Während ich diesen Beitrag schreibe, sieht die Lage in Österreich laut worldometers.info »in Zahlen« etwa so aus (Stand 9. März 2021): Verzeichnet werden 23 593 »aktive« Fälle einer Infektion mit dem »Coronavirus«, also Menschen, die nicht bloß »positiv getestet« worden, sondern symptomatisch und somit tatsächlich krank sind. Das sind 0,26 Prozent einer Gesamtbevölkerung von 8,859 Millionen. 99 Prozent davon befinden sich in einer »mild condition«, nur ein Prozent wird als »serious or critical« eingestuft. Diese schwer bis lebensgefährlich Erkrankten machen 338 Patienten aus, also 0,0038 Prozent der Bevölkerung.
99,7 Prozent der Bevölkerung Österreichs, also fast alle, sind zu diesem Zeitpunkt gar nicht von »Corona« betroffen. Die Auslastung der Intensivbetten betrug am 9. März laut statista.com 38,5 Prozent. Seit Virusinfektionen in Österreich festgestellt wurden (25. Februar 2020), sind 98 Prozent der Erkrankten (447 041 Menschen) genesen, zwei Prozent sind »an oder mit« oder »im Zusammenhang mit« Corona gestorben (8757).
Laut Gesundheitsministerium (Stand 27. Februar 2021) waren 97 Prozent aller Todesfälle über 60 alt, 45,6 Prozent, also fast die Hälfte, über 85 Jahre alt (die durchschnittliche Lebenserwartung in Österreich beträgt 81,64 Jahre). Es gab insgesamt neun Prozent mehr Tote als im Jahr 2019, würden allerdings »die gestiegene Bevölkerungszahl und Veränderungen in der Altersstruktur berücksichtigt, so wäre im Jahr 2020 auch ohne Pandemie mit einem leichten Anstieg der Sterbefälle zu rechnen gewesen« (oesterreich.orf.at, 26. Februar 2021).
Im Januar und Februar 2021 machte die Meldung die Runde, daß die Kinder- und Jugendpsychiatrien in Wien und anderen Bundesländern schwer überlastet seien. Speziell seit Beginn des zweiten Lockdowns im November 2020 haben Depressionen, Antriebslosigkeit, Eßstörungen, Suizidgedanken erheblich zugenommen, insbesondere im Bereich der Acht- bis Zwölfjährigen (Kleine Zeitung, 27. Januar 2021). Laut einer Studie der Sigmund-Freud-Privatuniversität (SFU) hat »rund ein Fünftel der Befragten im Zuge der Krise den Kontakt zu Vertrauenspersonen verloren oder aktiv abgebrochen«, unter anderem aufgrund von »Meinungsverschiedenheiten zum Umgang mit der Pandemie« (orf.at, 25. Februar 2021).
Am 6. Februar titelte die Kronen-Zeitung: »30 000 Betriebe stehen vor dem Abgrund«, Untertitel: »Wie Corona Gastro, Handel, Dienstleister in Konkurs treibt.« An diesem Framing überrascht die Schuldzuschreibung gerade nicht: An einer schicksalhaften Entität namens »Corona« liegt es, nicht etwa an der österreichischen Regierung, die diesen Massenkonkurs durch Zwangsschließungen verursacht hat. Die Kronen-Zeitung hingegen soll allein im ersten Quartal des Jahres 2020 eine staatliche »Sonderförderung« von 2,7 Millionen Euro erhalten haben. Auf Platz zwei folgt das Imperium »Österreich« (oe24) mit 1,7 Millionen Euro Zuschuß. Hinzu kamen Einnahmen in Millionenhöhe durch Anzeigen der Regierung, die im letzten Jahr 73 Millionen Euro in Werbung investiert haben soll.
Die Kronen-Zeitung, Heute, oe24, Kurier und andere Medien sind dementsprechend zu Organen einer pausenlos niederprasselnden Panikpropaganda geworden. Sie halten nicht nur die Angst vor dem Virus mit täglich neuen Tatarenmeldungen und »Zahlen« am Köcheln, sondern attackieren auch in äußerst gehässiger und verzerrender Weise die als »Corona-Leugner« betitelten Maßnahmenkritiker, die in Wien seit Mitte Januar Großdemonstrationen mit wachsender Teilnehmerzahl durchführen. Ganz im Sinne des Innenministers Karl Nehammer (ÖVP) werden die Protestler als »Rechtsextreme, Staatsverweigerer, Hooligans, Alt-Neonazis« dargestellt, für die das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung und die Polizei zuständig seien. Kanzler Kurz bedankte sich bei der Kronen-Zeitung zu Weihnachten mit einer ganzseitigen Anzeige, in der er die staatstragende Rolle der »kritischen und unabhängigen Medien« würdigte und ihnen auch gleich die Botschaft mitgab, die er von ihnen verbreitet sehen wollte: »Entscheidend« dafür, »daß wir nächstes Jahr schrittweise zu unserer gewohnten Freiheit und Unbeschwertheit zurückzukehren können«, sei, »daß so viele Menschen wie möglich das Angebot der Massentests und der bevorstehenden Impfung wahrnehmen.«
Genau in dieses Horn blasen die »kritischen und unabhängigen Medien« nun schon seit Monaten. Freiheit von Masken, Lockdowns und Tests werde es nur durch die Impfung praktisch der gesamten Bevölkerung geben. Die von der Regierung autoritär angeordneten Maßnahmen werden präsentiert, als wären sie streng wissenschaftlich vom Wesen und Verhalten des Virus diktiert; »Corona« und der Lockdown, der Staat und die Regierung fallen gleichsam in eins. Wer an der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zweifelt, gerät ins Visier als »Verharmloser« und »Leugner« der Gefährlichkeit oder gar der Existenz des Coronavirus, als »Verschwörungserzähler«, der am aufrichtigen Wohlwollen von Politikern, Medien und Pharmakonzernen zweifelt, als grundsätzlicher Staats- und Verfassungsfeind, weil er die aktuelle türkis-grüne Regierung auffordert, ihm die Grundrechte zurückzugeben.
Der Kampf gegen die »Coronaleugner« wird mit dem altbekannten Kampf »gegen rechts« kurzgeschlossen, und die Profis dieser Sparte stellen sich bereitwillig zur Verfügung. Andreas Peham etwa, Leiter der linksextremen Erklärbude DOEW, sah in den angeblichen »Aufmärschen von Alt- und Neonazis bei Anti-Coronavirus-Demonstrationen« ein »Krisensymptom«: »Es ist banal, aber Krisenzeiten sind sehr günstige Zeiten für die extreme Rechte, weil es Zeiten der Angst und Verunsicherung sind. Menschen, die Angst haben und verunsichert sind, rufen nicht nach mehr Freiheit und Demokratie, sondern nach einer starken Hand, Schutz und Sicherheit.« Damit stellte Peham die Wirklichkeit komplett auf den Kopf, da sich die besagten Demos, die von den rechten Milieus in Österreich so gut wie geschlossen befürwortet werden, unter dem Motto »Friede, Freiheit, keine Diktatur« explizit für mehr »Freiheit und Demokratie« und gegen autoritäre Angstmache unter dem Vorwand von »Schutz und Sicherheit« aussprechen.
Die Impfstoffe gegen den unsichtbaren und allgegenwärtigen »Feind« Coronavirus werden als Wunderwaffen angepriesen, an deren Effektivität, Ungefährlichkeit und Alternativlosigkeit kein Zweifel erlaubt ist. Verpflichtende Impfpässe sollen erstellt werden und den Geimpften gegenüber den Ungeimpften »Privilegien« verschaffen, womit nichts anderes als die volle Wiederherstellung ihrer Grundrechte gemeint ist. Die Regierenden treiben dieses Programm mit roboterhafter Zielgerichtetheit voran. Besonders alarmierend ist in dieser Hinsicht die enge Allianz, die Kurz mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu einzugehen sucht. Israel, ein Land mit etwa derselben Bevölkerungszahl wie Österreich, hat bis dato eine Durchimpfungsrate von 57 Prozent und bereits einen »Grünen Paß« eingeführt, der exakt das verwirklicht, was »Verschwörungstheoretiker« von Anfang befürchtet haben: eine Zweiklassengesellschaft, in der nur Geimpfte Zugang zu Restaurants, Cafés, Universitätshörsälen und anderen Orten haben – angeblich ein vorübergehender Zustand, bis eines Tages Corona-Entwarnung gegeben wird.
In einem Interview mit dem ORF benannte Kurz als Ziel seiner Israelreise, die »Zusammenarbeit mit Israel sowohl im Bereich Forschung und Entwicklung, aber auch der Produktion zu vertiefen.« Denn, so Kurz, »wir werden in den nächsten fünf Jahren aller Voraussicht nach bis zu 30 Millionen Impfdosen alleine in Österreich brauchen. Denn das Virus wird mehr und mehr mutieren, und die Impfung wird immer wieder angepaßt werden müssen.« Auch diese Aussage erfüllt die schlimmsten Erwartungen: Kurz stellt, im Einklang mit den globalistischen Meinungsführern und ihren internationalen politischen Vollstreckern, eine Welt in Aussicht, in der jeder Mensch vom Staat über Jahre hinweg, wenn nicht auf Lebenszeit, dazu verpflichtet wird, sich gleich einem Computer regelmäßig mit einem neuen Impfprogramm »upzudaten«, zum »Schutz von uns allen«. Wer dies verweigert, wird schwerwiegende soziale, rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen in Kauf nehmen müssen.
Betrachtet man den Lockdown als eine ebenso verheerende wie ineffektive Strategie und »Corona« weitgehend als Inszenierung, die durch massenmediale Beschallung, irreführende Berichterstattung und magische Rituale wie Masken- und Testzwang aufrechterhalten wird, dann ergibt sich ein überaus finsteres Gegenwarts- wie Zukunftsbild. Propaganda und Desinformation haben die Gesellschaft auch in Österreich viel schwerer traumatisiert und gespalten als die Flüchtlingskrise des Jahres 2015, perverserweise unter dem Slogan »Wir halten zusammen«. Beide Seiten fühlen sich in einem dystopischen Film gefangen: jedoch fürchten die einen eher das Virus, die anderen eher die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen. Diese Sorge ließ sogar den islamistischen Terroranschlag, der in Wien am 2. November 2020 vier Todesopfer forderte, als bloßen Zwischenfall erscheinen. Dabei zeigen sich in beiden Lagern durchaus komplementäre psychologische Phänomene. Die Masken‑, Lockdown- und Massenimpfung-Ultras berufen sich auf Wissenschaftlichkeit und titulieren ihre Gegner mit der modischen Verunglimpfung »Schwurbler«, sind aber häufig sehr schlecht informiert und legen nicht selten sektiererische und abergläubische Züge an den Tag. Im maßnahmenkritischen Lager, das sich ebenfalls – und mit weitaus größerem Recht – auf Wissenschaftlichkeit beruft, gibt es wiederum eine starke Tendenz, sich als Reaktion auf die als überwältigend erlebte totalitäre Verschärfung in religiöse und esoterische Deutungen und Heilslehren zu stürzen. Auf den Kundgebungen in Wien, die den Großdemonstrationen vorangingen, standen sachliche Reden neben aufgeregten Rezitationen der Offenbarung des Johannes. Der »diabolische« Aspekt des Spektakels wird indes auch von vielen Menschen wahrgenommen, die mit metaphysischen Spekulationen wenig am Hut haben.
Wechselseitiges Mißtrauen, Gereiztheit und Zorn haben sich zweifellos erheblich verstärkt. Regelbrecher erscheinen den Gläubigen und Ängstlichen als Asoziale, Quasikriminelle und »Lebensgefährder«, weshalb diese auch vor Denunzianten- und Blockwarttum nicht zurückschrecken. Den »Verweigerern« stehen die »Streber« gegenüber, die ihre Masken auch dort, wo es nicht verpflichtend ist, mit stolzgeschwellter Brust tragen, aus allen Nähten platzend vor zur Schau getragenem sozialen Verantwortungsbewußtsein. Andere wiederum tragen unsinnigerweise Masken auch im Freien, weil sie verängstigt sind oder es nicht besser wissen. Die Dressier- und Manipulierbarkeit unserer Zeitgenossen, die immer so stolz auf ihre demokratische Aufgeklärtheit waren, ist wahrhaft verblüffend, und zugleich ein unwürdiges, manchmal schmerzhaftes Schauspiel. Während der Staat ihre wirtschaftliche Existenz, ihr Sozialleben und ihre seelische Gesundheit ruiniert, unterwerfen sich Millionen Menschen seinen schikanösen Vorschriften, deren mangelnde Sinnhaftigkeit man mit Leichtigkeit durchschauen oder recherchieren kann.
Wer hingegen um die medizinische Unsinnigkeit weiß, kann in dem Ritual des Maskentragens nur den Gruß des Geßlerhutes erblicken, und er muß nun mit sich selbst und seinem Gewissen ausmachen, wie hoch der Preis ist, den er für die Verweigerung dieser beleidigend plumpen Maskerade zahlen möchte. Zwar fühlen sich viele Maskengegner häufig auch physisch bedrängt, etwa durch Allergie oder Atemnot, aber der Hauptgrund des Unbehagens ist ein seelischer: Man will sich nicht einer Lüge unterwerfen. In kleineren Dörfern und Vororten gibt es manche, die seit Monaten gänzlich ohne Maske mit Charme und Chuzpe durchgekommen sind. In der Großstadt, insbesondere bei Angewiesenheit auf öffentliche Verkehrsmittel, ist das jedoch so gut wie unmöglich. Man muß sich entscheiden, welcher Streß der geringere ist: derjenige des Maskentragens und der Unterwerfung oder der Streß des optischen Herausstechens mit der ständigen Gefahr des Zur-Rede-gestellt- oder gar Bestraft-Werdens.
Hinter Masken, die das Gesicht des anderen nicht erkennen lassen, meint man rasch, mißbilligende, ängstliche oder gar haßerfüllte Augen blinzeln zu sehen. Die »Mund-Nasen-Maske«, schrieb Thorsten Hinz in der Jungen Freiheit (15. August 2020), markiere einen Bruch mit der »tradierten Alltagskultur«, in der wir nonverbal über den Gesichtsausdruck kommunizieren: »Die Maskenpflicht – ob sinnvoll oder nicht – enthält den Zwang zur kulturellen Selbstentfremdung.« Die Masken entpersonalisieren den anderen, machen ihn zum anonymen »Non-Player-Character« eines Computerspiels, das unsere Realität gehackt hat. Ein Bekannter berichtete mir, daß er, als er im Dezember die Nachricht las, daß die Regierung einen verpflichtenden elektronischen Impfpaß einführen werde, vor Empörung auf die Straße gehen mußte, um Luft zu schnappen und Dampf abzulassen. Das erste, was er sah, war ein Mann mit »Mund-Nasen-Schutz«, der auf ihn zukam, um elf Uhr nachts, auf einer regennassen Straße, auf der weit und breit kein einziger Mensch zu sehen war. Auf diesen zufälligen, überkonformen Tropf entlud sich nun die ganze ohnmächtige Wut meines Bekannten, die eigentlich Kurz und seinen Komplizen galt. Er begann den arglosen »Corona-Idioten« wüst zu beschimpfen, worauf dieser natürlich zurückbellte. In der Regel verhält es sich allerdings eher so, daß es die »Maskenverweigerer« sind, die von ihren Mitmenschen angepöbelt oder ermahnt werden. Der Maskenträger gibt dem Verweigerer die Schuld, daß die »Inzidenzzahlen« nicht wie gewünscht sinken, weshalb wir alle eingesperrt bleiben »müssen«. Der Verweigerer wiederum sieht im Maskenträger das Herdentier, das es der Regierung erst ermöglicht, unwidersprochen Lockdowns und andere Schikanen zu verhängen. Der tägliche Anblick der Maskenträger wirkt auf den »Corona-Skeptiker« als Symbol einer sozialen Dressur und Gleichschaltung. Ein Eindruck, der sich durch die Einführung der »FFP2-Masken-Pflicht« enorm verschärft hat. Es war unheimlich, zu sehen, wie reibungslos die Umschaltung funktionierte. Buchstäblich von einem Tag auf den anderen trug jeder einzelne Fahrgast in den U- und Straßenbahnen und jeder Kunde in den Geschäften und Supermärkten die neu vorgeschriebene, einheitliche Gesichtsbedeckung, ein kaffeefilterartiger, chemikalienhaltiger Kunststoffkübel »Made in China«.
Nun starrt man in den U‑Bahnen tagtäglich in eine Flut von gesichtslosen Augen hinter anonymisierenden Maulkörben, die ein visueller Beweis dafür sind, wie gründlich und reibungslos die Manipulation und die Angstmache funktioniert haben. Manchmal möchte man schier verzweifeln, daß nicht ein einziger Mensch zu erblicken ist, der es wagt, das beklemmende Schauspiel zu boykottieren, etwa durch eine herauslugende Nasenspitze oder ein Baumeln der Maske am Kinn. Dabei wäre das keine allzu schwierige oder riskante Sache. Im Gegensatz zu den ersten Monaten der Krise, in denen es vorkam, daß Security-Männer die »Corona-Sünder« anbrüllten, als wären sie auf dem Kasernenhof, werden die öffentlichen Verkehrsmittel kaum überwacht oder kontrolliert. Und wenn doch einmal einer die Maske nicht korrekt oder (seltener) gar nicht trägt, so wird er von den allermeisten Menschen inzwischen ignoriert. Dennoch kann es immer wieder zu unangenehmen Szenen kommen, die eine ähnlich abschreckende Wirkung haben wie plötzliche Fahrscheinkontrollen. Hin und wieder fühlt man sich selbst versucht, wildfremden Konformen dreinzureden, was sie zu tun oder zu unterlassen haben, aus Ärger oder Mitleid. Was soll man zu alten, gebrechlichen Damen sagen, die sich vor lauter Todes‑, Infektions- oder Geldstrafenangst schnaufend eine Treppe im Stiegenhaus oder in der U‑Bahn hinaufschleppen und dabei die »FFP2«-Maske, die das Einatmen erheblich erschwert, nicht vom Gesicht nehmen? Was soll man zu Menschen sagen, die ihren zwei- oder dreijährigen Kindern Masken umbinden, wenn sie eine Bäckerei betreten? Denn zweifelsohne meinen sie es nur »gut« und wollen ihrem Nachwuchs nicht bewußt schaden. Viele scheint die Maskentragepflicht ernsthaft nicht zu stören, weder körperlich noch seelisch, zumindest beteuern sie es vollmundig, darunter häufig junge Leute im Teenager- oder Twen-Alter.
Aber auch im privaten und zwischenmenschlichen Bereich macht sich Entfremdung breit. Was soll man der achtzigjährigen Tante sagen, die sich seit Monaten ängstlich einbunkert, zur »Risikogruppe« gehört, alle ihre Informationen aus der Kronen-Zeitung und dem ORF-Nachrichtenprogramm »ZIB 2« bezieht und es kaum erwarten kann, geimpft zu werden? Während man selbst um ihre Gesundheit fürchtet, weil sie sich zum Versuchskaninchen eines gewaltigen Menschenexperiments machen will, das angeblich schon etliche Leben gekostet hat? Man weiß genau, daß man sie nur verunsichern und verstören, aber kaum zu ihr durchdringen wird. Was soll man mit der alten treuen Freundin machen, die alle Maßnahmen befürwortet und die Fahrlässigen verachtet, weil sie um die Gesundheit ihres lungenkranken Lebensgefährten fürchtet? Was mit dem dauererkrankten Freund, der vermutet, daß er COVID-19 hatte und dies an seinem »Hirnnebel«-Syndrom schuld ist, und die Lage fast nur noch durch die Linse seiner persönlichen Betroffenheit sehen kann? Derselbe Freund übrigens, der mich Ende Februar 2020 aus Deutschland anrief und mir als erster die Botschaft überbrachte, daß eine Pandemie auf Europa zurolle, die womöglich Millionen Tote fordern und unser Leben über Jahre hinweg verändern werde. Bei einem solchen Gespräch mit einem teuren Freund »auf der anderen Seite« versagten mir einmal physisch die Worte, ich rang nach Luft und wurde überwältigt von der Angst vor einem Bruch oder einer unbotmäßigen Übertretung unserer persönlichen Grenzen, die unwillkürlich aus meinem Inneren aufstieg.
Ich erinnerte mich an einen Traum, der mich jahrelang in unzähligen Variationen heimgesucht hatte und der etwa so ablief: Ich sah, wie Massen von Menschen auf eine Tribüne blickten, auf der einige Redner vor Mikrofonen standen. Die Menschen waren weniger gebannt als passiv und apathisch. Sie bemerkten nicht, daß die Redner ihnen ungeheuerliche Lügen auftischten. Allein mir fiel es auf und ich war entsetzt und empört über diese Dreistigkeit. Kurz entschlossen stieg ich auf die Bühne und riß das Mikrofon an mich. »Glaubt ihnen nicht, sie führen Böses im Schilde, sie belügen und manipulieren euch!« wollte ich heroisch in die Menge rufen. In diesem Moment überkam mich eine Welle der Angst und schnürte mir die Kehle zu. Meine Stimme wurde heiser und blieb mir im Hals stecken. Ich bekam keine Luft mehr. Niemand hörte mich, niemand verstand mich. Ich wurde von der Bühne gezerrt, und der Traum war zu Ende. Ich muß immer wieder an ihn denken, wenn ich heute auf die Straße gehe. Das ganze Land scheint sich in Trance zu befinden, und wer aufgehört hat, zu schlafwandeln, mag den Eindruck haben, sich in einem bösen Wachtraum zu befinden.
Um so befreiender wirkten auch auf mich die Großdemonstrationen gegen die Regierungsmaßnahmen, an denen ich bislang dreimal teilnahm. Der überraschend große Erfolg der ersten Demonstration vom 16. Januar führte dazu, daß das Innenministerium zwei Wochen später insgesamt siebzehn für den 31. Januar angemeldete Kundgebungen aufgrund einer angeblich dräuenden »Gefahr für die Volksgesundheit« untersagte. In Wahrheit fürchtete Innenminister Nehammer eine Potenzierung der vorangegangenen Proteste, an denen etwa 20 000 Menschen teilgenommen hatten. Nehammer offenbarte damit, daß der Staat keinerlei Hemmungen kennt, die »Coronaregeln« anzuwenden, um das Versammlungsrecht auszuhebeln. Wie sich herausstellte, war dies ein erfolgloses Unterfangen. Zwar versuchte die Polizei, die Teilnehmer einzukesseln und die Demonstration aufzulösen, mußte aber schließlich vor ihrer schieren Zahl kapitulieren. Die Staatsgewalt war gebrochen, und nun strömten Tausende euphorisierte Demonstranten durch die inneren Bezirke Wiens, »Kurz muß weg!« skandierend. Das Schauspiel war faszinierend: Hier waren Menschen aus allen Schichten des Volkes und aus allen Altersklassen vertreten, die sich im Gegensatz zum bunten Haufen »dionysischer Individuen« bei der Berliner Querdenker-Demo vorrangig unter dem einigenden Banner der rotweißroten Nationalflagge versammelt hatten. Unter ihnen befanden sich viele kleine Unternehmer, die schlichtweg um ihre Existenz fürchteten. Einen Monat später, am 6. März, war die Zahl der Teilnehmer auf 30 000 angewachsen, während sich unerwartete Querfronten gebildet hatten: Nun sprachen auf einer Bühne im Prater Männer so unterschiedlicher politischer Herkunft wie der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Herbert Kickl und der ehemals grüne Aktivist der Friedensbewegung Alexander Ehrlich. Die Transparente und Schilder hatten sich seit Beginn der Demos deutlich verbessert: bessere Optik, klare Botschaften. Die Polizei teilte über 3000 willkürliche Anzeigen wegen Verstoß gegen die »Coronaregeln« wie Maskentragen und Abstandsgebot aus. Oe24 beschimpfte am nächsten Tag die Teilnehmer als »Demo-Mob« und behauptete, »Hitlergrüße«, »Neonazis« und »Messer« gesichtet zu haben. In der Kronen-Zeitung schrieb Michael Jeannée, ihm sei »eiskalt« geworden angesichts dieser Hitler-Reinkarnation namens Kickl, der wie weiland der Leibhaftige »brüllte, röhrte, röchelte und heiser flüsterte.« Über den Inhalt der Rede Kickls verlor Jeannée freilich kein Wort. Man kann es nicht anders bezeichnen, als daß die Regierung und die von ihr gekauften Medien einen propagandistischen Bürgerkrieg gegen Teile des eigenen Volkes führen. Die Tausenden, die Kickl, Ehrlich oder Martin Rutter auf die Demonstrationen folgen, hoffen auf einen basisdemokratischen Frühling, der die »Corona-Diktatur« zu Fall bringen wird.
Wien, Heldenplatz, wir: Auch ich hoffe, daß dieser Sand im Getriebe ausreichen wird, um die Maschine zum Stoppen zu bringen, aber ich fürchte, daß die Menschen, die mit bewundernswertem Einsatz auf die Straße gehen, das Monstrum überschätzen, gegen das sie angetreten sind. Schlimmstenfalls erleben wir gerade das letzte ehrenhafte, aber naive Aufbäumen einer Idee namens »Demokratie«, ehe die globalistischen Eliten in Davos und anderswo den »Reset«-Knopf drücken, um in der westlichen Welt ein Herrschaftsmodell nach chinesischem Vorbild zu installieren.