Kritik der Woche (18): Serge

Mir erscheint die Fülle an Romanen, in denen sich (durchweg nichtrechte) Autoren in despektierlicher Weise über „Auschwitz“ äußern, frappierend.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Soll­ten wir statt „despek­tier­lich“ bes­ser „kri­tisch“ sagen? Frap­pie­rend bleibt doch, daß es zu gehen scheint. Es gibt denk­bar kein grö­ße­res Tabu­the­ma als Ausch­witz. Der Ort trägt die sata­ni­sche Kro­ne sämt­li­cher Mensch­heits­ver­bre­chen – welt­weit und über alle Zeiten.

Den­noch gibt es eine Viel­zahl an bel­le­tris­ti­schen Wer­ken, die den Saum des Unsag­ba­ren deut­lich über­schrei­ten. Eine klei­ne Aus­wahl: Javier Cer­cas, Der fal­sche Über­le­ben­de, Tova Reich, Mein Holo­caust, Eva Men­as­se, Quas­i­k­ris­tal­le (eine der dort ver­sam­mel­ten Erzäh­lun­gen; gran­di­os), Ben­ja­min Stein: Die Lein­wand; Iris Hanika; Das Eigent­li­che.

Oder neh­men wir den atem­be­rau­ben­den Spiel­film Die Blu­men von ges­tern (2016) des Schrift­stel­lers Chris Kraus. Sie alle neh­men die Erin­ne­rungs­tra­gik und das Gedenk­mi­lieu genau aufs Korn.

Die groß­ar­ti­ge, viel­fach preis­ge­krön­te fran­zö­si­sche Schrift­stel­le­rin, Dra­ma­tur­gin und Dreh­buch­au­to­rin Yas­mi­na Reza hat die­sem Gen­re ein neu­es Werk hin­zu­ge­fügt. Reza (die mit 63 Jah­ren immer noch den Anhauch eines Top­mo­dels hat) ist jüdi­sche Toch­ter einer Unga­rin und eines Ira­ners. Sie ist eine Meis­te­rin ihrer Fächer. Sie hat einen untrüg­li­chen Sinn für aktu­el­le Stim­mun­gen und Men­ta­li­tä­ten und beherrscht vor allem das Dop­pel­bö­di­ge, Ambi­va­len­te. Inso­fern nen­ne ich sie eine Hellseherin.

Ihr neu­er Roman Ser­ge ist har­ter Tobak. Das liegt vor allem an ihrem – soll man sagen: schnodd­ri­gen? – Umgang mit der Erin­ne­rungs­kul­tur. Nen­nen wir es beim Namen: Hier unter­neh­men drei Geschwis­ter (Ser­ge, der Lebe­mann; Jean, der Ich-Erzäh­ler und Ver­mitt­ler und Nana, die geal­ter­te “Woke”) eine Rei­se nach Ausch­witz. War­um? Weil José­phi­ne, Enke­lin einer „Über­le­ben­den“  – und neben­bei Spe­zia­lis­tin für Augen­brau­en – sich mög­lichst dra­ma­tisch „ihrer Geschich­te“ stel­len will.

Es geht mit dem Tod der Groß­mutter José­phi­nes los. Die Groß­mutter war Jüdin. Und zugleich Anti­se­mi­tin. Für ihren Ehe­mann war dies ein lebens­lan­ges Kreuz. Er befand:

Wer Isra­el nicht ver­ehr­te – die ein­zi­ge wirk­lich ein­zi­ge Demo­kra­tie in der Regi­on! – war anti­se­mi­tisch. Punkt. Hört nicht auf eure Mut­ter, sag­te er.

Schon die­ser win­zi­ge Mono­log ist in sei­nem Spott uner­hört. Die Kin­der wen­den dann ein: „Sie ist doch Jüdin.“ Der Vater:

„Das sind die Schlimms­ten! Die schlimms­ten Anti­se­mi­ten sind sel­ber Juden! Das müsst ihr lernen.“

Nur in sei­nem unbän­di­gen Haß gegen „die Kom­mu­nis­ten“ fand das unglei­che Ehe­paar zuein­an­der. Ser­ges Toch­ter José­phi­ne fin­det es nun pervers,

„war­um Omi sich hat ein­äschern las­sen. Ist doch ver­rückt, daß sich eine Jüdin ein­äschern läßt. Die Vor­stel­lung, ver­brannt zu wer­den, ist ver­rückt, nach allem, was ihre Fami­lie durch­ge­macht hat.“

Ser­ges Nef­fe Vic­tor (Sohn von Nana) dar­auf­hin: „Hör auf zu ner­ven.“ Dann, José­phi­ne: „Ich habe beschlos­sen, die­ses Jahr nach Osvitz zu fah­ren.“ [Es ist wohl­ge­merkt im Ori­gi­nal ein Buch in fran­zö­si­scher Spra­che, EK].

Vic­tor ent­geg­net lau­nig [kann man wohl unter jüdi­schen Humor ver­bu­chen, EK]: „Die haben lei­der zu.“ Ser­ge aber schreit wütend auf:

„AUSCHWITZ! Osvitz!! Wie die fran­zö­si­schen Goys!… Lern erst­mal, das rich­tig aus­zu­spre­chen. Ausch­witz! Aus­chschschwitz… Schhhh…!“

Ser­ge, die titel­ge­ben­de Figur, der ältes­te der Geschwis­ter, ist dann aber der Ätzends­te und Geschichts­ver­ges­sens­te, als die vier sich tat­säch­lich auf ihre „Pil­ger­rei­se“ [sic] bezie­hungs­wei­se „Expe­di­ti­on“ [sic] zum Tat­ort begeben.

Eigent­lich hät­te auch Nanas Toch­ter Mar­got mit­rei­sen sol­len. Sie kann es nicht, weil sie in ihren Abschluß­prü­fun­gen steckt. Sie hat, so muß man es mit Yas­mi­ne Reza sagen, Ausch­witz knapp ver­paßt. Nana: „Letz­ten Dezem­ber wäre sie fast mit ihrer Klas­se hin­ge­kom­men, aber dann war sie nicht auf der Lis­te.“ Jean: „Na Gott sei Dank!“ Nana: „Wie­so?“ Jean: „Ein Witz.“

Es war so. Mar­got berich­tet dem Leser hier­von aus dem Off:

„Im Herbst hat­te unser Phi­lo­so­phie­leh­rer, ein depres­si­ver Jude, unse­re Klas­se zu einem Wett­be­werb ange­mel­det, den die Shoa-Gedenk­stät­te in Paris orga­ni­siert. Wir soll­ten ein Refe­rat über ein The­ma unse­rer Wahl hal­ten, es muss­te nur mit den Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern zusam­men­hän­gen. Der ers­te Preis bei die­sem Wett­be­werb war eine Klas­sen­rei­se nach Ausch­witz. Ich wur­de mit zwei ande­ren Mäd­chen für die­ses Refe­rat aus­ge­wählt, und wir haben die­sen Preis gewon­nen. Maxi­mal fünf­zehn Schü­le­rin­nen und Schü­ler konn­ten mit, in unse­rer Klas­se waren wir drei­ßig (….) Weder mei­ne Freun­din­nen noch ich waren dabei, das fan­den wir megaun­ge­recht. Die glück­li­chen Aus­er­wähl­ten bestie­gen um fünf Uhr mor­gens vor der Schu­le den Bus.  (…) Eini­ge setz­ten eine Trau­er­mie­ne auf, ohne zu ahnen, daß sie die für die nächs­ten acht­und­vier­zig Stun­den non­stop bei­be­hal­ten muß­ten. Am Tor zum Lager von Ausch­witz, als die Schü­ler und Schü­le­rin­nen vor dem berühm­ten Schrift­zug stan­den, bau­te er [Leh­rer Cere­zo, EK] sich neben dem Rei­se­füh­rer auf, um die Gesich­ter zu mus­tern und sicher­zu­ge­hen, dass auch alle ent­setzt drein­schau­ten. Außer­dem beglei­te­te er jede Infor­ma­ti­on, die vom Rei­se­füh­rer kam, mit einem fins­te­ren Nicken.“

Mon­sieur Cere­zo treibt es in sei­ner nach­ge­reich­ten Trau­er wirk­lich weit. Eine Schü­le­rin, die es (Mit­te Dezem­ber, kon­ti­nen­ta­les Kli­ma!) wagt zu frös­teln, weist er zurecht: Sie möge sich mal vor­stel­len wie es sei, hier nackt und durch­ge­fro­ren zu ste­hen, bevor „sie ins Gas“ geschickt wür­de!  So duckt  der Bewäl­ti­gungs­wäch­ter sein Klientel.

Irgend­wann wird es der (abso­lut unver­däch­ti­gen) Begleit­leh­re­rin zu viel. Das kam so: Am zwei­ten Tag ver­kün­de­te Mon­sieur Cere­zo, nach­dem er mit gesenk­tem Kopf den Aus­füh­run­gen des Rei­se­füh­rers gelauscht hat­te, mit Gra­bes­stim­me: „Sie wur­den mit dem Och­sen­zie­mer geschla­gen.“ Die­se schlich­ten Wor­te waren nach all den ande­ren, eben­so trüb­sin­ni­gen und über­mä­ßig beton­ten zu viel, und Madame Hainaut brach in Lachen aus. Ein Lachen, das sie sofort mit ihrem Schal ersti­cken und als Hus­ten tar­nen woll­te, aber je mehr sie das ver­such­te, des­to lau­ter prus­te­te sie, bis schließ­lich die gan­ze Grup­pe vor den Stu­fen des Kre­ma­to­ri­ums lachte.

Bereits auf die­sen frü­hen Sei­ten ahnt man Yas­mi­na Rez­as Ton. Und es geht ja noch wei­ter. Es geht VIEL wei­ter. Dies alles ist kunst­voll, dar­über herrscht all­ge­mei­nes Ein­ver­ständ­nis. Ist es kühn? Beweist eine gran­dio­se Aus­nah­me­au­to­rin damit nicht unge­heu­ren Mut?

Man staunt.  Staunt sehr. Eini­ge Pres­se­stim­men aus dem Hauptstrom:

„Die­ses meis­ter­li­che Buch gehört zum Bes­ten, was es der­zeit zu lesen gibt.“ (Nils Mink­mar, Süd­deut­sche Zeitung)

Oder hier:

“Yas­mi­na Reza macht in ihrem Roman ‘Ser­ge’ vor kei­nem Tabu halt … sie besticht wie gewohnt mit skur­ri­lem Detail­witz, absur­den Dia­lo­gen und urko­mi­schen Beob­ach­tun­gen.” (Chris­toph Vorm­weg, Deutsch­land­funkt Büchermarkt)

Oder hier:

“ ‘Ser­ge’ ist ein wit­zi­ges, ein gewitz­tes Buch, und man kann nur bewun­dern, mit wel­chem Schwung und wel­cher Gewandt­heit die Über­set­zer Frank Hei­bert und Hin­rich Schmidt-Hen­kel das erneut trans­por­tie­ren.” (Judith von Stern­burg, Frank­fur­ter Rundschau)

Und hier:

Rez­as schnel­le Dia­lo­ge, ihr schar­fer Blick, ihr bit­te­rer Humor: Ser­ge ist ein Roman zum in-einem-Zug lesen, zum bei­sei­te Kichern, zum Schlu­cken­müs­sen.“ (Judith Heit­kamp, Bay­ern 2 kulturWelt)

Oder,  ganz pro­mi­nent, hier:

„Yas­mi­na Reza hat­te die ver­rück­tes­te Idee des Jah­res: eine Komö­die über Ausch­witz zu schrei­ben.“ Fré­dé­ric Beigbeder

Zu sagen, all die­se Urtei­le aus dem Main­stream sei­en erstaun­lich, wäre glatt unter­trie­ben. Es hin­ter­läßt mich völ­lig ahnungs­los, war­um all die­se Grand Dames und Grand Mon­sieurs der Lite­ra­tur­kri­tik (denn die­ser Roman wird von der Eli­te und nicht vom Unter­grund des Lite­ra­tur­be­triebs gefei­ert) die­sen Text preisen.

Denn es geht ja, ich sag­te es, noch wei­ter. Die drei Geschwis­ter besich­ti­gen (unter bauch­na­bel­frei­en etc. Tou­ris­ten) die Schreckensstätte.

Im Ver­ga­sungs­raum gibt es viel­fäl­ti­ges Kame­ra­kli­cken, logisch. Nana sagt „schreck­lich“. Sie sagt „unfaß­bar“.  Ser­ge zün­det sich eine Ziga­ret­te an. Jean, der „Neu­tra­le“, fragt sich nüch­tern, ob jetzt bei jeder Gele­gen­heit die Phra­sen „schreck­lich, unfass­bar usw.“ kämen?

Unse­re Besu­cher­grup­pe betritt dann einen Raum, wo ein Schild Ver­gesst nicht ver­kün­det. Die Bot­schaft ist akus­tisch unter­malt. Es klingt nach einem Zug. Reza /Jean befin­den hierzu:

„Die Kura­to­ren haben sich wohl gesagt: Geben wir dem Besuch mit einem Eisen­bahn-Sound eine dis­kret dra­ma­ti­sche Note.“

Ser­ge und Jean blei­ben irritiert:

„Ver­gesst nicht. Aber war­um? Um es nicht wie­der zu tun? Aber du wirst es wie­der tun. Ein Wis­sen, das nicht zutiefst mit einem selbst ver­bun­den ist, bleibt fol­gen­los Von der Erin­ne­rung ist nichts zu erwar­ten. Die­ser Feti­schis­mus der Erin­ne­rung ist blo­ßer Schein.“

Mehr mag ich nicht „spoi­lern“. Es gibt eine Viel­zahl an wei­te­ren Stel­len.  Die­ser Roman, die­ser Ser­ge: Sie sind so krass. Ich wun­de­re mich, wie sehr sie gou­tiert wer­den. Ich rate jeden­falls drin­gend zur Lektüre:

Yas­mi­ne Reza. Ser­ge, 207 Sei­ten, 22 €.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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Kommentare (11)

Lumi

28. Februar 2022 20:12

Das ist erstaunlich. Es muß abgesegnet sein. Anders lassen sich diese Rezensionen nicht erklären.

Aber wir erleben ja auch gerade eine Zeitenwende. Der dritte Weltkrieg hat begonnen. Vielleicht wird auch das absolute Böse redefiniert. Nach Osten verschoben. Ich habe schon etliche Hinweise in diese Richtung gesehen.

In diesem Zuge könnte auch rehabilitiert werden, was wir alle für tabu halten. Mit der entsprechenden Symbolik schmücken sich ja die nationalistischen Bataillone (Azov/Asow).

Es werden nun Freiwillige gesucht. Eine Fremdenlegion soll her. Das wird eine Waffen SS. Patrioten aller Länder können für die gute Sache antreten. Es wird sicher auch gut bezahlt werden.

Der Krieg ist auf Jahre angelegt. Das wurde gestern deutlich. Alle Brücken abgebrochen. Es gibt kein Zurück.

Er scheint zudem als Vernichtungskrieg konzipiert.

Er kann sich später nach Fernost ausweiten.

Er ist wohl seit mindestens sieben Jahren sorgfältig vorbereitet worden. Auf sehr vielen Fronten. Wir haben das kaum mitbekommen.

Wir haben noch September '39 und schon Januar '43. Aber auch damals war von Anfang an Casablanca.

Ich habe versucht, das sachlich zu schreiben. Dabei ist unfaßbar, was geschieht.

RMH

28. Februar 2022 21:27

Zu dem Thema Klassenfahrten zu KL würde ich gerne einmal etwas von Lehrern hören, die so etwas betreuen dürfen. Als ich anno 2000 einen Besuch beim KL Buchenwald machte, habe ich erleben dürfen, wie eine Lehrkraft so ihre Probleme mit einer pubertierenden Schulklasse hatte (so ca. 16 Jahre alte Schüler und Schülerinnen, da war nichts mit Trauermimen, ganz im Gegenteil, volles Herumgealbere). Als dann ein "Pärchen" auf dem Lagergelände das Knutschen angefangen hat, hat eine robuste Thüringerin (vom Personal) "eingegriffen".

Wie auch immer, das solche Szenen oder das Problem mit Schulausflügen und wie man die Klasse in der richtigen "Stimmung" hält, in einer Szene auch einmal literarisch geschildert werden (wird ja nicht buchfüllend gewesen sein), war eine Frage der Zeit. Im Übrigen spricht mich das Thema des Romans, in der Form und Art, wie es im Roman offenbar aufbereitet wird, nicht an. 

Laurenz

1. März 2022 01:09

Festzuhalten ist, wenn ein Autor Aufmerksamkeit für sein Buch wünscht, ist ein Bruch von fetten Tabus hilfreich, das erhöht die Reichweite ungemein. Am besten ist noch ein echtes Verbot für die illegale Auflage. Ist in der Musikbranche nicht anders.

Und klar, auch jüdische Autoren wollen ihre Bücher verkaufen, da bietet sich Auschwitz ganz vordergründig an. Norman Finkelstein ist wohl der bekannteste "Nestbeschmutzer".

„Das sind die Schlimmsten! Die schlimmsten Antisemiten sind selber Juden! Das müsst ihr lernen.“

Abe nur inter-semitisch. In der Veröffentlichtkeit spielt das keine Rolle.

kikl

1. März 2022 08:38

"Es gibt denkbar kein größeres Tabuthema als Auschwitz."

Das stimmt. Allein daraus bezieht so ein Buch seine Faszination.

Früher war es die Dreifaltigkeit Gottes und die Auferstehung von den Toten. Das wurde in unserer Zeit mit Auschwitz als größtem Tabu ersetzt. Insofern leben wir in einem neuen, einem neuzeitlichen Mittelalter.

Es hat Jahrhunderte gedauert, von der Renaissance bis zu Aufklärung, bis über religiöse Dogmen tabufrei gestritten werden konnte. In islamisch dominierten Regionen ist das immer noch nicht möglich.

Mit einem Streich ist das alles dahin. Man hat mit Auschwitz eine neue Religion erschaffen, die mittels Dogmen und Tabus unser Denken diktiert.

Erst wenn ein Auschwitzüberlebender mit einem Auschwitzungläubigem im TV bei Lanz zur Primetime über Auschwitz friedlich streiten können, erst dann haben wir das neuzeitliche Mittelalter überwunden, erst dann können wir von Meinungsfreiheit und Demokratie in Deutschland reden. 

Gustav

1. März 2022 09:10

Der Kult paßt nicht mehr in die kommende Zeit, also wird er vorsichtig und in kleinen Schritte dekonstruiert.

Während das System der Nachkriegszeit verschwindet, ist der Rahmen, der an seine Stelle treten soll, den Menschen, die in den ehemaligen westlichen, liberalen Demokratien leben, völlig fremd.

Daher müssen auch wir uns verändern, wenn wir die Neuausrichtung akzeptieren wollen. Wir werden darauf konditioniert, an die Verheißungen der neuen IRBO und der darauf aufbauenden globalen Technokratie zu glauben.

Wenn kulturelle und wirtschaftliche Besonderheiten weltweit eingeebnet werden, ist auch kein Platz mehr für "Singularitäten".

Andreas Stullkowski

1. März 2022 09:37

Witze über den Holocaust sind schon seit Jahren in D. sehr beliebt, wobei es immer eine Rechtfertigung geben muss, und die einzig gültige ist zur Zeit dass man selbst Jude ist. Ähnliches auch mit anderen Identitäten, angefangen vom N-Wort dass nur Schwarze sagen dürfen.

Dann ist aber durchaus jeder Witz über den Holocaust erlaubt und sogar ein recht gutes Erfolgsrezept, wie einige jüdische Standup Komödianten zeigen, z.B. Shahak Shapira.

Wenn Holocaust-Witze abgesegnet sind, werden sie mit grossem Applaus und Genugtuung vom deutschen linken Publikum aufgenommen. Ich vermute es ist einerseits das kindliche Lachen etwas von den Eltern Verbotenes zu sagen, und andererseits die Erleichterung einmal kurz gegen die Meinungstabus verstossen zu dürfen, speziell in einer Zeit da die Ideologie immer rigider wird.

Der Anti-Antisemitismus der deutschen Linken ist oft auch nicht sehr tief. Immer wenn es offiziell erlaubt ist werden Linke schnell zu Antisemiten, wie man schon bei der RAF in den 70er sah, die bei ihren Flugzeugentführungen ohne Schwierigkeiten zur Juden-Selektion schritt.

Niekisch

1. März 2022 10:22

"Erinnerungskultur". 

Ein Begriff für uns?

anatol broder

1. März 2022 21:35

ich unterhalte mich überwiegend mit anderen juden. beispielsweise waren es an einem gewöhnlichen tag wie heute 90 minuten mündlich und viele zeilen schriftlich: kunsthändler, journalist, dichter, immobilienverwalter, model, psychologe, informatiker. wir besprachen alles mögliche. doch über mein ganzes leben zusammengerechnet kann ich gespräche über den holocaust an einer hand abzählen. selbstverständlich beachte ich auch keine literatur über den tod von juden. reza bedient mit serge einen markt, den ich höchst befremdlich finde. ich darf erinnern: lchaim bedeutet «aufs leben», halleluja bedeutet «preiset den lebenden gott». leben, nicht tod. ich verabschiede mich mit einem stück aus der feder des juden mark ronson: feel right (en).

links ist wo der daumen rechts ist

2. März 2022 12:31

Die Einsicht in historische Prozesse läuft doch oft ab wie die Handlung in Kurosawas „Rashomon“; diese Erkenntnis hat(te) das Mainstream-Kino in den 90ern mit den sogenannten Mindgame-Movies erreicht.

Aktuell:

Der russische Präsident spricht als Legitimation seines Vorgehens von einer „Entnazifizierung“ der Ukraine. Von Selenskyj weiß man, daß…

Jetzt wurde angeblich eine Gedenkstätte in der Nähe von Babyn Jar bombardiert und der ukrainische Präsident ruft die Juden in aller Welt auf usw.

In der Vernichtungsrhetorik des NS galten sowjetrussisch und jüdisch hingegen als synonym.

Blickt da noch jemand durch?

Welche Schneisen legt man durch diese Kapriolen?

Und der aktuell dümmste deutsche Kanzler faselt vom „Ende der Nachkriegsordnung“; hier von Klonovsky genüßlich zerlegt:

https://www.klonovsky.de/2022/02/hat-scholz-das-wirklich-gesagt/

Aber die Hauptfrage wieder einmal: wie entkommt man der Totschlägerreihe der Geschichte?

Zum Thema.

In einem Band über Bachmann-Celan lese ich über den „Skandal“ der Gruppe 47-Veranstaltung in Niendorf 1952 (Celan-Goebbels-Vergleich). Nach Jahrzehnten wird versucht das Geheimnis wie in einem Krimi zu lüften (Kurosawa!) und dabei ein absolut vergessener Zeuge zitiert: Thomas Gnielka.

Mein Literaturtipp: Thomas Gnielka, Die Geschichte einer Klasse. Darin geht es, wie Kindersoldaten damals die Nähe zu Auschwitz erlebt haben.

Ein weiterer Strang im Kurosawa-Krimi.

Der Sinnierer

2. März 2022 13:27

Der Deutsche muß wieder fit für den Krieg gemacht werden – irgendjemand muß ja die 100 Milliarden zusätzlich an Kriegsgüter bedienen. Da müssen die seit 1945 von den Allierten eingebauten mentalen Blockaden abgebaut werden und der Schuldkult zwar nicht abgeschafft, aber doch abgeschwächt werden, damit unsere braven Schlandbrüder todesmutig in den Krieg rennen wenn es 2023, 2024 oder 2025 losgeht. In meinen Gesprächen vor Ort mit amerikanischen Offizieren ist klar, daß der große Feldzug gegen China und „Anhängsel“ (Iran, Rußland etc.) geplant und überfällig ist und der Deutsche hat seine Sonderrolle an der europäischen Front – wir kennen schon die (Un-)Wichtigkeit germanischer Auxiliartruppen bei den Römern – Kanonenfutter nennt man das heutzutage.

Lumi

2. März 2022 16:20

@Sinnierer - Willkommen im Dritten Weltkrieg. Er sollte am 22.02.2022 starten, weil das schick ist, aber WWP hat das vereitelt, indem er noch zwei Tage zögerte & zauderte.

In der Rückschau wird dieser Krieg als der Dritte Weltkrieg erkannt und auch so genannt werden. Bevor seine Ostfront eröffnet wird, muß sich die Westfront noch ausweiten. Man wird es zu erzwingen wissen mit der Flotte, den Seewegen, den Drohungen. Genau wie im Zweiten. Aber auch mit den Satelliten und dem Internet.

Das Skript ist längst fertig und wurde uns auszugsweise immer wieder angetrailert. Die meisten verstehen es immer noch nicht.

Übrigens erklärt sich nun auch die Rolle des Propheten William Toel, zu dem hier neulich ein Artikel erschien.

Das wird ja nun nicht wieder die Grenzen des Sagbaren überschritten haben.