich, ob die jeweiligen Fraktionen das in sie gesetzte Vertrauen der Wähler in dauerhaftes Vertrauen umsetzen konnten. Zuletzt gelang das nicht überall.
Wir alle wissen, daß es viele Faktoren gibt, die bei einer Wahl zusammenspielen – auch der seit zwei Jahren nochmal erheblich gesteigerte Druck des Establishments (noch schärferer Anti-AfD-Kurs der Medien, Instrumentalisierung des sogenannten »Verfassungsschutzes« etc.) darf hier nicht unerwähnt bleiben – aber bei hohen Funktionären der weniger erfolgreichen Verbände bekommt man anstelle einer selbstkritischen und realistischen Analyse Ausflüchte zu hören.
In unserer Partei ist es so: Die einen sind erfolgreich, die anderen wissen es besser, und nicht selten muß mein Name dafür herhalten, wenn irgendwo im Westen die AfD bei Wahlen fast an der 5‑Prozent-Hürde scheitert. Umfragen und Theorien sollen diese Ausrede untermauern – und es gibt eine AfD-nahe Wochenzeitung, die solche Fehldeutungen unterstützt.
Allerdings ist da immer von Annahmen und im Konjunktiv die Rede. Bisher hat kein Verband, der sich nachdrücklich von unserem Thüringer Weg distanzierte, den Beweis erbracht, daß er dadurch erfolgreicher wäre. Nicht einmal die Diskussion um einen klaren Schnitt, um eine Parteispaltung, verhalf den Protagonisten zum Erfolg.
Und die Ausgestaltung des Bundestagswahlkampfes – war sie nicht jenseits der lockeren Klammer, die das einstimmig verabschiedete Wahlprogramm bildete, der Autonomie der Landesverbände übertragen? Gab es von den etablierten Medien aufgedeckte und republikweit gespielte »Skandale«, die der Osten, speziell Thüringen, produzierte? Wo ist der Schwarze Peter gerade? Ich sehe ihn nicht, aber einige Funktionäre unserer Partei scheinen sich ihre Zeit gerne mit diesem Spiel zu vertreiben.
Oft ist die Rede davon, daß eine »gemäßigte« AfD ein großes Potential habe. Aber diese Variante gibt es ja bereits, in Form der Lucke-Abspaltung »Liberal-Konservative Reformer«. Sie fällt vor allem dadurch auf, daß sie nicht auffällt und seit ihrer Gründung irrelevant ist: Bei der Bundestagswahl wählten die LKR genau 11.184 Bürger. Das ist ein Ergebnis, das sich im Promille-Bereich bewegt. Auch die Abspaltung von Frauke Petry verschwand schneller in der Bedeutungslosigkeit, als sie nach der letzten Bundestagswahl austreten konnte.
Somit bleibt meine Frage unbeantwortet: Was könnte eine »gemäßigte« Alternative zur Alternative für Deutschland sein, wo wäre sie zu finden, wer führt sie an? Die »Freien Wähler« bemühten sich eifrig um unsere Wähler.
Ihr Argument: Mit der AfD wolle ohnehin niemand koalieren, mit den FW bekäme man dieselbe Politik, aber mit der Option einer möglichen Regierungsbeteiligung. Damit enttäuschen sie ja bereits in München. Außerdem bestünde diese Option nur, wenn es diese Partei über die 5‑Prozent-Hürde schafft. Es ist nun die zweite Bundestagswahl in Folge, in der sie dieses Ziel verfehlten — auch wenn sie ihr Ergebnis auf 2,4 % verbessern konnten.
Mir gefällt eines nicht: die Rede von einer »Gläsernen Decke«, die einen weiteren Stimmenzuwachs der AfD verhindere. Man sieht denen, die von solch einer Decke sprechen, die Erleichterung förmlich an: Seht her, ich habe mich bemüht, aber alle Mühe stößt an diese gläserne Decke. Ich halte das für eine Ausrede.
Selbstverständlich stoßen unsere Möglichkeiten irgendwann an Grenzen. Aber die AfD ist nicht bei 12 % ausgereizt, das beweisen wir im Osten bei jeder Wahl. Ergebnisse über 25 % sind möglich – sicher nicht überall, aber Sachsen hat es beispielsweise schon bewiesen. Ich will an dieser Stelle betonen: Je professioneller wir werden, desto besser werden auch unsere Ergebnisse.
Wenn wir auf einem Plateau sind, und das bezweifelt keiner, dann liegt das nicht an unseren Inhalten, es liegt nicht an unserem Auftreten, das, von immer seltener werdenden Ausnahmen abgesehen, viel besser geworden ist. Es liegt daran, daß wir uns zerstritten präsentieren, uneins über den Weg unserer Partei; es liegt daran, daß wir unseren Gegnern nicht entschlossen und geschlossen entgegentreten; und es liegt daran, daß wir unter anderem einen Spitzenfunktionär haben, der mit der eigenen Partei nicht nur fremdelt, sondern sogar darum bemüht ist, nicht mit ihr verwechselt zu werden.
Ich will noch einen Grund anführen, der zunächst außerhalb unserer Partei liegt: Es gibt in Deutschland keine Radio- und Fernsehsender, die als notwendige Gegenmacht gegen die zwangsfinanzierten Staatssender auftreten könnten, um unseren Weg zu unterstützen und ihm Gehör zu verschaffen. Präsident Trump wäre ohne Fox-News nicht möglich gewesen. Ebenso wird die AfD ohne starke Medien einen Durchbruch nicht schaffen können.
Auf den Ausbau dieser alternativen Medien keinen Schwerpunkt gesetzt zu haben, ist Teil eines Führungsversagens, über das wir im Dezember diskutieren müssen. An dieser Stelle geht zunächst mein Dank an alle alternativen Medienschaffenden. Manche haben in den letzten Jahren bis an den Rand der Kraft auch in unserem Interesse versucht, dem medialem Mainstream Paroli zu bieten. Nicht immer ist ihnen von unserer Seite die notwendige Anerkennung und Unterstützung zuteil geworden, selbst dann nicht, wenn die Zensur zuschlug.
Als Sackgasse hat sich jedenfalls die Idee erwiesen, daß wir uns ausgerechnet den Parteien angleichen sollen, die seit Jahren an Zuspruch im Volk verlieren. Diese Idee entspringt der Vorstellung, eine CDU würde uns freudig als Koalitionspartner annehmen, wenn wir nur brav genug wären. Aber genau das ist ein Denkfehler: Die CDU war immer nur aus dem Grund attraktiv, weil sie Karrieren versprechen konnte. Die AfD ist für sie ein Störfaktor, die CDU will keine zahme AfD.
Sie will am liebsten gar keine AfD und das äußerte zuletzt mit Hans-Georg Maaßen jemand, den manche in unseren Reihen für einen Verbündeten halten. Maaßen ist kein Verbündeter, die WerteUnion ist es auch nicht. Er ist Mitglied und sie ist Organisation in einer uns hart bekämpfenden Konkurrenzpartei. An den Verhandlungstisch dürfen wir uns nur setzen, wenn die CDU so stark in ihrem Kern erschüttert ist, daß sie uns zum Überleben braucht. In der Union müssen erst im internen Streit einige Funktionärsgenerationen ausgetauscht werden.
Diesen Prozeß hoffen wir in Thüringen gerade bei der Union anstoßen zu können. Erst schmerzhafte Mißerfolge der CDU beschleunigen das Personal-Karussell. Nicht wir müssen »koalitionsfähig« werden, sondern die CDU und die anderen Altparteien.
Voraussetzung für den eben skizzierten Prozeß ist eigene Stärke. Davon sind wir manchenorts weit entfernt. Schmerzhaft für unsere Partei ist der Absturz der AfD in Berlin. Der vielbeschworene »Berliner Weg« ist gescheitert, das muß man akzeptieren. Der »Thüringer Weg« hingegen ist erfolgreich. Wir zeigen in Thüringen, wie man die anderen Parteien vor sich hertreibt.
Neben dieser strategischen Frage gibt es weitere Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Verbänden in der AfD. Schauen wir uns unter diesem Aspekt einmal die Wählerwanderungen bei der Bundestagswahl an — wobei dabei diese ja einen Bundesschnitt abbilden. In Thüringen haben wir unsere Ergebnisse verbessert, da sind die Wählerabwanderungen nicht so ausschlaggebend.
Aber im Westen, wo die AfD oft ein anderes politisches Profil auf Landesebene hat, fallen einige Details auf: Die AfD verlor 60.000 Wähler an die Union. Das mag an der Furcht vor einem roten Bundeskanzler und seiner rot-rot-grünen Option gelegen haben. Deutlich mehr verlor die AfD aber an die FDP: 150.000 Wähler. Darunter mögen tatsächlich Wähler sein, die sich von der Medienberichterstattung beeindrucken ließen und denen die AfD zu »radikal« zu sein scheint.
Aber diese Wähler sind eben nicht zur Sparversion LKR gewechselt, sondern gleich zur FDP — und sie nehmen dadurch in Kauf, Mehrheitsbeschaffer für eine Koalition mit den Grünen zu sein. Noch größer ist der Anteil derer, die wir wieder an die Nichtwähler verloren haben: Etwa 170.000 Bürger. Das sind jene, die wir richtig enttäuscht haben und die zu dem — für uns beschämenden — Urteil kamen: »Die AfD ist genau so wie die anderen Parteien«.
Und dann haben wir 210.000 Wähler an die SPD verloren. Vielleicht spielte auch hier die Kanzler-Frage eine Rolle. Scholz war anscheinend für viele Bundesbürger trotz seiner Verwicklung in Finanzskandale der Einäugige unter den Blinden. Aber ich glaube, uns sind vor allem Wähler im Westen an die SPD verloren gegangen, weil sie bei der AfD das soziale Profil vermissen.
In Thüringen haben wir ein stabiles Plateau auf hohem Niveau erreicht — und bei der Bundestagswahl gezeigt, daß man sogar das noch ausbauen kann. Die Gründe hierfür sind vielfach benannt worden: kontinuierliche, gute Sacharbeit der Landtagsfraktion, professionelles Ausnutzen taktischer Spielräume im Parlament, differenzierte Zielgruppenansprache, partizipative Führungskultur in Fraktion und Verband, Leistungsprinzip, Vernetzung im vorpolitischen Raum und ein internes Konfliktmanagement in Kombination mit dem gewachsenen Bewußtsein der Mitglieder, daß die Geschlossenheit nach außen der wichtigste Erfolgsgarant ist.
Streit und mangelnde Geschlossenheit: Dies scheint mir sogar der Hauptgrund für unsere Verluste zu sein. Wir können beobachten, daß die AfD überall dort erfolgreich ist, wo sie Geschlossenheit zeigt — und da verliert, wo sie nur durch interne Streitigkeiten von sich Reden macht. Vielleicht sind unserer Wähler in Ost und West gar nicht so unterschiedlich. Aber die innere Geschlossenheit unserer Verbände unterscheidet sich stark!
Mir scheint, als stehe uns eine innere Reform bevor. Sie wird, wenn sie notwendig werden sollte, vor allem zweierlei zeigen: Die AfD ist erstens nicht »radikal« — das sind Zuschreibungen unserer Gegner. »Deutschland. Aber normal.«, das ist unser Ziel, und unsere Wähler wissen das längst. Zweitens: Es gibt keine »gemäßigte« Alternative zur Alternative. »Mäßigung« würde bedeuten, daß wir unseren Anspruch aufgeben, Politik für unser Volk, unser Vaterland und unsere Kinder zu machen.
Und genau diesen Gefallen werden wir unseren Gegnern nicht tun.
links ist wo der daumen rechts ist
Münchhausens Dilemma
Höckes Strategie-Papier, sofern es eines sein sollte, ist Makulatur.
Zwei eklatante Widersprüche:
Es geht erstens um keine Strategien in den westlichen Bundesländern, sondern schlicht und einfach darum, daß der Osten aufgrund seiner historischen Erfahrungen anders wählt.
Das große rechte Trauma dabei: die, die bis zur halben „Wiedervereinigung“ 1990 alle Anhänger eines eigenständigen mitteldeutschen Staates als Volksverräter ansahen und am liebsten gleich abgeurteilt hätten, trauern heute dieser Variante nach. Ein eigenständiges Mitteldeutschland hätte heute alles Mögliche, nur halt keine Regierung mit Linksdrall (das gemeinsame Schicksal aller eh. Ostblockländer).
Zweitens ist die Aussage, es ginge nicht darum, mit der CDU koalieren zu wollen, sondern auf das Angebot einer weiter geschwächten CDU zu warten, nicht zu Ende gedacht.
Man vergleiche doch bitte einmal das österr. NR-Wahlergebnis 1999 mit drei annähernd gleich großen Parteien SPÖ, ÖVP und FPÖ (letztere galt seit 1986 mit Haider als nicht satisfaktionsfähig) – und was dann mit der ÖVP-FPÖ-Koalition daraus wurde.
Der letzte Absatz verdeutlicht dann noch einmal in nuce das Problem: „entschlossen“ und gleichzeitig „normal“ sein wollen. Der ungezähmte Gezähmte?
Und nein, ich muß mich korrigieren, es gäbe natürlich eine Strategie: der Osten muß – ungezähmt - seinen Weg alleine gehen.