Kritik der Woche (19): altes Leben aus Ruinen

Die Frauenkirche in Dresden und das Berliner Schloß: Beispiele für die Erfolge von Initiativen, die sich für die Rekonstruktion von Gebäuden eingesetzt haben.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Sie waren ent­we­der längst aus dem Stadt­bild ver­schwun­den oder nur noch als Rui­ne vor­han­den. Claus‑M. Wolf­schlag und Dani­el Hoff­mann haben mit „Und altes Leben blüht aus den Rui­nen“ ein Buch vor­ge­legt, das sich mit eben die­ser “Rekon­struk­ti­on in Archi­tek­tur und Kunst seit 1990” (so der Unter­ti­tel) befaßt. Die Autoren des reich bebil­der­ten Ban­des bezeich­nen die­se drei Jahr­zehn­te als Rekon­struk­ti­ons­be­we­gung und tei­len ihre Geschich­te in drei Pha­sen ein.

Die ers­te Pha­se setz­te unmit­tel­bar nach Ende des Zwei­ten Welt­kriegs ein und stand dafür, die Trüm­mer nicht weg­zu­räu­men, son­dern aus ihnen wie­der die alten Gebäu­de ent­ste­hen zu las­sen. Danach folg­ten Wirt­schafts­wun­der und Fort­schritts­glau­ben, die sich vor allem in moder­nis­ti­scher Archi­tek­tur nie­der­schlu­gen, der so man­che noch zu ret­ten­de Rui­ne wei­chen muß­te. Die­ser Drang bekam Ende der 1970er Jah­re einen Dämp­fer, als die zwei­te Pha­se der Rekon­struk­ti­ons­be­we­gung dafür sorg­te, vor allem Fas­sa­den und Grund­ris­se his­to­ri­scher Gebäu­de zu rekon­stru­ie­ren, so daß wenigs­tens die alte Struk­tur, die als mensch­li­cher emp­fun­den wur­de, als was danach kam, wie­der zum Vor­schein kam. Die drit­te Pha­se, um die es im Buch geht, begann nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung und hält bis heu­te an. Auch wenn einem dabei sofort die Vor­zei­ge­pro­jek­te in den neu­en Bun­des­län­dern ein­fal­len, in denen es die Man­gel­wirt­schaft glück­li­cher­wei­se nicht ver­moch­te, die his­to­ri­sche Bau­sub­stanz durch Neu­bau­ten zu erset­zen, gibt es auch in West­deutsch­land eine unglaub­li­che Fül­le an Pro­jek­ten, die unter den Begriff der Rekon­struk­ti­on zusam­men­ge­faßt wer­den können.

Die­se unter­schei­det sich von der jedem Gebäu­de irgend­wann ein­mal zukom­men­den Reno­vie­rung und Sanie­rung durch den Erhal­tungs­zu­stand des Gebäu­des. Durch Gewalt­ein­wir­kung (Krieg oder Brand) oder lang­sa­men Ver­fall ist von dem ursprüng­li­chen Gebäu­de nur noch eine Rui­ne, meis­tens aber nur noch Gebäu­de­tei­le, vor­han­den. Bei einer Rui­ne spricht man von Wie­der­auf­bau, ist dage­gen kaum noch etwas vor­han­den, so han­delt es sich um eine Rekon­struk­ti­on, was soviel bedeu­tet wie das Nach­bil­den oder Wie­der­her­stel­len eines ursprüng­li­chen Zustan­des. Hier­un­ter fal­len auch Teil­re­kon­struk­tio­nen, wie z.B. die Fas­sa­de oder ein Dach. Unter der kri­ti­schen Rekon­struk­ti­on ver­steht man das Wie­der­erschaf­fen des Bau­kör­pers ohne die Details, sie kon­zen­triert sich auf die Abmes­sung von Stra­ßen und Gebäu­den, die dort ein­mal standen.

Vier Kapi­tel des Buches sind Städ­ten gewid­met, in denen die Rekon­struk­ti­ons­be­we­gung ganz beson­ders erfolg­reich war. Für die bei­den preu­ßi­schen Städ­te Ber­lin und Pots­dam ist das erstaun­lich, weil hier neben den, immer ange­führ­ten, finan­zi­el­len Beden­ken, vor allem auch geschichts­po­li­ti­sche Debat­ten geführt wer­den muß­ten. Immer schwingt bei Rekon­struk­ti­ons­vor­ha­ben der Ver­dacht mit, daß das zu Rekon­stru­ie­ren­de nicht nur aus ästhe­ti­schen, son­dern auch aus ande­ren Grün­den geschätzt wird. Die Reprä­sen­ta­ti­on des Preu­ßen­tums in die­sen Gebäu­den ist vie­len ein Dorn im Auge, vor allem sol­chen, die Zugang zu den Mei­nungs­ver­stär­kern haben. Es sind die­sel­ben, die schon in den 1950er Jah­ren der Mei­nung waren, daß die Zer­stö­rung der deut­schen Städ­te eine gerech­te Stra­fe sei, der man nicht durch Wie­der­auf­bau ent­ge­hen dür­fe. Den­noch sind in Ber­lin und Pots­dam eine Viel­zahl, nicht zuletzt durch pri­va­te Initia­ti­ven, von Rekon­struk­tio­nen his­to­ri­scher Gebäu­de ent­stan­den, u.a. das Stadt­schloß in Pots­dam, in dem heu­te der Land­tag Bran­den­burg sei­nen Sitz hat. Um die Gar­ni­sion­kir­che wird bis heu­te gestrit­ten, nicht nur aus geschichts­po­li­ti­schen Grün­den, son­dern auch weil ein DDR-Bau, der auf dem Are­al errich­tet wur­de, unter Denk­mal­schutz steht. Para­de­bei­spiel für die Rekon­struk­ti­ons­be­we­gung ist natür­lich Dres­den, wo nach der Frau­en­kir­che der gan­ze alte Markt wenigs­tens kri­tisch rekon­stru­iert wurde.

Frank­furt am Main ist die vier­te Stadt, der das Buch ein eige­nes Kapi­tel wid­met. Dort sind im Kern­be­reich der Alt­stadt gan­ze Stra­ßen­zü­ge rekon­stru­iert wor­den, was u.a. dem glück­li­chen Umstand zu ver­dan­ken war, daß das Tech­ni­sche Rat­haus bereits nach einer Gene­ra­ti­on wie­der maro­de war, so daß nach Abriß wie­der Platz für die ursprüng­li­che Bebau­ung vor­han­den war. In Frank­furt setz­te man sich mit die­sem Anlie­gen auch nicht dem Ver­dacht aus, an mili­ta­ris­ti­sche Tra­di­tio­nen anknüp­fen zu wol­len. Einer der Autoren, Claus Wolf­schlag, hat am Anfang des Weges, der sich von 2005 bis zur Fer­tig­stel­lung 2019 hin­zog, mit einem Gut­ach­ten Pate gestan­den. Vor­aus­set­zung für den Erfolg war die Begeis­te­rung des Bür­ger­tums für den Wie­der­auf­bau, der sich die Par­tei­en irgend­wann nicht mehr ver­schlie­ßen konnten.

In den wei­te­ren Kapi­teln, die nach Gebäu­de­ty­pen unter­glie­dert sind, fin­det sich für jeden Leser etwas Ver­blüf­fen­des, weil man ent­we­der das Haus bereits gese­hen hat und es für ori­gi­nal hielt, oder weil die Geschich­te dahin­ter so unglaub­lich ist, daß die Rekon­struk­ti­on wie ein Wun­der wirkt. Das Braun­schwei­ger Schloß war kom­plett abge­räumt und steht heu­te fast am alten Platz, das Rat­haus von Hal­ber­stadt hat nicht nur sei­ne Fas­sa­de, son­dern auch sei­ne Rats­lau­be zurück, in Pir­na wur­de in einer Bau­lü­cke das Kern­sche Haus wie­der­errich­tet. Beson­ders beein­dru­ckend ist der Wie­der­auf­bau des Alt­va­ter­turms, der ursprüng­lich auf dem höchs­ten Berg Mäh­rens stand und dort ver­fiel und 1959 abge­tra­gen wur­de. Den sude­ten­deut­schen Ver­trie­be­nen gelang es nach 25jähriger Sam­mel- und Wer­be­tä­tig­keit, eine Rekon­struk­ti­on die­ses Turms auf dem thü­rin­gi­schen Wetz­stein zu errichten.

Auch wenn das Buch eine sol­che Fül­le an Bei­spie­len prä­sen­tiert, daß man den Ein­druck haben könn­te, man hät­te es bei der Rekon­struk­ti­ons­be­we­gung mit einer grund­sätz­li­chen Ten­denz der Zeit zu tun, so belehrt einen doch der Gang durch so man­che Innen­stadt eines Besseren.

Bis heu­te wer­den his­to­ri­sche Gebäu­de abge­ris­sen, um Platz zu schaf­fen für meist min­der­wer­ti­ge Nach­fol­ge­bau­ten, die für den Moment eine bes­se­re Ren­di­te ver­spre­chen. Mit der Rekon­struk­ti­on alter Gebäu­de allein ist es daher nicht getan. Not­wen­dig wäre, daß die zeit­ge­nös­si­sche Archi­tek­tur von sich aus wie­der einer Bau­kul­tur folgt, die nicht die Funk­ti­on, son­dern den Men­schen in den Mit­tel­punkt ihres Schaf­fens stellt.

– – –

Claus‑M. Wolfschlag/Daniel Hoff­mann: „Und altes Leben blüht aus den Rui­nen“. Rekon­struk­ti­on in Archi­tek­tur und Kunst seit 1990, Graz: Ares-Ver­lag 2021, 221 Sei­ten, 29.90 Euro – hier bestel­len.

 

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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Kommentare (21)

Umlautkombinat

15. März 2022 18:37

> Paradebeispiel für die Rekonstruktionsbewegung ist natürlich Dresden, wo nach der Frauenkirche der ganze alte Markt wenigstens kritisch rekonstruiert wurde.

der der "Neumarkt" und derartig steril ist, dass ich keinen Dresdner kenne, der ihn in dieser Form besonders moegen wuerde.

 

Laurenz

15. März 2022 18:42

Somit der größte baugeschichtliche Sünder Deutschlands ist 

https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Hillebrecht

Habe das selbst leibhaftig in 2,5 Jahren (1998-2001) dort wohnhaft erlebt.

Auch die Veränderung Frankfurts bekam ich gut mit. Da ich dort eines der beiden humanistischen Gymnasien bis Mitte der 80er besuchte. Diese Veränderung Frankfurts war im Grunde aber nur möglich, weil die damalige CDU unter Walter Wallmann die Macht in Frankfurt ergriff. Damit wurde die Regentschaft des SPD-OB Rudi Arndt, genannt Dynamit-Rudi, der Spitzname spricht für sich selbst, beendet. Vor allem auf dem Land (Provinz) glaubte man bis tief in die 80er hinein, Beton sei Fortschritt. Ein gutes Beispiel ist die Ortsmitte von Weilmünster, wo man die Back- & Natursteinbauten zur Einfassung der Weil mit Beton ersetzte.

Den Palast der Republik zu Berlin hätte ich allerdings nicht abreißen lassen, so häßlich er war. Die DDR ist Teil unserer Geschichte und wäre mit diesem Bau repräsentiert geblieben.

RMH

15. März 2022 19:32

"Den Palast der Republik zu Berlin hätte ich allerdings nicht abreißen lassen, so häßlich er war."

Das neue Humboldt-Forum entschädigt genug und Berlin wird in seiner historischen Mitte wieder kompletter (aus meiner Sicht hätte man alle Fassaden des Humboldt-Forums barock gestalten dürfen - sollen). An ernsthaft erhaltenswerten DDR-Bauten oder DDR-Umnutzungen verfällt an anderer Stelle als in der "Hauptstadt" nach wie vor recht viel und es ist offenbar kein Geld da. Als ein Stichwort würde ich jetzt einmal die  Kulturhäuser (manchmal auch Kulturpalast genannt) nennen, da sind einige klasse Objekte dabei.

Liste der Kulturhäuser in der DDR – Wikipedia

Insgesamt bin ich auch der Meinung, wenn einem als Architekt schon nichts ernsthaft Eigenes als der ewige rechte Winkel einfällt, dann doch lieber Rekonstruktion oder gar an mancher Stelle "Historismus". Besonders schlimm empfinde ich es, wenn die neuen urbanen Großboxen (Optik wie Plattenbau, nur ohne offene Fugen und verputzt) auch noch mit dem Schlagwort "Bauhaus" schön geredet werden.

Nordlicht

15. März 2022 20:31

@Laurenz:

Zu Hillebrecht - Ich studierte und arbeitete von 1968 bis 1979 an der TH/TU/Uni und bekam den zweiten Teil der Herstellung einer "autogerechten Stadt" mit. Eine der letzten Untaten war die Zerstörung des Kröpcke, das klassische Ensemble wurde abgeklöst durch ein überdimensioniertes Beton-Kaufhaus, und in der Tieflage von dort zum Bahnhof mit dem künstlichen Namen "Passarelle" entwickelte sich schnell ein Drogenrevier.

Dass ab den 70er Jahren in vielen Städten die Straßenbahnen in den Untergrund glegt wurde, ist dem Gemeinde­verkehrs­finanzierungs­gesetz (GVFG) geschuldet. Den Städten wurden zu 10% der Erstellungskosten die U-Bahnen "geschenkt (60% Bund, 30% Länder"; dass deren Unterhalt vielfach teurer war as Straßenbahnen, hatte man in den Rathäusern nicht bedacht: Rolltreppen, Fahrstühle, Licht, Reinigung, Sicherheitsprobleme.

Kuonirat

15. März 2022 21:54

In Görlitz ist AfD-Förderer Winfried Stöcker bereits seit 2013 im Besitz des seit 2009 leerstehenden und leise vor sich hinbröckelnden Jugendstil-Kaufhauses, das er gerne sanieren und als Premium-Kaufhaus wiedereröffnen möchte. Allein: Bisher ist noch nichts passiert. Er macht sein weiteres Vorgehen von der Erlaubnis zum Abriss zweier denkmalgeschützter Stadt-Villen am Post-Platz abhängig, an deren Stelle er ein Parkhaus errichten will. Auch die architektonisch durchaus bedeutsame Funktionsrückseite (Lastenaufzugsturm, Laderampe etc.) des Kaufhauses soll nach seinem Willen abgerissen und durch einen Anbau absoluter Gesichtslosigkeit ersetzt werden. 

Personen wie Stöcker, die sich zwar ständig zu Deutschland bekennen, dann aber, wenn der Profit lockt, unwiederbringliche historische Bausubstanz vernichten, sind in meinen Augen Pseudo-Patrioten. Von ihnen gibt es leider viele, auch wenn es nicht immer die großen Bauherren sind. Im Herbst 2019 sagte GK einmal bei einer Podiumsdiskussion am Rande von Berlin in Richtung eines bekannten AfD-Politikers, dass ihm das Schicksal der Partei vollkommen egal sei, wenn es dieser letztlich auch nur um Konsum und Profit gehe, nur eben um einen Konsum und Profit von rechts. Dieser Traum sei ihm zu klein. Ich kann ihm da nur beipflichten. 

Volksdeutscher

15. März 2022 22:12

Häuser in solchen Städten wie Dresden müßten komplett abgerissen und die Stadt neu aufgebaut werden. Erst letzte Woche war ich dort und ich frage mich oft, auch wenn ich von der Stadt nur Photos sehe: Wie lange soll diese Stadt so bleiben? Und vor allem: Wie kann man so etwas dulden? Berlin wäre das andere Beispiel. Mein frei erwählter Mentor aus alten Zeiten, Karl-Heinz Bohrer erklärte das Phänomen damit, daß das deutsche Volk in zwei Weltkriegen seine Elite/Oberschichten verlor und nach dem II. WK nur noch ein mittelmäßiges kleinbürgerliches Milieu übrigblieb, das weder über geschichtliche Traditionen noch Stilvermögen verfügte. In beiden Teilen Deutschlands verwirklichte sich dieses Unvermögen auf zwei verschiedene Weise mit verheerenden ästhetischen Folgen. Im Osten zeigte es das Gesicht einer vergreisten Moderne, während im Westen das des häßlichen Individualismus.

Umlautkombinat

15. März 2022 22:49

> Häuser in solchen Städten wie Dresden müßten komplett abgerissen und die Stadt neu aufgebaut werden. Erst letzte Woche war ich dort und ich frage mich oft, auch wenn ich von der Stadt nur Photos sehe: Wie lange soll diese Stadt so bleiben? Und vor allem: Wie kann man so etwas dulden?

Vielleicht uebersehe ich hier Ironie. Obwohl ich selbst hier gerade eine kleinere diesbezuegliche Kritik hinterlassen habe, koennen Sie mit einer absoluten Aeusserung dieser Ausrichtung die Stadt nur sehr fragmentarisch gesehen haben.

 

Laurenz

15. März 2022 22:56

@Volksdeutscher

Die Elite existiert noch. Aber wer mag sich denn heute noch mit der politischen Kaste abgeben? Man kontaktiert maximal den Regierungschef.

@Nordlicht @L.

Die Schnellwege hätten gereicht. Die sind sehr gut organisiert. Aber die Messestadt Hannover verliert diesen Statuts immer mehr.

Hier ne Doku 

https://youtu.be/KbXAYv9Su9Y

und hier ein Interview

https://youtu.be/aYXctX5XA3c

Carsten Lucke

16. März 2022 18:53

@ Kuonirat

Wenn das wahr ist, was Sie schreiben (und davon gehe ich hier aus), kann ich in Zukunft nicht mal mehr die AfD wählen.

Das Große zeigt sich ja im Kleinen, das Erbärmliche im Jämmerlichen.

Ich war vor geraumer Zeit in Görlitz.

Das, was Sie andeuteten, darf nie passieren !

Volksdeutscher

16. März 2022 23:58

@Umlautkombinat

Das war etwas überpointiert ausgedrückt. Auf jeden Fall gäbe es aus meiner Sicht Etliches abzureißen, allen voran die Plattenbauten im Inneren der Stadt. Da käme eine ganze Menge zusammen Meine Fragen wie lange diese Stadt so bleiben soll und wie man so etwas dulden kann, stellen hilflose rhetorische Fragen dar. Aber wenn Sie das richtig lesen und richtig verstehen, werden Sie nicht umherkommen, zuzugeben, daß sie darüber hinaus berechtigt sind. Wenn Sie gute Antworten auf sie haben, lassen Sie mich bitte wissen.

Volksdeutscher

17. März 2022 17:35

@Laurenz

Diejenigen, die die Elite einer Volksgemeinschaft bilden, die sich aber auch als solche begreifen und betätigen, dürfte bei jeder Nation so etwa +/- 30% ausmachen. Der Rest, der sich nicht für Volk, Staat, Land und Kultur interessiert, sind als bloße Bewohner zu betrachten und zu behandeln, gleich, ob es sich um Deutsche oder Nichtdeutsche handelt.

Valjean72

17. März 2022 18:04

@Umlautkombinat:

"Neumarkt" und derartig steril ist, dass ich keinen Dresdner kenne, der ihn in dieser Form besonders moegen wuerde.

Ich bin kein Dresdner aber mich berührt das, was auf dem Neumarkt realisiert wurde immer wieder aufs neue. 

Kennen Sie Dresdner, welche die zeitgenössische Gestaltung von Postplatz und Wiener Platz der Neumarkt-Bebeauung vorziehen?

 

 

Kuonirat

17. März 2022 18:16

@ Carsten Lucke

„Das, was Sie andeuteten, darf nie passieren !“

Ich freue mich, dass Sie es auch so sehen.

Unser Land hat durch Krieg und modernisierungswütige Stadtplanung einen dermaßen starken Verlust an alter Bausubstanz erlitten, dass ich ein Gesetz für unbedingt erforderlich halten würde, das den Abriss von Gebäuden, die älter als 1945 sind, nur in sehr gut begründeten und extrem seltenen Ausnahmefällen zuließe. Zugleich müsste es staatliches formuliertes Ziel sein, dem Verfall entsprechender Altbauten mit entsprechend groẞzügig ausgestatteten Wiederaufbauprogrammen entgegenzuwirken. Dies alles würde geschehen, wenn eine konservative Partei, wie ich sie mir erträumte, die absolute Mehrheit erlangen würde.

Und dann müsste es noch regionale Bauschulen und Architekturgilden geben …

Leider ist unsere Welt eine andere.

Laurenz

17. März 2022 23:14

@Volksdeutscher @L.

Die obere Mittelschicht ist maximal 8% groß & bestreitet 40% des Steueraufkommens. In der Oberschicht zahlt man privat zwar auch Steuern, ist aber im Vergleich pillepalle. Die Oberschicht besteht maximal aus 2,5% der Bevölkerung. Deren Einkommen ist im wesentlichen körperschaftssteuerpflichtig, also 25%, lächerlich. Und der Cum-Ex-Skandal passierte ja nicht umsonst, weil selbst diese 25% vielen zu viel ist. Das Verfahren gegen Scholz wurde übrigens eingestellt, obwohl die Schuld Scholzens offensichtlich ist. Diesbezüglich waren wir schon zu FJS-Zeiten eine Bananenrepublik. Rechtsstaat, welch ein perverser Terminus.

Umlautkombinat

17. März 2022 23:43

@Valjean72

Wenn Sie so herangehen, finden Sie immer etwas - in jeder Stadt. Und da gibt es auch in Dresden bedeutend Schlimmeres. Kommen Sie doch mal nach Prohlis oder Gorbitz. Ich habe da gewohnt, DAS ist Platte, die Kategorie Marzahn oder Halle-Neustadt. Sie koennen natuerlich auch in mein Goldstaubviertel am Elbhang kommen, das ist dann der Gegenentwurf... Fragen Sie einmal die Frau Kositza, wie es so im Umfeld der Buchhandlung von Frau Dagen aussieht. Vielleicht hat sie ihr ja ein paar der Juwelen um das Blaue Wunder gezeigt...

Ich mag schon meine Stadt, aber die Dinge haben halt immer Ambiguitaeten. So wie etwas dran ist, dass manche Leute ein vergangenes Barock mit Gewalt holzschnittartig und tourismusvertraeglich festschreiben wollen, gibt es andere geschicktere Dinge. Der genannte Elbhang hat z.B. eine Satzung, die das Bauen von Gebaeuden ueber eine bestimmte Groesse/Hoehe verbietet. Das Zubauen der Elbe hat letztmalig die Flut 2002 vom Tisch gewischt, die Natuer war uns gewogen. Es gibt aber generell eine starke Sensibilitaet fuer solche Dinge in der Stadt. Und der Neumarkt ist eine ziemlich leblose Angelegenheit, die Frauenkirche als Zuender der Bebauung dort ist wieder eine andere Sache. Ich kenne die alte Ruine noch gut. Ich bin meine gesamte Jugend immer wieder daran vorbeigegangen.

 

Valjean72

18. März 2022 09:13

@Umlautkombinat

So wie etwas dran ist, dass manche Leute ein vergangenes Barock mit Gewalt holzschnittartig und tourismusvertraeglich festschreiben wollen

Mit Verlaub aber das ist doch Unsinn. Das Neumarkt-Areal ist insgesamt gesehen ein überschaubares Gebiet in Dresdens historischem Zentrum. Die Architektur der Moderne hatte und hat doch in  Dresden an deutlich mehr Stellen Gelegenheit bekommen und bekommt es weiterhin, zu zeigen ob sie es "drauf hat", Stadträume zu schaffen, in welchen die Menschen gerne flanieren und verweilen.

Jede Rekonstruktion musste der Stadt mühsam abgerungen werden, selbst der Wiederaufbau der Frauenkirche war alles andere als ein Selbstläufer und heute schmücken sich auch jene Kräfte mit dem wiederaufgebauten Ergebnis, die damals strikt dagegen waren.

Seit Jahren schon wird die Rekonstruktion des Narrenhäusels ausgebremst und der Neustädter Markt soll - geht es nach den Offiziellen der Stadt - sein sozialistisch-zeitgenössisches Antlitz bewahren.

Auch wenn es am Neumarkt das ein oder andere zu kritisieren gibt, so hat Dresden meiner Auffassung nach mit den realisierten Rekonstruktionen und Restaurierungen einen guten Teil seiner Identität (Seele) zurück erhalten.

 

 

Umlautkombinat

18. März 2022 09:53

> Mit Verlaub aber das ist doch Unsinn.

Warum muss man immer derart schnell in in diesen verabsolutierenden konfrontativen Ton verfallen? Nicht, dass ich das nicht selbst gelegentlich koennte und tue, aber man kann doch egal aus welcher persoenlichen Auffassung heraus nicht so tun, als ob es hier andere Positionen nicht gaebe und die keinerlei argumentative Unterlegung haetten. Natuerlich gibt und gab es immer die Bestrebungen eine gewisse Disneyvariante von Barockstadt unter August dem Starken zu erschaffen. Das stellt  ueberhaupt nicht in Abrede, dass es dahingehend auch starke andere Stroemungen mit einem anderen sehr viel lebhafterem Verstaendnis von Erhaltung gab und gibt. Und das nicht in kommunale Organisationformen gezwaengt, sondern in Breite (das meinte meine Bemerkung zu 'Sensibilitaet'). Und natuerlich hat man sich an Stadt und Land immer gerieben und musste durchsetzen. Ich kann hier aber nur wiederholen: Das engere Neumarktensemble mit seinen ueberteuerten Eigentumswohnungen fuer 'Neigschmeckte' wie sie in Baden sagen wuerden, das ist fuer die Dresdner die ich kenne - und in bald 60 Jahren kommen da etliche zusammen - nichts anderes als Fassade. Gewollt, aber nicht gekonnt.

> hat Dresden meiner Auffassung nach mit den realisierten Rekonstruktionen und Restaurierungen einen guten Teil seiner Identität (Seele) zurück erhalten.

Sehen Sie sich einfach an, wo die Einheimischen am Wochenende spazieren gehen, der Neumarkt ist es eher nicht. Dort wo sie sich tatsaechlich hinbewegen bekommen sie ein Mass dafuer, was die Leute als "Seele" sehen.

Valjean72

18. März 2022 11:31

@Umnlautkombinat:

Das mag möglicherweise daran liegen, dass Sie selbst von Anfang an einen konfrontativen Ton anschlugen: steril, mit Gewalt holzschnittartig, tourismusverträglich und nun noch das obligatorische Disney.

Ich bin 1993 und 1994 über die Neumarkt-Brache spaziert und so kann ich doch nachvollziehen, dass es alles andere als einfach war, in dieser städtebaulichen Ödnis nach Jahrzehnten des Brachliegens eine neues und lebendiges Quartier zu schaffen.

Selbstverständlich mussten nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten Kompromisse mit Investoren aber auch mit der "Modernisten-Fraktion" des Dresdner Stadtrates, Baurates eingegangen werden.

Auch die wenigsten Prager werden sich häufiger im innersten, von Touristen überrannten Stadtzentrum Prags aufhalten. Dennoch bleibt es das Herz der Hauptstadt Böhmens.

Und überhaupt, was soll denn die Lehre Ihrer Aussage sein? Den Neumarkt wäre besser dergestalt aufgebaut worden wie der Postplatz, Wiener Platz, Neustädter Markt oder die Neubebauung am Altmarkt ? So hätte man gewiss ausgeschlossen, dass sich Ströme von Touristen auf dem Neumarkt verirren.

In Dresden wie auch anderswo in den Städten der BRD hatte und hat die Architektur der Moderne mehr als genug Raum bekommen (und bekommt es nach wie vor), ihre Qualitäten zu zeigen und bis auf ganz wenige Ausnahmen scheitert sie mE jedes Mal, wenn es darum geht Stadträume zu schaffen, in welchen sich Menschen gerne aufhalten.

Umlautkombinat

18. März 2022 13:01

> an einen konfrontativen Ton anschlugen

Der war ueberhaupt nicht persoenlich addressiert - wie jemand "Unsinn" zu unterstellen - sondern auf eine bestimmte Betrachtungart einer Stroemung gemuenzt, die ich auch mehrfach als solche benannt habe.

> Auch die wenigsten Prager werden sich häufiger im innersten, von Touristen überrannten Stadtzentrum Prags aufhalten.

Falscher Vergleich. Den Zwinger - nur ein paar Schritte entfernt - betrifft das Gesagte naemlich z.B. nicht. Touristen, klar, jede Menge. Aber da geht eben auch ein Einheimischer nicht ungern durch (OK, i.M. ist der Innenhof etwas aufgerissen). Betraf die Innenstadt von Prag uebrigens frueher auch, aktuell weiss ich das allerdings nicht, ich war lange nicht mehr dort.

Lehren wollte ich nicht ziehen lassen. Die genannte Moderne  ist fuer mich aehnlich wahrsch. wie fuer Sie ebenso durchgehend haesslich. Der Punkt ist ja aber gerade dass sich dieser Architekturdreck in Dresden nicht in dem unbeschraenkten Mass durchsetzen kann und konnte wie anderswo. Sonst waere ja diese "Seele" nicht in diesem Umfang erhaltbar gewesen wie sie selbst sagen. Nur gehoert zu der eben nicht der Neumarkt. Und dabei moechte ich es belassen.

 

Volksdeutscher

19. März 2022 00:30

@Laurenz

Ich definiere die Elite einer Nation nicht an der Höhe des Einkommens, nicht einmal an der Zugehörigkeit zu einer höheren gesellschaftlichen Klasse, sondern an seiner mentalen und seelischen Präsenz für sein Volk. Das Reichtum eines Volkes mißt sich auch nicht ausschließlich an materiellen Gütern und Bankguthaben alleine, sondern auch an den geistigen und ästhetischen Leistungen, d.h. an all dem, was Menschen als Zugehörige einer Nation in Kunst, Wissenschaft und Technik hervorbringen. Im Gegensatz zu dem materiellen Reichtum kann man dieses geistige Reichtum nicht zählen, wiegen messen - und doch wahrnehmen. Ich habe mal mit einem Anwalt darüber disputiert, ob man einen Arbeiter als einen zur Elite Gehörenden betrachten kann....

Laurenz

19. März 2022 10:07

@Volksdeutscher L.

"definiere die Elite einer Nation nicht an der Höhe des Einkommens"

Ja, Sie tun das nicht. Sie sind aber nicht repräsentativ. Von daher spielt Ihre Meinung keine Rolle. Die Höhe der Einkommen, vor allem die der Oberschicht, bestimmen vieles im Land, zB ob die von Ihnen definierte Elite einen Job hat oder publizieren kann. Friede Springer & Liz Mohn haben schon Bundespräsidenten absägen lassen. Daß beide Protagonisten ihre Karriere vor allem horizontalen Talenten zu verdanken haben, ist normal, seit es Zivilisationen gibt. Mittlerweile setzt das Alter von 79. bzw. 80 Jahren den elitären Tätigkeiten sicherlich Grenzen. Die Neue Rechte leidet trotz besserer finanzieller Möglichkeiten durch die AfD in Parlamenten, vor allem am mangelnden Zugang zum Kapital.