Zusammenkunft eines libertären Zirkels, Markus Krall trägt seine Thesen vor. Das Publikum: Querdenkermilieu, erwachsen gewordene Nerds und politisch Heimatlose. Alle eint der Umstand, daß sie dem Staat abhanden gekommen sind. Der »Crash«-Prophet Krall ist für sie die Möglichkeit einer Insel.
Der promovierte Volkswirtschaftler, Katholik und libertäre Populist Krall (geboren 1962) denkt wild und spricht scharf. Er repräsentiert eine contradictio in adiecto: er ist ein bürgerlicher Revolutionär. Krall ist Sprecher des Vorstands der Degussa Goldhandel AG, hatte 2007 vor der Finanzkrise von der Bertelsmann-Stiftung den Auftrag, eine europäische Ratingagentur zu gründen, ist Autor des FinanzBuch-Verlags und prophezeit den »Crash«.
Was versteht er darunter? Grob gesagt, geht Krall vom baldigen Untergang des gesamten Banken- und Finanzsystems aus, und zwar nicht im Konjunktiv: »Es wird passieren. Ich muß es ja wissen, schließlich habe ich die Risikomodelle für 80 bis 90 Prozent der Banken selbst entwickelt.« Dieser »Crash« hätte schon Ende 2020 eintreten müssen, aber wie alle Apokalyptiker muß Krall zunächst mit dem Vorwurf der »Unheilsverzögerung« (in Analogie zur messianischen Heilsverzögerung) leben. Kommt es aber wirklich auf den Kalendermonat an, oder nicht doch auf das strukturelle Problem dahinter?
Der Wirtschaftspublizist Johannes Eisleben sieht dies folgendermaßen: Die Krisen-Ökonomen Hans-Werner Sinn und Markus Krall seien sich einig, »daß die Gelddruckerei im derzeitigen Ausmaß toxisch ist, beide glauben, daß dies zur Zombifizierung der Wirtschaft und zur Inflation führt. Die Frage ist nur: Wann?« Eisleben meint, Krall denke schon viel weiter als der Mainstreamökonom Sinn, da er die Zombifizierung der Wirtschaft für weiter fortgeschritten halte als jener. Krall geht davon aus, daß 2021 ein Fünftel bis ein Drittel aller Unternehmen pleite gehen und andere mitreißen werden: Die Banken hätten bei Massenpleiten so viele Unternehmenskredite abzuschreiben, daß ihr Eigenkapital aufgebraucht werde. Eisleben schätzt die Lage so ein, daß der Staat durch weiteres Gelddrucken und damit finanzierte Sub- und Interventionen noch eine Menge Zeit gewinnen könne. »Wieviel? Das kann niemand vorhersagen, denn die Volkswirtschaft ist ein komplexes System, für das exakte Vorhersagen unmöglich sind. Derzeit ahnen die Bürger noch nicht, was auf sie zukommt. Deswegen ist die Legitimität der Regierung sehr hoch. Das ändert sich schnell, wenn das Geld nicht mehr bis zum Monatsende reicht, um das Nötigste zu kaufen.«
An dieser Stelle tritt der Revolutionär Markus Krall mit der Forderung auf den Plan, die bürgerliche Schicht müsse jetzt aufstehen, »bevor wir in der Diktatur des neuen Globalsozialismus landen«. In Die bürgerliche Revolution führt er aus, wie die Krise als Chance für eine »bürgerliche Revolution« genutzt werden kann und dabei die beschädigten »fünf Werte-Säulen einer freien Gesellschaft« – Familie, Eigentum, Individualität, Religion und Kultur – gerettet werden können. Ausgangslage sei, daß im Zuge des »Crashs« einige tausend gewaltbereite Antifa-Fußtruppen zusammen mit einem »Heer von Islamisten« revoltieren würden. Daher stelle sich die Frage der »Konterrevolution« und zwar einer genuin bürgerlichen.
Für die hundert Tage nach dem Zusammenbruch, ein Szenario ähnlich der Gründung der Bundesrepublik, legt er in seinem Buch den Entwurf einer neuen Privatrechtsordnung vor. Man darf sich diesen Impuls ganz ähnlich der »Dreigliederungsidee« Rudolf Steiners als eine radikale Trennung von Wirtschafts‑, Rechts- und Geistesleben vorstellen. Kralls Plan ist zugleich total realistisch (anthropologisch) und total unrealistisch (politisch). Er baut auf die Vorstellung, daß Revolutionen von unten kommen – was er als Analyst der globalistischen Ökonomie und ihrer Hintergründe eigentlich besser wissen müßte.
Ich fragte ihn anläßlich jenes Zusammentreffens in der Diskussionsrunde, ob der »Crash« dem reibungslosen Vollzug des »Great Reset« dienlich oder hinderlich wäre. »Fifty-fifty«, antwortete Markus Krall. Die Globalisten zocken: Die Strategie ordo ab chao setzt voraus, daß das eingeplante Chaos ihnen nicht entgleitet. Entgleitet es ihnen, ist das die Stunde der bürgerlichen Freiheit.