Fast ausnahmslos bedeutet aber: Es gibt Ausnahmen, es gibt qualitativ empfehlenswerte Romane von rechts, die für eine Vereinnahmung geschrieben wurden und ihre Leser in diesem Lager finden. Solche Romane haben thematische Eindeutigkeit, Szeneanspielungen, Weltanschauungsaura zu bieten, und die Autoren haben ihre Bücher genau so an- und damit festgelegt. Vier Beispiele:
1. Guerilla von Laurent Obertone ist in der Übersetzung aus dem Französischen bei Antaios erschienen. Die Auflage geht zur Neige, in Frankreich war das Buch ein Bestseller, hier hat es sich ordentlich verkauft. Guerilla ist eine harte Dystopie aus rechter Sicht. Ethno-soziale Unruhen eskalieren und münden buchstäblich in die Überwältigung von Paris. Stadt, Polizei, Behörden, der Franzose an sich haben der zerstörerischen Eroberungswut aus den Banlieues nichts mehr entgegenzusetzen.
Es ist die klassische Ausgangsposition “Wir und die anderen”, es gibt Widerstandsnester, es wird zu lange gezögert und gezaudert, es fehlt an Männlichkeit, Bewaffnung, Mut zur Härte. Die Gutmenschen werden trotz aller gutmenschlichen Anbiederungsbereitschaft genauso als läppische Franzosen beiseitegefegt wie diejenigen, die sich keine Illusionen machten. Die Identitäre Bewegung sieht sich in allen Prognosen bestätigt, demonstriert betont gewaltfrei in einer Nebenstraße und wird dennoch von der Polizei als leichtester aller Störenfriede in den Rinnstein gedroschen.
Der Stil ist rasant, das Personaltableau an Raspail geschult, das Ergebnis der heroische Einzelne, der verlorene Posten, die schockartige Desillusionierung. Guerilla – es gibt gemessen an diesem Roman jede Menge billige Brüder, geschrieben nach Schema F, pro Monat liegt uns ein solches Manuskript vor. Wir nennen sie Kollapspornos.
2. Der Casa-Pound-Roman Wer gegen uns erschien noch bei Antaios: hart, neofaschistisch, italienisches Skin-Milieu, geschrieben über und für ein Szeneprojekt, das ausstrahlte, aber nicht übertragbar war: Rom ist eng, die Casa Pound, dieses besetzte Haus, war ein Ort, ein Abenteuer, die soziale Frage in Italien eine fundamental andere als bei uns.
Wer gegen uns erzählt vom Druck und von erkämpftem Freiraum. Europa Power Brutal aus der Feder John Hoewers ist eine der möglichen deutschen Varianten. Dieser Roman ist bei Jungeuropa erschienen und ein literarischer Erfolg.
Hoewers Protagonisten sind nicht karg ausgestattet, nicht auf den Kampf um ein Haus, einen Stadtteil, ein Weniges beschränkt, sondern eher Schaulustige, Wahrnehmer – natürlich irgendwie angegriffen, unbehaust, zwischen Baum und Borke, aber viel mit Kleidung, Biersorten, Reisen, Suff beschäftigt.
Das ist Christian Kracht von rechts und das ist wirklich eine deutsche Blaupause: privilegiert ausgestattete Sinnsuche zwischen Zynismus, Ehrlichkeit gegen sich selbst und einer verblüffenden Sorglosigkeit. Für die rechte Szene, zumal die im Roman beschriebene nicht-radikale, eher bürgerlich-stylische, ist nämlich von der AfD ein Jobmotor angeworfen worden, der den äußeren Leidensdruck pulverisiert hat. Selbst beruflich kann man mittlerweile tingeln, und zwar in Zusammenhängen, die mit dem Zwang zum Plus (und dadurch mit einer Disziplinierung per se) nichts zu tun haben.
Auch insofern ist Europa Power Brutal ein sehr ehrliches Buch: Es tut nicht so, als ginge es um einen entscheidenden Kampf, um eine aussichtslose, aber heroische Haltung oder um eine politisch-subversive Zähigkeit. Es geht nämlich nur um etwas von dem, was als “wahres Leben im falschen Ganzen” von jeder an der Verzweiflungsgrenze existierenden Gruppe durchdekliniert wird.
3. Weit von der Verzweiflungsgrenze entfernt agiert Familie Gottmann, über deren Fall und Aufstieg in einem ganz auf Dur gestimmten Roman berichtet wird. Das Milieu ist klassisch: Wiener Burschenschafterszene, darin der Arzt Gottmann, politisch, weil Boomer, also aneckend. Finanzielle Engpässe verhindern eine Fahrt ins Wochenendhaus, man überrascht nun in der Stadtvilla ein Einbrechertrio, schießt nieder, wird niedergestochen, erkämpft sich einen Freispruch undsoweiter.
Warum Antaios diesen Roman aus der Vielzahl an initiativ eingereichten, also nicht-angeforderten Manuskripten auswählte? Der Ton ist anders. Schabernack steckt darin, szenische Komik, die Figuren sind nicht eindimensional, sondern modern gebrochen in aller Sorglosigkeit einer institutionellen Zugehörigkeit, die es so wohl nur noch in Wien gibt, allenfalls in Ansätzen in München oder Hamburg – ganz sicher aber nicht in Berlin.
Der Roman hat etwas Lapidares, die Familie ist die “kleine Kampfgemeinschaft”, ohne daß dies benannt, überhöht, beschworen oder eindimensional notiert wäre.
4. Fehlt noch der historische Roman. Bei Arnshaugk, einem Verlag wie ein Faktotum, ist von Konstantin Fechter der Roman Ober Ost erschienen. Die Handlung ist unmittelbar nach dem Ende des I. Weltkriegs angesiedelt, der – wie wir, also: die Leser von rechts, wissen – im Osten ganz und gar nicht vorbei war.
Ober Ost beschreibt die Suche eines kleinen Trupps, der einen zwar erfolgreich agierenden, aber augenscheinlich verrückt gewordenen Oberst aufspüren und ihm das Handwerk legen soll. Historische Figuren treten auf, der Fähnrich v. Salomon beispielsweise, und die Geschichte liest sich spannend, weil auch das Colorit stimmt.
Rudimentäre literarische Bildung oder die Kenntnis eines Filmklassikers verfeinern die Lektüre: Joseph Conrads Herz der Finsternis beschrieb die Suche nach einem verschollenen Handelsvertreter tief den Kongo hinauf, Apocalypse Now übersetzte den Roman kongenial nach Vietnam, und nun will also im Baltikum ein deutscher Offizier wie eine Schnecke auf der Schneide des Messers entlangkriechen und überleben…
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Guerilla von Laurent Obertone – hier bestellen;
Wer gegen uns von Domenico de Tullio – hier bestellen;
Europa Power Brutal von John Hoewer – hier bestellen;
Fall und Aufstieg der Familie Gottmann von Rudolf Preyer – hier bestellen;
Ober Ost von Konstantin Fechter – hier bestellen.
Isarpreiss
Stilistisch war der Roman über die Familie Gottmann eher mittelmäßig.