Das pandemische Regiment

von Leon Wilhelm Plöcks

PDF der Druckfassung aus Sezession 102/ Juni 2021

Zwei Fra­gen kön­nen und sol­len hier nicht beant­wor­tet wer­den. Ers­tens: Wie gefähr­lich ist SARS-CoV‑2 – aus einer um Auf­rich­tig­keit und Neu­tra­li­tät bemüh­ten wis­sen­schaft­li­chen Sicht – wirk­lich? Zwei­tens: Hat sich das Virus natür­lich ver­brei­tet oder gelang­te es auf ande­re Wei­se, etwa durch einen Unfall oder eine ziel­ge­rich­te­te Ope­ra­ti­on, in die Umwelt? Die Exis­tenz des Virus kann eben­so wie die Tat­sa­che, daß es im Ein­zel­fall schwe­re bis lebens­ge­fähr­li­che Sym­pto­me ver­ur­sa­chen kann, schwer­lich geleug­net wer­den. Vie­le Men­schen ver­su­chen daher, sich im All­tag vor Anste­ckung zu schützen.

Eine Fol­ge ist, daß die zur Ein­däm­mung der Virus­über­tra­gung, wie es unab­läs­sig heißt, staat­lich ver­ord­ne­ten Maß­nah­men mitt­ler­wei­le erheb­li­che nega­tiv erleb­te Aus­wir­kun­gen jen­seits des Medi­zi­ni­schen haben. In den fol­gen­den Refle­xio­nen geht es um die Fra­ge, wel­che Aus­wir­kun­gen dies sind und ob und in wel­chem Maße die­se kei­nen Kol­la­te­ral­scha­den dar­stel­len, son­dern mit einer Agen­da korrespondieren.

Das pan­de­mi­sche Regi­ment – ein Begriffs­vor­schlag für das pan­de­mie­be­grün­de­te Regie­ren mit dem (nicht im) per­ma­nen­ten Aus­nah­me­zu­stand – setzt offe­ner als jemals zuvor in der Nach­kriegs­ge­schich­te demo­kra­ti­sche Prin­zi­pi­en und Grund­rech­te außer Kraft. Wie sonst soll­te man die­se Ein­grif­fe begrün­den, ohne hier­durch nen­nens­wer­ten Wider­stand her­vor­zu­ru­fen, wenn nicht mit einem Krieg, einer exis­ten­ti­ell bedroh­li­chen Natur­ka­ta­stro­phe oder eben einer Pan­de­mie? Es wäre naiv, anzu­neh­men, daß es in die­ser oder irgend­ei­ner ande­ren Hin­sicht so etwas wie eine Rück­kehr zur Nor­ma­li­tät geben wird, wenn die magi­sche Zif­fer der Inzi­denz dies erlaubt. Der Aus­nah­me­zu­stand wird zum Nor­mal­zu­stand wer­den, und inso­fern wird sich grund­le­gend ver­än­dern, was wir unter der Nor­ma­li­tät unse­rer Exis­tenz (zu) ver­ste­hen (haben).

Die Fra­ge ist nur, ob die meis­ten Men­schen das auch so emp­fin­den wer­den, denn sie durch­lau­fen gegen­wär­tig so etwas wie ein umfas­sen­des Erzie­hungs­pro­gramm (oder genau­er eine Pha­se des­sel­ben) für die neue, post­pan­de­mi­sche Welt. Die­ses Pro­gramm ist ein bio- und informations‑, noch mehr aber ein psy­cho­po­li­ti­sches. Durch Psy­cho­po­li­tik wer­den psy­chi­sche Struk­tu­ren und ­Dyna­mi­ken mani­pu­la­tiv miß­braucht oder ver­än­dert, um bestimm­te Macht­zie­le zu errei­chen. Dahin­ter steht ein simp­les Prin­zip: Wer die Welt wirk­lich dau­er­haft und grund­le­gend ver­än­dern will, muß den Men­schen ver­än­dern, statt nur bei den Struk­tu­ren und Orga­ni­sa­ti­ons­for­men anzu­set­zen, in denen er lebt. Je tie­fer die psy­chi­schen Schich­ten sind, in die psy­cho­po­li­ti­sche Inter­ven­tio­nen ein­grei­fen, des­to grund­le­gen­der sind die Aus­wir­kun­gen nicht nur auf die indi­vi­du­el­le und kol­lek­ti­ve Psy­che, son­dern hier­durch auch auf das gesam­te sozio­kul­tu­rel­le, poli­ti­sche und wirt­schaft­li­che Leben.

Wenn wir die Fol­gen der »Pan­de­mi­sie­rung« aller Daseins­be­rei­che wirk­lich erfas­sen wol­len, müs­sen wir sie daher unter psy­cho­po­li­ti­schen Gesichts­punk­ten betrach­ten. Da Psy­cho­po­li­tik immer von Macht­in­ter­es­sen ange­lei­tet ist, stellt sich zudem die Fra­ge, ob das pan­de­mi­sche Regi­ment Teil der Agen­da eines Macht­pro­jek­tes ist. Wir müs­sen also fra­gen, inwie­fern den im Zuge der aus­ge­ru­fe­nen Pan­de­mie schon heu­te zu dia­gnos­ti­zie­ren­den oder für die Zukunft zu erwar­ten­den Ver­än­de­run­gen (auf indi­vi­du­al- und kol­lek­tiv­psy­chi­scher, sozia­ler, gesell­schaft­li­cher, poli­ti­scher, kul­tu­rel­ler und wirt­schaft­li­cher Ebe­ne) bestimm­te Absich­ten zugrun­de lie­gen, die von medi­zi­ni­schen Erwä­gun­gen oder Not­wen­dig­kei­ten unab­hän­gig sind.

Dient die pan­de­mi­sche Psy­cho­po­li­tik also im wesent­li­chen der Ein­däm­mung des SARS-CoV-2-­Vi­rus oder ist sie (auch oder sogar vor­wie­gend) von ande­ren Moti­ven gelei­tet? Da wir es mit sehr weit­rei­chen­den und viel­ge­stal­ti­gen Ver­än­de­run­gen inner­halb eines grö­ße­ren zeit­li­chen und ent­wick­lungs­mä­ßi­gen Zusam­men­hangs zu tun haben, stellt sich schlu­ßend­lich auch die Fra­ge, ob die Pan­de­mie nur eine Wel­le einer grund­le­gen­den Trans­for­ma­ti­on der mensch­li­chen Ver­faßt­heit und Daseins­form ist, die mit ihr weder begann noch endet. Die Art der Fra­ge­stel­lung ver­weist schon auf die Ten­denz, die bei­den genann­ten Fra­gen ein­deu­tig mit einem »Ja« zu beantworten.

Der Begriff der Wel­le ist sorg­sam gewählt, denn er hebt den peri­odi­schen und den ener­ge­ti­schen Cha­rak­ter der Trans­for­ma­ti­on her­vor, von der hier die Rede ist. Pha­sen gro­ßer Trans­for­ma­ti­ons­pro­zes­se, wie wir gegen­wär­tig eine erle­ben, voll­zie­hen sich in einem Ener­gie- oder Kräf­te­feld, in dem absichts­voll und plan­mä­ßig erzeug­te Impul­se stets mit spon­ta­nen, unvor­her­seh­ba­ren und unbe­re­chen­ba­ren Impul­sen kon­kur­rie­ren, koope­rie­ren oder syn­er­ge­tisch ver­schmel­zen, um wie­der­um neue Impul­se her­vor­zu­brin­gen usf. In einem sol­chen Feld arbei­ten Macht­pro­jek­te mit stra­te­gisch geplan­ten Ope­ra­tio­nen eben­so wie mit Gele­gen­hei­ten. Tref­fen stra­te­gisch gesetz­te Impul­se auf erheb­li­che Reso­nan­zen im Feld, ver­grö­ßern sie sich zu einer Wel­le, deren Eigen­dy­na­mik in kur­zer Zeit enor­me Ver­än­de­run­gen zu erzeu­gen vermag.

Der Grund ist, daß ziel­ge­rich­te­te Inter­ven­tio­nen durch schlum­mern­de, aber bereits zur Wir­kung drän­gen­de mäch­ti­ge Energie­potentiale um ein Viel­fa­ches ver­stärkt wer­den. Nur so ist bei­spiels­wei­se zu erklä­ren, daß sich Deutsch­land seit Beginn der soge­nann­ten Flücht­lings­kri­se in einem zuvor kaum vor­stell­ba­ren Maße und in kür­zes­ter Zeit so grund­le­gend ver­än­dert hat. Auch die Pan­de­mie-Wel­le speist sich aus all den Kräf­ten, die schon auf eine Kon­stel­la­ti­on, wie sie gegen­wär­tig durch die Pan­de­mie gege­ben ist, gewar­tet haben und die sich nun inner­halb des Fel­des zu einer Bewe­gung ver­bin­den, die stark genug ist, eine neue Welt zu erzeu­gen und die alte in einer Flut mit sich zu reißen.

Auf­grund des hier beschrie­be­nen Feld­cha­rak­ters wird man die Pan­de­mie als Pha­se eines Macht­pro­jek­tes nicht mit ein­fa­chen Kau­sa­li­täts­ket­ten erfas­sen und nicht erschöp­fend auf die kon­kre­ten Akti­vi­tä­ten einer klar und ein­deu­tig iden­ti­fi­zier­ba­ren, sta­tisch fest­ge­leg­ten Grup­pe zurück­füh­ren kön­nen, wie dies Ver­schwö­rungs­theo­rien ver­su­chen. Und den­noch: Wir haben es ganz sicher mit mani­pu­la­tiv begab­ten Intel­li­gen­zen zu tun, die wis­sen, wie man für die Erzeu­gung einer Trans­for­ma­ti­ons­wel­le benö­tig­te Reso­nan­zen durch Infor­ma­ti­ons- und Psy­cho­po­li­tik her­vor­ruft und kanalisiert.

Betrach­ten wir die Pan­de­mie als Pha­se eines Macht­pro­jek­tes, kann eine rea­lis­ti­sche Pro­gno­se der durch sie bewirk­ten Ent­wick­lun­gen Hin­wei­se auf des­sen Ziel­set­zun­gen geben. An die­ser Stel­le ist natür­lich nicht mehr als eine sehr unvoll­stän­di­ge Skiz­ze mög­lich. Unter pan­de­mi­schen Bedin­gun­gen endet die Welt an den Gren­zen des eige­nen Kör­pers, die es gegen Viren als sub­ver­si­ve Ein­dring­lin­ge zu ver­tei­di­gen gilt. Der Kör­per wird zum Syn­onym für mensch­li­che Begrenzt­heit, End­lich­keit und Schwä­che. Da Ent­gren­zung das zen­tra­le Nar­ra­tiv des post­mo­der­nen Den­kens ist, wird der Kör­per auf die­se Wei­se unter kri­sen­haf­ter Zuspit­zung als ihr letz­tes gro­ßes Hin­der­nis erlebt.

Die reflek­to­ri­sche Fol­ge wird nicht nur eine wei­te­re Ver­stär­kung des post­mo­der­nen Ent­gren­zungs­pa­ra­dig­mas und sei­ner psy­cho­po­li­ti­schen Durch­set­zungs­stra­te­gien, son­dern zugleich ein enor­mer Anschub für die Ent­wick­lung und die Anwen­dung sämt­li­cher Tech­no­lo­gien sein, die den Men­schen von sei­ner bio­lo­gi­schen Ver­faßt­heit und Prä­senz unab­hän­gi­ger machen. Neben tota­ler Digi­ta­li­sie­rung ver­wei­sen Stich­wor­te wie künst­li­che Intel­li­genz, Cybor­gi­sie­rung und Robo­ter­i­sie­rung, Aug­men­ted Rea­li­ty und Mind Uploa­ding auf die Opti­mie­rung des Men­schen und die Kon­ver­genz von Mensch und Tech­nik, die von soge­nann­ten trans­humanistischen Den­kern, Ent­wick­lern und Orga­ni­sa­tio­nen ange­strebt wer­den. Wohl­ge­merkt geht es hier nicht nur um Phi­lo­so­phie, son­dern um die Ent­wick­lung von Tech­no­lo­gien mit Milliardenetats.

Hier­durch soll ein Wesen ent­ste­hen, das sich aller Begren­zun­gen des bis­he­ri­gen Men­schen ent­le­digt hat. Wer einen neu­en Men­schen, der eigent­lich kein Mensch mehr ist, erschaf­fen will, braucht natür­lich die Bereit­schaft vie­ler Men­schen, sich ohne nen­nens­wer­ten Wider­stand dar­auf ein­zu­las­sen. Die infor­ma­ti­ons- und psy­cho­po­li­ti­sche Instru­men­ta­li­sie­rung der Pan­de­mie erzeugt hier­für wich­ti­ge Voraussetzungen.

Die skiz­zier­ten Ent­wick­lun­gen wer­den wech­sel­wirk­sam ver­stärkt durch die pan­de­misch ein­ge­üb­te sozia­le Distan­zie­rung. Hier­durch wer­den für die Post­mo­der­ne cha­rak­te­ris­ti­sche psy­chi­sche und sozia­le Pro­zes­se eine ganz neue Dimen­si­on errei­chen. Zu die­sen gehö­ren sozi­al­au­tis­ti­sche Phä­no­me­ne wie Ato­mi­sie­rung, also die Auf­lö­sung lang­fris­ti­ger sozia­ler Zuge­hö­rig­kei­ten (bei­spiels­wei­se zu einem Volk), Ver­ein­ze­lung und Iden­ti­täts­dif­fu­si­on (Zer­split­te­rung der Ich-Iden­ti­tät auf­grund von anhal­ten­den Zwei­feln an der sozia­len, eth­ni­schen etc. Identität).

Tota­le Digi­ta­li­sie­rung und die Aus­brei­tung trans­hu­ma­nis­ti­scher Tech­no­lo­gien wer­den mit dis­so­zia­ti­ven Phä­no­me­nen wie Deper­so­na­li­sa­ti­on (sich fremd im eige­nen Kör­per füh­len) und Derea­li­sa­ti­on (die mate­ri­el­le Umwelt erscheint fremd und unwirk­lich) ein­her­ge­hen. Dem post­pan­de­mi­schen Men­schen wer­den dem­zu­fol­ge kol­lek­ti­ve Iden­ti­tä­ten und dau­er­haf­te sozia­le Bin­dun­gen eben­so fremd sein wie der eige­ne Kör­per und die natür­li­che Umwelt. Und selbst­ver­ständ­lich wird er in der Illu­si­on leben, sein eige­ner Gott zu sein, und dabei über­se­hen, in wel­chem Maße er in Wahr­heit das Geschöpf sei­ner sich gott­gleich wäh­nen­den Archi­tek­ten ist.

Da all das zumin­dest in einer Über­gangs­pha­se von vie­len Men­schen als kri­sen­haft erlebt wer­den wird, kommt es zu dem bereits jetzt fest­zu­stel­len­den rasan­ten Anstieg von Angst- und Depres­si­ons­syn­dro­men. Men­schen, die an sol­chen Sym­pto­men lei­den, sind wenig geeig­net, Wider­stand zu leis­ten oder zu orga­ni­sie­ren, und psy­cho­po­li­tisch sehr viel leich­ter manipulierbar.

Vor­geb­lich um die Aus­brei­tung des Virus dau­er­haft zu kon­trol­lie­ren, wer­den die bereits vor­han­de­nen, unter Beru­fung auf einen ande­ren macht­stra­te­gisch design­ten Aus­nah­me­zu­stand (9 / 11, »War on Ter­ror«) ent­wi­ckel­ten For­men der Über­wa­chung zu einem lücken­lo­sen Sys­tem aus­ge­baut und mit tech­ni­schen Inno­va­tio­nen opti­miert. Sämt­li­che klei­ne­ren wer­den sich, unge­ach­tet ent­ge­gen­ge­setz­ter, vor­über­ge­hen­der Refle­xe, in immer grö­ße­ren Ord­nun­gen und Orga­ni­sa­ti­ons­for­men auf­lö­sen, die zum glo­bal govern­ment (unter Füh­rung der USA oder Chi­na) tendieren.

Im Wirt­schafts­be­reich wird sich, das ist schon jetzt mehr als offen­sicht­lich, eine immer klei­ne­re Zahl immer grö­ße­rer glo­ba­ler Play­er durch­set­zen, wäh­rend die klei­ne­ren und regio­na­len ver­schwin­den oder von ihnen absor­biert wer­den. Es ver­steht sich von selbst, daß sich im Zuge sämt­li­cher hier ange­deu­te­ter Ent­wick­lun­gen his­to­risch gewach­se­ne Gemein­schaf­ten wie Völ­ker voll­ends in ent­grenz­ten digi­ta­len Netz­wer­ken auf­lö­sen wer­den und so die post­na­tio­na­le und post­eth­ni­sche Welt­ord­nung und ‑kul­tur ihrer Voll­endung entgegengeht.

Die­se lücken­haf­te, rea­lis­tisch begrün­de­te Pro­gno­se ver­rät uns im Grun­de schon, mit wel­cher Art von Macht­pro­jekt wir es zu tun haben. In die­sem gehen post­mo­der­nis­ti­sche und neo­li­be­ral-glo­ba­lis­ti­sche mit trans­hu­ma­nis­ti­schen Kon­zep­tio­nen und Trans­for­ma­ti­ons­zie­len eine Syn­the­se ein. Die Alli­anz der kul­tu­rel­len Lin­ken und des angel­säch­si­schen, neo­li­be­ra­len Kapi­ta­lis­mus wird im Zuge der pan­de­mi­schen Wel­le um einen star­ken trans­hu­ma­nis­ti­schen Aspekt ergänzt.

Das pan­de­mi­sche Regi­ment ist Regie­ren mit dem Aus­nah­me­zu­stand und mit der psy­cho­po­li­tisch instru­men­ta­li­sier­ten Angst. Von jeher ken­nen Macht­kon­zen­tra­tio­nen kein wir­kungs­vol­le­res Mit­tel zur Durch­set­zung ihrer Zie­le als die Instru­men­ta­li­sie­rung mensch­li­cher Ängs­te. Mensch­li­che Indi­vi­du­en und Grup­pen sind durch nichts ande­res so wir­kungs­voll zu mani­pu­lie­ren wie durch psycho- und infor­ma­ti­ons­po­li­ti­sche Akti­vie­rung und Steue­rung ihrer Urängste.

Zu die­sen gehö­ren die Angst vor Aus­lö­schung, vor dem Tod also, und die Angst vor dem Ver­lust der kör­per­li­chen oder psy­chi­schen Inte­gri­tät und Auto­no­mie, mit­hin vor feind­li­cher Inva­si­on und Aggres­si­on. Es bedarf kei­ner beson­de­ren Erklä­rung, um fest­zu­stel­len, daß die Angst vor Anste­ckung mit SARS-CoV‑2 und ihren mög­li­chen Fol­gen die­se bei­den Urängs­te aktiviert.

Die sozia­le Distan­zie­rung im Zuge der Coro­na-Maß­nah­men weckt eine der ande­ren Urängs­te, nament­lich die Angst vor Ver­lust der sozia­len Ver­bun­den­heit. In der »pan­de­mi­sier­ten« Welt wird die eine gegen die ande­re Angst aus­ge­spielt. Die all­ge­gen­wär­ti­ge Bot­schaft lau­tet: Wenn du nicht dei­nen oder den Tod dei­ner Mit­men­schen ris­kie­ren willst, mußt du sozia­le Kon­tak­te mei­den. Hier­in ist aber auch fol­gen­de indi­rek­te, über unbe­wuß­te Kanä­le ver­mit­tel­te Auf­for­de­rung ent­hal­ten: Über­win­de dei­ne Ängs­te vor Ver­ein­ze­lung, die durch die Distan­zie­rungs­pflicht geweckt wer­den mögen, um dein Leben und das ande­rer zu schützen.

Das blo­ße Leben wird, und zwar inner­halb eines Bedro­hungs­sze­na­ri­os, vor­über­ge­hend zum allei­ni­gen Maß­stab erklärt. Geis­tig-see­li­sche und sozio­kul­tu­rel­le Daseins­aspek­te, Wer­te und Bedürf­nis­se ver­lie­ren, wenn die­ser Zustand län­ger anhält, an Bedeu­tung und Sub­stanz. Kommt dann ein neu­es Sinn­an­ge­bot, wer­den die Men­schen um so berei­ter sein, die­ses zu akzeptieren.

Der von den Herr­schen­den aus­ge­ru­fe­ne Gesund­heits­not­stand dient ihnen als Recht­fer­ti­gung für die fort­ge­setz­te Ver­län­ge­rung eines Aus­nah­me­zu­stands, der das »juris­tisch-poli­ti­sche […] Dis­po­si­tiv der Gro­ßen Trans­for­ma­ti­on« (Gior­gio Agam­ben) dar­stellt. Mit Hil­fe die­ses neu­en Para­dig­mas der Herr­schaft in demo­kra­ti­schen Staa­ten wird ein mani­pu­la­ti­ves Pro­gramm aus­ge­führt, das die ihm unter­stell­ten Men­schen – ähn­lich wie das Virus den befal­le­nen Wirts­or­ga­nis­mus zur Repro­duk­ti­on sei­ner DNS ver­an­laßt – zur Repro­duk­ti­on von Ver­hal­tens- und Denk­wei­sen zwingt, die ihrem Wesen fremd sind. Die pan­de­mi­sche Gesell­schaft wird zu einem Labo­ra­to­ri­um und Trai­nings­la­ger des »neu­en Menschen«.

So wird in einem Tem­po und einem Aus­maß, die ohne das pan­de­mi­sche Regi­ment völ­lig undenk­bar wären, nichts Gerin­ge­res als die Trans­for­ma­ti­on in eine neue mensch­li­che Daseins­form vor­an­ge­trie­ben. Der Pan­de­mie als Wel­le eines Trans­for­ma­ti­ons- und als Pha­se eines Macht­pro­jek­tes wohnt jedoch die Mög­lich­keit ihres eige­nen Kol­lap­ses inne. Denn Lock­down, Home Office, sozia­le Distan­zie­rung und kri­sen­haf­tes Erle­ben haben das Poten­ti­al, bei vie­len Men­schen Pro­zes­se des Inne­hal­tens und der Selbst­re­fle­xi­on ein­zu­lei­ten. Vie­le mögen sich dabei auch die Fra­ge stel­len, in wel­cher Welt sie eigent­lich leben wollen.

Das Resul­tat die­ser Pro­zes­se ist kei­nes­wegs leicht bere­chen­bar. Die pan­de­mi­sche Exis­tenz­form ist poten­ti­ell also auch eine wider­stän­di­sche. Im Grun­de genom­men stellt uns die Pan­de­mie vor eine denk­bar grund­sätz­li­che Wahl: Wol­len wir in Zukunft gen­op­ti­mier­te iden­ti­täts- und geschichts­lo­se Cyborgs sein, die in vir­tu­el­len Wel­ten leben und die Macht an Maschi­nen (und eine klei­ne sie steu­ern­de Eli­te) über­tra­gen, oder akzep­tie­ren wir, daß wir geschicht­li­che Wesen mit einem sterb­li­chen Kör­per und einer unsterb­li­chen See­le sind, die in dem so ent­ste­hen­den Span­nungs­ver­hält­nis eine spi­ri­tu­el­le Evo­lu­ti­on durch­lau­fen, die durch kei­ne Tech­no­lo­gie ersetzt wer­den kann? Die Mensch­heit befin­det sich also wahr­haf­tig an einem der Schei­de­we­ge ihrer Geschichte.

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