Kollektive Psychologie

Wenn Gesellschaften tatsächlich über ein kollektives Bewußtsein verfügen, dann existiert so etwas wie eine kollektive Psychologie.

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

Offen­bar ist dem so, und offen­bar hat die­ses kol­lek­tiv See­li­sche – wie beim Indi­vi­du­um – maß­ge­ben­den Ein­fluß auf das Füh­len, Den­ken und Han­deln, ja, ihm wird der ent­schei­den­de Anteil im Wahr­neh­men, Urtei­len und Ent­schlie­ßen zukom­men. Emo­tio­na­li­tät vor Ratio­na­li­tät, Intui­ti­on vor Verstand.

Als Anfän­ger­bei­spiel: War die DDR in ambi­va­len­ter Wei­se einer­seits so grö­ßen­wahn­sin­nig und leis­tungs­port­lich wie ande­rer­seits so para­no­id, weil sie unbe­wußt um ihre eige­ne Ver­wach­sen­heit und Kurz­le­big­keit wuß­te und ihr tota­ler Gel­tungs­an­spruch sich mit gera­de­zu infan­ti­len Ängs­ten ver­band? Ahn­te sie vor­be­wußt oder unbe­wußt ihr geschicht­li­ches Ende, weil schon ihre Adop­tiv­mut­ter, die Sowjet­uni­on, ihr kei­ne ech­te Sicher­heit bie­ten konnte? –

Das „real­exis­tie­ren­de“ Ver­ei­ni­gungs­deutsch­land jeden­falls lei­det der­zeit an der neu­ro­ti­schen Über­kom­pen­sa­ti­on zwei­er „Trau­ma­ta“.

Erin­ne­rungs­ar­beit I:

Das kol­lek­ti­ve oder his­to­ri­sche Ich der Ber­li­ner Repu­blik ver­mag es rück­schau­end über­haupt nicht hin­zu­neh­men, daß die jun­ge, die Bon­ner Bun­des­re­pu­blik – mit Hein­rich Böll aus­ge­drückt – ein sehr altes Gesicht hat­te, basier­te sie von ihrem Per­so­nal und vom inne­ren Selbst­ver­ständ­nis her doch mehr auf dem Drit­ten Reich, als es ihr selbst bewußt war oder bes­ser: als sie es heu­te wahr­ha­ben möch­te bzw. erträgt. Heu­te sieht sich die Herr­schafts­eli­te von die­ser Früh­zeit zutiefst gekränkt. Sie möch­te sol­che Ver­gan­gen­heit für das Land so nicht haben, spal­tet die­ses pro­ble­ma­ti­sche Erb­teil ab und zele­briert zwang­haft Reinigungsrituale.

Mehr noch: Die Ber­li­ner Repu­blik der selbst­er­klärt „Anstän­di­gen“ und „guten Demo­kra­ten“ kann es offen­bar nicht ver­win­den, daß ihr Bun­des­ad­ler­land aus dem Horst des Reichs­ad­lers her­vor­ging. Wor­aus denn sonst? Daher das Über­maß an Bekennt­nis­sen und Beschwö­rungs­for­meln, daher all die Sprach­re­ge­lun­gen der Umbe­wer­tun­gen und Umbe­nen­nun­gen, daher die hys­te­ri­sche Bilderstürmerei.

Rea­lis­tisch gese­hen war die rela­ti­ve Kon­ti­nui­tät vom Groß-Reich zur geschrumpf­ten Repu­blik nicht anders mög­lich, denn es bedurf­te gera­de im Über­gang hand­lungs­fä­hi­ger und kom­pe­ten­ter Eli­ten, die sich – zum gro­ßen Teil – von Befür­wor­tern oder Mit­läu­fern des Natio­nal­so­zia­lis­mus zu west­ori­en­tier­ten Neu- oder Schein­de­mo­kra­ten wan­del­ten, im Her­ren­zim­mer aber ihren Grund­über­zeu­gun­gen treu blieben.

Ein paar unbe­las­te­te oder gar wider­stän­di­ge Per­sön­lich­kei­ten waren zwar auf­find­bar und als Gal­li­ons­fi­gu­ren anzu­schrau­ben, aber jene, die das Gros der Arbeit des Neu­be­ginns leis­te­ten, erschie­nen natur­ge­mäß belas­tet. Die Land­ser, die den Hor­ror über­lebt hat­ten, kehr­ten an die Arbeit zurück, die Offi­zie­re und Sturm­bann­füh­rer in die Büro­kra­tie. Vie­le, ja ent­schei­den­de Poli­ti­ker waren min­des­tens durch die har­te Schu­le der Wehr­macht gegan­gen, Hel­mut Schmidt eben­so wie Richard von Weiz­sä­cker, bei­de Offi­zie­re, bei­de unter ande­rem an der Lenin­gra­der Blo­cka­de beteiligt.

Weil das Land auf­zu­bau­en war, weil die Gesell­schaft zu Atem kom­men muß­te, inter­es­sier­te es in der Brei­te über­haupt nicht, daß der Mit­tel­bau nicht nur der Jus­tiz aus Nazis, Anhän­gern, Mit­läu­fern und Duck­mäu­sern bestand.

Anhän­ger, Mit­läu­fer und Duck­mäu­ser bil­den eben­so heu­te das Gros der artig beflis­se­nen Beam­ten­schaft. Das Selbst­ver­ständ­nis des Beam­ten besteht gera­de­zu in der Loya­li­tät, min­des­tens also in trä­ger Anpas­sung, die mit Staat­gel­dern groß­zü­gig ent­gol­ten wird. Wer auf­stei­gen will, soll­te zusätz­lich den Gra­tis­mut des „auf­rech­ten Demo­kra­ten“ vor­le­ben, so phra­sen­haft, wie der sich in Stein­mei­er-Reden ausdrückt.

Wer schon nicht laut gegen Rech­te und min­des­tens die AfD auf­tritt, soll­te sich wenigs­tens deut­lich betrof­fen davon zei­gen, daß es sie gibt. Min­des­tens Betrof­fen­heit! Und ein Kopf­ni­cken dafür, daß die Staats­or­ga­ne sol­che ja wohl unter Ver­dacht und noch bes­ser unter Beob­ach­tung stel­len. Cou­ra­giert ist, wer für den Staat und des­sen ideo­lo­gi­sche Haupt­leh­re ein­tritt, die for­dert: Mög­lichst kein Arti­ku­la­ti­ons­raum für die noch ver­blie­be­ne Oppo­si­ti­on, mög­lichst kei­ne Anstel­lung kri­ti­scher Nach­den­ker im öffent­li­chen Dienst.

In der ent­ste­hen­den Bun­des­re­pu­blik ging es vorm Hin­ter­grund des begin­nen­den Kal­ten Krie­ges zunächst vor allem um die his­to­risch neue West­ori­en­tie­rung. Der „Zivi­li­sa­ti­ons­bruch der Shoa“ war hin­ge­gen noch nicht vor­der­grün­dig The­ma, eben­so­we­nig war an den beschwo­re­nen Schutz Isra­els im Sin­ne der Mer­kel­schen „Staats­rä­son“ von 2008 zu den­ken. Deutsch­land ord­ne­te sich in in der dua­len Welt ein­deu­tig zu, als Mus­ter­schü­ler der USA: Pari­ser Ver­trä­ge, Bun­des­wehr, NATO. Eine ande­re Opti­on gab es nicht.

Zum Aus­gleich mit Isra­el kam es vor allem, um an die­ser ent­zünd­li­chen Sei­te der Außen­po­li­tik Ruhe zu haben. Ein kol­lek­ti­ves Schuld­be­wußt­sein hin­ge­gen beschwer­te das jun­ge Neu-Deutsch­land kaum. Ganz im Gegen­satz zur Gegen­wart, wo seit der Cau­sa Dem­jan­juk selbst eins­ti­ge Sekre­tä­rin­nen als „Teil der Ver­nich­tungs­ma­schi­ne­rie“ gel­ten und so der Mit­tä­ter­schaft an „Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit“ ange­klagt wer­den. Die Jus­tiz, die in den Fünf­zi­gern Ver­bre­chen igno­rier­te, wo sie nur konn­te, will jetzt aus eige­nem Anspruch gegen alle noch auf­greif­ba­ren ver­meint­li­chen Täter und Mit­tä­ter pro­zes­sie­ren. Kri­te­ri­um der Mit­tä­ter­schaft ist allein die nach­ge­wie­se­ne Anwe­sen­heit am Ort des Verbrechens.

Phä­no­me­nal, wie die gesam­te links­grü­ne Neu-Bour­geoi­sie über­zeugt davon ist, nie und nim­mer wäre sie in eine ver­bre­che­ri­sche Poli­tik zu invol­vie­ren gewe­sen und wür­de sich selbst­ver­ständ­lich im akti­ven und Blut­zoll ent­rich­ten­den Wider­stand befun­den haben. Wehr­haf­te Demo­kra­ten all­über­all, dabei aber staats­tra­gend und die Mei­nungs­ho­heit bestim­mend. Sie regis­trie­ren dabei nicht, daß mit Diver­si­tät neu­er­dings eher eine neue Uni­for­mi­tät, mit Tole­ranz die Stig­ma­ti­sie­rung der Oppo­si­ti­on, mit Plu­ra­lis­mus Gleich­schal­tung und mit Welt­of­fen­heit das Ende der Nati­on gemeint ist. Hof­fen wir, sol­che Demo­kra­ten ste­hen nicht bald für die Auf­he­bung der Mit­be­stim­mung und Gewal­ten­tei­lung ein.

Die frü­he Bon­ner Repu­blik sah sich hin­ge­gen über Jahr­zehn­te viel­mehr selbst als schick­sals­ge­schla­ge­nes Opfer; das Ende des Krie­ges galt als Nie­der­la­ge, ja als Zusam­men­bruch und gera­de nicht als „Befrei­ung“. Zwölf Mil­lio­nen Deut­sche hat­ten im Osten ihre Hei­mat ver­lo­ren, die Städ­te lagen ver­wüs­tet, das Trau­ma des ziel­ge­nau gegen Zivi­lis­ten gerich­te­ten Bom­ben­ter­rors der Alli­ier­ten war noch gegenwärtig.

Weiz­sä­ckers „berühm­te Rede“ zur Umbe­wer­tung des Kriegs­en­des wur­de erst vier­zig Jah­re danach und somit nur fünf Jah­re vor der Wie­der­ver­ei­ni­gung gehal­ten und rief damals noch erheb­li­chen Wider­spruch in der Uni­on und der FDP auf. Eine sol­che Kri­tik wäre heu­te gera­de­zu undenk­bar und dis­kre­di­tier­te die Kri­ti­ker völ­lig – etwa in der Wei­se, wie der­zeit die gesam­te AfD den „Demo­kra­ten“ als „rechts­extre­mis­tisch“ gilt.

Der „Schuld­kult“ – eine psy­cho­lo­gisch genau zutref­fen­de Bezeich­nung – setz­te in sei­ner stren­gen Aus­for­mung erst in den Acht­zi­gern und nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung ein, ver­stärkt vom Bedürf­nis, gegen­über der Welt­ge­mein­schaft ritua­li­siert einen Kotau nach dem ande­ren zu zele­brie­ren, weil man sich als eins­ti­ger „Mensch­heits­ver­bre­cher“ den­noch natio­nal wie­der­ver­ei­ni­gen durf­te. Daß man sich für die­sen als Gna­de emp­fun­de­nen Akt in Euro­pa den Euro über­hel­fen ließ, reich­te psy­cho­lo­gisch längst nicht aus; es bedurf­te ein­dring­li­che­rer und fort­dau­ern­der Buß­übun­gen. Deutsch­land reif­te vom Völ­ker­mör­der zum Mora­lis­ten der Völ­ker. Nun­mehr soll­te eben an die­sem Wesen die Welt gene­sen. So schreck­lich wie einst, so ethisch unfehl­bar jetzt.

Mehr noch als die Acht­und­sech­zi­ger-Gene­ra­ti­on der zu Bür­ger­söhn­chen gemau­ser­ten Kriegs­kin­der ent­wi­ckeln die Wohl­stands­kids der Wie­der­ver­ei­ni­gungs­zeit ein „anti­deut­sches“ Bewußt­sein, das vom unge­nau­en Selbst­ekel gegen­über der Her­kunfts­na­ti­on bestimmt ist und die Sinn­ge­bung im Hyper­mo­ra­li­schen und Uto­pi­schen sucht.

Extre­mer als die Jugend ande­rer Län­der strebt die deut­sche nach einer kun­ter­bun­ten Welt­bür­ger­schaft, die unge­nau aller­lei ist, näm­lich umwelt- und kli­ma­be­wußt, gen­der­neu­tral, anti­im­pe­ria­lis­tisch, anti­ko­lo­nia­lis­tisch, anti­ras­sis­tisch und anti­se­xis­tisch, nur eben bit­te nicht deutsch – mit dem Neben­ef­fekt, daß eben­so­we­nig von Vater­land wie von Mut­ter­spra­che die Rede sein darf und fol­ge­rich­tig die Kennt­nis der eige­nen Spra­che und des kul­tu­rel­len Erbes nicht nur als unnö­tig, son­dern bereits als ver­däch­tig gel­ten. Wich­ti­ger als Erkennt­nis­se sind längt die Bekennt­nis­se gewor­den. Gegen­über der Regen­bo­gen­fah­ne gerie­ten die deut­schen Far­ben längst in den Geruch des gefähr­lich Reaktionären.

Die „aka­de­mi­sche“ Eras­mus-Pro­gramm-Jugend kränkt die Ahnung, daß der Wohl­stand des Lan­des aus kapi­ta­lis­ti­scher und impe­ria­lis­ti­scher Wirt­schaft erwächst, so sehr, daß sie den Genuß genau die­ses Wohl­stan­des zwar voll und ganz aus­lebt, aber genau dar­an neu­ro­ti­siert, indem sie die­ses Schuld­ge­fühl halb­be­wußt ver­schiebt oder ver­drängt und ein Dasein wie im Eine-Welt-Laden zu füh­ren wünscht.

Das funk­tio­niert so zwar nicht, öko­no­misch schon gar nicht, um so mehr aber han­delt man im eige­nen Life­style im Als-ob. Man will gut ver­die­nen und an der glo­ba­len höchst­ka­pi­ta­lis­ti­schen Wert­schöp­fung hedo­nis­tisch teil­ha­ben, aber dann inner­halb der Kul­tur der „neu­en urba­nen Schich­ten“ genuß­voll leben, als wäre dem gar nicht so. Wenn schon nicht der Lebens­stil selbst, so soll doch der Anspruch radi­kal-öko­lo­gisch, radi­kal-kli­ma­neu­tral, radi­kal-anti­ras­sis­tisch und sowie­so radi­kal „welt­of­fen“ und „tole­rant“ sein.

Geis­tig und see­lisch ent­kop­pelt man sich und ent­wi­ckelt eine „woke“ Lebens­wei­se, die gewis­se Codes, Sym­bo­li­ken und Sprach­re­ge­lun­gen unbe­dingt ein­hal­ten muß. Vor allem jedoch ist man fest davon über­zeugt, daß das, was über Jahr­tau­sen­de ver­mißt wur­de, nun doch als final mach­bar erscheint – daß näm­lich der feh­ler- und sünd­haf­te Mensch end­lich ein bes­se­rer und letzt­gül­tig guter wür­de, indem man sich erst­ma­lig in der Lage wähnt, ihm die genau rich­ti­gen Bedin­gen dafür ein­zu­rich­ten. Die Repu­blik, ja die gesam­te Welt wird als eine Art Ganz­tags­schu­le mit tol­len Pro­jekt­an­ge­bo­ten angesehen.

Ret­tung, Erlö­sung und Heil nahen, wenn nur gut und rich­tig gehan­delt wür­de, für das Kli­ma, für die Gerech­tig­keit, für die Inklu­si­on aller. Daß die­ses angeb­lich drin­gend erfor­der­te Ein­heits­han­deln wie­der­um in eine Art Gleich­schal­tung zwingt, fällt nicht auf, da die Uni­form nun­mehr ja eine kun­ter­bun­te ist.

Es erin­nert an die Neue Fröm­mig­keit des aus­klin­gen­den Mit­tel­al­ters, wenn die Erlö­sung wie­der mal in Zei­ten größ­ter Welt-Fins­ter­nis erwar­tet wird. Just jetzt, da die tech­no­lo­gi­schen Mög­lich­kei­ten der Ver­ge­wal­ti­gung der Bio­sphä­re am extrems­ten sind und die Bedürf­nis­se der Ver­brau­cher bei irrer Maß­lo­sig­keit und Selbst­ent­frem­dung ins Uner­meß­li­che wach­sen, wird von einem neu­en Zeit­al­ter geträumt, in dem Ener­gie und Res­sour­cen ohne Schuld ver­braucht wer­den dür­fen und eine Gerech­tig­keit herrscht, in der das Lamm end­lich beim Wolf liegt. Gerin­ge che­mi­sche und bio­che­mi­sche Kennt­nis­se und indus­trie­ge­schicht­li­che Ahnungs­lo­sig­keit erleich­tern die CO2-Ver­teu­fe­lung.

Darf man in die­sem Zusam­men­hang Fri­days-for-Future als eine Art Fla­gel­lan­ten­be­we­gung der Vor­ver­kün­di­gung anse­hen? Was als uni­ver­sa­le Escha­to­lo­gie erscheint, als erhoff­te Voll­endung des Gan­zen wie des Ein­zel­nen, könn­te sich nicht zum ers­ten Mal eher als kol­lek­tiv psy­cho­ti­sches Trug­bild erwei­sen, so daß Hoff­nung unwei­ger­lich der Ent­täu­schung weicht. Kon­ser­va­ti­ve Alter­na­ti­ve: Lie­ber im Klei­nen das Nor­ma­le ver­su­chen, und den Men­schen akzep­tie­ren, obwohl er ein Män­gel­we­sen bleibt, das hier nun mal, Hebrä­er 13:14, kei­ne fes­te Stadt hat. Der Irr­tum ist immer beim Men­schen, nie in der Natur.

Ins­be­son­de­re erscheint die Seman­tik des dau­er­ge­brauch­ten Begriffs „Tole­ranz“ unklar, inso­fern sie stets nur der eige­nen Grup­pe, aber gera­de nicht der poli­ti­schen Oppo­si­ti­on gewährt wird. Wo also Tole­ranz geübt wird, unter den „auf­ge­weck­ten“ Freun­den des Regen­bo­gens, ist sie völ­lig unnö­tig, wo nicht, wäre sie hin­ge­gen drin­gend erfor­dert, wenn es denn tat­säch­lich um die Pfle­ge der Demo­kra­tie als Dis­kurs­ge­mein­schaft ginge.

Die Oppo­si­ti­on, die mitt­ler­wei­le aus­schließ­lich rechts ver­sam­melt ist, aus­zu­schlie­ßen, ja zu kri­mi­na­li­sie­ren, gilt als „cou­ra­giert“, obwohl sich hin­ter die­ser Cou­ra­ge alle Par­tei­en mit Aus­nah­me der AfD sowie der gesam­te Staats­ap­pa­rat ver­sam­meln. Ein Leit­be­griff der Auf­klä­rung, die Tole­ranz, wur­de so auf „woke“ Wei­se tri­via­li­siert. „Welt­of­fen­heit“ wie­der­um lie­ße sich ver­mut­lich als „woker“ Impe­ria­lis­mus auffassen.

Die rech­ten Skep­ti­ker gel­ten den infan­til oder idea­lis­tisch emp­fin­den­den Bes­ser­men­schen nicht nur als böse Spiel­ver­der­ber, son­dern direkt als Nazis und mit­hin als infek­tiö­se patho­lo­gi­sche Fäl­le, die ver­nünf­ti­ger­wei­se so, wie sie sich dar­stel­len, in ihrer Exis­tenz gar nicht zu den­ken wären. Sie müs­sen, so die ein­hel­li­ge Über­zeu­gung, umer­zo­gen wer­den. Imp­fung über poli­ti­sche Bil­dung der welt­an­schau­lich ein­heit­lich aus­ge­rich­te­ten Schu­le. Wo das nicht läuft, braucht es wie stets Geheim­po­li­zei und Verbote.

Sehr irri­tie­rend für das grün­lin­ke Ein­heits­front, wenn sich kon­ser­va­ti­ves und rech­tes Den­ken gera­de im Zustan­de der Anfein­dung behaup­tet, ja hier und da gar uner­schro­cken revi­ta­li­siert. Blei­ben trotz immensen Auf­wan­des staat­lich erwünsch­te Erzie­hungs- und Hei­lungs­er­fol­ge aus, wider­spricht das abso­lut dem neo­auf­klä­ri­schen Pro­pa­gan­da-Regime. Daher der wach­sen­de Haß, der mitt­ler­wei­le Teil der Staats­rä­son ist: Bald jeder, der sich nicht aus­drück­lich zur ein­zig aner­kann­ten Über­zeu­gung bekennt, gilt als Beob­ach­tungs- oder Ver­dachts­fall, weil er angeb­lich die „Men­schen­wür­de“ miß­ach­te. Um zu klä­ren, wor­in die jen­seits des blo­ßen Dik­tums über­haupt besteht, wäre über Men­schen­bil­der und Anthro­po­lo­gie zu strei­ten; genau dies ist jedoch ganz aus­ge­schlos­sen. Über­haupt wird jede Regie­rung zum Regime, wenn sie die Gewal­ten­tei­lung abbaut und Frei­hei­ten ein­schränkt, zu wel­chem Zweck auch immer.

Erin­ne­rungs­ar­beit II:

Das unter den Vor­zei­chen des Wes­tens wie­der­ver­ei­nig­te Rest-Deutsch­land ver­dräng­te in sei­nem Bestand­teil West, daß der Osten, die eins­ti­ge DDR, über Jahr­zehn­te als gefähr­li­cher poli­ti­scher Geg­ner und sogar als mili­tä­ri­scher Feind galt.

Der SED-Staat wird noch heu­te meist kon­text­frei auf­ge­faßt, indem er nicht sys­te­misch als ein Ergeb­nis des Kal­ten Krie­ges bzw. der Ein­fluß­nah­me der Sowjet­uni­on ange­se­hen wird, son­dern als rei­ner Defekt gilt, als genui­ner Unrechts­staat, der aus sich selbst, also non­kau­sal ent­stand. Das nährt den Unfug, die im Osten wären aus sich her­aus per se undemokratisch.

Wo der Osten in Gestalt der DDR vor 1990 nicht als Feind galt, da stan­den die Ost­ler doch als „arme Brü­der und Schwes­tern“, also als min­der­wer­tig oder bes­ten­falls bemit­lei­dens­wert da. Min­des­tens als jene, die irgend­wie doch zu blöd für eine qua­li­fi­zier­te Staats­bür­ger­schaft sind. Erst West­pa­ket­emp­fän­ger, dann durch den Wes­ten zu beschulen.

Der Wes­ten hat­te ver­ges­sen, daß er nicht evo­lu­tio­när zu einer Demo­kra­tie her­an­ge­wach­sen war, die sei­nen gan­zen Stolz aus­mach­te, son­dern dies ein­fach Tat­sa­chen des Früh­jahrs 1945 und ins­be­son­de­re der Linie ver­dank­te, an der die sowje­ti­schen Pan­zer kraft Jal­ta-Abkom­men dann doch noch ange­hal­ten hat­ten. Den Rest besorg­te die Umerziehung.

Daß der Osten mit sei­ner aktu­el­len Skep­sis gegen­über der „Bun­des­po­li­tik“ gra­vie­ren­de Defi­zi­te im Demo­kra­ti­schen erken­nen läßt, ist mitt­ler­wei­le Grund­über­zeu­gung inner­halb der Ber­li­ner Republik.

Die­se Män­gel sol­len etwa durch Ost­ver­ant­wort­li­che oder Ost­ver­ste­her und Oster­zie­her aus­ge­gli­chen wer­den. Nach den Loka­to­ren kamen die Agi­ta­to­ren. Lan­des­be­rei­che, die sich wegen lan­ger Bevor­mun­dung durch den SED-Staat ein kri­ti­sches Bewußt­sein gegen­über Herr­schaft schlecht­hin bewahr­ten – etwa Rest­be­stän­de in Sach­sen und Thü­rin­gen – gel­ten als latent gefähr­lich oder gefähr­det, weil die dor­ti­gen Bür­ger nicht im vor­aus­ei­len­den Gehor­sam bereit sind, alle „Grund­ver­ein­ba­run­gen“ der Neu­en Welt­re­pu­blik von Migra­ti­ons- bis Ener­gie­po­li­tik mitzutragen.

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

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Kommentare (64)

RMH

26. Oktober 2021 20:59

Herr Bosselmann,

1.

Die vermeintliche Perspektive West, die Sie in Ihrer Erinnerungsarbeit II darstellen, stimmt aus meiner Sicht - groß geworden im sog. "Zonenrandgebiet" in Nordbayern - so nicht. Uns war allen klar, dass die DDR so ist, wie sie ist, weil die UdSSR dies so wollte. Das war sogar offizielle Lehre in der Schule (der 17. Juni wurde damals als Tag des Widerstands gegen den Kommunismus gelehrt und nur wegen den Russen konnten die DDR-Bürger ihr Regime nicht beseitigen). Dass die BRD so ist, wie sie war, weil die USA bzw. Westalliierten dies so wollten, wurde hingegen gerne ausgeblendet bzw. kam man zu dieser Erkenntnis nicht sofort (aber schon, wenn man den Schulgeschichtsstoff richtig interpretierte und nicht nur auswendig lernte). Unsere "Propaganda"-Sicht war eher so, dass die meisten aus der DDR lieber heute als morgen gehen würden, wenn die Grenze offen wäre. Als "Undemokraten" sahen wir sie in dieser pauschalen Form nicht, eher als Unterdrückte - "Minderwertigkeit"? Herr Bosselmann, bitte keine Komplexe ausbreiten .... Feind waren sie selbst bei der Bundeswehr nicht (hieß zwar alles Rotland, aber jeder ging vom "Russen" als maßgeblich aus).

RMH

26. Oktober 2021 21:02

2.

Ich denke, die Überraschung war für viele im Westen eher, dass man nach 1990 es zu hören bekam "dass ja doch nicht alles so schlecht war" etc. Diejenigen, und das dürfte die Masse im Westen gewesen sein, die nicht via kleinem Grenzverkehr oder Verwandte Kontakt nach "drüben" hatten, konnten das nun gar nicht einordnen. Vermutlich einer der Gründe, warum das Klischees vom "undankbaren" und jammernden "Ossi" nach 1990 aufkamen. Dass die DDR Bürger schon mal in der Zukunft waren und daher das aktuelle Heute kritischer begleiten, können nach wie vor viele im Westen nicht nachvollziehen. Und an diesem Verständnis muss man in der gesamtdeutschen Bundesrepublik schon noch deutlich arbeiten.

kikl

26. Oktober 2021 22:49

"sie registrieren dabei nicht, daß mit Diversität neuerdings eher eine neue Uniformität, mit Toleranz die Stigmatisierung der Opposition, mit Pluralismus Gleichschaltung und mit Weltoffenheit das Ende der Nation gemeint ist."

Das haben sie sehr schön gesagt.

kikl

26. Oktober 2021 23:11

"Der „Schuldkult“ –...– setzte in seiner strengen Ausformung erst in den Achtzigern und nach der Wiedervereinigung ein,..."

Das sehe ich nicht so. Das war eine kontinuierliche Entwicklung, die mit der Umerziehung der Deutschen im Westen begann und sich seitdem kontinuierlich verstärkt.

"Nach dem Krieg führte die Psychological Warfare Division des SHAEF eine Kollektivschuld-Kampagne durch:...

Direktive Nr. 1 von Robert A. McClure, Leiter der Information Control Division und Spezialist für Psychologische Kriegsführung, an die USA Heeresgruppenpresse erläutert das Verfahren:

„Die ersten Schritte der Reeducation werden sich streng darauf beschränken, den Deutschen unwiderlegbare Fakten zu präsentieren, um ein Bewusstsein von Deutschlands Kriegsschuld zu erzeugen sowie einer Kollektivschuld für solche Verbrechen, wie sie in den Konzentrationslagern begangen wurden."

https://de.wikipedia.org/wiki/Kollektivschuld

kikl

26. Oktober 2021 23:12

An Stelle von "Kollektivschuld" spricht man von "Verantwortung". Gemeint ist dasselbe. Der Schuldkult ist letztlich ein Produkt der psychologischen Kriegführung durch die alliierten Besatzungsmächte im Westen. Aus diesem Grunde ist er im Westen auch viel stärker als im Osten Deutschlands. Eine ganz bittere Erkenntnis war das für mich.

Laurenz

27. Oktober 2021 00:43

Ohne erstmal weiter auf den Artikel einzugehen, möchte ich hier

@RMH

unterstützen. Auch außerhalb Nord-Bayerns sah man das so, wie er es beschreibt. Ich bin zwar nicht repräsentativ, was die Haltung zur DDR angeht, aber über meinem Schreibtisch hängt ein Bild der abgemagerten jungen Arbeiter, wie sie mutig mit der Deutschen Flagge am 17. Juni durch das zerschossene Brandenburger Tor marschieren. Das Bild erinnert immer wieder an die korrekte Haltung eines Deutschen & manchmal rührt es auch zu Tränen ob der verlorenen 29 Jahre der Teilung & vor allem Trennung des einen & einzigartigen Deutschen Volkes.

Daß bei uns durch den Versager Kohl die Oligarchisierung der Wirtschaft-Ost, ähnlich wie in ganz Osteuropa stattfand, müssen wir zur Kenntnis nehmen. Aber kein ehemaliger osteuropäischer Staat hatte eine BRD, die erstmal alle Straßen neu teerte. Erst mit der EU-Osterweiterung fließen Mittel an osteuropäische Staaten der EU, aber das hinkt schon beim Betrachten der Handelsbilanz. Die Ex-Bürger der Warschauer Vertragsstaaten waren gegen diese industrielle Lobby aus dem Westen, in Rußland auch gegen einheimische Investoren, mental völlig schutzlos ausgeliefert. Zu viele hatten wohl zu oft Werbung aus dem Westen gesehen & teils bis heute nicht begriffen, daß Werbung keiner Realität entspricht.

Carsten Lucke

27. Oktober 2021 00:52

Kaum wage ich es zu sagen, aber Heino Bosselmanns hier berichtete, berufliche Verluste führen zu Gewinnen bei der Sezession !

Endlich packt er das große Besteck aus und weiß nur zu gut, damit umzugehen !

Enorm starker Text - als Lagebeschreibung nicht zu überbieten !

Kann nur einer aus dem Osten !

Dank aus Thüringen !

Ausguck

27. Oktober 2021 06:03

@ Bosselmann: "...Wenn Gesellschaften tatsächlich über ein kollektives Bewußtsein verfügen, dann existiert so etwas wie eine kollektive Psychologie.
Offenbar ist dem so."

Wie kommen Sie zu diesem Schluß? Wieso ist dem "so?" Und was ist daran "offenbar?"

Zwischen offenbar und offensichtlich gibt es keinen Bedeutungsunterschied. Denn was offenbar, offensichtlich oder auch offenkundig ist, das liegt auf der Hand, ist augenscheinlich, erwiesen, und nachweislich.

Etwa so wie beim Holocaust?

Für mich haben heutige Gesellschaften kein kollektives Bewußtsein mehr. Zu inhomogen sind ihre Strukturen und zu geschichtsvergessen und egoistisch die Mehrheit ihrer Bürger. Diese Identitätslosigkeit ist beabsichtigt.

RMH

27. Oktober 2021 07:03

@kikl,

Sie habe zwar Recht, dass die Themen der Vergangenheit schon lange angelegt und gepflegt wurden, aber es war sicher keine kontinuierliche, lineare Entwicklung. Bosselmann hat mit seinem Eindruck durchaus recht. Aus meiner Sicht wurde mit der Wiedervereinigung in all diesen Dingen, die einem gesunden, deutschen Selbstbewusstsein einen Riegel vorschieben, eine Art Turbo eingelegt. Deutschland war wiedervereinigt, also haltet jetzt die Fresse, gebt eure DM ab, gebt Souveränität an die EU ab und denkt immer wieder daran, was ihr als ganzes Deutschland für schlechte Menschen wart. Das sind Teile des Preises der Wiedervereinigung.

@Ausguck,

"Für mich haben heutige Gesellschaften kein kollektives Bewußtsein mehr."

In der Gesamtschau wohl richtig, Deutschland hat nur noch in seinen ethnischen deutschen Resten Ansätze von so etwas, aber auch das wurde bereits direkt nach dem Krieg gespalten, wie man an dem ewigen Thema Bosselmanns - dem er nun den wievielten Aufsatz widmet bzw. welches den wievielten Aufsatz prägt? - nämlich dem Ost-West Thema, recht gut erkennen kann.

Ein kollektives, tiefes Bewusstsein, welches auf Ahnenlinien und einer Schicksalsgemeinschaft aufbaut, wird noch in Gänze verschwinden. An seine Stelle treten verstärkt Moden, Zeitgeist oder was der Propagandastaat eben gerade als "kollektiv" gesetzt haben will.

tearjerker

27. Oktober 2021 07:51

Die Strukturen der BR hatten im Westen 40 Jahre länger um einzuwachsen. Deshalb ist der Landesteil auf dem Gebiet der ehemaligen DDR einfach weniger bundesrepublikanisch. Noch. Das trifft sich mit dem vor 89 im Westen geprägten Selbstverständnis, auf der richtigen Seite zu stehen, das durch das abschreckende Beispiel DDR hochkam und, siehe RMH, mit einem starken Antikommunismus verbunden war. Gleichzeitig hat man sich in Trizonesien in jeder Beziehung etwas vorgemacht. Man bildete sich ein, der Weststaat sei das Ergebnis besserer eigener Entscheidungen. Dann verstand man die Wiedervereinigung als ein Projekt zur Wiedererstehung Deutschlands. Als wäre das Land nicht militärisch unterworfen worden und man selbst immer noch die ganz grosse Nummer, für die Grenzen nicht gelten. Das scheint sich als gesamtdeutsches Selbstverständnis zu behaupten.

Ausguck

27. Oktober 2021 08:33

@ RMH:

"Als "Undemokraten" sahen wir sie in dieser pauschalen Form nicht, eher als Unterdrückte - "Minderwertigkeit"? Herr Bosselmann, bitte keine Komplexe ausbreiten .... Feind waren sie selbst bei der Bundeswehr nicht (hieß zwar alles Rotland, aber jeder ging vom "Russen" als maßgeblich aus)."

Sehr schön, oder "fein beobachtet", wie Loriot gesagt hätte!

Tatsache ist, daß genau wegen dieses Konfliktes zwischen Realität und Anspruch in den Siebzigerjahren einige BW-Offiziere ihren Abschied nahmen. Zu groß war ihnen nämlich der Konflikt erwachsen zwischen Diensteid und NATO-Doktrin. Der Offizierseid lautete: "Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen" Für diese Offiziere war es unmöglich geworden, beides zu vereinbaren, weil eben Mitteldeutschland "Rotland" war. 

Neander vom Thal

27. Oktober 2021 08:39

Kurze Anmerkung zu einem unwesentl. Punkt im o. g. Text: FFF mit der Flagellantenbewegung zu vergleichen halte ich für zu viel Ehre. Auch wenn die Flagellanten fanatische Narren waren, so war doch ihr tiefer irrer Glaube echt. Auch hatten sie den Mut ihren Körpern Schmerzen zuzufügen. So viel Einsatz für eine ideelle Sache kann ich mir bei den hüpfenden Wohlstandspimpfen nicht vorstellen. (Wenn das Cor. - Kopfkino keine Punkte mehr bringt, wird wohl wieder FFF probiert.)

 

kikl

27. Oktober 2021 10:48

"Für mich haben heutige Gesellschaften kein kollektives Bewußtsein mehr. "

In Deutschland gibt es ein kollektives Schuld-Bewusstsein, auch Schuldkult genannt. Der Mainstream nennt es "Erinnerungskultur" oder "Vergangenheitsbewältigung" und lehnt den Begriff Schuldkult vehement ab.

Mit Kult bezeichnet man die Riten, mit denen eine Gemeinschaft die Verehrung einer Gottheit zum Ausdruck bringt. Im übertragenen Sinne ist damit die übertriebene oder fanatische Verehrung einer Sache oder Person gemeint, wie im Starkult. 

"Noch immer tragen wir Deutschen an der Schuld, ... Noch immer verspüren wir die Scham darüber, ..." sagte Präsident Steinmeier in einer feierlichen Rede am 18. Oktober 2021 zum feierlichen Gedenken woran?

Das ist das einzige Wirgefühl der Deutschen, das im Mainstream akzeptabel ist; die Kollektivschuld und -scham. Wer das kritisiert, dem wird das Leben zur Hölle gemacht und der wird nicht selten gewalttätig angegriffen.

Deswegen muss man von einem fanatischen und ritualisierten Glauben, einem Kult sprechen. Diese neurotische Identität ist Quell unendlich vieler Probleme, die wir haben. Vereinzelt wird das Identitätsproblem im Mainstream erkannt. Die Ursache dafür kann aber nicht benannt werden, weil das Dogma unantastbar ist.

Beispiel:

https://www.youtube.com/watch?v=5pxxpRKiN1U

RMH

27. Oktober 2021 10:53

"mit einem starken Antikommunismus verbunden war"

Der auch ein starker Gründungsimpuls für die Partei "Die Republikaner" war, die Anfang der 80er Jahre gegründet wurde. Einer der Auslöser für diese Gründung war - für die, die sich nicht mehr erinnern können oder zu jung sind - der Milliarden- Kredit an die DDR, den F.J. Strauß zusammen mit Schalck-Golodkowski eingefädelt hat. 

Bei den REP stand die Wiedervereinigung in den 80er Jahren wieder lebendig als aktives politisches Ziel auf dem Plan, als die anderen Parteien im Westen dieses Ziel eigentlich schon abgeschrieben haben oder wenn, dann nur noch der Form halber oder als reines Lippenbekenntnis pflegten.

Die Republikaner haben die politische Rechte mehr beeinflusst, als man heute zugeben mag. Sie waren die echten Ahnherren der AfD, die sich aber von ihnen erst einmal abgegrenzt hat, um als etwas Neues und nicht als etwas, was bei Gründung der AfD bereits politisch bedeutungslos war, wahrgenommen zu werden. Die REPs haben es gerochen, dass es in der DDR zu einem Wandel kommen wird (leider scheint es kein Online- Archiv zur Parteizeitung "Der Republikaner" zugeben - da könnte man vieles nachlesen).

URN

27. Oktober 2021 11:15

D a s Defizit der Kommentierung ist, daß - wie aus der sprichwörtlichen Pistole geschossen - von RMH bis (natürlich...) Laurenz Menschen Herrn Bosselmann  (und mir) die DDR erklären wollen, obwohl sie doch in Nordbayern oder Hessen oder anderswo lebten. Bei der Beschreibung der DDR ist Herr Bosselmann eindeutig im Vorteil!

Gustav Grambauer

27. Oktober 2021 11:24

I

@RMH

Sie greifen viel zu kurz, wenn Sie sich auf das Jammer-Ossi-Phänomen kapriziren, und Sie liegen nach 40 Jahren immer noch voll daneben, wenn Sie der Art Wandel nachhängen, auf den die Republikaner in der DDR gehofft hatten und die ja auch gar nicht eingetreten ist. Offenbar haben Sie immer noch nicht begriffen, wie sehr der Ossi tief in seinem Inneren Sozialist ist - und zwar nur zum geringeren Teil auf der Basis, auf der z. B. Berlin schon in den 1920er Jahren die drittroteste Stadt der Welt gleich nach Moskau und Wien gewesen war; dafür viel mehr auf der Basis eines späteren etwas "speziellen" Sozialismusverständnisses, welches mit den Denkschablonen des Westens kaum jemals überhaupt in Betracht ziehbar, geschweige denn psychologisch nachvollziehbar sein wird (weil es - bei vielen äußeren Gemeinsamkeiten - doch von einem völlig anderen Spin als die NS-Volksgemeinschaft angetrieben war und ist).

Eine weitere Spezialität kommt hinzu: Im Gegensatz zu insbesondere den polnischen oder ungarischen Regimegegnern war 99,9 % der DDR-Regimegegner einfach nur Honecker nicht rot genug (weil auch sie nur nach dem "echten" Sozialismus gelechzt haben). Weltweit einmalig wurden die Montagsdemonstrationen extra auf den Feierabend verlegt, und ich möchte nicht wissen, wie es jemandem ergangen wäre, der dort auch nur ganz leise das Wort "Streik" zu flüstern gewagt hätte (während der Streik in Polen sogar der Haupthebel war).

Gustav Grambauer

27. Oktober 2021 11:26

III

Dabei ist doch damals jeder mit den heruntergeschlissenen Reichsbahnwaggons gefahren, von denen der letzte Mitte der 70er Jahre im Fernverkehr in Dienst gestellt worden war und für die am Ende kaum noch Kapazitäten für Reparaturen da waren. Während der mitteldeutsche Schienenfahrzeugbau von den 60er Jahren an (aber - sehr bezeichnend für das, was wir hier besprechen - eben nur bis Anfang der 90er!) mit Abstand der weltgößte (!) Waggon-Exporteur war; hunderttausende und aberhunderttausende Waggons wurden in Halle, Ammendorf, Bautzen, Niesky und Görlitz in allerfeinster Qualität produziert. Jedem war doch klar, daß die alle sowie ganze tagtägliche sonstige Kapazitäten an Industrie- und Landwirtschaftsgütern ins Ausland abgesaugt wurden und davon der Großteil in Richtung dieser Mega-Saugpumpe gen Osten.

Das letzte Politbüro des ZK der SED hatte sich auf seiner letzten Sitzung vor dem Erlöschen des Lichts sowie in der ernstlichen Befürchtung von Hungersnöten in Mitteldeutschland im bevorstehenden Winter die "Bruderhilfe wegen der Hungersnot in Leningrad" zum Tagesordnungspunkt Nr. 1 gemacht!

Gustav Grambauer

27. Oktober 2021 11:27

IV

Lieber RMH, neulich haben Sie im Angesicht dieser Lage die Chuzpe gehabt, nachträglich an den Feinheiten der Ost-Bratwurst herumzumäkeln und dies in Zusammenhang mit ihrem Vorwurf der "Mißwirtschaft" zu bringen. Aber es handelte sich keineswegs um Mißwirtschaft; die Russen, denen es bei der ganzen DDR im Wesentlichen sowieso nur um das Uran ging, haben als Sieger bei der Ausplünderung des Verlierers alles herausgesaugt, was eben herauszusaugen war:

- bis ins kleinste Detail durchgeplant,

- hocheffizient und straff organisiert,

- feinjustiert mit dem zur Aufrechterhaltung des Vampirismus gerade noch notwendigen Minimum an Investitionen,

- feinjustiert mit dem Risiko von Aufständen,

- und, als Oberclou, all dies auch noch von einer im Verliererland selbst urständenden Weltideologie (Hegel / Marx) getragen; nicht zuletzt, um die exzessiven Brüche der §§ 42 ff. HLKO, deren Vertragspartei sie waren, zu "verbrüderlichen".

Was soll daran bitte "Mißwirtschaft" sein? (Daß die Russen bei sich zu Hause eine Mißwirtschaft hatten, ist ein ganz anderes Thema.)

Gustav Grambauer

27. Oktober 2021 11:27

V

Lag und liegt nun allgemein bei der Ossi-Seele und speziell bei den damaligen Dissidenten das Stockholm-Syndrom zugrunde? M. E. ja (auch ich war damals zu einem Teil nicht frei davon), aber das ist nur die eine Ebene. Auch wenn es hier bei Herrn Bosselmann um Psychologie geht, möchte ich die andere Ebene noch anmerken. Wolski weist nach, wie sich die Sieger des WK-II mit oberster Prämisse einig waren, sich bei den (von ihnen geplanten und organisierten, was W. ebenso nachweist) Farbenrevolutionen 1989 - 1991, auch im Baltikum usw., in keiner Weise beschädigen zu lassen, weder psychologisch noch sonstwie, und dazu jedweden Schwarzen Peter den Deutschen zuzuschieben. Er weist auch nach, wie diese Doktrin über Politik, Systemmedien usw. duchexerziert wurde, gerade auch qua """deutsche""" Politik und """deutsche""" Systemmedien. Und ich füge hinzu: Sie wird bis heute durchexerziert.

- G. G.

Gustav Grambauer

27. Oktober 2021 11:30

Ja, der 17. Juni `53 hatte mit der DDR oder mit Mitteldeutschland viel weniger zu tun, als die meisten denken. Mit "Volksaufstand" ist er nur in einem Nebenaspekt charakterisiert. Im Wesentlichen hat der MGB = KGB den mitteldeutschen Boden dazu benutzt, um seinen Machtkampf mit der Sowjetarmee nach dem Tode Stalins um dessen Nachfolge auszutragen - und diesen Machtkampf exakt an diesem Tag in Berlin verloren, wofür sinnbildlich die Verhaftung Berijas - wahrscheinlich durch Marschall Shukow höchstpersönlich - am 26. Juni in Moskau steht. Für die Sowjetarmee war der 17. Juni einfach das Jetzt-reicht`s-aber-Fanal, um aus ihrer (kurzen) Defensive nach Stalins Tod heraus wieder in die weltpolitische Offensive zu gehen. Also, kurze knackige Formel für den 17. Juni: mißlungener Putschversuch der Trotzkisten gegen die Stalinisten. In wesentlichen Zügen dasselbe hat sich dann 1989 bis 1991 wiederholt, nur diesmal erfolgreich für die KGB-Trotzkisten-Achse, 2 x Wolski lesen!

- G. G.

RMH

27. Oktober 2021 11:44

@URN,

wo und an welcher Stelle erklären Laurenz oder ich Ihnen oder Herrn Bosselmann bitte die DDR?

Herr Bosselman erklärt doch eher uns ein Stückweit die BRD, und da seien einige Anmerkungen von Zeitzeugen von jenseits der Mauer, wie sie damals das Geschehen IM Westen (und gerade nicht die DDR) erlebt haben, durchaus erlaubt (zumal ich mich ja eher auf den Teil II des Bosselmanschen Artikels bezogen habe).

Laurenz

27. Oktober 2021 11:48

@URN/Der_Juergen

Ihr

"Defizit"

ist, daß Sie weder den Artikel noch die Beiträge RMHs oder meine Wenigkeit richtig gelesen haben. HB beschreibt die DDR auch aus Sicht der BRD & wer ist da im Vorteil?

Lassen Sie sich weniger von Ihren negativen Emotionen leiten. Das führt Sie immer nur zum Griff in die Villeroy & Boch - Schüssel.

Niedersachse

27. Oktober 2021 12:02

Vielleicht kann man es so auf den Punkt bringen: Das "Identitätsgefühl" der Deutschen rekrutiert sich daraus, die eigene Identität abzulehnen und gewisse Ersatzidentitäten zu schaffen: Europäer, Weltbürger oder einfach nur "Menschen". Aber selbst bundesländerspezifische Ersatzidentitäten werden geschaffen: Im Radio ist beispielsweise sehr häufig vom "schönsten Bundesland der Welt" die Rede, gemeint ist in dem Fall natürlich  Niedersachsen. Vielleicht ist es andernorts genauso, ich kann es nicht beurteilen. Eine Sache noch zu FFF: Diese Bewegung ist selbstverständlich keine natürlich gewachsene, sondern künstlich hergestellte, staats- und medienkonforme Pseudo- Protestbewegung. Es mutet schon recht seltsam an, wenn eine eigentlich unwichtige Teenagerin mit Asperger- Syndrom, eine Audienz beim Papst bekommt, vom kanadischen Premierminister Trudeau empfangen und von Merkel ins Kanzleramt eingeladen wird. Der politisch/ mediale Komplex "züchtet" sich seine eigenen Idioten, die dann dafür auf die Straße gehen, das ebendieser politische Komplex diejenigen ausbeutet, die diesen Laden am Laufen halten.

RMH

27. Oktober 2021 12:24

@G.G,

danke. Ihre Beleuchtung der tieferen Schichten von Vorgängen ist das, was ich regelmäßig an Ihren Beiträgen schätze, und das meine ich mit vollem Ernst.

PS:

Aber die Bratwurst ist heute in der Tat besser, da eben die guten Zutaten nicht mehr  exportiert (oder abgesaugt) werden müssen, sondern im Lande verarbeitet werden können (und das das Können dafür bereits damals vorhanden war, streitet wahrlich keiner ernsthaft ab).

URN

27. Oktober 2021 12:29

Damit auch Sie, Laurenz​​​​, es endlich begreifen und auch nur, weil Sie ausdrücklich nachfragten: im Vorteil ist der,​​​​ der beides kennt; nochmehr der, der  (wie ich z.B.) alle drei erlebt hat. Und nun können Sie ausnahmsweise mal anfangen zu denken! Können Sie das? 

Monika

27. Oktober 2021 13:51

Ein starker, grundlegender Text von Heino Bosselmann. Entstanden aus der Lebenserfahrung des Autors, der beide Systeme durchlebt und zunehmend reflektiert hat.

Damit kann ich mehr anfangen als mit Gesellschaftstheorien linker oder rechter Provenienz, die auf eine defizitäre Praxis anzuwenden wären. Theorie und Praxis lassen sich nicht trennen, nur formal. Ebenso wie man ein individuelles Leben nicht nach einer vorgefertigten Lebensphilosophie angehen kann, sondern immer schon im Leben steht, kann man kollektive Lebensformen mal locker umkrempeln.  Den psychologischen Zustandsbeschreibungen von H.B kann ich weitestgehend folgen. Stellt sich nurmehr die Frage nach der richtigen Therapie. Ist der Patient DEUTSCHLAND überhaupt noch therapierbar ? Kommt es zu einer Katharsis oder zu einer Spontanheilung ? Hat der Patient überhaupt Einsicht in sein Krankheitsbild? Wo findet man gute Therapeuten ? Und erreichen wir vielleicht sogar mal das innere Kind? Und können uns mit allen Defiziten annehmen? 

Niekisch

27. Oktober 2021 17:56

"Ist der Patient DEUTSCHLAND überhaupt noch therapierbar ? Kommt es zu einer Katharsis oder zu einer Spontanheilung ? Hat der Patient überhaupt Einsicht in sein Krankheitsbild? Wo findet man gute Therapeuten ? Und erreichen wir vielleicht sogar mal das innere Kind? Und können uns mit allen Defiziten annehmen?"

@ Monika 13:51: Meine Erkenntnis aus den Werken von Horst Obleser, Ein Gott auf der Couch, und Antonia Grunenberg, Die Lust an der Schuld,: 

Die uns induzierte Angststörung mit dem "absolut Bösen kann nur in einer Art Großgruppentherapie geheilt werden durch Beseitigen der Narrative aus dem Bösen., indem positive Narrative aus genau demselben angeblich Bösen vorgestellt werden, die überlagernd wirken. 

anatol broder

27. Oktober 2021 19:02

eine wirksame psychologie des kollektivs setzt voraus, dass sich das distributivgesetz der algebra auf menschen erstreckt.

gefühl × (adam + eva) = gefühl × adam + gefühl × eva,

gedanke × (adam + eva) = gedanke × adam + gedanke × eva,

wobei adam und eva voneinander unabhängig, beide aber zu gefühl und gedanke in der lage sind.

Nordlicht

27. Oktober 2021 21:10

Ein wirklich starker Text, finde ich.

Als Wessi des Jahrgangs 1948, also 68 an die Uni gekommen, allerdings nicht zum Studium der (heute so zu nennenden) Laberfächern, möchte ich mein früheres DDR-Bild beitragen: In Gymnasium gab es das Motto "Dreigeteilt - Niemals", als Primaner kam ich erstmals mit einer jungen Lehrergeneration in Kontakt, die sich über den Feldwebel-Ton der Alten, des Direx und der OStR lustig machte. Damals, um 1966, hörte ich das erste Mal die Bezeichnung "DDR" statt "Ostzone".

Dass dieser Teil Deutschlands von Statthaltern Moskaus regiert wurde, war uns klar.

Für uns Studenten (Anfang 70er) war die DDR eine Quelle kostengünstiger Lehrbücher: Mathematik-Bronstein/Semendjajew, Technische Thermodynamik. Und dass man im "Haus des Lehrers" gut essen konnte, erfuhr man bei den gelegentlichen Einkaufs-Besuchen in Ostberlin.

Die (innen)politische DDR lernte ich durch Literatur kennen, Uwe Johnson - und natürlich Biermann, wenngleich mir seine betonte Sozialismus-Verehrung unverständlich war.

Zeitsprung: 1990 trat ich nach 25 Jahren (nichtaktiver Mitgliedschaft) aus der SPD aus, weil mich die Honecker-Anbiederei der Spitzenfunktionäre und das Agitieren gegen die Wiedervereinigung anwiderte. 

Gracchus

27. Oktober 2021 21:54

Solche Kollektiv-Psychologisierungen haben den Nachteil der Pauschalisierung - jeder beobachtet etwas Anderes, und ich würde einiges anders beschreiben, ohne Bosselmann direkt zu widersprechen - allerdings scheint, um auch zu pauschalisieren, darin auch das Verhängnis der Deutschen zu liegen, nämlich tief in die Kollektiv-Psyche einzutauchen und sich im Kollektiven zu berauschen - in Tateinheit mit ihrer Staatsgläubigkeit.

Kollektive haben m. E. ausserdem nur ein sehr rudimentäres Bewusstsein. Das meiste läuft unbewusst. Es gibt auch keine wirkliche Reflexions- und Vermittlungsinstanz (das Ich in psychoanalytischer Terminologie). Deshalb sind Kollektive kaum therapierbar. Womöglich könnte die bürgerliche Gesellschaft oder eine deliberative demokratische Öffentlichkeit eine solche Instanz bilden, aber - wie Bosselmann richtig bemerkt -, ist Demokratie nach dem WWII nicht evolutionär gewachsen. Sie gehört damit zu den Forderungen des Über-Ich. 

Wo eine starke Ich-Instanz fehlt, verbünden sich anscheinend Über-Ich und Es. Die Moral wird sozusagen triebhaft, über die Moral werden niedere Instinkte ausagiert. Die Beispiele sind derzeit Legion (z. B. die Debatte um Kimmich).  

Gracchus

27. Oktober 2021 22:07

M. E. muss man auch sehen, dass der NS sich gegen Deutsche gerichtet hat, seien es Juden oder Oppositionelle oder sonstwelche, die entweder vernichtet oder ausgestoßen wurden. In der DDR waren es Deutsche, die andere Deutsche bespitzelt und Schlimmeres haben. Der Deutsche ist des Deutschen Wolf. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Deutsche einander misstrauen. Es ist auch nicht verwunderlich, dass kein Zusammenhalt im Volk besteht.  

Kurativ

27. Oktober 2021 22:13

Für das Mitläufertum braucht es keinen großen Mut. Man muss einfach den Vorgaben der großen Medien und der Politiker folgen, welche das Kollektiv mit ihren Dogmen speisen. Dabei fühlt man sich in der Masse zwar sicher, aber es ist nichts Eigenes. Und man muss immer achtsam sein, dass man die Vorgaben der Masse und der Medien richtig erfasst. Dies ist eine Lebensform der "Angst" und der "Furcht". Da ist dann die "Schuld" nicht mehr weit entfernt von der Angst. Die Furcht hält dann alles zusammen.

Ausguck

27. Oktober 2021 22:37

@ URN: "...Bei der Beschreibung der DDR ist Herr Bosselmann eindeutig im Vorteil!" 

Nein, nicht unbedingt. Oftmals kommt es schließlich bei solchen Insidern (zumal wenn sie sich an eine schon länger zurück liegende Vergangenheit erinnern) zu Symptomen, die an Betriebsblindheit erinnern. Davon spricht man, wenn aktuelle Vorgänge nicht mehr neu beurteilt, sondern nur aufgrund von Routine und der Vergangenheit beibehalten und für richtig befunden werden. Sehr häufig besitzen aufmerksame, außenstehende Beobachter, einen wacheren Blick für's Wesentliche.

Pit

27. Oktober 2021 23:42

1/2

Mir scheint eben die Argumentation gegen "rechts" durchaus plausibel:
-Toleranz: angeblich ein schwieriges philosophisches Problem, aber es erscheint mir logisch korrekt zu sagen: Keine Toleranz der Intoleranz. In einem Club laute die Clubregel: Jeder toleriert den anderen. Wenn jemand den anderen nicht toleriert, bricht er die Clubregel und kann somit kein Mitglied des Clubs sein, d.h. eine Haltung von Intoleranz erfährt keine Toleranz: Das ist nicht unlogisch oder widersprüchlich, sondern es ist logisch korrekt.

-"Courage": Es erscheint mir durchaus couragiert, sich als homosexuell zu bekennen; es ist couragiert, sich als Mitglied einer Minderheit zu bekennen, die von der Mehrheit abgelehnt wird. Immerhin beinhaltet dies ja, daß allen klar ist, daß es eben NICHT normal ist, homosexuell zu sein, und daß jeder das unnormal findet und an sich ablehnt. Also ist es natürlich couragiert, sich als homosexuell zu bekennen.

Diese ganzen "Bündnisse gegen rechts" sind m.E.: Bündnisse gegen Gewalt. "Rechts" steht für Gewalt gegen Schwache und Minderheiten zur Erzwingung von Verhaltensnormen, für Unterdrückung, Autoritarismus.

Pit

27. Oktober 2021 23:43

2/2

So... das ist also die Papierform der Linken. Tatsächlich ist aber das Entscheidende: Etikettenschwindel. Es wird NICHT eingelöst, was versprochen ist, und niemand überprüft und reklamiert, DAS ist das Problem: nicht die angeblichen Werte der Guten, sondern gerade die NICHTeinlösung dieser Werte.

Martin Sellner beklagt "Demokratie-Simulation". Korrekt: Etikettenschwindel, es steht Demokratie drauf, und es ist alles andere drin, nur keine Demokratie. Aber seit wann ist "rechts" für Demokratie?

imwerk

28. Oktober 2021 08:40

Starker Text, Herr Bosselmann. Schon die ersten Kommentare zeigen, daß die Ost-West-Kiste nach wie vor relevant ist – und vielleicht noch mehr an Kontur gewinnt. 

»Freundschaft!« und Gruß aus Sachsen

Laurenz

28. Oktober 2021 09:02

@Gracchus

Den

"Nationalsozialismus"

möchte ich nicht verteidigen, aber Ihre Einschätzung des damaligen Zeitgeistes erachte ich als falsch. Die Nationalsozialisten erreichten das seltene Ziel, die Masse zu therapieren. Die Weimarer Zeit bestand im wesentlichen aus tiefer Depression, nationaler Demütigung, Hunger und italienischen Verhältnissen in der Politik. All das kurierten die Nationalsozialisten innerhalb kurzer Zeit, natürlich ohne Rücksicht auf Verluste. Diese Verluste sind aber immer im Verhältnis zum vorigen Leiden zu setzen.

@Pit

"Homosexualität"

ist natürlich abnorm, aber legitim. Sie verstehen den Begriff der Abnormität in meinen Augen falsch. Ohne Abnormes gäbe es auch keine Normierung.

quarz

28. Oktober 2021 11:38

@Pit

"es erscheint mir logisch korrekt zu sagen: Keine Toleranz der Intoleranz"

Es gehört zu den erstaunlichsten Erfolgen der potemkinschen Rhetorik, den Leuten "Toleranz" als absolute Tugend (und "Intoleranz" als absolutes Laster) verauft zu haben. Dabei führt schon kurzes Nachdenken zur Erkenntnis, dass der Wert bzw. Unwert der Toleranz vollständig davon abhängt, was da toleriert wird. Wenn Toleranz an sich wertvoll wäre, dann wäre es auch wertvoll, Vergewaltigung zu tolerieren. Und wenn Intoleranz an sich verwerflich wäre, dnn wäre es auch verwerflich, Vergewaltigung abzulehnen.

Wer also den Slogan "Keine Toleranz der Intoleranz" propagiert, der verkennt erstens die inhaltliche Abhängigkeit des Wertes der Toleranz bzw. Intoleranz und übersieht zweitens, dass sich Leute nicht sinnvoll in "tolerante" und "intolerante" Gruppen gliedern lassen, sondern dass in unterschiedlichen Gruppen Unterschiedliches toleriert bzw. nicht toleriert wird. Kim Jong-un kann zu Recht jede westliche Gesellschaft "intolerant" nennen, weil sie sein Herrschaftssystem nicht toleriert. Nur ist dadurch eben in moralischer Hinsicht noch gar nichts gesagt.

 

Hartwig aus LG8

28. Oktober 2021 13:27

@ Grambauer

Danke für den Hinweis auf Wolski ... und ganz generell für Ihre Beiträge.

Pit

28. Oktober 2021 14:40

zu quarz 28. Oktober 2021 11:38 :

Wert bzw. Unwert der Toleranz vollständig davon abhängt, was da toleriert wird

Ok, danke, gute Differenzierung bez. Thema "Toleranz". Aber dann ist da ja auch noch das Thema Gewalt. Zurecht oder nicht, aber es scheint eben glaubhaft vermittelbar, daß "rechts" für Gewalt gegen Menschen steht, und daß linke Gewalt nur Verteidigung dagegen sei. Mir scheint auch, daß die linke Methode, Ablehnung zu bekunden, eben nicht Gewalt, sondern Ostrazismus ist, und mir scheint, daß sich die Ostrazismus vor allem gegen Gewalt von "rechts" richtet, und dafür läßt sich eben anscheinend große gesellschaftliche Zustimmmung generieren (bitte um Entschuldigung für das vage "mir scheint", aber man muß da viel differenzieren, und ich kann mir nicht sicher sein, daß ich bereits alle möglichen Fälle bedacht habe... sowieso wg. Zeichenbeschränkung nicht darstellen könnte).
Für mich als Ethno-Identitären (nicht Rechten) ist es dann aber so, daß ich ostraziert werde nicht wegen Gewalt, sondern wegen meiner Anschauungen: aber... paßt das nicht sogar gut... denn tatsächlich will ich ja Trennung von Gruppen, und darauf läuft Ostrazismus ja eigentlich hinaus: mit dir wollen wir nicht in einer Gruppe zusammenleben.

Gustav Grambauer

28. Oktober 2021 18:22

RMH, Hartwig aus LG8

Das freut mich, besten Dank für Ihre Rückmeldungen.

- G. G.

Gustav Grambauer

28. Oktober 2021 18:23

I

"War die DDR in ambivalenter Weise einerseits so größenwahnsinnig und leistungsportlich wie andererseits so paranoid, weil sie unbewußt um ihre eigene Verwachsenheit und Kurzlebigkeit wußte und ihr totaler Geltungsanspruch sich mit geradezu infantilen Ängsten verband? Ahnte sie vorbewußt oder unbewußt ihr geschichtliches Ende, weil schon ihre Adoptivmutter, die Sowjetunion, ihr keine echte Sicherheit bieten konnte?"

Alles ist Zeitorganismus; Menschen, Völker, Nationen, Städte, sogar das Geld und selbstverständlich auch Staaten.

Erlauben wir uns mal, beide deutsche Staaten ungebeten dahingehend küchenpsychologisch auf die Couch zu legen.

Die DDR ist beeindruckend klar als Zeitorganismus der Biographiearbeit (z. B. war sie exakt 1969, also exakt in ihrer Lebensmitte, in ihrem Zenit - aber dies würde hier zu weit führen), oder z. B. mit Eriksons Stufenmodell zu erfassen:

Gustav Grambauer

28. Oktober 2021 18:23

II

- unerwünschtes Kind (Stalin wollte die DDR nicht, ihre Gründung mußte ihm "abgetrotzt" werden),

- viel dem Mobbing ausgesetzt, viele Kinderkrankheiten, Bangen um das Leben am Kinderbettchen, viel Geschrei, Kindestrotz, Aggressivität und Autoaggressivität, viel Altklugheit, Dauerbeleidigtsein und Verschlossenheit, maßlose kindliche Selbstüberschätzung und Oberlehrergehabe des Kindes,

- mitten in der Pubertät die Kandarre (die Mauer),

- daraufhin in der "Sonnenphase" verspäteter Abnabelungsimpetus von der Mutter und mit dem NöSPL Besinnung, Konstruktivität und trügerische Anzeichen von Konsolodierung (so edelstahlblitzend strotzte in dieser Zeit das Chemiedreieck!, ab 57:45 bis 1:01:32),

- letzlich Zusammenbruch der Ideale (unverwunden, nicht angemessen betrauert, bis heute ja nicht), daraufhin antizipierter und ausgedehnter Altersstarrsin mit um Jahre vorgezogenen Kübler-Ross-Schleifen sowie ein Tod in Desintegration (Erikson: "Verzweiflung") und Schwäche. Zu verzeichnen waren immerhin am Ende noch ein kurzzeitiger wenn auch meist verlogener Anspruch, den Blochschen Aufrechten Gang einzuüben sowie - rein-taktisch-motivierte / selektive und damit halbherzige - Versuche, eine tragende Streitkultur zu entwickeln.

Gustav Grambauer

28. Oktober 2021 18:25

III

Der Konflikt mit dem Über-Ich / Es wurde lehrbuchmäßig sauber und jeweils "altersgemäß" durchgearbeitet. Der Akzent des Es-Konflikts lag auf dem Mutterproblem (die UdSSR hieß im Stasi-Jargon auch "Die Mutter"), ausagiert in der ständigen Überkompensation des Ungenährtseins und nur aushaltbar durch exzessive Spaltung in die Instanzen eines (winzigen) David und eines (riesigen) Goliath, wobei man Hager paraxoxerweise einen viel höheren Grad an Emanzipation vom Es attestieren muß als der Opposition, bitte hier mit dem Seitensucher auf "verlängerter + arm" gehen.

Gustav Grambauer

28. Oktober 2021 18:25

IV

Wie sieht`s nun bei der BRD aus?

- Auch bei formell-weiblicher Bezeichnung war sie der DDR gegenüber in der Position des Hoferben, der sich qua Alleinvertretungsanspruch sogar ungebeten die Vormundschaft über das Geschwisterkind angemaßt hat.

- Sie hat gleich zwei Es: das Deutsche Reich (welches die DDR komplett abgespalten hatte) und die USA.

- Als Zeitorganismus ist sie amorph und damit - jdf. für mich - nicht faßbar. Frühreife und unzählige Entwicklungsverzögerungen sind miteinander verknäuelt. "David" (die Opposition) ist 2015 und 2020 zum Heraustreten an die Öffentlichkeit und damit zur Selbstidentifikation provoziert worden, so daß er, bis dahin ein unberechenbarer Faktor, seither geschmeidig eingehegt werden kann. Die Patientin hatte in ihrem ganzen Leben nur eine einzige nennenswerte Zäsur (1968).

- Die Bewältigung des mit dieser Zäsur aufgebrochenen "Elternkonflikts" wurde wie folgt vermieden:

Im Hinblick auf das Reich sieht sich das Kind BRD als identisch mit dem Über-Ich ("Die BRD ist nicht Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches sondern mit ihm als Völkerrechtssubjekt identisch - BVerfGE 36, S. 1, 16 ---> "Ich bin meine Eltern", jeder Psychoanalytiker spitzt hier den Stift an). Zugleich schämt sich das Kind für diesen Teil seines Über-Ich, verleugnet ihn nach außen und vor allem vor sich selbst und besudelt ihn wo es nur kann - um (in der eigenen Vorstellungswelt) nicht die (vermeintliche) Liebe des anderen Über-Ich, der USA, zu riskieren.

Gustav Grambauer

28. Oktober 2021 18:25

V

Jedoch:

- die Vorteile, der Zugriff auf die Strukturen des Reiches, das Reichsvermögen u. a., werden nicht verschmäht,

- die Nazi-Dynastien snd nach wie vor tragend und werden gehätschelt,

- die ökonmische Tragweite des NS wird komplett ausgeblendet - so daß jeder aus Orgien pornösen Gesuhles "alles" "über Auschwitz" weiß (oder besser: zu wissen glaubt), aber kaum jemand jemals den Begriff IG-Farben gehört hat (den in der DDR jedes Schulkind kannte und klar als Beleg der Dimitroff-These benennen konnte).

Im Hinblick auf die USA wurde die Bewältigung des mit dem Vietnam-Krieg aufgebrochenen Elternkonflikts später, und zwar längst sozusagen im - formalen - Erwachsenenalter, durch nachträgliche umso schleimigere Unterwerfung vermieden. Dem Jockl Fischer ist es dabei sogar gelungen, in Gestalt von Madeleine Albright eine ganz persönliche US-Substitutmutter zu ergattern!

Fazit hier: eine unendliche Neverland-Saga, zu deren weiterer Entfaltung oder zu deren Ende man mit dem Maß des Zeitorganismus nicht viel sagen kann. Eines jedoch kann man auf die Abwandlung der Eingangsfrage von Herrn Bosselmann

"Ahnt die BRD vorbewußt oder unbewußt ihr geschichtliches Ende, weil schon ihre Adoptivmutter, die USA, ihr keine echte Sicherheit mehr bieten kann?"

hin sagen:

"Die USA gehen unbeirrt den Weg der Perestroika"! (Pjakin).

- G. G.

Gracchus

28. Oktober 2021 20:27

@Laurenz

Seltsame Therapie, die in den Untergang geführt hat. Die Verluste waren absolut unverhältnismäßig.

Meine These ist ausserdem, dass das Leben in zwei Diktaturen natürlich Spuren hinterlassen hat, was das gegenseitige Vertrauen angeht. Man sieht das doch nun auch wieder unter dem Corona-Regime, zu welchen Spaltungen das führt.  

Gracchus

28. Oktober 2021 21:28

"Keine Toleranz der Intoleranz" - wie auch immer Popper dieses Paradoxon gemeint hat: Kontextlos ist es - wie @quarz gesehen hat - natürlich inhaltsleer. Dann kann es allenfalls als Grenzfall oder Ultima Ratio gemeint sein, wobei zu unterscheiden wäre, ob die Intoleranten Gewalt anwenden (wollen) oder nicht. Auffallend ist, wie in der Modellierung der woken Linken die Inzidenz der Intoleranten expontionell steigt. Wer nicht die Ansichten der woken Linken teilt, ist intolerant; und wer intolerant ist, will auch Gewalt anwenden, es liegt quasi in der Natur der Sache. Auffallend ist weiterhin der Doppelstandard: Sehr wahrscheinlich und teilweise empirisch belegt gibt es unter Migranten Intoleranz und Gewalt. Darüber wird gern hinwegsehen. Dass die Intoleranten in den woken Augen der woken Linken so zahlreich sind, liegt auch daran, dass die woken Linken anscheinend Riesenprobleme mit Ambiguität und verwandten Phänomenen haben, also von uneindeutigen Situationen kognitiv und emotional überfordert sind. Ihre Weltsicht ist also ziemlich homogen. Sie können den/die Andere nicht tolerieren. Das Verhältnis zum Anderen ist immer ambivalent. 

Laurenz

28. Oktober 2021 23:30

@Gracchus @L.

"Die Verluste waren absolut unverhältnismäßig."

Das behaupten Sie einfach so in Ihrem jugendlichen Leichtsinn. Mit vollem Bauch kann man auch leicht Kritik üben.

Nach dem Schwarzen Freitag hungerte das halbe Reich, vor allem Kinder & Alte. Die Mehrheit hatte nichts mehr zu verlieren, also radikalisierte sie sich. Von daher hatten Nationalsozialisten & Kommunisten gemeinsam die absolute Mehrheit.

Und da natürlich die Kriegsschuld den Nationalsozialisten zugewiesen wurde, was reine Spekulation ist, verursacht diese Zuweisung mit Ihre Meinung. Viel wahrscheinlicher ist es aber, daß unter welcher Reichsregierung auch auch immer, (also Kommunisten, Sozialdemokraten, Konservative oder Zentrum,) es zum Krieg gekommen wäre. Denn jede Reichsregierung hätte, um die soziale Frage tatsächlich zu lösen, den Versailler Vertrag brechen müssen. Hätte man das nicht getan, wäre bereits 1933 (im Grunde ab '29) dem Morgenthau-Plan ('44) vorgegriffen worden.

RMH

29. Oktober 2021 07:39

"- die Nazi-Dynastien snd nach wie vor tragend und werden gehätschelt,

- die ökonmische Tragweite des NS wird komplett ausgeblendet -"

Während Punkt 1 ein Punkt ist, der insbesondere von den sog. 68ern im Rahmen ihres Hegemoniestrebens fast schon totgeritten wurde, ist Punkt 2 nach wie vor ein zu wenig beleuchteter Fleck, auch bei Rechten und Neurechten.

Die "Anwerbeabkommen" für Gastarbeiter werden bspw. von der neuen Rechten und den meisten Mitforisten hier als quasi von den USA aufgedrückt betrachtet. Dass diese Medaille aber auf der anderen Seite eine starke NS-Prägung hat, wird nicht gesehen. Ich habe es an anderer Stelle hier im Forum schon einmal angerissen: Wer saß denn in den Personalabteilungen der deutschen Wirtschaftswunder-Industrie? Zu einem großen Teil Kader aus dem NS, insbesondere etliche mit SS-Hintergrund. Diese Leute haben den Fremdarbeitereinsatz bereits im dritten Reich organisiert und nun auch in Westdeutschland. Die ersten Italiener, Griechen, Türken etc. wurden bspw. in meiner Heimatstadt - Oh Wunder - in den selben, noch stehenden Baracken für die Fremdarbeiter aus der Zeit bis 45 anfangs untergebracht. SS-Leute rekrutierten Angehörige ehem. moslemischer SS- Einheiten etc., etc. ... will keiner hören ... 

Gracchus

29. Oktober 2021 10:03

@Laurenz 

Ich spreche nicht von Kriegsschuld, ich spreche von einem totalitären Regime, das Juden und andere ihm nicht genehme Deutsche entrechtet, zur Emigration gezwungen und in KZs verfrachtet hat. 

Laurenz

29. Oktober 2021 12:26

@Gracchus @L.

"Totalitäres Regime"

Ja, natürlich. Das hat aber nichts mit dem Nationalsozialismus im Speziellen zu tun. So ist der damalige Zeitgeist in Gänze zu verstehen. Für den Westen ist es heute noch legitim, bei Unbotmäßigkeit ganze Staaten in Schutt & Asche zu legen. Der Westen, einschließlich der Niederlande, führ(t)en selbst nach dem II. Weltkrieg bis zum heutigen Tage Kolonialkriege. Da der II. Weltkrieg Asymmetrie hervorgerufen hat, sind auch die politischen Mittel asymmetrisch geworden. Heutzutage sind die Deutschen wieder die Größten & machen aus jeder Wohnung ein kollektives Lager, mit Häftling & Lagerwache in Personalunion. Das ist fast schon genial in Ihrem Sinne.

Daher hat auch @RMH Unrecht. Das III. Reich war ökonomisch den Alliierten vollkommen unterlegen. Zuverlässig kämpften nur Deutsche. Man verließ sich nur auf fremde Freiwillige, die man in der Waffen-SS bündelte. Deswegen versuchte man krampfhaft die ökonomische Kraft der Mio. von Kriegsgefangenen oder Männer der überrannten Staaten für die ökonomische Vergrößerung (die weitestgehende ökonomische Ausdehnung war '42) zu nutzen. Das war um auch nur den Hauch einer Chance zu haben, ein ökonomischer Zwang. Nach dem Kriege war man noch in der Lage, militärisch geschult, zu organisieren. Wie man an Berlin sieht, ist diese Schulung längst verloren gegangen.

Niekisch

29. Oktober 2021 12:52

"ich spreche von einem totalitären Regime"

@ Gracchus 10:03: Am bezeichnendsten sind zumeist persönliche Beispiele, die solche Bezeichnungen manchmal relativieren: Haben meine Eltern und Großeltern die Zeit von 1933-1945 quasi ohne politische und rechtliche Unterdrückung verbracht, so habe ich im "freiesten Rechtsstaat aller Zeiten" bereits die verschiedensten Formen von politischer und rechtlicher Unterdrückung erlebt. 

RMH

29. Oktober 2021 12:57

@Laurenz,

es ging um die Nachkriegszeit und da hat G.G. mit seiner These, dass sich da einiges aus der Zeit davor, wie auch immer, sammeln konnte, durchaus recht. Und das trotz Demontage, Reparationen, Plünderung des Patentamtes etc. Das man im sog. III. Reich ökonomisch der Loser mehr oder weniger von Anfang an war, wusste selbst A.H. (und immer wieder: Rede vor den Arbeitern der Borsig Werke, Gespräche mit Mannerheim etc.), der sich auf Kosten von Millionen verpokerte. Aber um diese ewigen Schlachten der Vergangenheit geht es ja eigentlich nicht in dieser Diskussion.

Laurenz

29. Oktober 2021 16:06

@RMH @L.

Es geht aber um korrekte Geschichtsbilder. Mir gehen die linken Märchenerzähler, auch die hier, auf den Senkel. Die Nationalsozialisten werden im geo-politischen Zusammenhang meist völlig überbewertet, zumindest, was die damalige Zeit angeht. Deutschland war nur ein unglücklicher Spielball von Interessenslagen. Das ist es heute noch. Ihre Sicht der Dinge auf unsere Selbstbestimmung, liegt wie auch, wie die von @Gracchus, völlig daneben. Wenn wir allerdings heute vom Nationalsozialismus sprechen, ist der verblödete "Kampf gegen Rechts", den man auch auf der Buchmesse geführt hat, nur was für Hasenhirne. In China macht sich der Nationalsozialismus auf, Weltmacht Nummer 1 zu werden. Und diesem erfolgreichen nationalistischen Geschäftsmodell entgegenzutreten, kann man mit unserer eingebildeten Weltbürgerschaftsführung keinen Blumentopf gewinnen. Die Macht Chinas sehen Sie hier 

https://www.n-tv.de/politik/Lesung-aus-Xi-Jinping-Biografie-abgesagt-article22887270.html

Während aktuell China ausländische NGOs massiv einschränkt. Da wagt schon keiner mehr einen Mucks zu machen.

 

Gracchus

29. Oktober 2021 16:24

@Laurenz 

Sie reden und reden, nur haben ihre Textbausteine nichts mit meinen Kommentaren zu tun.

@Niekisch

Ich verstehe nicht, was Sie damit sagen wollen. 

Cugel

29. Oktober 2021 21:05

Gracchus    28. Oktober 2021 20:27

"Meine These ist ausserdem, dass das Leben in zwei Diktaturen natürlich Spuren hinterlassen hat, was das gegenseitige Vertrauen angeht. Man sieht das doch nun auch wieder unter dem Corona-Regime, zu welchen Spaltungen das führt."

Dieser Effekt ist freilich im gesamten Westen zu beobachten.

Cugel

29. Oktober 2021 21:09

@G.G., RMH
Die personale Kontinuität der BRD hinsichtlich des Dritten Reichs ist Beleg für den Stellenwert, den sowohl Sieger (hier vor allem die Amerikaner) als auch Besiegte der Ideologie beimaßen. Eine "NS-Prägung" sehe ich daher nicht, auch wenn in Rechnung zu stellen ist, daß die SS nicht nationalistisch war, sondern pragmatisch und in größeren Zuammenhängen dachte (Himmlers mythische Hirnfürze etwa sorgten dort für Belustigung.).

Betreffend die "Loser"-Ökonomie des Dritten Reichs: Sie paßte nicht in das westliche ökonomische Konzept, weswegen man ihr den Garaus bereitet hat. Das offizielle Mantra, daß dieser (durchaus gewagte) partiell planwirtschaftliche Ansatz auch ohne externe Intervention vor die Wand gefahren wäre, halte ich nicht für erwiesen.

Niekisch

30. Oktober 2021 18:27

Gracchus: Wollte sagen: auch eine liberalextremistisches BRD kann totalitäre Züge tragen.

RLU

31. Oktober 2021 02:41

Das sogenannte Kollektiv mit seinen durch das Wachsen des Kollektivs immer detailärmer werdenden Aussagen macht sich zu einem selbstdarstellerischen, aufdringlichen und durch seine Überheblichkeit trägen und somit letztendlich handlungsunfähigen Haufen. Viel interessanter, weil beweglicher, ist doch der Einzelfall, der keiner Gruppe Angepasste, der sich aus dem zu billigen Schutz der Gruppe herausbewegt, bzw. sich gar nicht erst hineinbegibt. Auch kollektive Erinnerungsarbeit im Übrigen bleibt abstrakt und seelenlos und dadurch frei von revolutionären Ideen. Dabei ist alles Geschehene maßgebend. Wie formuliert es Botho Strauß so treffend: „Anders verhält es sich mit der Vergangenheit des einzelnen in seiner Lebenszeit. Hier erscheint auf einmal Erinnerung als ein zu possierliches Wort. Das Subjekt tritt in die Aura seiner Damaligkeit. Was war, überkommt es wie ein Anfall. Es ist ja kein ruhiges Tal, in das man besinnlich hinabschaut. Was war, liegt immer über dem gegenwärtigen Standpunkt. Ein unbezwingliches Reich, das keine Aufklärung je erobern könnte.“       

Volksdeutscher

31. Oktober 2021 16:03

- "Ahnte sie vorbewußt oder unbewußt ihr geschichtliches Ende, weil schon ihre Adoptivmutter, die Sowjetunion, ihr keine echte Sicherheit bieten konnte?"

Ich bin mir nicht sicher, ob die die Frage so ohne Umstände zu beantworten ist. Hier wird die DDR personifiziert. Wozu das? Ist damit der Staat gemeint? Oder etwa die DDR-Gesellschaft? Oder etwa die DDR-Gemeinschaft? Abstraktionen haben aber kein Bewußtsein. Wenn man jedoch ein bestimmtes kollektives Bewußtsein finden will, um die Frage zu beantworten, müßte man dies dann in konkreten Aussagen und/oder Handlungen von einzelnen Menschen oder Menschengruppen suchen. Ja, wer ist die DDR überhaupt? Wessen Ahnung im Text ist hier von Bedeutung: Die Ahnung aller, die darin lebten? Oder nur derjenigen, die daran partipizierten?

Volksdeutscher

31. Oktober 2021 16:41

- "Die Berliner Republik der selbsterklärt „Anständigen“ und „guten Demokraten“ kann es offenbar nicht verwinden, daß ihr Bundesadlerland aus dem Horst des Reichsadlers hervorging."

Der Adler im Reichstag ist längst nicht mehr der edle Aar - der "adel Aar" Germaniens (so heißt er noch im Niederländischen: adelaar). Als man den Reichstag umgebaut hatte, gestaltete man auch den Adler um. Er sollte "modern" sein, d.h. nicht nur nicht so aussehen wie sein Vorgänger, sondern auf keinen Fall so aussehen wie ein Adler. Es sollte reichen, ihn mit einiger Mühe mit irgendeinem Vogel zu identifizieren. Warum dann nicht auch mit einem Adler? Und so flüchtete man bei seiner Gestaltung in die Komik: er steht schwer und statisch da auf weit gespreizten Füßen sich nach oben verjüngend, als hätte Helmuth Kohl für ihn Modell gestanden. Im Latenischen heißt der Adler aquila, das mit dem Beiwort agilis verwandt ist, demnach war der Adler für die Latiner "die Agile". Wer kann sich vorstellen, daß dieser Vogel, wenn er wirklich ein Adler sein sollte, fliegen könnte? Mich erinnert er eher an einen verfetteten Gockel auf einem Misthaufen posierend als an einen edlen Aar über Bergklippen gleitend. Weder edel noch agil. Aber modern!

Volksdeutscher

31. Oktober 2021 16:58

- "Ganz im Gegensatz zur Gegenwart, wo seit der Causa Demjanjuk selbst einstige Sekretärinnen als „Teil der Vernichtungsmaschinerie“ gelten und so der Mittäterschaft an „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ angeklagt werden."

Das ist - sage ich mal als jemand, der Jura nicht studiert hat - pure Willkür und Rechtsbeugung. Die Tyrannen dieser Republik wußten, daß sich niemand trauen würde (mit Ausnahme von Höcke), jene Personen offen zu verteidigen, so bastelten sie ihr perverses Unrechtsverständnis zusammen, um ihrem verspäteten überflüssigen Widerstand freien Lauf zu lassen. Kein Wunder, daß auch Photos von Helmuth Schmidt abgehängt wurden. Die Verlogenheit und Heuchelei dieser Subjekte ist einfach widerlich.

Volksdeutscher

31. Oktober 2021 17:05

- "Deutschland reifte vom Völkermörder zum Moralisten der Völker."

Das ist noch eine Behauptung! Und zudem noch ein pauschalisierendes Urteil. Umweht vom Ungeist der kollektiven Haftung. Welche Völker sind denn gemeint?

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