Die Haltung rechter Parteien zu rechten Bewegungen ist von ihrer – oft unbewußt befolgten – Strategie geprägt. Wie in meinem letzten Beitrag beschrieben, folgt die AfD ebenso wie einige Teile der FPÖ derzeit noch dem „Parlamentspatriotismus“. Hier geht es um Stimmenmaximierung um jeden Preis. Distanzierung und Anbiederung bestimmen die gängige Praxis.
Auch die Haltung zum „Vorfeld“ ist davon geprägt und führt zu einem falschen Einsatz der personellen und finanziellen Ressourcen. Schon der Begriff des „Vorfelds“ ist vielleicht Ausdruck des Parlamentspatriotismus, da er alle außerparlamentarischen Akteure des rechten Lagers als „Peripherie“ darstellt.
Aus metapolitischer Sicht ist jedoch das Parlament mitnichten Zentrum der politischen Macht. Vielmehr könnte sogar die Partei als „Vorfeld“ der entscheidenden metapolitischen Akteure gesehen werden. Die LINKE und die Grünen wirkten in der Vergangenheit oft nur als „parlamentarischer Arm“ und Vorfeld eines gesellschaftspolitischen, links-progressiven Machtzentrums. Dieses agierte effektiv und planmäßig außerhalb des Parlaments. Ich bevorzuge daher den Begriff „Umfeld“, da dieser wertneutral ist. Die Partei ist Teil des „Umfelds“ der Bewegung und umgekehrt.
Im rechten Lager können wir fünf Bereiche voneinander abgrenzen, die zusammen Mosaik und Umfeld bilden: Die Partei, die Gegenöffentlichkeit, die Theoriebildung, die Gegenkultur und die „Bewegung“ in Form einer Avantgarde und einer Massenbewegung. Dieser Text soll sich auf das letztgenannte Segment des rechten Lagers fokussieren. Die richtige Beziehung von Aktionsgruppen sowie Bürgerbewegungen zu Rechtsparteien ist die Grundlage einer revolutionären, rechten Metapolitik. Aus meiner persönlichen aktivistischen Erfahrung leite ich drei Prinzipien ab, die in der Leitstrategie der „Reconquista“ das Verhältnis prägen.
1. Die Bewegung ist keine Bedrohung, sondern Partner.
Viele Parteipolitiker sehen das Umfeld und insbesondere Bürgerbewegungen und Aktionsgruppen als latente Bedrohung. Sie seien unkontrollierbare „freie Radikale“, die „von der Presse gegen die Partei instrumentalisiert“ werden. Am besten hat man zu ihnen gar keinen Kontakt. Wenn, dann oft nur, um sie inständig zu bitten, Wahlkampfveranstaltungen „unbedingt fern zu bleiben“ und „vor dieser wichtigen Wahl“ ausnahmsweise „die Füße still zu halten“. Die Bewegung wird als Haufen nerviger, naiv-idealistischer „Fundis“ betrachte, die man irgendwie abspeisen und ruhigstellen muß, damit keine Partei rechts der eigenen Partei entsteht. Abgesehen davon stören sie aber nur bei der pragmatischen Umgarnung des sagenumwobenen gemäßigten Wechselwählers der „Mitte“.
Stattdessen gebietet eine Leitstrategie der Reconquista, die Bewegung als Partner in einem metapolitischen Kampf zu erkennen und zu behandeln. Ziel ist nicht nur der Einzug ins Parlament, sondern ein Umpflügen der gesamten politischen Landschaft. Der „Klimawandel“ der öffentlichen Meinung macht den Aufbau nachhaltiger und damit auch parlamentarische Macht erst möglich. Die Bewegung kämpft nicht um Sitze im Parlament, sondern um die Straße und die Köpfe. Ihre Aufgabe ist es – mitunter als radikale, aber nie extreme Flanke – rechte Ideen und Konzepte zu popularisieren und zu normalisieren. Sie rodet als metapolitischer Pionier das politische Brachland jenseits der Grenzlinie namens „Overtonfenster“. Erst durch diese Vorarbeit kann sich die Partei später dort thematisch ansiedeln und politische Veränderungen umsetzen.
2. Die Bewegung ist weder Personalreservoir noch Wahlkampfhilfstruppe.
Aus Punkt 1 folgt, daß die Bewegung kein Rekrutierungsbecken für junge, loyale und kreative parlamentarische Mitarbeiter ist. Eine Partei nutzt die Tatsache aus, daß nur sie (im Unterschied zu den anderen Bereichen des rechten Lagers) eine gewissen Erwerbssicherheit bieten kann. Ohne böse Absicht grast sie schonungslos junge Talente aus den anderen Segmenten des rechten Lagers ab. Viele sind dankbar für die vermeintliche Chance, ihre politische Gesinnung zum stabilen Brotberuf zu machen. In einer populistischen Partei, die dem Parlamentspatriotismus frönt, werden sie jedoch aus dem metapolitischen Kampf ausgeschaltet und ihre Talente oft vergeudet.
Den gesicherten Erwerb erkaufen sie mit der Aufgabe des Aktivismus, der gesellschaftspolitischen Strahlkraft und oft genug durch einen Bruch mit dem alten Umfeld. Aufgrund ihrer Vita auf die Partei als Arbeitgeber angewiesen, sind diese „abgeworbenen“ Idealisten meist loyale, „kontrollierbare“ Arbeitskräfte, die oft aus Idealismus mehr leisten als nötig. (Selbstverständlich enden Aktivistenkarrieren oft in der Parteipolitik. Diese Kritik richtet sich gegen die Gefahr der „Parlamentarisierung“ einer ganzen jungen Generation.)
Oft setzt die Partei auch zu Wahlkampfzeiten gerne auf das aktivistische Umfeld. Rechtzeitig vorher werden Kontakte intensiviert, Versprechungen gemacht und Hoffnungen geschürt. Ziel ist es, Aktivisten als verläßliche Wahlkampfhelfer einzuspannen. Nach der geschlagenen Wahl endet das Entgegenkommen aber meist abrupt. Das Ausbluten des Umfelds in Richtung Partei schwächt jedoch auch andere Bereiche des rechten Lagers. Das folgt der Strategie des Parlamentspatriotismus, die Theoriebildung, Gegenkultur und Bewegung keine echte Bedeutung beimißt. Die Kampagnenarbeit der Bewegung ist auch vor und nach Wahlkampfzeiten entscheidend, da es dabei nicht um eine punktuelle Stimmenmaximierung, sondern um eine langfristige Beeinflussung des Meinungsklimas geht. Andere Bereiche des rechten Lagers sind keine infantilen Spielwiesen, aus denen man Talente abziehen muß, um sie in die vermeintlich „echte“ und einzige politische Arbeit in der Partei einzubinden. Stattdessen sollte die Partei gezielt außerparlamentarische Akteure fördern und einen festen Teil ihrer Ressourcen in die Unterstützung des Umfelds und insbesondere die Hochschulpolitik lenken.
3. Statt Ignoranz und Distanzierung braucht es Engagement und informelle Vernetzung
Die klassische Haltung der Partei zur Bewegung besteht aus Distanzierung und Opportunismus. Die beste Bewegung ist aus der Sicht der Partei gar keine (oder, wie gesagt, eine kleine kontrollierbare Gruppe, die bei Bedarf Wahlkampfhilfe leistet und aus der man loyale Idealisten rekrutieren kann.) Eine Bewegung, die eigenständig metapolitische Ziele verfolgt, und von Zeit zu Zeit auch die Partei kritisiert, wird als Kontrollverlust und Bedrohung wahrgenommen, und man reagiert mit öffentlicher Distanzierung. Diese löst eine Spirale der gegenseitigen Kritik und Beschimpfung aus, die Chaos im neurechten Lager erzeugt.
Stattdessen gilt es über Schnittstellen und Schlüsselfiguren ein informelles Informationsnetz zwischen Partei und allen Teilen der neurechten außerparlamentarischen Opposition aufzubauen. Probleme sind so (rasch und ohne der linken Presse eine „Show“ zu bieten) intern zu klären. Das setzt natürlich voraus, daß sich auch die rechten Bewegungen und die rechte Gegenöffentlichkeit vernünftig verhalten, sprich einer Strategie der „Reconquista“ folgen.
Parteien wie die AfD und die FPÖ müssen verstehen, daß sie – gerade in ihrer Rolle als einzige, echte Opposition – stets ein idealistisches und dynamisches „Vorfeld“ haben werden.
Das ureigene Interesse der Partei, daß in eben diesem Umfeld keine gefährlichen, extremistischen Bewegungen oder Konkurrenzparteien entstehen, kann nur über ein aktives und entgegenkommendes Engagement erreicht werden. Distanzierung, Abgrenzung und Ignoranz bewirken das Gegenteil. Es wird immer rechte Theoriebildung, Gegenkultur, Gegenöffentlichkeit und Bewegungen geben. Die Partei hat immer ein Umfeld. Sie kann dieses pflegen, strukturieren und mitorganisieren – oder es ausbeuten, ignorieren und verwildern lassen. Letzteres rächt sich aber früher oder später immer selbst.
Was kann die Partei konkret tun, um diesen Prinzipen zu folgen? Ich will zum Abschluß des Textes zwei konkrete Beispiele liefern, welche die Theoriebildung und die Bewegung betreffen.
1. Aufbau rechter Hochschulpolitik
Im Parlamentspatriotismus wird Studentenpolitik links liegen gelassen. Sie verspricht keine unmittelbare Stimmenmaximierung und vergeudet damit – aus einer strategisch falschen Sicht!- nur Ressourcen.
Tatsächlich entscheidet sich im Kampf um die Uni und um die Köpfe jeder Generation die Hegemonie über das wahre Machtzentrum der Gesellschaft. Hier bietet sich über das bestehende Netzwerk konservativer Studentenverbindungen ein ideales, soziokulturelles Fundament, für eine rechte Studentenbewegung. Diese wird (und muß) vorerst keinen Einzug in Studentenparlamente schaffen. Aber allein ihre Präsenz und ihr Aktionismus in Nähe der Hochschulen wird zahlreiche Studenten positiv beeinflussen und ins rechte Lager holen. Die rechte Partei kann durch die Ausschreibung von Stipendien und die Gründung von rechten Stiftungen in Kooperation mit rechten Studentenverbindung viele junge Rechte dazu motivieren, eine geisteswissenschaftliche, metapolitisch wertvolle Fächerwahl zu treffen. Vorbilder sind hier Projekte wie der “Jungeuropa Verlag”, oder die „Gegenuni“ und das „IfS”.
2. Aufbau eines Rechtshilfekollektivs und Bürgerbüros
Eine „blaue Hilfe“, bestehend aus einem Büro und einigen rechten Anwälten, würde den Bürgerbewegungen und Aktionsgruppen ungemein helfen. Dieses Rechtshilfebüro muß nicht offiziell Teil der Partei sein. Es reicht, wenn diese personelle und finanzielle Ressourcen dafür bereitstellt. Bei Anmeldungen von Kundgebungen, ungerechtfertigten Politprozessen, bei der Gründung von rechten Unternehmen und Vereinen und vielen anderen Gelegenheiten könnte dieses Büro kostenfrei bis kostengünstig rechte Akteuere unterstützen.
Gezielt könnte die Partei so auch das nötige informelle Netzwerk aufbauen und gezielt vernünftigen, und paktfähige Gruppen im Umfeld förden. Dieses Büro diente auch als organisatorischer „Fender“, der zu enge Kontakte oder Reibungen von Bewegungen und Einzelpersonen mit der Partei verhindern kann.
Es wäre ein Instrument der Vertrauensbildung und hätte auf die aktionistische Rechte eine stabilisierende, strukturierende Wirkung. Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft der Partei, dauerhaft personelle und finanzielle Ressourcen für ein Projekt zu binden, das aus rein parlamentspatriotischer Sicht scheinbar sinnlos ist.
Neben diesen Beispielen gäbe es mit dem Aufbau eines alternativen Marktingbüros, einer Druckerei, Detektei oder eines Sicherheitsunternehmens, zahllose weiter Möglichkeiten für die Partei, sinnvoll in das Umfeld zu investieren. Ziel ist es, durch eine bessere Verteilung von Ressourcen das Umfeld im Rechtskampf, bei der Organisation des Außenauftritts, in der Pressearbeit und der Logistik zu unterstützen und so Vertrauen aufzubauen.
Nur so verliert auch das Umfeld seine Scheu und legt die oft überzogene und ressentimentgeladene Kritik am „feigen Parteifunktionär“ Partei ab. Viele rechte Politiker (als gute Beispiele seien hier Björn Höcke und Roger Beckamp genannt) unterstützen bereits immer wieder öffentlichkeitswirksam und kreativ gezielt das Umfeld. Sie weichen damit bereits vom Parlamentspatriotismus ab.
Wir müssen insbesondere in der AfD durch eine kritische Bewußtwerdung diese zarten Gehversuche zum starken Trend machen.
Die Verfassungsschutzbeobachtung und die ausgelöste Flucht der Zaghaften, namentlich Christian Klingen und Markus Bayerbach in Bayern der gesamten AfD-Fraktion im Landkreis Barnim, könnte ein Moment der Besinnung und des Strategiewechsels werden. Resignation und Radikalisierung oder eine Neuerfindung im Rahmen einer neuen Strategie – es sind Jahre der Entscheidung in der AfD.
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Lektüreempfehlung:
Benedikt Kaiser – Die Partei und ihr Vorfeld, reihe kaplaken bd 81 – 96 Seiten, 10 €.
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Sixtus
"Das setzt natürlich voraus, daß sich auch die rechten Bewegungen und die rechte Gegenöffentlichkeit vernünftig verhalten" - Und da liegt dann auch schon der Hund begraben. Natürlich braucht es für eine Partei, die in den Parlamenten sitzt und eine breitere Wählerschaft ansprechen will, gewissen Verhaltensregeln und auch "rote Linien" - sonst spielt man der Presse und dem Verfassungsschutz permanent in die Hände; das gilt dann umso mehr auch für das Umfeld, wenn dieses hilfreich und kein irrlichtender Störfaktor sein soll. Aber wichtig wäre es, in den größeren Medien mit schlagfertigem, sympathischen Personal Präsenz zu zeigen, damit man dort überhaupt erst Positionen und Argumente vorbringen kann - Ihre Auftritte, Hr. Sellner, bei Servus TV oder auch die Diskussion mit Gunnar Kaiser fand ich absolut bemerkenswert; Hr. Zemmour leistet das in Frankreich ja auch vorbildlich. Ich weiß nicht, ob die IB in Deutschland geeignete Figuren dafür hat, die AfD hätte ein paar, die aber leider auf Bundesebene bislang nich durchdringen.