Ich jedenfalls finde Zu Tisch bei Diktatoren ziemlich grandios, was an meiner Art des Humors liegt: Hier wird uns aufgetischt, was die bösen Männer des 20. Jahrhunderts als Speise bevorzugten.
Angereichert wird das mit Photos, die teils kaum bekannt sind: Hitler beim Nickerchen, Sophia Loren, die für Tito Kartoffeln schält, ein debil wirkender Honecker, der einem Kind die Haare wuselt, die Ceaucescus und Mao im Badedress.
26 Diktatoren (sortiert nach Kontinenten) werden auf jeweils drei Seiten vorgestellt. Schon das ist einigermaßen irrlichternd: Den Herren Hitler, Mao Zedong und Stalin wird ebensoviel Platz eingeräumt wie Francois Duvalier (Haiti), Saparmurat Nijasow (Turkmenistan) oder Kwame Nkrumah (Ghana).
Ganz grob, aber fast fehlerfrei listen die beiden Autorinnen auf, was die Tyrannen so trieben, wofür sie berühmt und berüchtigt wurden und was sie am liebsten verzehrten.
Wenn es danach geht, wäre mein persönlicher Lieblingsdiktator der portugiesische Katholik Antonio Salazar, der von 1928 bis 1968 politisch wirkte. Hier wird er „eher als religiöser Asket denn als Autokrat“ gezeichnet. Seinem „Estado Novo“ (Neuer Staat) waren Liberalität und Individualismus verhaßt: „Er hasste das Durcheinander, das die Demokratie seiner Ansicht nach hervorbrachte.“
Auf Distanz zu Hitler ging er gleichwohl, da ihn dessen Heidentum und Rassismus abstießen. Er war entschiedener Antifeminist und haßte es, wenn in seiner Umgebung telephoniert wurde. Sein Lieblingsgericht war „Sardinas grelhadas com Feijao Frade“, eine Armeleutespeise aus Bohnen und Sardinen.
Über Stalin erfahren wir, daß er seine Gäste gern zu Trinkspielen einlud oder besser: zwang. Jugoslawiens Staatschef Tito (der übrigens Schweinebacken liebte) habe sich bei einem solchen Gelage in den Jackenärmel erbrochen, und Chruschtschow sei … noch Ärgeres widerfahren.
Mussolinis Leibspeise waren gehackte Knoblauchzehen, verfeinert mit Olivenöl und Zitrone. „Danach war es unmöglich in seiner Nähe zu sein“, erzählte seine Ehefrau, die nachts in einem der Kinderzimmer Zuflucht vor dem Stinker nahm.
Herr Hitler hingegen, als Vegetarier wohlgemerkt, soll auf „Gefüllte Tauben“ gestanden haben, wie hier aus sicheren Quellen berichtet wird. Eine offenkundig ambivalente Regung: „Wenn der Führer Gäste hatte, die gern Fleisch aßen, ließ er sich manchmal dazu hinreißen, ihnen detailreich die Zustände in einem ukrainischen Schlachthaus zu schildern, das er einmal besucht hatte.“
Hitler – hierin glich er sich vielen seiner Pendants – soll aus Angst vor Giftanschlägen übrigens zahlreiche Vorkoster beschäftigt haben. Das im Buch präsentierte „Gefüllte Tauben“-Rezept läßt jedenfalls keine Wünsche offen. Ich werde es nicht nachkochen, hingegen gern einmal den „Fischsalat nach Art der Khmer“ (Pol Pot) und die „Strulkji“ genannten warmen Teigrollen (Tito).
Beim Nordkoreaner Kim Jong-Il gilt es, eine Haifischflossensuppe zu bereiten. Ersatzprodukte werden (haha!) angeraten. Desgleichen gilt für Fidel Castros Schildkrötensuppe, nach der der Kommunist geradezu „verrückt“ gewesen sein soll. Man darf hier, schreiben die Autorinnen, ruhig als Ersatz zu Ochsenschwanz oder Kalbsfleisch greifen.
Alfredo Stroessners mutmaßliche Leibspeise, die „Sopa Paraguaya“, läßt sich hingegen moralpolitisch bedenkenlos nachkochen. Nur: Mag man das wirklich essen, wenn man zuvor über seinen dezent perversen-polyamourösen Lebenswandel informiert wurde?
Der Sarkasmus dieses wunderbaren Buches ist nicht hoch genug zu loben. Der Leser, sofern kein Griesgram, wird Stunden des lukullischen Genusses verbringen. Lassen wir einmal die „Mopane-Würmer“ beiseite, die sich der malawische Führer und Abstinenzler Hastings Kamuzu Banda regelmäßig als Snack einfuhr.
Es ist gar kein Wunder, daß dieses ursprünglich britische Buch nun auf Deutsch unter der sprechenden Marke „Heyne Hardcore“ erschienen ist. Unter diesem Etikett wird gleichsam signalisiert: „Hoho, wir trauen uns was Krasses!“
Bei amazon.de nimmt das Buch übrigens den weltweiten Rang 19 in „Food-Fotografie“ ein.
Na, wenn das kein Kaufanreiz ist, was dann?
– – –
Victoria Clark/Melissa Scott: Zu Tisch bei Diktatoren. Die Lieblingsspeisen der Tyrannen. 173 S, 20 € – hier bestellen.
Ein gebuertiger Hesse
Köstlich. Ein Land, in dem ein solches Buch erdacht, geschrieben, kompiliert und verlegt wird, ist noch nicht verloren.