Lesen
Nora Surojegin/ Pirkko-Liisa Surojegin: Untu und das Geheimnis des Lichts, 120 Seiten, 20 €
Dieses zauberhafte Vorlesebuch wollte ich letztes Jahr meinem Neffen und meinen Nichten schenken, da ich aber gerne die Bücher, die ich verschenke, vorher lese, nahm ich mir es am 24. Dezember mittags vor und: Es wird erst dieses Jahr verschenkt, da ich es unbedingt selber erst zu Ende lesen mußte…
Untu ist ein »runzliger Winzling«, der am Meer wohnt und eines Tages eine Postkarte findet: auf der Vorderseite ist ein Sternenhimmel abgebildet mit dem Schriftzug »Licht der Winternacht!« und hinten wird »Frohe Weihnachten« gewünscht. Aber was ist das, dieses Weihnachten? Untu weiß es nicht, die einbeinige Möwe Klüwer nicht und auch nicht sein grummeliger Nachbar Knurz. Also macht sich Untu auf die Reise, um das Winterlicht und Weihnachten zu finden. Es wird eine abenteuerliche Wanderung, er findet Freunde (die Dämmerlinge, die Muppel, die Lontti und die Blattfee), begegnet Gefahren und wächst am Ende über sich hinaus.
Es ist eine lustige, spannende, zeitlose und zudem wunderschön illustrierte Geschichte für die kalte Zeit – für Kinder ab fünf zum Vorlesen geeignet und für jeden anderen zum Selberlesen und sich verzaubern lassen.
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Denken
Robin Lane Fox: Die Entdeckung der Medizin, 448 Seiten, 35 €
In der jetzigen, verrückten Zeit, in der sich so mancher zum Fachmann in Sachen der Medizin aufschwingt, tut es ganz gut, sich auf die Anfänge zu besinnen: Fox führt diese auf die griechische Antike zurück. Natürlich gab es bei allen Urvölkern Heilwissen, aber die Medizin als eigene Disziplin findet man zuerst bei den Griechen, nicht umsonst gilt auch heute noch der Hippokratische Eid als ethische Grundlage eines jeden Arztes. Und so taucht man mit dieser umfassenden Kulturgeschichte ein in die Zeit, in der die ersten bedeutenden Leistungen in der Medizin erbracht, die ersten medizinischen Werke geschrieben wurden, auf denen das heutige Wissen und Handeln immer noch beruht. Aber Fox bleibt nicht bei den Errungenschaften und Personen, er zeigt auf, wie das aufkeimende Wissen auch die Geschichtsschreibung oder die Kunst beeinflußte. Die Medizin in ihrem Ursprung war nicht abgekoppelt, kein »Stich« in den Arm am Drive-In, sondern bezog den ganzen Menschen samt seiner Kultur und Tradition mit ein.
Es ist ein faszinierendes Buch, schwungvoll und für Laien geschrieben – ein gesundes Interesse für die Antike und ein gewisses Namensgedächtnis sollte man allerdings mitbringen. Mit unterstützendem Kartenmaterial und Register ist es aber ein wunderbares Unterfangen und für die kommenden Wochen eine passende Lektüre oder Geschenk.
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Schauen:
Campbell/Pryce: Bibliotheken. Von der Antike bis heute, 328 Seiten, 60 €
An dieser Stelle stand in den vergangenen Jahren meine Empfehlung für den Kalender Mit deutschen Gedichten durch das Jahr, der nicht nur mich, sondern auch mittlerweile über 200 Antaios-Kunden seit Jahren begleitet. Ich empfehle ihn immer noch ausdrücklich, aber dieses Jahr habe ich mich von einem Bildband über Bibliotheken mitreißen lassen. In diesem Prachtband werden über 80 Bibliotheken aus der ganzen Welt vorgestellt, beginnend mit verlorenen Archiven und Bibliotheken der Antike bis hin zu den Glaspalästen der Moderne. Doch in diesem Band finden sich nicht nur Hochglanzbilder schöner Gebäude und das Herz eines jeden Bibliophilen höher schlagen lassenden Innenräumen, sondern es ist eine wahre Fundgrube an Fakten über Geschichte, Architektur, Kultur, Politik, Kunst, Archäologie, Religion und auch so manches Kuriosum. Wußten Sie, daß die ersten an einem Ort gesammelten Schriften mesopotamische Tontafeln zur Buchführung waren? Oder das im 16. Jahrhundert in vielen Klosterbibliotheken die Bücher angekettet wurden? Oder das in einer Bibliothek in Mafra, Portugal, seit dem 18. Jahrhundert winzige Fledermäuse wohnen, die im Winter hinter den Regalen schlafen und nachts Insekten vertilgen, die den Büchern sonst schaden würden? Herrlich!
Franz Bettinger
Ich hatte leider noch nie ein echt gutes Buch der Geschichte der Medizin in der Hand. Alle waren sperrig, lexikal, langweilig und unkritisch, außer einer Broschüre (1992, 164 Seiten) mit dem Titel "Torheiten und Trugschlüsse in der Medizin“ von Skrabanek und McCormick. Es war eins der Büchlein, die mich erst auf Abwege und dann als Arzt auf den richtigen Weg brachten. Worin in jedem einzelnen Jahrhundert tatsächlich der Fortschritt der Medizin lag, das würde mich interessieren. Klingt seltsam, wenn ich das sage (als Kritiker der modernen Medizin), aber: Gute Medizin gibt es (neben der vielen schlechten) erst seit maximal rund 100 Jahren. Die med. Fortschritte liegen (1) in der örtlichen, intravenösen & inhalativen Anästhesie (Procain, Halothan…), durch die große Operation erstmals möglich wurden; (2) in der Schmerztherapie (Ibuprofen, Diclofenac, Morphium), (3) in der Entdeckung der Antibiotika, und(4) in den großen Operationen selbst.