Über Nacht definierten die Akteure um Lothar Wieler den Genesenenstatus neu: Nicht mehr sechs Monate (wie EU-weit) soll er Gültigkeit besitzen, sondern fortan nur noch 90 Tage. Begründet wird dies mit »wissenschaftlicher Evidenz«.
Während die Tagespresse und die GEZ-Medien erst gar nicht und dann zögerlich als Regierungsversteher berichteten, scherte immerhin der Cicero aus und legte den Finger in die klaffende Wunde.
Florian Voß führt dort aus (Cicero Plus v. 18.1.2022):
dass nach der Omikron-Welle Hunderttausende, wenn nicht Millionen von Menschen in diesem Land plötzlich einen Genesenenstatus haben werden. Und das wird nicht nur Einfluss auf den Verlauf der Pandemie nehmen, sondern auch auf die Diskussion über die mögliche Impfpflicht. Und genau in diesem Moment verkürzt das Robert-Koch-Institut den Status „Genesener“ von sechs auf drei Monate? Derweil die Schweiz den Status von sechs auf zwölf Monate ausgeweitet hat, gehen wir den entgegengesetzten Weg? Kann das wirklich sein?
Es kann, wir leben immerhin in der Bundesrepublik, und dort steht die Ampel auf Dauergrün für das RKI, obwohl, wie Voß hervorhebt,
dazu die demokratische Legitimation fehlt. Das Institut legt eine Verordnung von Bund und Ländern nach eigenem Gusto aus. Und die Bundesregierung bestätigt im Nachlauf dieses Vorgehen.
Sah zunächst einiges nach einem Mißverständnis aus (zählt die Verkürzung nur für künftig Erkrankte bzw. Genesene und nicht rückwirkend? Ist nur die Quarantäneregelung betroffen?), kam u.a. aufgrund der Cicero-Nachfrage mehr Klarheit in die Groteske.
Das RKI antwortet dem Magazin für politische Kultur:
Aufgrund der Änderung der Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung und die Einreise-Verordnung vom 14.01.2022 ist dem RKI die Aufgabe zugewiesen, die fachlichen Vorgaben für den Genesenenstatus zu erstellen. Das hat das RKI im Kontext dieser Verordnung getan. Die Dauer des Genesenenstatus wurde von 6 Monate auf 90 Tage reduziert, da die bisherige wissenschaftliche Evidenz darauf hindeutet, dass Ungeimpfte nach einer durchgemachten Infektion einen im Vergleich zur Deltavariante herabgesetzten und zeitlich noch stärker begrenzten Schutz vor einer erneuten Infektion mit der Omikronvariante haben.
Der Teufel steckt im Detail, und so merkt das RKI gegenüber Florian Voß an:
Ob die Länder dies so auch für ihre 2G/3G-Regelung anwenden bzw. in ihren Verordnungen berücksichtigen, liege nicht im Ermessen des RKI.
Im Klartext: Die Verantwortlichkeit wird delegiert, an die Bundesländer, die die weitgehend mit Unverständnis quittierte RKI-Volte ausbaden dürfen. Oder eben auch nicht. Gegenüber dem Cicero reagierte etwa das Thüringer Gesundheitsministerium »überrascht«; es würden viele Fragen aufgeworfen, hieß es aus Erfurt.
Man könnte einige von ihnen benennen:
- Zählt die Verkürzung rückwirkend für Delta-Infizierte aus dem Oktober, November und Dezember 2021, als sich bundesweit, vor allem aber in Sachsen und Thüringen, Abertausende ansteckten, als es logischerweise die Omikronvariante noch gar nicht gab?
- Wie wird dies technisch, aber auch datenschutzrechtlich mit den »Apps« gelöst, in denen sechs Monate mit konkretem Datum ausgewiesen sind?
- Darf das RKI, dürfen die Landesregierungen in diese Apps eingreifen?
- Wieso werden offenbar systematisch Studien ausgeblendet, deren Verfasser betonen, daß eine natürliche Immunität von Genesenen effektiver vor schweren Verläufen und vor erneuter Infektion schützt als die bisherigen Impfungen?
- Wie soll eine »EU-einheitliche Lösung«, die vorgeblich angestrebt und umgesetzt werden soll, funktionieren, wenn das »EU Digital COVID Certificate« einem Genesenen weiterhin sechs Monate »Ruhe« verschaffen soll, in Deutschland aber halbiert ist? Bei Grenzübergang in ein Nachbarland ist die Person, deren Infektion vier Monate zurückliegt, plötzlich wieder Genesener, bei Rückkehr in die BRD wiederum Nicht-Genesener?
Es sind offenkundig Fragen, die auch drei Tage nach der Cicero-Intervention nicht restlos geklärt sind. RKI, Bundesregierung und Bundesländer haben sich in eine Situation gebracht, die in ihrer ganzen Absurdität beispielhaft für die Konzeptlosigkeit und Sprunghaftigkeit der bundesdeutschen Krisenpolitik stehen.
Versagt haben nicht nur die Politiker, die dem RKI einen Freibrief ausstellten, versagt haben auch die staatsnahen Medienanstalten, die ihrem Aufklärungsauftrag ebenso unzureichend nachkamen wie ihrer einstigen Rolle als Kontrolleure der Mächtigen – ob diese Machtausübenden nun demokratisch legitimiert sind, wie die Bundesregierung, oder nicht, wie das RKI.
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Zu begrüßen ist auch aufgrund dieses aktuellen Beispiels jedwede Grundsatzkritik am überholten System von ARD, ZDF und Co., womit der Beitragszahler seine eigene selektive Beschallung finanzieren muß. Wiedermal kommt ein produktiv-konstruktiver Impuls aus Sachsen-Anhalt, diesmal gar von einer Regierungspartei.
Alexander Kissler berichtet in der NZZ (v. 19.1.2022) über eine »Radikale Reform«, die von der CDU in Magdeburg vorgeschlagen wird. Vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen in Großbritannien – die britische BBC muß womöglich die Finanzierung ab 2027 auf ein Abonnementmodell umstellen und wäre nicht mehr gebührenfinanziert – läßt sich
die frisch bekräftigte Erwartungshaltung der sachsen-anhaltischen CDU
besser verstehen, wonach
das öffentlichrechtliche Fernsehprogramm der ARD sich radikal reformieren (ließe). Mit dem «Ersten» in seiner bisherigen Form soll Schluss sein, langfristig zumindest.
Diese Haltung, ansonsten ausschließlich in der AfD konsensfähig, hat die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt nun konkretisiert. Sie bezog sich auf Reformpläne des Kulturministers Rainer Robra:
Dieser verlangte schon in zahlreichen Debattenbeiträgen, die Sender müssten ihre Einsparpotenziale besser nutzen und transparenter wirtschaften. Im Oktober vergangenen Jahres hatte Robra angeregt, das ZDF solle «die nationale Ebene bespielen und die ARD stärker als bisher bei den Regionen anknüpfen». Ganz auf dieser Linie bekennen die Magdeburger Parteifreunde nun, «das Erste» künftig als «Schaufenster der Regionen» und das ZDF als bundesweiten Sender profilieren zu wollen. Die «Mitteldeutsche Zeitung» aus Halle zitiert den medienpolitischen Sprecher der CDU, Markus Kurze, mit den Worten, als «eigenständiger Kanal» solle «Das Erste» langfristig abgeschafft werden. So laute das «Fernziel»,
mit dem jeder Bürger, der genug hat von linksliberalem Agenda Setting, etwas anfangen können dürfte, egal ob mit AfD‑, einem anderen oder gar keinem Parteibuch. Der Leser aber weiß, daß dies einstweilen eine absolute Minderheitenpositionierung ist, die folgenlos bleiben dürfte, zumal kein einziger Landesverband der CDU ernsthaft daran interessiert sein dürfte, den Kollegen zwischen Saalekreis und Altmark zur Seite zu springen.
Kissler verweist folgerichtig auf die letzten Bemühungen, die allesamt scheiterten:
Wenn schon eine Beitragserhöhung nur durch die gemeinsame Ablehnung aller 16 Bundesländer gestoppt werden kann, gälte dies erst recht für eine derart radikale Strukturreform.
Überflüssig also, sich mit diesem Thema zu beschäftigen? Nein, meint der Autor, denn es gebe
nicht nur in Grossbritannien, sondern auch in Deutschland derzeit ein Momentum für eine grundlegende Debatte zu den Grenzen eines von der Allgemeinheit per Pflichtbeitrag finanzierten Rundfunks. Eine Mitte Januar veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa ergab einen Vertrauensverlust in das Medium Fernsehen von fünf Prozentpunkten innerhalb eines Jahres,
womit wir wieder bei der aktuellen Pandemie-Groteske wären:
In der Corona-Krise geriet manche Talkshow zum Tribunal für Regierungskritiker und manche Nachrichtensendung zur Informations- und Werbeveranstaltung des Robert-Koch-Instituts.
Deutlich wird hierbei, daß der Magdeburger Reformvorschlag um Welten zu kurz greift, denn eine Entmachtung der ARD und eine Aufwertung des ZDF würde nichts an den grundlegenden ideologischen Problemen des Staatsfunks (»Ideologie vergiftet den Journalismus«, meint urplötzlich sogar ein Claus Kleber gegenüber der Zeit v. 29.12.2021) ändern; beide nehmen sich in der Coronakrise nichts, berichten recht einheitlich.
Und so schließt auch Kissler, naturgemäß ein wenig defensiver:
Dass solche einseitigen Aufgipfelungen verschwänden, wenn man dem ZDF die Bühne für das überregionale Erläutern, Erklären und Belehren überliesse, ist indes eine ebenso vage Hoffnung.
Aber ohne Hoffnung ist alles nichts, sagt man.
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Hoffnung als Geschäftsmodell, das kann man augenzwinkernd Jürgen Elsässers Compact-Magazin anheimstellen. In der druckfrischen Februar-Ausgabe (2/2022) nimmt sich der Chefredakteur, der gestern seinen 65. Geburtstag feierte und final an seiner Autobiographie feilt, die im Mai erscheinen soll, der Personifizierung des Corona-Maßnahmenstaates an: Karl Lauterbach.
Die bisher harmloseste Variante des Virus dient ihm zur Rechtfertigung der härtesten Freiheitseinschränkungen einschließlich der Impfpflicht,
leitet Elsässer ein, um dann gewohnt angriffslustig gegen den Gesundheitsminister ins Felde zu ziehen. Greifbar wird Elsässers Hoffnung auf eine »Revolution« gegen die Panikpolitik vor allem dann, wenn er Verschiebungen im Establishment beleuchtet, etwa den Umstand, daß Lauterbachs
engster Weggefährte von ihm abgerückt ist. Christian Drosten war neben ihm von Anfang an die schrillste Tröte im Panik-Orchester, aber jetzt hört man ganz neue Töne von ihm. In der österreichischen Kronenzeitung plädierte er Mitte Januar – was er zuvor immer strikt abgelehnt hatte – für die Durchseuchung, alle Menschen müssten sich früher oder später mit Corona infizieren. (…) Deutschland sei jetzt «in dem Prozess», bald die Pandemie für beendet zu erklären und «die endemische Phase ausrufen zu können».
Das wäre also der englische, der polnische, der dänische, der schwedische, der schottische Weg – aber ganz und gar nicht der österreichische, wo gestern sogar, übrigens mit Zustimmung der FPÖ-Renegatin Philippa Strache, die Impfpflicht eingeführt wurde, was der Protestbewegung neue Probleme, aber auch neuen Zulauf bescheren dürfte.
Einheitlich ist die europäische Coronapolitik aber offensichtlich bei weitem nicht. Es wird gerungen, und es wird widersprochen:
Der offene Dissens in den Corona-Kabinetten vieler Länder fordert die globalen Eliten heraus. Selbstverständlich will die Impflobby ihre Profite nicht geschmälert sehen, und so ist es kein Wunder, dass Biontech-Chef Ugur Sahin wegen Omikron neue Vakzine fordert. Sein Umsatz 2021 betrug zwischen 16 und 17 Milliarden Euro. Damit steht Biontech für fast ein Fünftel des deutschen Wirtschaftswachstums im vergangenen Jahr, und das gibt dem Corona-Gewinnler erhebliche Druckmöglichkeiten auf die Politik.
Eben deshalb fragte ich jüngst – rhetorisch – bei den Kollegen der Tagesstimme:
Die exorbitanten Gewinne der Pharmaindustrie verführen etwa ihre Akteure dazu, die Krise als Chance für exponentielles Wachstum ihrer Branche zu betrachten. Wollen sie, dass ihr Goldrausch endet, dass die Krise endet?
Nein, das wollen sie nicht, zumal die Umsätze von Biontech und Co. zuletzt markant zurückgingen. Eine Impfpflicht in Deutschland würde diesen Negativtrend nicht nur beenden, sondern auch eine unglaubliche Profitsteigerung über einen langen Zeitraum hinweg schlechterdings garantieren.
Man muß auch (aber keineswegs nur) aus diesem Grund die Entwicklungen in Wien als Vorboten zu einer Verschlechterung der bundesdeutschen Lage deuten.
Dessen ungeachtet gilt:
- Da hierzulande neben Ungeimpften zunehmend auch zweifach Geimpfte zu Bürgern zweiter Klasse werden, solange sie sich nicht (wiederholt?) boostern lassen wollen;
- da die Proteste auf der Straße in Ost wie West zunehmen und neue Höhen erklimmen (das Bundesinnenministerium benennt bereits für den vorletzten Montag bundesweit 1046 Protestaktionen mit insgesamt 188.000 Teilnehmern, schreibt Die Welt v. 21.1.2022);
- da erste Virologen und Politiker aus der Corona-Einheitsfront ausscheren;
- da in ersten Ländern (Israel, Südafrika, Großbritannien, Spanien) just die neue Omikronvariante die endemische Phase anstelle der pandemischen einleitet;
- da allen voran das RKI und Lauterbach durch irrationale Verhaltensweisen zunehmend Kredit in der Bevölkerung verspielen …
gibt es tatsächlich neuen Grund zur – Sie ahnen es – Hoffnung.
Laurenz
Muß mir das auch erst immer wieder vergegenwärtigen.
Im Sinne der Rechten, im Sinne einer jeglichen Opposition können die Holzköpfe Steinmeier, Kalauterbach, Cholz, Böckchen, Kubickinsky, (Söder hat sich ja verpißt) & wie sie alle heißen, gar nicht oft genug eins drauf setzen.
Nur Betroffenheit, nur der Schmerz, am besten, wenn allerorts Hände, Füße & die Seite bluten, verändert sich etwas am Zeitgeist. (Günstig wäre es auch, wenn die Spritpreise kurzfristig auf weit über 2 Euro steigen.)
Darum laßt uns beten, Gefährten, daß die Impfpflicht & noch viele Lockdowns kommen.