Netzfundstücke (120) – Erinnern und Zwitschern

»Komm, wir wollen sterben gehen.«

Mit einem merk­wür­dig beklom­me­nen Gefühl der Unwirk­lich­keit starr­te ich auf eine blut­über­ström­te Gestalt mit lose am Kör­per her­ab­hän­gen­den und selt­sam abge­knick­tem Bein, die unauf­hör­lich ein hei­se­res »Zu Hil­fe!« her­vor­stieß, als ob ihr der jähe Tod noch an der Keh­le säße. (…) Was war das nur? Der Krieg hat­te sei­ne Kral­len gezeigt und die gemüt­li­che Mas­ke abgeworfen.

Ein Gra­na­ten­ein­schlag im Samm­lungs­ort Orain­ville des Füsi­lier­re­gi­ments 73 läßt Ernst Jün­ger die Illu­sio­nen über den Krieg ver­lie­ren. Bereits auf der drit­ten Sei­te von In Stahl­ge­wit­tern stellt sich mit dem an Jün­ger vor­bei­ge­tra­ge­nen ver­stüm­mel­ten Kör­per der Rea­lis­mus des »kal­ten Beob­ach­tens« ein, der für sei­ne Kriegs­schil­de­run­gen cha­rak­te­ris­tisch wer­den soll­te. Kei­ne undif­fe­ren­zier­te Hur­ra-Stim­mung, son­dern die Erkennt­nis über die eigen­tüm­li­che Natur­ge­walt des Krieges.

Eine ähn­li­che Ernüch­te­rung, die die Rea­li­tät des Ers­ten Welt­krie­ges abzu­bil­den such­te, läßt sich auch auf bri­ti­scher Sei­te fest­stel­len, wenn der eng­li­sche Lyri­ker Robert Nichols in sei­nem Gedicht The Assault schreibt:

Deaf­ness, Numb­ness. The lou­de­ning tornado.
Bul­lets. Mud. Stum­be­ling and skating.
My voice’s stran­gled shout:
»Ste­ady pace, boys!«
The still light: gladness.
»Look, sir. Look out!«
Ha! Ha! Bun­ched Figu­res waiting.
Revol­ver level­led: quick!
Flick! Flick!
Red as blood.
Ger­mans, Germans.
Good! Oh, good!

Cool mad­ness.

Die Begeis­te­rung ist einem gedämpf­ten Wahn­sinn gewi­chen; die Ver­klä­rung ertrinkt in den was­ser­ge­füll­ten Gra­nat­trich­tern des Nie­mands­lan­des der Schüt­zen­grä­ben an der Som­me und in Ver­dun. Dabei muß die Erkennt­nis über die Schre­cken des (moder­nen) Krie­ges und sei­ne zer­stö­re­ri­sche Gewalt kei­nes­wegs in einen welt­frem­den Pazi­fis­mus führen.

Viel­mehr mahnt sie uns davor, daß Krieg nur als das aller­letz­te Mit­tel der Poli­tik ein­ge­setzt wer­den soll­te, daß man mit ihm nicht leicht­fer­tig han­tiert. Außer­dem ringt sie uns Respekt vor den­je­ni­gen ab, die im Krieg die Waf­fen hal­ten. Wer ver­stan­den hat, was Krieg für alle dar­in Ver­wi­ckel­ten bedeu­tet, der wird sich in Zurück­hal­tung üben, und sofern er nicht Teil des Krie­ges ist, mit »küh­ler Scham« bedeckt halten.

Krieg ist kein (Computer-)Spiel, kei­ne Pop­corn-Hol­ly­wood-Empower­ment-Sto­ry, an des­sen Ende die Aven­gers mal wie­der den Tag geret­tet haben, indem sie das »Gute«, also den US-Libe­ra­lis­mus, gegen düs­te­re Hor­den verteidigten.

Doch betrach­tet man die Wort­mel­dun­gen der west­li­chen Jour­nail­le, der Mei­nungs­ma­cher und des Kom­men­ta­ri­ats seit dem 24. Febru­ar, dem Zeit­punkt als Ruß­land die Ukrai­ne angriff, könn­te man mei­nen, daß sich in Euro­pas Osten eine der­ar­ti­ge »Empower­ment Sto­ry« zuträgt.

Es setzt sich naht­los das fort, was vor­an­ge­gan­ge­ne Kri­sen bereits zeig­ten: Man suhlt sich in der Gewiß­heit, auf der »rich­ti­gen« Sei­te der Geschich­te zu ste­hen und per­p­etu­iert links­li­be­ra­le Erzäh­lun­gen zur Sta­bi­li­sie­rung der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Par­al­lel­welt (der ers­te Krieg seit 1945 in Euro­pa, Frau­en als wesent­li­che Leid­tra­gen­de des Krie­ges usw.).

Anstatt der gebo­te­nen Zurück­hal­tung domi­niert eine ent­rück­te Ver­klä­rung des Krie­ges in der Ukrai­ne, die auf eine ver­que­re Art und Wei­se an die Jubel­stim­mung von 1914 erin­nert; nur unter den Vor­zei­chen des 21. Jahrhunderts.

Doch wäh­rend man in den 1. Welt­krieg in der Annah­me hin­ein­stol­per­te, daß er noch unter ähn­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen wie bei­spiels­wei­se der Deutsch-Fran­zö­si­sche Krieg von 1870 bis 1871 aus­ge­tra­gen wer­den wür­de, und, von der tech­ni­schen Ent­wick­lung über­holt, in einer indus­tria­li­sier­ten Kno­chen­müh­le erwach­te, hat der Wes­ten heu­te jeden Bezug zum Krieg ver­lo­ren. Er kap­selt sich von sei­nen Rea­li­tä­ten gera­de­zu ab bzw. ist nicht mehr dazu in der Lage, die­se zu ertra­gen (sie­he bei­spiels­wei­se der öffent­li­che Umgang mit Viet­nam in den USA oder mit Afgha­ni­stan-Vete­ra­nen der Bun­des­wehr in der Bundesrepublik).

Die­se voll­kom­me­ne Ent­frem­dung vom Krieg führt dann unter ande­rem zu sol­chen Phä­no­me­nen, daß man die (rus­si­schen) Kampf­hand­lun­gen in der Ukrai­ne nur noch als Kriegs­ver­bre­chen zu kate­go­ri­sie­ren weiß. Ohne Fra­ge spielt dabei pro­pa­gan­dis­ti­sches Kal­kül eine wich­ti­ge Rol­le, den­noch ist es auf­fäl­lig, daß so man­cher auf­ge­brach­te Kom­men­tar im Blät­ter­wald selbst in gewöhn­li­chen Kampf­hand­lun­gen Kriegs­ver­bre­chen erken­nen möchte.

Zeit­gleich erhöht die­se Nai­vi­tät die pro­pa­gan­dis­ti­sche Anfäl­lig­keit, da sie bes­te Vor­aus­set­zun­gen schafft, das abso­lu­te Böse in den Feind zu pro­ji­zie­ren und mit Hil­fe mora­li­scher Auf­la­dung die Kon­flikt­be­reit­schaft der west­li­chen Bevöl­ke­rung zu erhö­hen: Bei­spiels­wei­se kann man so das Unter­las­sen der Ein­rich­tung einer Flug­ver­bots­zo­ne über der Ukrai­ne zu einer indi­rek­ten Betei­li­gung am Völ­ker­mord auf­bau­en, um den Wes­ten zu einer Inter­ven­ti­on für die »Mensch­lich­keit« zu bringen.

Möch­te man Berich­ten, die im Netz zir­ku­lie­ren, Glau­ben schen­ken, dann schei­nen aber selbst Frei­wil­li­ge mit Ein­satz­er­fah­rung im Irak- oder Afgha­ni­stan­krieg von der Inten­si­tät der Kampf­hand­lun­gen in der Ukrai­ne über­rascht wor­den zu sein. Nach einem rus­si­schen Angriff auf einen Trup­pen­übungs­platz nahe Lem­berg, auf dem inter­na­tio­na­le Frei­wil­li­ge für ihren Ein­satz zur Unter­stüt­zung der ukrai­ni­schen Trup­pen vor­be­rei­tet wur­den, kur­sier­ten Vide­os und schrift­li­che Stel­lung­nah­men von sicht­lich geschock­ten und des­il­lu­sio­nier­ten Söldnern.

Vor allem pro-rus­si­sche Kom­men­ta­to­ren spöt­tel­ten dies­be­züg­lich, daß es eben etwas ande­res sei, mili­tär­tech­nisch haus­hoch über­le­gen von ver­gleichs­wei­se siche­ren Basis­la­gern aus und mit einer unan­ge­foch­te­nen Luft­ho­heit auf »Zie­gen­hir­ten« in Afgha­ni­stan zu schie­ßen, als in einem Kampf zu ste­cken, der mit moder­nem mili­tä­ri­schem Mate­ri­al auf rela­ti­ver Augen­hö­he und auf kon­ven­tio­nel­le Wei­se geführt wird.

Dem­zu­fol­ge scheint der Krieg in der Ukrai­ne eben­je­nen Schre­cken zu ver­kör­pern, mit dem Jün­ger und Nichols in den Schüt­zen­grä­ben des Ers­ten Welt­kriegs kon­fron­tiert gewe­sen sind; einem Schre­cken, den wir uns als frie­dens­ver­wöhn­te West­eu­ro­pä­er nicht aus­ma­len kön­nen, und der allem Anschein nach auch man­chem kri­sen­ge­biets­er­fah­re­nen west­li­chen Söld­ner die Lust am Kampf genom­men hat.

Umso befremd­li­cher gera­ten unter die­sem Ein­druck Bei­trä­ge wie »Sind wir bereit, einen Atom­krieg zu füh­ren?«, »My view is basi­cal­ly that nuclear war is worth ris­king for some things, like kee­ping as much of Euro­pe free« oder »Des­halb müs­sen die Nato-Mit­glie­der JETZT han­deln. Sie müs­sen JETZT ihre Trup­pen und Waf­fen dahin bewe­gen, wo unse­re Wer­te und unse­re Zukunft NOCH ver­tei­digt wer­den«, die mal flugs von der Couch im woh­lig warm beheiz­ten Wohn­zim­mer in die Tas­ten gehau­en werden.

Ob die­sel­ben über­mo­ti­vier­ten, auf­ge­plus­ter­ten Stim­men dann, wenn ihre groß­mäu­lig vor­ge­brach­ten For­de­run­gen in die Tat umge­setzt wer­den soll­ten, noch bereit dazu wären, das ulti­ma­ti­ve Opfer zu brin­gen, das der ukrai­ni­sche His­to­ri­ker und Jun­g­eu­ro­pa-Autor Myko­la Krawtschen­ko nord­west­lich von Kiew erbrach­te, als er am 16. März bei But­cha fiel, darf bezwei­felt werden.

Wohl noch nie in unse­rer west­eu­ro­päi­schen Geschich­te lag der Krieg der­art außer­halb unse­res Erfah­rungs­ho­ri­zonts wie heu­te. Und wohl noch nie in unse­rer west­eu­ro­päi­schen Geschich­te haben wir ihn, syn­the­ti­siert aus der Mas­sen­dy­na­mik in den Sozia­len Medi­en, der­art infan­til hoch­sti­li­siert wie heute.

»Das war der Vor­teil in der Kuba­kri­se. Es gab kein Twit­ter«, kon­sta­tier­te der Jour­na­list Frank Lüb­ber­ding treffend.


Die letz­te deut­sche Gene­ra­ti­on, die vom Krieg noch zu berich­ten weiß, stirbt lang­sam aus. Spu­ren ver­schwin­den, Schick­sa­le ver­blas­sen und mit ihnen die ver­lo­re­ne Hei­mat im Osten.

Chris­tia­ne Hoff­mann, vor­mals Spie­gel und mitt­ler­wei­le Ers­te Stell­ver­tre­ten­de Spre­che­rin der Bun­des­re­gie­rung, ver­sucht das Ver­blas­sen noch etwas hin­aus­zu­zö­gern, indem sie sich ent­lang der Erin­ne­run­gen ihres Vaters auf den Weg macht. 550 Kilo­me­ter läuft sie von Rosen­thal (Rózy­na) in Nie­der­schle­si­en gen Wes­ten, auf der Rou­te, die ihr damals 9jähriger Vater auf der Flucht vor der Roten Armee nahm.

Eine beson­de­re Wan­de­rung, die sie in Alles, was wir nicht erin­nern. Zu Fuß auf dem Flucht­weg mei­nes Vaters schrift­lich festhält.

»Ihr Buch über­führt die Erin­ne­rung an Flucht und Ver­trei­bung ins 21. Jahr­hun­dert«, beschriebt der Ver­lag Hoff­manns fami­li­en­his­to­ri­schen Rei­se­be­richt, »und mahnt an die Schre­cken des Krie­ges, es ver­schränkt die Fami­li­en­ge­schich­te mit der His­to­rie, Zeit­zeu­gen­be­rich­te mit Begeg­nun­gen auf ihrem Weg. Doch es ist vor allem ein sehr per­sön­li­ches Buch, geschrie­ben in einer lite­ra­ri­schen Spra­che, eine Suche nach dem Vater und sei­ner Geschich­te, nach dem, was er ver­dräng­te, um zu überleben.«

Sezes­si­on-Lite­ra­tur­re­dak­teu­rin Ellen Kositza emp­fiehlt es wärmstens:

Alles, was wir nicht erin­nern. Zu Fuß auf dem Flucht­weg mei­nes Vaters kön­nen Sie direkt hier, bei Antai­os, dem größ­ten kon­ser­va­ti­ven Ver­sand­buch­han­del bestellen.


Das Twit­ter-Kon­to von Antai­os-Autor Man­fred Klei­ne-Hart­la­ge wur­de gesperrt. Zum zwei­ten Mal, denn nach­dem es durch eine erfolg­rei­che juris­ti­sche Inter­ven­ti­on wie­der ent­sperrt wor­den war, hing Twit­ter Hart­la­ge erneut das Schloß vor:

Seit Don­ners­tag ist mein Twit­ter-Account @korrektheiten, auf dem ich regel­mä­ßig Arti­kel aus alter­na­ti­ven Medi­en ver­lin­ke, gesperrt. WIEDER gesperrt. Und wie­der ist es ein Arti­kel aus Sci­ence Files über Covid-19-Imp­fun­gen und deren Wir­kun­gen, der ohne nähe­re Begrün­dung als Vor­wand her­hal­ten durfte.

Dabei war es erst ein paar Tage her, dass Twit­ter nach einer Abmah­nung mei­nes Anwalts den Account wie­der frei­schal­ten muss­te, den es auf­grund eines ganz ähn­li­chen Arti­kels Anfang Febru­ar gesperrt hatte.

Hart­la­ge will es auch dies­mal nicht auf sich beru­hen las­sen und gedenkt nicht, vor der Zen­sur des Kon­zerns ein­zu­kni­cken. Mit der Unter­stüt­zung des vom Bür­ger­netz­werk Ein Pro­zent ins Leben geru­fe­nen Soli­fonds möch­te er gegen Twit­ter erneut juris­tisch vorgehen.

Der Soli­fonds hat Hart­la­ge beim ers­ten Mal gehol­fen und natür­lich sind wir auch jetzt an Bord. Helft mit und lasst uns Twit­ter eins auswischen!

Über­wei­sen Sie direkt oder digi­tal hier:

Kon­to­in­ha­ber: Ein Pro­zent e.V.
IBAN: DE97 8505 0300 0221 2132 60
BIC: OSDDDE81XXX
Kenn­wort: Kleine-Hartlage

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Kommentare (16)

Allnichts

19. März 2022 18:03

Das ist mir genau wie beim letzten Mal zu einseitig. Die Verklärung des Krieges, die Erklärung, für die gute Sache und damit auf der richtigen Seite zu stehen, die allgemeine Verteufelung des Gegners, die konkrete Anschuldigung, der Gegner würde Kriegsverbrechen begehen - das findet sich alles auf der russischen Seite genauso, das ist wohl auch einfach Teil des Krieges, jedes Krieges, sonst ginge niemand hin.

Leider habe ich bei Jonas Schicks Beiträgen zum Ukraine-Krieg den unangenehmen Eindruck, er würde hauptsächlich dafür genutzt, gegen die eigenen Gegner zu argumentieren.

Niekisch

19. März 2022 18:14

"Umso befremdlicher geraten unter diesem Eindruck Beiträge wie »Sind wir bereit, einen Atomkrieg zu führen?«, »My view is basically that nuclear war is worth risking for some things, like keeping as much of Europe free« oder »Deshalb müssen die Nato-Mitglieder JETZT handeln. Sie müssen JETZT ihre Truppen und Waffen dahin bewegen, wo unsere Werte und unsere Zukunft NOCH verteidigt werden«"

Nicht nur befremdlich, sondern erschreckend für mich war heute die Titelzeile eines Berichts in meiner Heimatzeitung "Ein bißchen Atomkrieg". Es wird nun schon darüber spekuliert, ob ein Einsatz taktischer Atomwaffen auf der russischen Seite im Gebiet der Ukraine von westlicher Seite mit von der Marinebasis Kitsap vor Seattle aus interkontinental abzuschießenden "Anti- Putin -Raketen W76-2, sog. Low - Yield - Raketen, zu beantworten sei. 

Unsere Verwalter in Berlin sollten allmählich begreifen, daß sie an einer solchen Entwicklung mitschuldig sind, indem sie durch Waffenlieferungen mithelfen, Putin in eine Lage zu bringen, die in ihm die Überlegung heranreifen läßt, als letztes Mittel Atomwaffen einzusetzen. 

Und  w i r   sollten uns zumindest in Gedanken und Worten davor hüten, Öl ins Feuer zu gießen. 

Laurenz

19. März 2022 19:29

@JS

Das Phänomen "Krieg" haben Sie schön oder besser (be)treffend beschrieben.

Allerdings empfehle ich Ihnen eine Reise durch Ex-Jugoslawien. 2008 fuhr ich mit dem Motorrad vom Wurzenpaß aus durch Slowenien, Kroatien & Bosnien meist über Kreisstraßen. Anders als bei uns, riß man tausende verbrannte, zerschossene Häuser (leibhaftig gesehen) nicht ab, sondern baute einfach neue Häuser neben die Kriegsruinen. Vielleicht kann man sich an den Anblick gewöhnen, aber als ich Friedensverwöhnter das sah, mußte ich bewußt meine Contenance waren. Im Kosovo- & Bosnienkrieg durfte man sich noch viel mehr die Frage stellen, wofür man diese Kriege führte? & man darf dabei auch an Bismarck denken. Sie, JS, kennen ja persönlich jemanden, der dort war & den Sie danach fragen können.

Der elementarste Unterschied des I. Weltkriegs zum preußisch-französischen - oder auch zum Ukraine-Krieg ist die Größenordnung. Weder im preußisch-französischen-, noch im Ukraine-Krieg braucht/e man die Frauen in die Produktion schicken.

RMH

19. März 2022 19:38

Krieg?

Es handelt sich in der Ukraine bekanntermaßen lediglich um eine militärische Sonderaktion zur Entnazifizierung der Ukraine. 

PS: Versucht doch mal bitte einer (es gibt ja einige, die sich guter Beziehungen nach Russland rühmen), diesen Artikel in Russland auf russisch direkt dort (nicht über ausländische Server) veröffentlicht zu bekommen.

Nemo Obligatur

19. März 2022 20:46

Die Rezension von EK war die bisher beste, die ich von ihr gesehen habe.

Man wird auch als Nachgeborener nicht so leicht fertig mit der Geschichte von Flucht und Vertreibung. Und je älter die eigenen Eltern werden, um näher scheint es für sie manchmal wieder zu rücken. Ein Teil meiner Familie stammt nun also ungefähr aus der Gegend, die in dem Buch beschrieben wird.

Als ich vor Jahren dort zu tun hatte, war ich dorthin mit dem Zug unterwegs. Es war schon dunkel. An einem Zwischenhalt in einem kleinen Ort mit halb verfallenen Bahnhofshäuschen habe ich versucht, mich durch einen Blick aus dem Fenster über den Stand meiner Reise zu orientieren. Ich las auf dem schlecht beleuchteten, uralten Bahnhofsschild in altertümlicher, gotischer Schrift "Niederoderwitz". Gott allein weiß, wie so ein altes Schild die DDR und fast 20 Jahre Modernisierung im neuen Deutschland hinaus überlebt hatte. Mir sagte der Ortsname nichts, aber vielleicht wegen des kuriosen Schildes hatte ich ihn mir gemerkt. Einige Zeit später habe ich dann von meinem Vater erfahren, dass genau dort in diesem Ort meine Urgroßmutter auf einem Abschiebetransport aus Schlesien im Sommer 1945 verstarb. Sie muss genau dasselbe Bahnhofsschild gesehen haben, wenn sie noch etwas sah.

Kositza: Danke! Und sehr bewegend. ich wurde von ähnlichen "mystischen" Begebenheiten dort auch schon emotional aufgeladen.

Fonce

19. März 2022 21:22

Der Westen müsste die Blickrichtung leicht verschieben und sich fragen: „Warum passiert uns Putin“. –  Die unterste Schicht (die oberen Schichten wie Nato, Waffenlieferung nützen wenig) ist die westliche Mission der Werte der französischen Revolution und deren Fortsetzungen* (Rassenvermischung, Homosexuellen(u. ähnl.)-Kult, Clown-World). Es wäre wirklich eine interessante Frage, was passieren würde, wenn der Westen Putin vorschlagen würde, dass der Westen die oben erwähnten Fortsetzungen* per Gesetz verbieten würde, wenn Putin im Gegenzug die Ukraine freilässt. Vielleicht steckt ein geheimer Fluch genau in den letzten drei oben erwähnten Fortsetzungen*. Ein solcher ideologischer Kniefall des Westens wäre eine ausreichende Kriegsbeute für Putin, die ihm ewigen Ruhm sichern würde, und auch im Westen wären eigentlich alle froh wenn man wieder zurück zu einer minimalen Würde gefunden hätte (dank Putin). Vielleicht funktioniert die Welt viel einfacher als man meint.

RMH

19. März 2022 21:35

Meine beiden Großväter haben im WK1 gekämpft, der eine davon ab 1914 an der Westfront (MG-Schütze) der andere bei den k.u.k. Truppen an der Ostfront. Beide haben kein Wort in ihrem Leben mehr darüber verloren (so meine Eltern), der eine von beiden wurde 45 als Zivilist von den Tschechen erschlagen. Mein Onkel und auch Tanten (Flakhelferinnen) waren im WKII. Mein familiärer Bedarf an Krieg ist mehr als gedeckt. Und so ähnlich geht es vielen in Deutschland und ich sehe keine Kriegsbegeisterung anlässlich der Ukraine. So ziemlich alle Deutschen dürften vererbte Kriegstraumata haben (wurde hier schon mehrfach in den Debatten angesprochen - Bücher dazu auch besprochen) - das erklärt vermutlich auf einer tieferen Ebene, warum so eine emotionale Welle durch das Land geht. Die sog. "alte Heimat" habe ich nach dem Fall des eisernen Vorhangs in Tschechien mit dem Auto abgefahren. Damals sah es auf dem Land vielfach noch so aus, als ob erst vor 10 oder 20 Jahren die Deutschen vertrieben wurden. Vielfach Leerstand, teilweise runtergerockt von Zigeunern, die die Häuser zwischennutzten. Heute steht da, wo die alte Muster-Arbeitersiedlung (gerade Österreich war hier oft vorbildlich) war, in der die Großeltern lebten, ein großes neues Werk eines Zulieferers.

 

Marc_Aurel

19. März 2022 22:55

@Niekisch
Mir bereitet diese Entwicklung auch große Sorge, „so ein bisschen Atomkrieg“ wird es nicht geben, auf die taktischen Kernwaffen folgt kurze Zeit später der große Schlagabtausch...

Wir sehr bräuchten wir jetzt eine Regierung, die ernsthaft und verantwortungsbewusst deutsche Interessen vertritt und die entweder versucht zu vermitteln oder sich wenigstens raushält, anstatt sich weit vorn mit in diesen Stellvertreterkrieg hineinziehen zu lassen, der uns nichts bringen, aber viel kosten wird.

Franz Bettinger

19. März 2022 23:11

Sie würden es tun, wenn sie’s könnten: Russland bekriegen und auslöschen. Es kann nur einen einzigen Grund geben, warum die traditionell interventionistisch und mörderisch gestimmte NATO (trotz all des Kriegsgeschreis) nicht den direkten Waffengang gegen Russland sucht (egal an welcher Grenze; es muss gar nicht die Ukraine sein). Sie sieht ganz realistisch, dass sie militärisch dazu zu schwach ist. Und basta.

Franz Bettinger

20. März 2022 03:51

@Laurenz: Wir haben die verbrannten Häuser auch gesehen, ich glaub, in Bosnien war’s und in Montenegro (beim Kajak-Fahren). Wir haben uns auch gewundert, wieso diese hohläugigen schiefen Ruinen noch stehen wie schwärende Wunden. Deshalb! Es sind Mahnmale, die die Erben bzw. ehemaligen Besitzer (Vertriebene, Vergewaltigte, Ermordete, Hinterbliebene) als Stachel im Fleisch der Täter zurück lassen. Absichtlich. Es soll wehtun. Und das tut es.

RMH

20. März 2022 11:45

"und ihm die Völker-Schlacht gewann."

Völkerschlacht bei Leipzig – Wikipedia

@F.B.,

zu viele Kiwis gegessen? Sowas darf in diesem Forum nicht passieren. Aber Sie tippen ja gerne mal aus dem Bauch raus einfach drauf los ...

KlausD.

20. März 2022 14:01

@ Franz Bettinger  20. März 2022 03:38 

" ... Truppe Napoleons, die ... auf Leipzig zurückte und ihm die Völker-Schlacht gewann."

Pardon - Napoleon hat die Völkerschlacht bei Leipzig nicht gewonnen, sondern verloren, womit die französische Herrschaft in Deutschland beendet wurde.

Besuchen Sie das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig:

https://www.leipzig.de/freizeit-kultur-und-tourismus/tourismus/sehenswuerdigkeiten/voelkerschlachtdenkmal

quarz

20. März 2022 16:27

@Thomas

"Ich glaube an das Selbstbestimmungsrecht der Völker, selbst wenn ihre Regierungen korrupt, unmoralisch oder tyrannisch sein sollten, hat niemand das Recht in dieses Land einzumarschieren."

Offenbar glauben Sie eher an das Selbstbestimmungsrecht der Staaten. Denn dass die Ukraine den ethnischen Gruppen auf ihrem Staatsterritorium das völkerrechtlich vorgesehene Selbstbestimmungsrecht verweigert und eine an Mussolinis Sprachpolitik in Südtirol erinnernde ethnische Gleichschaltung betreibt, ist ja gerade einer der Gründe, die Russland als Rechtfertigung für seine Invasion nennt.

Es sei jetzt dahingestellt, ob diese Politik den militärischen Angriff tatsächlich rechtfertigt, aber wenn in diesem Zusammenhang das Selbstbestimmungsrecht der Völker ins Treffen geführt werden kann, dann sicher nicht zu Gunsten der Ukraine, eher im Gegenteil.

Nemo Obligatur

20. März 2022 18:29

"Ich kann allen Nachkommen von Vertriebenen nur empfehlen, sich schlau zu machen, was ihnen genommen wurde. Wenn die Polen so weiter machen, wird es bald wieder mal kein Polen mehr geben. Das geht, auch wie die Wende, manchmal schneller als man denkt.

Um aber tatsächlich Ansprüche zu erleben, müßte die AfD dafür sorgen, daß die nukleare französische Bedrohung gegen uns verschwindet ...

-- -- --

Mir ist völlig unklar, was solche im Ton und in der Sache völlig überzogenen Beiträge motiviert und welche Absichten der Verfasser damit verfolgt. Normalerweise ignoriere ich so etwas, aber hin und wieder muss man es auch mal sagen, wenn man etwas für Blödsinn hält.

kommentar kubitschek:
Sie haben völig recht, ich habe den kommentar gelöscht.

Franz Bettinger

20. März 2022 22:03

@RMH, @Klaus: Sie haben recht, so eine Verwechselung sollte nicht passieren. Der von mir vermutete Langstrecken-Rekord im Marschieren, 95 km in 30 Stunden mit Gepäck, entschied ? 1805 die 3-Kaiser-Schlacht von Austerlitz. Hier (ab 1:04’) die Passage, auf die ich mich beziehe: https://www.youtube.com/watch?v=2A-SJM6ilbo

Waldgaenger aus Schwaben

20. März 2022 22:12

Es riecht nach Krieg, dem ganz großen. Auf meine zutreffende Prognose vom 24.2. hatte ich habe ich schon verwiesen. Ebenso lag ich mit der Impfpflicht in Österreich richtig, die so manchen hier in Schnappatmung verfallen ließ, und die jetzt ausgesetzt wird, weil nicht durchsetzbar (wie ich vorhersagte).

Ich hoffe inständig, mich zu täuschen, aber die Lage ist mindestens so ernst wie in der Kubakrise 1961. Die Ursache (nicht Schuld; moralische Begriffe sind hier fehl am Platze) liegt bei Putin, der einen katastrophalen Fehler begangen hat, als er die bedingungslose Kapitulation der Ukraine ("Nazibanden vernichten") als Kriegsziel verkündete. Jeder Führer, der halbwegs klar im Verstand ist, hätte ein erreichbares Ziel verkündet ("Beenden des feindlichen Beschusses auf die neuen Volksrepubliken ") und dann je nach Verlauf weitere Ziele hinzugenommen oder nach Erreichen der Minimalziele den Sieg verkündet und die Kampfhandlungen eingestellt.

Putin steht nun mit dem Rücken zur Wand, erreicht er sein Ziel nicht, ist er politisch und vielleicht auch physisch am Ende. Er hat keine Exit-Strategie. Auf der anderen Seite wird die NATO nicht stillhalten, wenn Kiew mit hunderttausenden von Toten dem Erdboden gleichgemacht wird und die russische Armee dann auf das mit Flüchtlingen überfüllte Lemberg zumarschiert.

Eine Verhandlungslösung müssen beide Seiten ihrem Volk verkaufen und mit jedem Toten wird dies schwieriger.

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