Woran arbeitet … Markus Krall?

PDF der Druckfassung aus Sezession 101/ April 2021

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

Zusam­men­kunft eines liber­tä­ren Zir­kels, Mar­kus Krall trägt sei­ne The­sen vor. Das Publi­kum: Quer­den­ker­mi­lieu, erwach­sen gewor­de­ne Nerds und poli­tisch Hei­mat­lo­se. Alle eint der Umstand, daß sie dem Staat abhan­den gekom­men sind. Der »Crash«-Prophet Krall ist für sie die Mög­lich­keit einer Insel.

Der pro­mo­vier­te Volks­wirt­schaft­ler, Katho­lik und liber­tä­re Popu­list Krall (gebo­ren 1962) denkt wild und spricht scharf. Er reprä­sen­tiert eine con­tra­dic­tio in adiec­to: er ist ein bür­ger­li­cher Revo­lu­tio­när. Krall ist Spre­cher des Vor­stands der Degus­sa Gold­han­del AG, hat­te 2007 vor der Finanz­kri­se von der Ber­tels­mann-Stif­tung den Auf­trag, eine euro­päi­sche Rating­agen­tur zu grün­den, ist Autor des Finanz­Buch-Ver­lags und pro­phe­zeit den »Crash«.

Was ver­steht er dar­un­ter? Grob gesagt, geht Krall vom bal­di­gen Unter­gang des gesam­ten Ban­ken- und Finanz­sys­tems aus, und zwar nicht im Kon­junk­tiv: »Es wird pas­sie­ren. Ich muß es ja wis­sen, schließ­lich habe ich die Risi­ko­mo­del­le für 80 bis 90 Pro­zent der Ban­ken selbst ent­wi­ckelt.« Die­ser »Crash« hät­te schon Ende 2020 ein­tre­ten müs­sen, aber wie alle Apo­ka­lyp­ti­ker muß Krall zunächst mit dem Vor­wurf der »Unheils­ver­zö­ge­rung« (in Ana­lo­gie zur mes­sia­ni­schen Heils­ver­zö­ge­rung) leben. Kommt es aber wirk­lich auf den Kalen­der­mo­nat an, oder nicht doch auf das struk­tu­rel­le Pro­blem dahinter?

Der Wirt­schafts­pu­bli­zist Johan­nes Eis­le­ben sieht dies fol­gen­der­ma­ßen: Die Kri­sen-Öko­no­men Hans-Wer­ner Sinn und Mar­kus Krall sei­en sich einig, »daß die Geld­dru­cke­rei im der­zei­ti­gen Aus­maß toxisch ist, bei­de glau­ben, daß dies zur Zom­bi­fi­zie­rung der Wirt­schaft und zur Infla­ti­on führt. Die Fra­ge ist nur: Wann?« Eis­le­ben meint, Krall den­ke schon viel wei­ter als der Main­stream­öko­nom Sinn, da er die Zom­bi­fi­zie­rung der Wirt­schaft für wei­ter fort­ge­schrit­ten hal­te als jener. Krall geht davon aus, daß 2021 ein Fünf­tel bis ein Drit­tel aller Unter­neh­men plei­te gehen und ande­re mit­rei­ßen wer­den: Die Ban­ken hät­ten bei Mas­sen­plei­ten so vie­le Unter­neh­mens­kre­di­te abzu­schrei­ben, daß ihr Eigen­ka­pi­tal auf­ge­braucht wer­de. Eis­le­ben schätzt die Lage so ein, daß der Staat durch wei­te­res Geld­dru­cken und damit finan­zier­te Sub- und Inter­ven­tio­nen noch eine Men­ge Zeit gewin­nen kön­ne. »Wie­viel? Das kann nie­mand vor­her­sa­gen, denn die Volks­wirt­schaft ist ein kom­ple­xes Sys­tem, für das exak­te Vor­her­sa­gen unmög­lich sind. Der­zeit ahnen die Bür­ger noch nicht, was auf sie zukommt. Des­we­gen ist die Legi­ti­mi­tät der Regie­rung sehr hoch. Das ändert sich schnell, wenn das Geld nicht mehr bis zum Monats­en­de reicht, um das Nötigs­te zu kaufen.«

An die­ser Stel­le tritt der Revo­lu­tio­när Mar­kus Krall mit der For­de­rung auf den Plan, die bür­ger­li­che Schicht müs­se jetzt auf­ste­hen, »bevor wir in der Dik­ta­tur des neu­en Glo­bal­so­zia­lis­mus lan­den«. In Die bür­ger­li­che Revo­lu­ti­on führt er aus, wie die Kri­se als Chan­ce für eine »bür­ger­li­che Revo­lu­ti­on« genutzt wer­den kann und dabei die beschä­dig­ten »fünf Wer­te-Säu­len einer frei­en Gesell­schaft« – Fami­lie, Eigen­tum, Indi­vi­dua­li­tät, Reli­gi­on und Kul­tur – geret­tet wer­den kön­nen. Aus­gangs­la­ge sei, daß im Zuge des »Crashs« eini­ge tau­send gewalt­be­rei­te Anti­fa-Fuß­trup­pen zusam­men mit einem »Heer von Isla­mis­ten« revol­tie­ren wür­den. Daher stel­le sich die Fra­ge der »Kon­ter­re­vo­lu­ti­on« und zwar einer genu­in bürgerlichen.

Für die hun­dert Tage nach dem Zusam­men­bruch, ein Sze­na­rio ähn­lich der Grün­dung der Bun­des­re­pu­blik, legt er in sei­nem Buch den Ent­wurf einer neu­en Pri­vat­rechts­ord­nung vor. Man darf sich die­sen Impuls ganz ähn­lich der »Drei­gliederungsidee« Rudolf Stei­ners als eine radi­ka­le Tren­nung von Wirtschafts‑, Rechts- und Geis­tes­le­ben vor­stel­len. Kralls Plan ist zugleich total rea­lis­tisch (anthro­po­lo­gisch) und total unrea­lis­tisch (poli­tisch). Er baut auf die Vor­stel­lung, daß Revo­lu­tio­nen von unten kom­men – was er als Ana­lyst der glo­ba­lis­ti­schen Öko­no­mie und ihrer Hin­ter­grün­de eigent­lich bes­ser wis­sen müßte.

Ich frag­te ihn anläß­lich jenes Zusam­men­tref­fens in der Dis­kus­si­ons­run­de, ob der »Crash« dem rei­bungs­lo­sen Voll­zug des »Gre­at Reset« dien­lich oder hin­der­lich wäre. »Fif­ty-fif­ty«, ant­wor­te­te Mar­kus Krall. Die Glo­ba­lis­ten zocken: Die Stra­te­gie ordo ab chao setzt vor­aus, daß das ein­ge­plan­te Cha­os ihnen nicht ent­glei­tet. Ent­glei­tet es ihnen, ist das die Stun­de der bür­ger­li­chen Freiheit.

 

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

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